Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 21/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 94/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch ionisierende Strahlen.
Der am ... 1969 geborene Kläger war vom 15. August 1988 bis 15. Oktober 1988 im Straßen- und Tiefbau tätig. In der Zeit vom 2. November 1988 bis 26. Januar 1990 absolvierte seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, während der Grundausbildung zunächst in B. und ab dem 26. November 1988 in K ... Dort war er als Funkorter am Flugabwehr-Raketensystem (FlaRak-System) S-125 tätig. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörte die Bedienung und Funktionsprüfung sowie die Wartung des Systems. Während eines 14-tägigen Raketentrainings war er in K. am FlaRak-System S-125 eingesetzt, wobei er die meiste Zeit an der Instandsetzung des Systems beteiligt war. Vom 26. Februar 1990 bis 23. Juli 1990 war er wiederum im Straßen- und Tiefbau beschäftigt. Vom 1. September 1990 bis 26. Mai 1996 studierte er an der Hochschule für Architektur und Bauwesen und vom 1. August 1996 bis 30. Juni 2000 war er als Bauleiter im Straßen- und Tiefbau tätig. Seit dem 1. Juli 2000 übte er die Tätigkeit eines Assistenten der Geschäftsleitung im Planungsbüro M. Ingenieurgesellschaft mbH aus.
Am 3. September 2003 zeigte der Kläger der Beklagten die Erkrankung an einem malignen Melanom am linken Oberarm an. Er führte diese Erkrankung auf ionisierende Strahlung zurück, der er bei seiner Tätigkeit am FlaRak-System S-125 ausgesetzt gewesen sei. Die Erkrankung habe erstmals die Fachärztin für Hautkrankheiten Dr. H. am 14. November 2002 festgestellt.
Die Beklagte zog diverse Befundberichte bei: Unter dem 15. Dezember 2003 gab die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. als Diagnose ein malignes Melanom am linken Oberarm an. Sie fügte einen Befundbericht der Ärztin Wilsch von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 29. November 2002 mit der Diagnose eines malignen Melanoms am linken Oberarm bei. Ferner lag ein Bericht von Prof. Dr. R. und Dr. B. vom Institut für Pathologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 28. November 2002 über die makroskopische und mikroskopische Untersuchung des Fettgewebes bei.
Unter dem 15. Dezember 2003 erreichte die Beklagte der Bericht von Dr. H., die als Befund ein malignes Melanom Stadium II a an der Innenseite des linken Oberarms angab. Arbeitsunfähigkeit habe vom 20. bis 29. November 2002 bestanden. Beigefügt war eine pathologische anatomische Begutachtung vom 30. Januar 2003 durch Prof. Dr. W., Gemeinschaftspraxis für Pathologie. Ferner erhielt die Beklagte den Befundbericht des Direktors der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. Prof. Dr. G. vom 17. Dezember 2003, der ein schwer klassifizierbares malignes Melanom diagnostizierte.
Unter dem 30. Juni 2004 teilte Dr. S. von der Wehrbereichsverwaltung Ost mit, die Bewertung der Arbeitsplatzverhältnisse am FlaRak-System S-125 habe ergeben, dass Operatoren des Sende- und Empfangszuges, wie der Kläger, nicht zum qualifizierten Personal der "Radartechniker" gehört hätten. Für alle Störstrahler sei eine Abschalteinrichtung wie der Interlockschalter vorhanden gewesen. Keine Körperbereiche seien gegen ionisierende Strahlung exponiert worden.
Unter dem 13. Mai 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, während seiner Tätigkeit in K. sei er als Bedienpersonal für das Lenken und Leiten der Flugabwehrraketen tätig gewesen. Auf einen 10-tägigen Bereitschaftsdienst sei ein 10-tägiger Dienst andern Orts gefolgt. Während des Bereitschaftsdienstes habe er sich ständig in der Nähe der Radaranlage aufgehalten und die Nächte in der Nähe der Technik in einem Bunker verbracht. Tagsüber habe er Trockenübungen und Reinigungsarbeiten an der Anlage vorgenommen. Während der Wartung der Anlage habe er als Hilfsmechaniker u. a. Material wie Röhren zugereicht. In K. habe er kurz nach seiner Ankunft an der Reparatur des FlaRak-Systems S 125 als Hilfsmechaniker mithelfen müssen.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 lehnte es die Beklagte ab, eine Berufskrankheit der Nr. 2402 anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Den hiergegen am 5. August 2004 erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem Widerspruchsbescheid vom 9. März 2005 zurück und führte im Wesentlichen aus, das Radargerät habe über eine Abschaltautomatik an den Türen verfügt. Damit sei ein Öffnen der Senderschränke im laufenden Sendebetrieb des Radargerätes zwecks Wartung und Reparatur nicht möglich gewesen. Der Kläger sei nicht als Radartechniker oder als Unterstützungspersonal tätig gewesen. Daher sei er Röntgenstrahlen nicht ausgesetzt gewesen. Messungen am Gerät hätten keine sonstige Strahlenbelastung ergeben.
Mit der am 4. April 2005 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2402 weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat weitere Befundberichte von dem Facharzt für Dermatologie Dr. F. vom 25. November 2005, Dr. N. von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 14. November 2005, Dr. S., Oberarzt der Klinik für Diagnostische Radiologie der O.-v.-G.-Universität M., vom 28. Mai 2005, Prof. Dr. B., Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M., vom 3. Mai 2005 und Dr. H. vom 13. Dezember 2005 eingeholt.
