L 20 R 451/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 11 R 750/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 451/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 122/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Frage der vollen Erwerbsminderung einer Versicherten (hier: chronisch generalisiertes Schmerzsyndrom).
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 30.05.2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1961 geborene Klägerin beantragte am 13.07.2005 eine Rente wegen verminderte Erwerbsfähigkeit. Die Klägerin hat keinen Beruf erlernt, zuletzt war sie als Servicekraft bei der Firma C. versicherungspflichtig beschäftigt. Bis September 2005 erhielt die Klägerin Krankengeld, danach war sie arbeitslos.

Die Beklagte beauftragte den Allgemein- und Sozialmediziner Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens. Dieser kam am 18.10.2005 unter Einbezug eines neurologischen Teilgutachtens von Dr.M. vom 07.10.2005, eines psychiatrischen Teilgutachtens von Dr.F. vom 07.10.2005, eines orthopädisch-chirurgischen Teilgutachtens von Dr.R. vom 10.10.2005 zu dem Ergebnis, die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten im Wechselrhythmus ohne Schichtbetrieb und ohne Zeitdruck mindestens 6 Stunden täglich verrichten, sofern diese Tätigkeiten nicht mit vermehrter Unfallgefahr sowie besonderen Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen verbunden seien. Mit Bescheid vom 24.10.2005 lehnte die Beklagte die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab. Den Widerspruch der Klägerin wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2005 zurück.

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Bayreuth am 15.12.2005 erhoben. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, ihre Leistungsfähigkeit sei gemindert. Im Rahmen seiner Ermittlungen hat das SG Befundberichte eingeholt und ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.M. erstellen lassen. Dieser hat am 06.04.2007 folgende Diagnosen mit wesentlicher Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit gestellt: Chronisches generalisiertes Wirbelsäulensyndrom bei diffusen leichten bis mäßigen degenerativen Wirbelsäulenschäden, blande abgelaufenem Morbus-Scheuermann (untere BWS und obere LWS), Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule, weniger der Lendenwirbelsäulen mit Knick im Lumbosa-cralübergang, leichter s-förmiger thorakalbetonter Skoliose sowie myostatischer Insuffizienz der Wirbelsäule bei Trainingsmangel. Zustand nach cervikaler Bandscheiben-OP, zuletzt 8/2004 mit stabil ausgeheilter Fusion des Segments C5/6, geringe neurologisch nicht relevante Bandscheibenprotrusionen an der HWS, im Dorsolumbalübergang und an der LWS. Teils deutlichere Costotransversalgelenksarthrosen. Ausgeprägte chronische somatoforme Schmerzstörung bei zugrundeliegender rezidivierender Störung wechselnden Ausmaßes (unter Medikation). Die Klägerin könne noch wenigstens 6 Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule, ohne monotone Armbelastungen sowie längere Überkopfarbeiten, ohne gehäuftes Heben aus der Rumpfbeuge heraus, ohne Witterungseinflüsse in möglichst temperierter Umgebung und ohne Lärmbelastung und ohne Zeitdruck verrichten. Das SG hat weiter den Neurologen und Psychiater Dr.R. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat am 16.07.2007 einen Zustand nach zweimaliger cervikaler Bandscheiben- bzw. Fusions-OP HWK 5/6 mit leichten Restsymptomen (sensible Störungen der vorderen Finger rechts, evtl. ein Teil der Schulter-Nacken-Beschwerden), Meralgia paraesthetica rechts, Irritation des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, akzentuierte Persönlichkeitsstruktur mit histrionischen Zügen und iatrogen geförderter Somatisierungsneigung diagnostiziert. Die Klägerin könne noch wenigstens 6 Stunden täglich Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen verrichten. Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht ein Gutachten von dem Neurologen und Psychiater Dr.S. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten, bei Gericht eingegangen am 27.03.2008 folgende Diagnosen gestellt: Zweimalige Operation eines Bandscheibenvorfalles bei HWK 5/6 mit Postmyotomiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom, rezidivierende depressive Störung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung vom Typ des Fibromyalgiesyndroms, Bandscheibenvorfälle bei BWK 12 und LWK 1, Meralgia paraesthetica, Verdacht auf histrione Persönlichkeit. Die Klägerin könne nur noch unter 3-stündig Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 30.05.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne noch wenigstens 6 Stunden täglich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Überkopfarbeit, ohne Zwangshaltungen und ohne Tätigkeiten, bei denen regelmäßig eine stärkere Kopfwendung erforderlich sei, verrichten. Das Gutachten von Dr.S. begründe nicht schlüssig und nachvollziehbar die quantitative Leistungsminderung der Klägerin.

Dagegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht, eingegangen am 13.06.2008, erhoben.

Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, das Gutachten des Sachverständigen Dr.S. sei nachvollziehbar und überzeugend. Sie leide nach wie vor unter täglichen Schmerzen, und besitze nur ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen täglich. Nach Einholung von aktuellen Befundberichten des die Klägerin behandelnden Internisten und Psychotherapeuten Dr.B., des Allgemeinmediziners Dr.H., des Neurologen und Psychiaters Dr.S. sowie den Berichten des Interdisziplinären Schmerzzentrums der Universitätsklinik B-Stadt hat der Senat den Internisten Dr.C., Leiter des Europäischen Fibromyalgiezentrums mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dr.C. hat am 15.05.2009 ein generalisiertes chronisches Schmerzsyndrom, Stadium III nach dem Mainzer Stadiummodell für Schmerzchronifizierung (MPSS), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Somatisierungsstörung, eine Angststörung mit der Ausprägung einer mäßiggradigen depressiven Symptomatik diagnostiziert. Daneben lägen nach Aktenlage vor: Zustand nach zweimaliger Bandscheiben-OP, zuletzt 08/04 bei cervikalem Bandscheibenvorfall zwischen HWK 5/6 und Zustand nach Nukleotmie, Zustand nach Dekompression und ventraler Fusion einer Cervikalstenose C5/6, Bandscheibenvorfall zwischen BWK 12 und LWK 1, Irritation des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, Meralgia paraesthetica, Gonarthrose beidseits, Schwerhörigkeit beidseits mit Hörgeräten versorgt, Schilddrüsenunterfunktion und chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp. Die Klägerin könne noch wenigstens 6 Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Stellung und in geschlossenen Räumen verrichten. Zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die geistig-psychische Belastbarkeit und die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, besonderen nervlichen Belastungen, sowie unter ungünstigen äußeren Bedingungen. Ebenso zu vermeiden seien Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen und häufiges Steigen. Zu vermeiden seien ebenfalls Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen. Unter Vorlage einer Stellungnahme des Internisten und Psychotherapeuten Dr.B. hat die Klägerin gegen das Gutachten von Dr.C. vorgebracht, die Diagnose der Fibromyalgie sei nicht in Zweifel zu ziehen. Ebenso sei wegen der depressiven Symptomatik die Diagnose einer rezidivierenden mittel- bis schwergradigen Depression zusätzlich zu stellen. Auch der prognostischen Einschätzung von Dr.C., dass eine wesentliche Besserung der psychischen und psychosomatischen Symptomatik erfolgen könne, werde widersprochen. Vorgelegt wurde dabei die klinische Leitlinie zum Fibromyalgie-Syndrom veröffentlicht im Deutschen Ärzteblatt vom 05.06.2009. Vorgelegt wurde weiter ein Attest des die Klägerin behandelnden Allgemeinmediziners Dr.H. vom 03.08.2009. Dr.C. hat am 07.09.2009 ergänzend zum Schreiben von Dr.B. wie auch zum Attest von Dr.H. Stellung genommen. Er hat an seiner bisherigen sozialmedizinischen Beurteilung festgehalten. Mit Beschluss vom 11.01.2010 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des SG Bayreuth vom
30.05.2008 sowie des Bescheides der Beklagten vom 24.10.2005 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2005 zu verurteilen, ihr die ge-
setzlichen Leistungen einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf ihren Antrag
vom 13.07.2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beklagtenakte, die Schwerbehindertenakten des Zentrum Bayern Familie und Soziales Region Oberfranken und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung (§§ 141, 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig, aber unbegründet, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI), wenn sie
1. voll erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die Klägerin noch in der Lage ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens 6 Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus und in geschlossenen Räumen zu verrichten. Zu vermeiden sind Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen an die geistig-psychische Belastbarkeit und die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit sowie mit besonderen nervlichen Belastungen, Tätigkeiten unter ungünstigen äußeren Bedingungen sowie Tätigkeiten mit besonderer Belastung des Bewegungs- und Stützsystems wie überwiegendes Stehen oder Gehen, häufiges Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten sowie Arbeiten in Zwangshaltungen und häufiges Steigen. Zu vermeiden sind ebenso Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen sowie Tätigkeiten mit Einwirkungen von Hautreizstoffen.

