L 1 R 29/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 354/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 29/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
AAÜG, fiktive Einbeziehung, betriebliche Voraussetzung, VEB Geophysik Leipzig
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. November 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversersorgung der technischen Intelligenz (AVItech) festzustellen.

Der 1945 geborene Kläger bestand 1969 an der Karl-Marx-Universität die Abschlussprüfung für Geophysik-Ingenieure. Daraufhin wurde ihm an diesem Tag ein Abschlusszeugnis als Geophysik-Ingenieur erteilt. Seit dem 16. September 1969 war er als Interpretator und stellvertretender Truppleiter in verschiedenen seismographischen Messtrupps tätig, bis er am 01. März 1972 eine Tätigkeit als Ausbildungsingenieur und Leiter eines Messtrupps im VEB Geophysik Leipzig aufnahm. In diesem Betrieb war er aufgrund eines Änderungsvertrages vom 10. Oktober 1977 ab 01. September 1977 als Lehrobermeister in der Betriebsschule tätig und setzte diese Tätigkeit auf der Grundlage eines am 01. September 1980 geschlossenen Arbeitsvertrages für pädagogische Kräfte in den Einrichtungen der Berufsbildung fort. Mit Wirkung vom 01. Oktober 1985 bis über den 30. Juni 1990 hinaus war der Kläger wieder als Ausbildungsingenieur im VEB Geophysik Leipzig und dessen Rechtsnachfolgerin beschäftigt. Eine Zusatzversorgungszusage erhielt er während des Bestehens der DDR nicht.

Am 21. Dezember 2004 beantragte der Kläger die Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur AVItech. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. Januar 2005 mit der Begründung ab, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 03. Februar 2000 Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2005 mit der Begründung zurück, der VEB Geophysik Leipzig als Beschäftigungsbetrieb des Klägers sei kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, da ihm weder die industrielle Fertigung von Sachgütern noch die Massenproduktion von Bauwerken das Gepräge gegeben habe.

Dagegen hat der Kläger am 13. April 2005 beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und ergänzend unter anderem vorgetragen, der VEB Geophysik Leipzig sei dem Ministerium für Schwerindustrie untergeordnet und schon deshalb ein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen. Zudem habe es sich beim VEB Geophysik Leipzig um einen den Produktionsbetrieben der Industrie oder des Bauwesens gleichgestellten Betrieb gehandelt. Er habe nämlich geologische Untersuchungen durchgeführt und sei deshalb als Forschungsinstitut bzw. Versuchsstation zu bezeichnen.

Das SG hat Registerauszüge des VEB Geophysik Leipzig und der Geophysik GmbH sowie weitere Unterlagen beigezogen. Sodann hat es die Klage mit Urteil vom 27. November 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger sei im Juni 1990 nicht ingenieurtechnisch im Sinne der Versorgungsordnung der technischen Intelligenz, sondern vielmehr als Ausbilder in der berufspraktischen Lehrausbildung tätig gewesen. Denn als Lehrobermeister bzw. Ausbildungsingenieur habe die wesentliche Arbeitsaufgabe des Klägers in der Ausbildung der Lehrlinge zu Geologiefacharbeitern gelegen.

Gegen das ihm am 12. Januar 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15. Januar 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und unter anderem ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG hätten die sachlichen Voraussetzungen für seine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem vorgelegen. Insoweit reiche es aus, dass er im Rahmen seines Berufsbildes und keineswegs berufsfremd eingesetzt gewesen sei. Als Leiter eines Lehrmesstrupps habe zu seinen Hauptaufgaben die verfahrenstechnische Forschung gehört.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 27. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Zeitraum vom 16. September 1969 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem mit den während dieses Zeitraumes erzielten Arbeitsentgelten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Der Senat hat einen Auszug aus den Verfügungen und Mitteilungen des Staatssekretärs für Berufsbildung der DDR Nr. 14/80 vom 6. Oktober 1980 über die Rahmenfunktionspläne für leitende Mitarbeiter an Einrichtungen der Berufsbildung – Lehrobermeister – beigezogen und eine Auskunft aus dem Staatsarchiv Leipzig über den VEB Geophysik Leipzig eingeholt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide der Beklagten und das sie bestätigende Urteil des SG sind rechtmäßig und nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert ist.

Der Kläger hat gemäß § 8 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG, in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2007, BGBl. I S. 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech (Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.

1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – zitiert nach Juris, Rdnr. 19).

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.

Der Senat schließt sich nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG an, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (nachfolgend 2.). Im Ergebnis kommt es darauf aber nicht an, da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen hier nicht vorliegen (nachfolgend 3.).

2. Der Senat ist zum einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potentiell vom AAÜG ab 01. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber: BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O.). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme (erweiternde) Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum anderen ist der Senat der Ansicht, dass – wenn die Ansicht des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist – zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde, über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Auslegung vornehmen dürfen, sondern durch Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eine konkrete Normenkontrolle veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlauf des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R –, zitiert nach Juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es - wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.

a) In den Gesetzesmaterialien finden sich keine Hinweise dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BT-Drs. 12/405, S. 113, 146; BT-Drs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BT-Drs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dort dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BT-Drs. 12/405, S. 113). Jedoch ist aus der weiteren Gesetzesbegründung ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelfallprüfung und der Kostenerstattungen durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Zur Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (a.a.O., S. 146).

Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlauf von § 1 Abs. 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BT-Drs. 12/826 S. 21).

Der Gesetzgeber ging auch – soweit erkennbar – nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochenen Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BT-Drs 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BT-Drs 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BT-Drs 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.

b) Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 31/01 R –, a. a. O., S. 12).

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird jedoch verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z. B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 &9472; unter anderem, dokumentiert in Juris, Rdnr. 36).

Hier ist für den Senat bereits nicht nachvollziehbar, wieso das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a. a. O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 &9472;, dokumentiert in Juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.

Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990, jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten. Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a. a. O., Rdnr. 45):

"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BT-Drs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."

Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.

Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.

3. Aber auch wenn man der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgen würde, hat das Begehren des Klägers keinen Erfolg. Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844 – im Folgenden: VO-AVItech) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. DDR I, Nr. 62 S. 487 – im Folgenden: 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben.

In Anwendung dieser Maßstäbe hatte der Kläger am 01. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystems der AVItech. Es kann insoweit dahinstehen, ob der Kläger ingenieurtechnisch tätig gewesen ist und damit die sachliche Voraussetzung für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem vorgelegen hat. Denn jedenfalls erfüllte er am 30. Juni 1990 nicht die betrieblichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R –, SozR 3-8570 § 1 AAÜG, Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nur solche Betriebe, die auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sind und denen die Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 09. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, SozR 3-8570, § 1 Nr. 6 S. 47; BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R &9472; , dokumentiert in Juris). Inwieweit die Massenproduktion von Sachgütern dem jeweiligen VEB das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R &9472;;BSG, Urteil vom 06. Mai 2004 – B 4 RA 44/03 &9472; ).

Gemessen hieran handelte es sich beim VEB Geophysik Leipzig nicht um einen Produktionsbetrieb der Industrie. Denn diesem Betrieb hat die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern nicht das Gepräge gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem vom Senat eingeholten Auszug aus dem Staatsarchiv Leipzig über den VEB Geophysik Leipzig. Danach bestanden die Hauptaufgaben des Betriebes in der geophysikalischen Übersichtsvermessung der DDR und in Messungen zur Erforschung nutzbarer Lagerstätten. Dies spricht dagegen, dass die als industrielle Warenproduktion zu qualifizierende Serienherstellung von Sachgütern dem Betrieb das Gepräge gegeben hat.

Der VEB Geophysik Leipzig war auch kein volkseigener Produktionsbetrieb des Bauwesens. Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebes nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt, die dabei standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 08. Juni 2004 – B 4 RA 57/01 R &9472;, SozR 4-8570 § 1 Nr. 3 S. 20 f.). Der VEB Geophysik Leipzig war kein Produktionsbetrieb in diesem Sinne, denn er hat nicht massenhaft Bauwerke errichtet. Vielmehr lag sein Hauptzweck in der geophysikalischen Übersichtsvermessung der DDR und in Messungen zur Erforschung nutzbarer Lagerstätten.

Der VEB Geophysik Leipzig war auch kein einem volkseigenen Produktionsbetrieb gleichgestellter Betrieb, insbesondere kein Forschungsinstitut im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Forschungsinstitute im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2.DB Forschung betreibende selbständige Einrichtungen der Wirtschaft, deren Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene (wissenschaftliche) Forschung und Entwicklung ist. Diese Auslegung ergibt sich für das BSG auch aus der Präambel der VO–AVItech. In dieses Versorgungssystem sollten grundsätzlich nur solche Personen einbezogen werden, die für die Entwicklung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit und der Technik zuständig waren, also diejenigen, die mit ihrer "technischen" Qualifikation aktiv den Produktionsbetrieb, sei es in der Forschung oder bei der Produktion, förderten (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 4 RA 40/04 R –, zitiert nach Juris). Zu den durch § 1 Abs. 2 der 2. DB als Forschungsinstitute gleichgestellten Betrieben gehörten demnach vor allem volkseigene Betriebe, die nicht Produktionsbetriebe waren, aber deren Aufgabe die Forschung und Entwicklung war. Dass der VEB Geophysik Leipzig als tatsächlichen betrieblichen Hauptzweck die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung verfolgte, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr ergibt sich aus der vom Senat eingeholten Auskunft aus dem Staatsarchiv Leipzig, dass die Hauptaufgaben des Betriebes in der geophysikalischen Übersichtsvermessung der DDR und in Messungen zur Erforschung nutzbarer Lagerstätten bestanden. Zudem war das Aufgabenfeld des VEB Geophysik Leipzig ausweislich des Statuts vom 22. Januar 1985 durchaus weit gefächert und es gehörten neben der Forschung auch die Planung, Projektierung, Durchführung und Interpretation geophysikalischer Untersuchungsarbeiten, die Durchführung von Instandhaltungsmaßnahmen und Anpassungsarbeiten der geophysikalischen Maßausrüstungen, die Herstellung von Rationalisierungsmitteln und Konsumgütern sowie die rechentechnische Bearbeitung geophysikalischer und ökonomischer Daten zu den Aufgaben des Betriebes. Dies spricht dagegen, dass der Hauptzweck des Betriebes in der wissenschaftlichen Forschung und Entwicklung lag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.
Rechtskraft
Aus
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