Mit Urteil vom 8. Mai 2006 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Exposition des Klägers gegenüber ionisierenden Strahlen sei nicht nachgewiesen. Nach der eingeholten Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost lasse sich nicht nachweisen, dass das vom Kläger benutzte Radargerät geeignet gewesen sei, ionisierende Strahlen abzugeben. Zwar habe der Kläger nach dem Bericht der Radarkommission zu dem gefährdeten Personenkreis gehört. Das Radargerät S-125 habe aber über eine Abschalteinrichtung für alle Störstrahler verfügt. Daraus folge, dass keine Körperbereiche gegen ionisierende Strahlen exponiert gewesen seien.
Gegen das am 23. Juni 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Juli 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren berufen. Er hat weiter ausgeführt, die Radaranlage habe aus einer Art Auflieger wie bei einem Truck bestanden. Innerhalb dieses Aufliegers seien die Schränke links und rechts angebracht gewesen. In diesen Schränken hätten sich unter anderem Röhren und Technik befunden. Im Normalfall seien diese Schränke geschlossen gewesen. Während der achtstündigen Bereitschaft habe er vor einem der Schränke gesessen und über das Radargerät die Umgebung beobachtet bzw. die Rakete gelenkt. In K. seien die Schränke ab und an geöffnet gewesen, jedoch eher seltener. Dort sei er zwei- bis dreimal als Hilfsmechaniker tätig geworden und habe einem Techniker Ersatzteile gereicht. Währenddessen sei der Betrieb bei geöffneten Schränken weiter gelaufen. In K. habe das Radargerät S-125 nicht ordnungsgemäß funktioniert. Er habe bei der sieben- bis achttägigen Reparatur mitgewirkt. Dabei seien die Schränke bei laufendem Betrieb geöffnet gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 8. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2005 aufzuheben und eine Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der Verwaltungsakte und auf das Urteil des Sozialgerichts.
Der Berichterstatter hat von Dr. S. von der Wehrbereichsverwaltung Ost die Auskunft vom 14. April 2009 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, Grundlage seiner Ausführungen seien die Ermittlungen und Untersuchungsergebnisse der früheren ‚Arbeitsgruppe Radar’. Es seien technische Schutzeinrichtungen wie ein Blockierungsschalter vorhanden gewesen, welche im Betätigungsfalle, z. B. Herausziehen des Einschubs oder Öffnen der Abdeckung, eine Außerbetriebsetzung des Störstrahlers bewirkt hätten. Bereits das qualifizierte Fachpersonal sei nicht als strahlenexponiert bewertet worden. Als Bediener (Operator) im Sende-/Empfangszug habe der Kläger nicht zu dem qualifizierten Fachpersonal gehört. Eine Tätigkeit mit möglicher Strahlenexposition habe er nicht ausgeübt. Die Erkrankung des Klägers sei deshalb nicht auf ionisierende Strahlung ursächlich zurückzuführen.
Der Berichterstatter hat ferner von dem Vorsitzenden der ‚Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar’ der Strahlenmessstelle der Bundeswehr bei der Wehrbereichsverwaltung Nord Dr. S. die Auskunft vom 19. Juni 2009 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, zu den Arbeitsplatzverhältnissen und den möglichen Expositionen gegenüber ionisierender Strahlung ehemaliger Beschäftigter der NVA seien von der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar auf einzelne Geräte bezogene Untersuchungen durchgeführt und das Ergebnis in Form von Teilberichten vorgelegt worden, so auch zu dem FlaRak-System S-125. Die vom Kläger geschilderten Arbeiten seien örtlich der Gerätekabine UNK zuzuordnen (Teilbericht Abbildung 4 und Anhang Abbildung 1). Dort hätten sich alle für die Lagedarstellung und Gefechtsführung notwendigen Sicht- und Steuergeräte befunden. Ionisierende Strahlen könnten beim FlaRak-System nur von zu Bruch gegangenen oder unsachgemäß gehandhabten Elektronenröhren mit radioaktiven Stoffen und von Vakuumelektronenröhren als Störstrahler im Sinne der Röntgenverordnung emittiert werden. Als Störstrahler seien in dem FlaRak-System S-125 in den Gerätekabinen vier Bildröhren in den Konsolenarbeitsplätzen der Funkorter und eine Generatorröhre in einem als Schrank ausgeführten Sender eingebaut. Ferner befänden sich im Geräteblock UW-20 direkt unter der Antennengruppe des HF – Postens als Störstrahler ein Thyratron und ein Magnetron. Die Bildröhren seien aufgrund ihres Bauprinzips als großvolumige Vakuumbehälter zur Frontseite hin, an der die Betrachtung erfolge, als dickwandige Glasbehälter ausgelegt, die neben dem Implosionsschutz auch vollständigen Schutz gegen Röntgenstörstrahlung darstellten. Die in den Bildröhren entstehende Störstrahlung sei weich (energiearm) und werde durch die Glaswand der Röhre ausreichend abgeschirmt. Die im Abfragesender SKS eingebaute Generatorröhre habe ein Keramikgehäuse und die Anode sei zu Kühlzwecken als massive Metallabdeckung ausgelegt, so dass die im Inneren entstehende energiearme Röntgenstörstrahlung abgeschirmt werde. Bei dem Glaskolbenthyratron sei mit dem Auftreten von Störstrahlung in der Röhre zu rechnen. Aus Untersuchungen ähnlicher und in der Bauform äquivalenter Thyratrons habe sich ergeben, dass die Röntgenstörstrahlung an der scheibenförmigen Anode entstehe und in Form eines ebenen Fächers austreten könne. Eine Abschirmung der austretenden Röntgenstörstrahlung werde beispielsweise durch Metallhülsen erreicht, die jedoch konstruktiv zum Gerät gehörten und im Allgemeinen von einer offenen Einbauweise ausgingen. Diese Einbauweise habe zur Folge, dass das technische