Der Senat stützt sich insoweit auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr.M. und Dr.R. im sozialgerichtlichen Verfahren und von Dr.C. im Verfahren vor dem Landessozialgericht. Dr.M. hat folgende Diagnosen mit wesentlicher Auswirkung auf die Erwerbsfähigkeit gestellt: chronisches generalisiertes Wirbelsäulensyndrom bei diffusen leichten bis mäßigen degenerativen Wirbelsäulenschäden, blande abgelaufenem Morbus Scheuermann (untere BWS und obere BWS), Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule, weniger der Lendenwirbelsäule mit lordotischem Knick im Lumbosakralübergang, leichter s-förmiger thorakalbetonter Skoliose sowie myostatische Insuffizienz der Wirbelsäule der Trainingsmangel, Zustand nach zweimaliger cervikaler Bandscheiben-OP, zuletzt 8/2004 mit stabil ausgeheilter Fusion des Segments C5/6, geringe neurologische nicht relevante Bandscheibenprotrusionen an der HWS, im Dorsolumbalübergang und an der LWS. Teils deutlichere Costotransversalgelenksarthrosen, ausgeprägte chronische somatoforme Schmerzstörung bei zugrundeliegender rezidivierender Störung wechselnden Ausmaßes. Diese Diagnosen auf orthopädischem Gebiet bedingen jedoch nur die o.g. qualitativen Einschränkungen, nicht jedoch eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens. Dr.R. hat auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Zustand nach zweimaliger cervikaler Bandscheiben- bzw. Fusions-OP HWK 5/6 mit leichten Restsymptomen (sensible Störungen der vorderen Finger rechts, evtl. ein Teil der Schulter-Nacken-Beschwerden), Meralgia paraesthetica rechts, Irritation des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, akzentuierte Persönlichkeitsstruktur mit histrionischen Zügen und iatrogen geförderter Somatisierungsneigung. Der Internist Dr.C., hat nach Untersuchung ein generalisiertes chronisches Schmerzsyndrom, Stadium III nach dem Mainzer Stadiummodell der Schmerzchronifizierung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Somatisierungsstörung und eine Angststörung mit Ausprägung einer mäßiggradigen depressiven Symptomatik diagnostiziert. Nach Aktenlage lagen vor: Zustand nach zweimaliger Bandscheiben-OP, zuletzt 8/04 bei cervicalem Bandscheibenvorfall zwischen HWK 5/6 und Zustand nach Nukletomie, Zustand nach Dekompression und ventraler Fusion einer Cervicalstenose C5/6, Bandscheibenvorfall zwischen BKW 12 und LWK 1, Irritation des Nervus cutaneus femoris lateralis rechts, Meralgia paraesthetica, Gonarthrose beidseits, Schwerhörigkeit beidseits mit Hörgeräten versorgt, Schilddrüsenunterfunktion und chronischer Kopfschmerz vom Spannungstyp. Der Sachverständige hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens nicht angenommen werden kann. Dieses Ergebnis wird nicht erschüttert durch die Stellungnahme des Internisten und Psychotherapeuten Dr.B ... Dr.C. hat die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms nicht gestellt, da nach dem Kriterium des amerikanischen Kollegiums für Rheumatologie (ACR) zwar 18 Tenderpoints druckdolent positiv gewesen sein, jedoch 10 Kontrollpunkte ebenfalls druckdolent positiv, so dass dies ein Fibromyalgiesyndrom ausschließe und es sich insoweit um ein chronisch generalisiertes Schmerzsyndrom handele. Den Einwand von Dr. B. die Leitlinie für Fibromyalgiesyndrom im Deutschen Ärzteblatt empfehle, keine Kontrollpunktüberprüfung durchzuführen bzw. die Diagnose eines Fibromyalgiesyndroms nicht in Frage zu stellen, wenn Patienten bei der körperlichen Untersuchung "Schmerzen überall" angeben, hat Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme entkräftet. Er hat unter Angabe wissenschaftlicher Quellen nachvollziehbar dargelegt, (wie dies übrigens auch in der Leitlinie dargestellt ist), dass das Fibromyalgiesyndrom ein Beschwerdebild ist, dessen Definition, Klassifikation und Diagnose zwischen den einzelnen medizinischen Fachgesellschaften sowie Ärzten, Psychologen und Betroffenen umstritten ist. International würden im Kontext der Forschung zur Definition von CWP (chronic widespread pain) und dem Fibromyalgiesyndrom die Kriterien des amerikanischen Kollegiums für Rheumatologie (ACR) verwendet. Die Definition durch ACR-Kriterien werde aus rheumatologischer als auch aus klinisch-psychologischer Sicht kritisiert, da wesentliche Aspekte des Komplexes nicht erfasst würden. Das Fibromyalgiesyndrom werde als organische (rheumatologische bzw. neurologische) Erkrankung mit möglichen psychischen Komorbiditäten, als funktionelles somatischen Syndrom mit möglichen psychischen Komorbiditäten bzw. als psychosomatische oder somatoforme Störung klassifiziert. Bezüglich