Personal aus Gründen des Hochspannungsschutzes bei Arbeiten an der geöffneten Baugruppe zu dem unter Hochspannung stehenden Thyratron einen möglichst großen Abstand einhalte, der dann auch dem Strahlenschutz diene. Die Baugruppe mit dem Thyratron enthalte neben dem Thyratron selbst noch weitere massive Bauteile, wie etwa den Impulstrafo, durch die die Röntgenstörstrahlung abgeschirmt werde. Expositionen Beschäftigter bei Arbeiten an der geöffneten Baugruppe könnten nur für Körperteile auftreten, die sich in Höhe der Anodenkappe befänden und die nicht durch andere Baugruppen abgedeckt seien. Magnetronröhren seien als massive Metallzylinder ausgelegt, die die im Inneren entstehende Röntgenstörstrahlung abschirmten. Schwachstellen dieser Abschirmung stellten lediglich die Hochspannungszuführung und das Austrittsfenster für die Mikrowellenleistung dar, an die das Hohlleitersystem der Antennenanlage angeschlossen werde. Die gesamte Röhre sei beim Betrieb in einen Magneten eingebaut, der eine weitere effektive Abschirmung darstelle. Bei Magnetronröhren trete Röntgenstörstrahlung allenfalls in Form räumlich eng begrenzter Strahlenbündel auf und die räumlichen Bereiche, in denen eine Exposition möglich sei, seien allenfalls für die Hände des an der Anlage arbeitenden Technikers erreichbar. Aus der auf die im FlaRak-System eingebauten Störstrahler bezogene Betrachtung ergebe sich, dass für den Kläger bei seinen Tätigkeiten in der Gerätekabine UNK eine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung auch bei Betrieb mit geöffneten Schränken auszuschließen sei. Obschon sich aus den Schilderungen des Klägers nicht ergebe, dass er auch am HF-Posten UNW, in dem das Thyratron und das Magnetron eingebaut gewesen seien, Unterstützungsarbeiten geleistet habe, ergebe sich selbst bei einer unterstellten Hilfsarbeit, die in der geschilderten Anreichung von Ersatzteilen bestanden habe, keine Tätigkeit mit Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung. Eine für Expositionen notwendige Nähe zum Thyratron wäre bei der unterstellten Betriebsweise mit geöffneten Türen oder Geräteklappen nur direkt vor der Baugruppe, also direkt am Platz des Technikers, nachvollziehbar.
Dem Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Az. 200300030690 vorgelegen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Erkrankung des Klägers an einem malignen Melanom als Berufskrankheit der Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Anzuwenden sind hier die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), weil der dem Anspruch des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall erst nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein könnte (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff., § 212 SGB VII). Denn er Kläger hat sich am 14. November 2002 zu Dr. H. in Behandlung begeben, die am linken Oberarm ein malignes Melanom festgestellt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits vor dem 1. Januar 1997 an einem malignen Melanom erkrankt war.
Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regeln § 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung der Anerkennung der hier strittigen Berufskrankheit Nr. 2402 ist das Vorliegen einer Erkrankung durch ionisierende Strahlen.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit Nr. 2402 müssten folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt gewesen sein, die eine Erkrankung hervorgerufen haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) bewiesen sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (siehe Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Als versicherte Tätigkeit, während deren Ausübung der Kläger ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen ist, kommt lediglich die Wehrpflicht des Klägers bei der NVA in Betracht. Dort war der Kläger als Operator in der mobilen Lenk- und Leitstelle in K. am Radargerät Waffensystem "Newa" tätig. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Wehrpflichtiger der NVA als Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne der Vorschriften des SGB VII gilt. Denn es fehlt vorliegend jedenfalls an dem Vollbeweis, dass er während der Ausübung seiner Wehrpflicht ionisierenden Strahlen ausgesetzt war.
Der Kläger war als Funkorter an dem FlaRak-System S-125 eingesetzt. Die Raketenleitstation S-125 bestand aus einem HF-Posten UNW mit den Radarsendern und der Antennenanlage sowie der auf einem Sattelauflieger befindlichen Gerätekabine UNK, in der sich der Arbeitsplatz des Klägers befand. Messungen von ionisierenden Strahlen am Arbeitsplatz des Klägers liegen keine. Zur Beurteilung von Gefährdungen durch ionisierende Strahlung und nichtionisierende Strahlung in und an radartechnischen Einrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee hatte die Wehrbereichsverwaltung die Arbeitsgruppe ‚Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar’ unter der Leitung des ORR Dr. S., Leiter der Strahlenmessstelle der Bundeswehr bei der Wehrbereichsverwaltung Nord, im Jahr 2002 eingesetzt. Diese hat in dem Bericht vom 15. März 2002 zur Exposition durch ionisierende Strahlung am Arbeitsplatz und in dem Teilbericht vom 21. März 2003 (nachfolgend Teilbericht) zum FlaRak-System S-125 zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen Stellung genommen. Unter Berücksichtigung dieser Berichte und der Ausführungen von ORR Dr. S. vom 19. Juni 2009 ist eine Exposition des Klägers durch ionisierende Strahlung an seinem Arbeitsplatz nicht nachgewiesen.
Als Ionisierende Strahlen kommen hier allein die Röntgenstrahlen in Betracht. Strahlenquellen am FlaRak-System S-125 sind die Störstrahler, bestehend aus mehreren Bildröhren, der Generatorröhre, dem Thyratron und dem Magnetron. Am Arbeitsplatz des Klägers waren im Sichtgerät des Funkorters mehrere Bildröhren eingebaut. Diese Bildröhren sind ihrem Bauprinzip nach großvolumige Vakuumbehälter, die zur Frontseite hin, an der die Betrachtung erfolgt, als dickwandige Glasbehälter ausgelegt sind. Dieser dickwandige Glasbehälter bietet vollständigen Schutz gegen Röntgenstrahlung. Der Einbau der Bildröhren erfolgt in Einschüben, die sich in geschlossenen Geräteschränken mit Metallwänden befanden. Lediglich der mechanische Schutz mit transparenten Schirmen wurde nur zum Wechsel der Bildröhre abgenommen. Dieser Wechsel erfolgte bei abgeschalteter Hochspannung (siehe Teilbericht S. 8). Eine Exposition des Funkorters während des normalen Betriebs des Sichtgerätes sowie während des Austausches war hiernach ausgeschlossen.
Die Generatorröhre befand sich im Sender SKS innerhalb der Gerätekabine. Die Arbeitsplätze des Funkorters waren nach dem Aufbau der Gerätekabine am entgegen gesetzten Ende der Kabine zum SKS-Sender untergebracht (siehe Teilbericht S. 5, Abbildung 4). Die Generatorröhre bestand aus Keramik mit massiven Kontaktflächen und Kühlkörpern und war direkt in Topfkreise aus Metall eingesetzt. Ein Betrieb außerhalb der Topfkreise war nicht möglich (Teilbericht S. 8). Damit war eine Exposition des Personals sowohl während des Betriebs der Anlage als auch während der Wartung und Reparatur ausgeschlossen. Auch bei geöffneten Schaltschränken bestand keine Exposition mit Röntgenstrahlen.
Das Thyratron und das Magnetron waren nicht innerhalb der Geräte-Kabine untergebracht, sondern befanden sich im HF-Posten UNW. Vom Thyratron gehen Röntgenstrahlen aus, die nur in unmittelbarer Nähe um die 10 cm Abstand zu erwarten sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Thyratron im Block UW-20, der sich in einem wetterfesten Metallschrank befand, eingebaut war. Der Schrank diente als Abschirmung für Röntgenstrahlung und wurde nur zu Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten geöffnet. Hinter den Schranktüren befand sich eine Armaturentafel mit allen Wartungs- und Einstellarbeiten. Diese Armaturentafel hatte eine weitere Abschirmung der Strahlung zur Folge. Ein Öffnen des Blocks UW-20 während eingeschalteter Hochspannung war nicht vorgesehen (siehe Teilbericht S. 8). Auch das Magnetron befand sich am HF-Posten UNW. Die Röntgenstrahlung war durch einen Metallkörper abgeschirmt (siehe Teilbericht S. 9).
Eine Exposition des Klägers durch Röntgenstrahlung des Thyratron und Magnetron war bereits deshalb während des normalen Betriebes der Anlage ausgeschlossen, weil der Kläger seine Tätigkeiten nicht am HF-Posten UNW, sondern in der Gerätekabine ausgeübt hat. Allenfalls bei der Reparatur des Thyratronblocks könnte schädigende Röntgenstrahlung ausgetreten sein. Eine Exposition war aber nach den Darlegungen von ORR Dr. S. nur unmittelbar vor dem Geräteblock am HF-Posten möglich. Dass der Kläger an der Reparatur des Thyratrons außerhalb der Gerätekabine beteiligt hat, hat er nicht behauptet. Dies wäre aber auch nicht sehr wahrscheinlich, weil er während seiner Hilfstätigkeit während der Reparatur lediglich Materialen dem Techniker zugereicht hat. Unmittelbar vor dem Gerät wird sich daher nur der Techniker aufgehalten haben.
Nichts anderes gilt für Reparaturarbeiten am Magnetron. Auch dieses befand sich am HF-Posten UNW, an dem der Kläger nicht unmittelbar tätig war. Einer Exposition mit begrenzten ionisierenden Strahlenbündeln waren nach den Darlegungen von ORR Dr. S. nur die Hände des Technikers ausgesetzt. Der Kläger war jedoch nicht als Techniker am FlaRak-System tätig.
Auch durch Elektronenröhren mit radioaktiver Strahlung ist keine Exposition des Klägers mit ionisierenden Strahlen nachgewiesen. Eine Exposition wäre nur bei Bruch oder unsachgemäßer Behandlung der Röhren möglich. Das aber hat der Kläger nicht behauptet. Weitere Expositionsquellen für ionisierende Strahlung sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Erkrankungen durch ionisierende Strahlen.
Der am ... 1969 geborene Kläger war vom 15. August 1988 bis 15. Oktober 1988 im Straßen- und Tiefbau tätig. In der Zeit vom 2. November 1988 bis 26. Januar 1990 absolvierte seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA) der DDR, während der Grundausbildung zunächst in B. und ab dem 26. November 1988 in K ... Dort war er als Funkorter am Flugabwehr-Raketensystem (FlaRak-System) S-125 tätig. Zu seinen Arbeitsaufgaben gehörte die Bedienung und Funktionsprüfung sowie die Wartung des Systems. Während eines 14-tägigen Raketentrainings war er in K. am FlaRak-System S-125 eingesetzt, wobei er die meiste Zeit an der Instandsetzung des Systems beteiligt war. Vom 26. Februar 1990 bis 23. Juli 1990 war er wiederum im Straßen- und Tiefbau beschäftigt. Vom 1. September 1990 bis 26. Mai 1996 studierte er an der Hochschule für Architektur und Bauwesen und vom 1. August 1996 bis 30. Juni 2000 war er als Bauleiter im Straßen- und Tiefbau tätig. Seit dem 1. Juli 2000 übte er die Tätigkeit eines Assistenten der Geschäftsleitung im Planungsbüro M. Ingenieurgesellschaft mbH aus.
Am 3. September 2003 zeigte der Kläger der Beklagten die Erkrankung an einem malignen Melanom am linken Oberarm an. Er führte diese Erkrankung auf ionisierende Strahlung zurück, der er bei seiner Tätigkeit am FlaRak-System S-125 ausgesetzt gewesen sei. Die Erkrankung habe erstmals die Fachärztin für Hautkrankheiten Dr. H. am 14. November 2002 festgestellt.
Die Beklagte zog diverse Befundberichte bei: Unter dem 15. Dezember 2003 gab die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. als Diagnose ein malignes Melanom am linken Oberarm an. Sie fügte einen Befundbericht der Ärztin Wilsch von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 29. November 2002 mit der Diagnose eines malignen Melanoms am linken Oberarm bei. Ferner lag ein Bericht von Prof. Dr. R. und Dr. B. vom Institut für Pathologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 28. November 2002 über die makroskopische und mikroskopische Untersuchung des Fettgewebes bei.
Unter dem 15. Dezember 2003 erreichte die Beklagte der Bericht von Dr. H., die als Befund ein malignes Melanom Stadium II a an der Innenseite des linken Oberarms angab. Arbeitsunfähigkeit habe vom 20. bis 29. November 2002 bestanden. Beigefügt war eine pathologische anatomische Begutachtung vom 30. Januar 2003 durch Prof. Dr. W., Gemeinschaftspraxis für Pathologie. Ferner erhielt die Beklagte den Befundbericht des Direktors der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. Prof. Dr. G. vom 17. Dezember 2003, der ein schwer klassifizierbares malignes Melanom diagnostizierte.
Unter dem 30. Juni 2004 teilte Dr. S. von der Wehrbereichsverwaltung Ost mit, die Bewertung der Arbeitsplatzverhältnisse am FlaRak-System S-125 habe ergeben, dass Operatoren des Sende- und Empfangszuges, wie der Kläger, nicht zum qualifizierten Personal der "Radartechniker" gehört hätten. Für alle Störstrahler sei eine Abschalteinrichtung wie der Interlockschalter vorhanden gewesen. Keine Körperbereiche seien gegen ionisierende Strahlung exponiert worden.
Unter dem 13. Mai 2004 teilte der Kläger der Beklagten mit, während seiner Tätigkeit in K. sei er als Bedienpersonal für das Lenken und Leiten der Flugabwehrraketen tätig gewesen. Auf einen 10-tägigen Bereitschaftsdienst sei ein 10-tägiger Dienst andern Orts gefolgt. Während des Bereitschaftsdienstes habe er sich ständig in der Nähe der Radaranlage aufgehalten und die Nächte in der Nähe der Technik in einem Bunker verbracht. Tagsüber habe er Trockenübungen und Reinigungsarbeiten an der Anlage vorgenommen. Während der Wartung der Anlage habe er als Hilfsmechaniker u. a. Material wie Röhren zugereicht. In K. habe er kurz nach seiner Ankunft an der Reparatur des FlaRak-Systems S 125 als Hilfsmechaniker mithelfen müssen.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2004 lehnte es die Beklagte ab, eine Berufskrankheit der Nr. 2402 anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Den hiergegen am 5. August 2004 erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit dem Widerspruchsbescheid vom 9. März 2005 zurück und führte im Wesentlichen aus, das Radargerät habe über eine Abschaltautomatik an den Türen verfügt. Damit sei ein Öffnen der Senderschränke im laufenden Sendebetrieb des Radargerätes zwecks Wartung und Reparatur nicht möglich gewesen. Der Kläger sei nicht als Radartechniker oder als Unterstützungspersonal tätig gewesen. Daher sei er Röntgenstrahlen nicht ausgesetzt gewesen. Messungen am Gerät hätten keine sonstige Strahlenbelastung ergeben.
Mit der am 4. April 2005 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung der Berufskrankheit Nr. 2402 weiter verfolgt. Das Sozialgericht hat weitere Befundberichte von dem Facharzt für Dermatologie Dr. F. vom 25. November 2005, Dr. N. von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M. vom 14. November 2005, Dr. S., Oberarzt der Klinik für Diagnostische Radiologie der O.-v.-G.-Universität M., vom 28. Mai 2005, Prof. Dr. B., Leitender Oberarzt der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie der O.-v.-G.-Universität M., vom 3. Mai 2005 und Dr. H. vom 13. Dezember 2005 eingeholt.
Mit Urteil vom 8. Mai 2006 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine Exposition des Klägers gegenüber ionisierenden Strahlen sei nicht nachgewiesen. Nach der eingeholten Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost lasse sich nicht nachweisen, dass das vom Kläger benutzte Radargerät geeignet gewesen sei, ionisierende Strahlen abzugeben. Zwar habe der Kläger nach dem Bericht der Radarkommission zu dem gefährdeten Personenkreis gehört. Das Radargerät S-125 habe aber über eine Abschalteinrichtung für alle Störstrahler verfügt. Daraus folge, dass keine Körperbereiche gegen ionisierende Strahlen exponiert gewesen seien.
Gegen das am 23. Juni 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 14. Juli 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er sich auf sein Vorbringen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren berufen. Er hat weiter ausgeführt, die Radaranlage habe aus einer Art Auflieger wie bei einem Truck bestanden. Innerhalb dieses Aufliegers seien die Schränke links und rechts angebracht gewesen. In diesen Schränken hätten sich unter anderem Röhren und Technik befunden. Im Normalfall seien diese Schränke geschlossen gewesen. Während der achtstündigen Bereitschaft habe er vor einem der Schränke gesessen und über das Radargerät die Umgebung beobachtet bzw. die Rakete gelenkt. In K. seien die Schränke ab und an geöffnet gewesen, jedoch eher seltener. Dort sei er zwei- bis dreimal als Hilfsmechaniker tätig geworden und habe einem Techniker Ersatzteile gereicht. Währenddessen sei der Betrieb bei geöffneten Schränken weiter gelaufen. In K. habe das Radargerät S-125 nicht ordnungsgemäß funktioniert. Er habe bei der sieben- bis achttägigen Reparatur mitgewirkt. Dabei seien die Schränke bei laufendem Betrieb geöffnet gewesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 8. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2005 aufzuheben und eine Berufskrankheit nach Nr. 2402 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der Verwaltungsakte und auf das Urteil des Sozialgerichts.
Der Berichterstatter hat von Dr. S. von der Wehrbereichsverwaltung Ost die Auskunft vom 14. April 2009 eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, Grundlage seiner Ausführungen seien die Ermittlungen und Untersuchungsergebnisse der früheren ‚Arbeitsgruppe Radar’. Es seien technische Schutzeinrichtungen wie ein Blockierungsschalter vorhanden gewesen, welche im Betätigungsfalle, z. B. Herausziehen des Einschubs oder Öffnen der Abdeckung, eine Außerbetriebsetzung des Störstrahlers bewirkt hätten. Bereits das qualifizierte Fachpersonal sei nicht als strahlenexponiert bewertet worden. Als Bediener (Operator) im Sende-/Empfangszug habe der Kläger nicht zu dem qualifizierten Fachpersonal gehört. Eine Tätigkeit mit möglicher Strahlenexposition habe er nicht ausgeübt. Die Erkrankung des Klägers sei deshalb nicht auf ionisierende Strahlung ursächlich zurückzuführen.
Der Berichterstatter hat ferner von dem Vorsitzenden der ‚Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar’ der Strahlenmessstelle der Bundeswehr bei der Wehrbereichsverwaltung Nord Dr. S. die Auskunft vom 19. Juni 2009 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, zu den Arbeitsplatzverhältnissen und den möglichen Expositionen gegenüber ionisierender Strahlung ehemaliger Beschäftigter der NVA seien von der Arbeitsgruppe Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar auf einzelne Geräte bezogene Untersuchungen durchgeführt und das Ergebnis in Form von Teilberichten vorgelegt worden, so auch zu dem FlaRak-System S-125. Die vom Kläger geschilderten Arbeiten seien örtlich der Gerätekabine UNK zuzuordnen (Teilbericht Abbildung 4 und Anhang Abbildung 1). Dort hätten sich alle für die Lagedarstellung und Gefechtsführung notwendigen Sicht- und Steuergeräte befunden. Ionisierende Strahlen könnten beim FlaRak-System nur von zu Bruch gegangenen oder unsachgemäß gehandhabten Elektronenröhren mit radioaktiven Stoffen und von Vakuumelektronenröhren als Störstrahler im Sinne der Röntgenverordnung emittiert werden. Als Störstrahler seien in dem FlaRak-System S-125 in den Gerätekabinen vier Bildröhren in den Konsolenarbeitsplätzen der Funkorter und eine Generatorröhre in einem als Schrank ausgeführten Sender eingebaut. Ferner befänden sich im Geräteblock UW-20 direkt unter der Antennengruppe des HF – Postens als Störstrahler ein Thyratron und ein Magnetron. Die Bildröhren seien aufgrund ihres Bauprinzips als großvolumige Vakuumbehälter zur Frontseite hin, an der die Betrachtung erfolge, als dickwandige Glasbehälter ausgelegt, die neben dem Implosionsschutz auch vollständigen Schutz gegen Röntgenstörstrahlung darstellten. Die in den Bildröhren entstehende Störstrahlung sei weich (energiearm) und werde durch die Glaswand der Röhre ausreichend abgeschirmt. Die im Abfragesender SKS eingebaute Generatorröhre habe ein Keramikgehäuse und die Anode sei zu Kühlzwecken als massive Metallabdeckung ausgelegt, so dass die im Inneren entstehende energiearme Röntgenstörstrahlung abgeschirmt werde. Bei dem Glaskolbenthyratron sei mit dem Auftreten von Störstrahlung in der Röhre zu rechnen. Aus Untersuchungen ähnlicher und in der Bauform äquivalenter Thyratrons habe sich ergeben, dass die Röntgenstörstrahlung an der scheibenförmigen Anode entstehe und in Form eines ebenen Fächers austreten könne. Eine Abschirmung der austretenden Röntgenstörstrahlung werde beispielsweise durch Metallhülsen erreicht, die jedoch konstruktiv zum Gerät gehörten und im Allgemeinen von einer offenen Einbauweise ausgingen. Diese Einbauweise habe zur Folge, dass das technische Personal aus Gründen des Hochspannungsschutzes bei Arbeiten an der geöffneten Baugruppe zu dem unter Hochspannung stehenden Thyratron einen möglichst großen Abstand einhalte, der dann auch dem Strahlenschutz diene. Die Baugruppe mit dem Thyratron enthalte neben dem Thyratron selbst noch weitere massive Bauteile, wie etwa den Impulstrafo, durch die die Röntgenstörstrahlung abgeschirmt werde. Expositionen Beschäftigter bei Arbeiten an der geöffneten Baugruppe könnten nur für Körperteile auftreten, die sich in Höhe der Anodenkappe befänden und die nicht durch andere Baugruppen abgedeckt seien. Magnetronröhren seien als massive Metallzylinder ausgelegt, die die im Inneren entstehende Röntgenstörstrahlung abschirmten. Schwachstellen dieser Abschirmung stellten lediglich die Hochspannungszuführung und das Austrittsfenster für die Mikrowellenleistung dar, an die das Hohlleitersystem der Antennenanlage angeschlossen werde. Die gesamte Röhre sei beim Betrieb in einen Magneten eingebaut, der eine weitere effektive Abschirmung darstelle. Bei Magnetronröhren trete Röntgenstörstrahlung allenfalls in Form räumlich eng begrenzter Strahlenbündel auf und die räumlichen Bereiche, in denen eine Exposition möglich sei, seien allenfalls für die Hände des an der Anlage arbeitenden Technikers erreichbar. Aus der auf die im FlaRak-System eingebauten Störstrahler bezogene Betrachtung ergebe sich, dass für den Kläger bei seinen Tätigkeiten in der Gerätekabine UNK eine Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung auch bei Betrieb mit geöffneten Schränken auszuschließen sei. Obschon sich aus den Schilderungen des Klägers nicht ergebe, dass er auch am HF-Posten UNW, in dem das Thyratron und das Magnetron eingebaut gewesen seien, Unterstützungsarbeiten geleistet habe, ergebe sich selbst bei einer unterstellten Hilfsarbeit, die in der geschilderten Anreichung von Ersatzteilen bestanden habe, keine Tätigkeit mit Exposition gegenüber Röntgenstörstrahlung. Eine für Expositionen notwendige Nähe zum Thyratron wäre bei der unterstellten Betriebsweise mit geöffneten Türen oder Geräteklappen nur direkt vor der Baugruppe, also direkt am Platz des Technikers, nachvollziehbar.
Dem Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Az. 200300030690 vorgelegen. Diese war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2005 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG in seinen Rechten. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Erkrankung des Klägers an einem malignen Melanom als Berufskrankheit der Nr. 2402 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.
Anzuwenden sind hier die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), weil der dem Anspruch des Klägers zugrunde liegende Versicherungsfall erst nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten sein könnte (siehe zum Inkrafttreten Art. 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I 1996, 1254 ff., § 212 SGB VII). Denn er Kläger hat sich am 14. November 2002 zu Dr. H. in Behandlung begeben, die am linken Oberarm ein malignes Melanom festgestellt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger bereits vor dem 1. Januar 1997 an einem malignen Melanom erkrankt war.
Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regeln § 9 Abs. 1 S. 2 und Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung der Anerkennung der hier strittigen Berufskrankheit Nr. 2402 ist das Vorliegen einer Erkrankung durch ionisierende Strahlen.
Für die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit Nr. 2402 müssten folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: Der Versicherte muss aufgrund seiner versicherten Tätigkeit Einwirkungen durch ionisierende Strahlen ausgesetzt gewesen sein, die eine Erkrankung hervorgerufen haben. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten Einwirkungen einschließlich ihrer Art und ihres Ausmaßes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (so genannter Vollbeweis) bewiesen sein. Der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Einwirkung sowie zwischen der Einwirkung und der Erkrankung beurteilt sich dagegen nach dem Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (siehe Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).
Als versicherte Tätigkeit, während deren Ausübung der Kläger ionisierenden Strahlen ausgesetzt gewesen ist, kommt lediglich die Wehrpflicht des Klägers bei der NVA in Betracht. Dort war der Kläger als Operator in der mobilen Lenk- und Leitstelle in K. am Radargerät Waffensystem "Newa" tätig. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der Kläger als Wehrpflichtiger der NVA als Versicherter in der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne der Vorschriften des SGB VII gilt. Denn es fehlt vorliegend jedenfalls an dem Vollbeweis, dass er während der Ausübung seiner Wehrpflicht ionisierenden Strahlen ausgesetzt war.
Der Kläger war als Funkorter an dem FlaRak-System S-125 eingesetzt. Die Raketenleitstation S-125 bestand aus einem HF-Posten UNW mit den Radarsendern und der Antennenanlage sowie der auf einem Sattelauflieger befindlichen Gerätekabine UNK, in der sich der Arbeitsplatz des Klägers befand. Messungen von ionisierenden Strahlen am Arbeitsplatz des Klägers liegen keine. Zur Beurteilung von Gefährdungen durch ionisierende Strahlung und nichtionisierende Strahlung in und an radartechnischen Einrichtungen der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee hatte die Wehrbereichsverwaltung die Arbeitsgruppe ‚Aufklärung der Arbeitsplatzverhältnisse Radar’ unter der Leitung des ORR Dr. S., Leiter der Strahlenmessstelle der Bundeswehr bei der Wehrbereichsverwaltung Nord, im Jahr 2002 eingesetzt. Diese hat in dem Bericht vom 15. März 2002 zur Exposition durch ionisierende Strahlung am Arbeitsplatz und in dem Teilbericht vom 21. März 2003 (nachfolgend Teilbericht) zum FlaRak-System S-125 zu dem Ergebnis ihrer Ermittlungen Stellung genommen. Unter Berücksichtigung dieser Berichte und der Ausführungen von ORR Dr. S. vom 19. Juni 2009 ist eine Exposition des Klägers durch ionisierende Strahlung an seinem Arbeitsplatz nicht nachgewiesen.
Als Ionisierende Strahlen kommen hier allein die Röntgenstrahlen in Betracht. Strahlenquellen am FlaRak-System S-125 sind die Störstrahler, bestehend aus mehreren Bildröhren, der Generatorröhre, dem Thyratron und dem Magnetron. Am Arbeitsplatz des Klägers waren im Sichtgerät des Funkorters mehrere Bildröhren eingebaut. Diese Bildröhren sind ihrem Bauprinzip nach großvolumige Vakuumbehälter, die zur Frontseite hin, an der die Betrachtung erfolgt, als dickwandige Glasbehälter ausgelegt sind. Dieser dickwandige Glasbehälter bietet vollständigen Schutz gegen Röntgenstrahlung. Der Einbau der Bildröhren erfolgt in Einschüben, die sich in geschlossenen Geräteschränken mit Metallwänden befanden. Lediglich der mechanische Schutz mit transparenten Schirmen wurde nur zum Wechsel der Bildröhre abgenommen. Dieser Wechsel erfolgte bei abgeschalteter Hochspannung (siehe Teilbericht S. 8). Eine Exposition des Funkorters während des normalen Betriebs des Sichtgerätes sowie während des Austausches war hiernach ausgeschlossen.
Die Generatorröhre befand sich im Sender SKS innerhalb der Gerätekabine. Die Arbeitsplätze des Funkorters waren nach dem Aufbau der Gerätekabine am entgegen gesetzten Ende der Kabine zum SKS-Sender untergebracht (siehe Teilbericht S. 5, Abbildung 4). Die Generatorröhre bestand aus Keramik mit massiven Kontaktflächen und Kühlkörpern und war direkt in Topfkreise aus Metall eingesetzt. Ein Betrieb außerhalb der Topfkreise war nicht möglich (Teilbericht S. 8). Damit war eine Exposition des Personals sowohl während des Betriebs der Anlage als auch während der Wartung und Reparatur ausgeschlossen. Auch bei geöffneten Schaltschränken bestand keine Exposition mit Röntgenstrahlen.
Das Thyratron und das Magnetron waren nicht innerhalb der Geräte-Kabine untergebracht, sondern befanden sich im HF-Posten UNW. Vom Thyratron gehen Röntgenstrahlen aus, die nur in unmittelbarer Nähe um die 10 cm Abstand zu erwarten sind. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Thyratron im Block UW-20, der sich in einem wetterfesten Metallschrank befand, eingebaut war. Der Schrank diente als Abschirmung für Röntgenstrahlung und wurde nur zu Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten geöffnet. Hinter den Schranktüren befand sich eine Armaturentafel mit allen Wartungs- und Einstellarbeiten. Diese Armaturentafel hatte eine weitere Abschirmung der Strahlung zur Folge. Ein Öffnen des Blocks UW-20 während eingeschalteter Hochspannung war nicht vorgesehen (siehe Teilbericht S. 8). Auch das Magnetron befand sich am HF-Posten UNW. Die Röntgenstrahlung war durch einen Metallkörper abgeschirmt (siehe Teilbericht S. 9).
Eine Exposition des Klägers durch Röntgenstrahlung des Thyratron und Magnetron war bereits deshalb während des normalen Betriebes der Anlage ausgeschlossen, weil der Kläger seine Tätigkeiten nicht am HF-Posten UNW, sondern in der Gerätekabine ausgeübt hat. Allenfalls bei der Reparatur des Thyratronblocks könnte schädigende Röntgenstrahlung ausgetreten sein. Eine Exposition war aber nach den Darlegungen von ORR Dr. S. nur unmittelbar vor dem Geräteblock am HF-Posten möglich. Dass der Kläger an der Reparatur des Thyratrons außerhalb der Gerätekabine beteiligt hat, hat er nicht behauptet. Dies wäre aber auch nicht sehr wahrscheinlich, weil er während seiner Hilfstätigkeit während der Reparatur lediglich Materialen dem Techniker zugereicht hat. Unmittelbar vor dem Gerät wird sich daher nur der Techniker aufgehalten haben.
Nichts anderes gilt für Reparaturarbeiten am Magnetron. Auch dieses befand sich am HF-Posten UNW, an dem der Kläger nicht unmittelbar tätig war. Einer Exposition mit begrenzten ionisierenden Strahlenbündeln waren nach den Darlegungen von ORR Dr. S. nur die Hände des Technikers ausgesetzt. Der Kläger war jedoch nicht als Techniker am FlaRak-System tätig.
Auch durch Elektronenröhren mit radioaktiver Strahlung ist keine Exposition des Klägers mit ionisierenden Strahlen nachgewiesen. Eine Exposition wäre nur bei Bruch oder unsachgemäßer Behandlung der Röhren möglich. Das aber hat der Kläger nicht behauptet. Weitere Expositionsquellen für ionisierende Strahlung sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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