der klinischen Diagnose werde innerhalb der Rheumatologie sowohl die Position vertreten, dass der Nachweis von 11 von 18 Tenderpoints zur Diagnose des Syndroms essentiell sei als auch, dass die klinische Diagnose ohne Überprüfung von Tenderpoints anhand klinischer Kriterien gestellt werden könne. Die Diskussion bei der deutschen Leitlinienerstellung (an der er beteiligt gewesen sei), zeige, dass die Umsetzbarkeit der manuellen Tenderpoints-Untersuchung in der hausärztlichen Sprechstunde als problematisch erachtet werde. Innerhalb des Kontextes der fachärztlichen Diagnostik werde die Diagnose des Fibromyalgiesyndroms nach ACR-Kriterien aufgrund der mangelnden Standardisierung der Tenderpoints-Untersuchung als problematisch erachtet. Die Arbeitsgruppe, die die Leitlinie entwickelt habe, habe daher die Entwicklung von evidenz- und konsensbasierten Empfehlungen für einer von Betroffenen und in verschiedenen Ärztegruppen akzeptierten Definition und Klassifikation des CWP und FMS sowie eines klinischen Diagnosealgoriythmus für die klinische Versorgung für bedeutend gehalten. In der vorliegenden Publikation seien daher die o.g. Gründe maßgeblich gewesen, die ACR-Kriterien sowie die manuelle Untersuchung der Tenderpoints und Kontrollpunkte nicht zu empfehlen, ohne dass eine Methode vorgeschlagen worden sei, die als Ersatz für die ACR-Kriterien dienen könne. Bei der Leitlinien-Diskussion sei dieser Vorschlag von den beteiligten Vertretern der Fachgesellschaften sehr widersprüchlich diskutiert und aus diesem Grunde nur mit einem Konsens der geringsten Übereinstimmung bewertet worden. Sein Gutachten sei umfangreicher erfolgt als die Leitlinie derzeit empfehle. Die Klägerin sei hinsichtlich ihrer Schmerzanamnese (einschließlich standardsiertem Schmerzfragebogen), den funktionellen und vegetativen Störungen bei Fibromyalgiesyndrom (einschließlich Fibromyalgie-Fragebogen), der körperlichen Untersuchung, der Untersuchung des Haltungs- und Bewegungsapparates, der testpsychologischen Untersuchung, Laboruntersuchungen sowie der weiteren im Gutachten aufgeführten technischen Untersuchungen hinsichtlich des chronischen Schmerzsyndroms differenzialdiagnostisch abgeklärt worden. Dabei habe sich die Diagnose des chronischen Schmerzsyndroms nicht nur durch druckdolorimetrische Untersuchung, sondern unter Berücksichtigung der gesamten Krankengeschichte der Klägerin, der im Gutachten dargestellten weiteren Untersuchungen einschließlich der ärztlichen Befunde und Gutachten unter Berücksichtigung der Aktenlage ergeben. Aus der Krankengeschichte werde deutlich, dass das chronische generalisierte Schmerzsyndrom aufgrund der degenerativen Veränderung im Haltungs- und Bewegungsapparat entstanden sei, wobei die operativen Eingriffe zur Chronfizierung der generalisierten Schmerzen beigetragen habe. Auch bei chronisch generalisierten Schmerzsyndromen träten im klinischen Verlauf Ängste und depressive Episoden auf, diesbezüglich gebe es Überschneidungen zum Fibromyalgiesyndrom. Für das Fibromyalgiesyndrom sei jedoch typisch, dass eine organische Grunderkrankung das Krankheitsbild ausschließe. Hinsichtlich der Problematik der deutschen Leitlinie werde in der von Dr.B. zitierten Publikation deutlich, dass die Diskussion nach wie vor bestehe, dass die deutsche Leitlinie nicht die aktuellen Kontroversen um die Definition und Klassifikation des Fibromyalgiesyndroms lösen könne. Ebenso berücksichtige die Leitlinie nicht die Differenzialdiagnose chronischer Schmerzsyndrome sowie die Spezifität und Sensitivität von neurovegetativen und funktionellen Störungen bei Schmerzsyndromen. Damit hat Dr.C. zur Überzeugung des Senates dargelegt, dass im Falle der Klägerin das Fibromyalgiesyndrom nicht zu diagnostizieren ist. Allerdings ist ebenso zu bemerken, dass es im Rahmen der sozialmedizinischen Beurteilung nicht auf die Diagnosestellung, sondern auf die mit einer durch Krankheit einhergehenden Funktionseinschränkungen ankommt. Allein die Diagnose einer Fibromyalgie oder auch eines chronischen Schmerzsyndroms sagt noch nichts über quantitative Leistungsfähigkeit des Betroffenen aus. Vielmehr ist individuell sozialmedizinisch zu würdigen, in welchem Maße der Betroffene quantitativ und qualitativ eingeschränkt ist. Sofern Dr.B. kritisiert, dass noch eine schwere Depression zu diagnostisieren sei, weist Dr.C. darauf hin, dass er eine mittelgradige depressive Symptomatik diagnostiziert habe. Dies entspreche nach dem BDI-Test mit einem Punktwert von 41, wie ihn die Klägerin erzielt habe, einer mäßig bis mittelgradigen depressiven Symptomatik. Auch das Attest von Dr.H. vom 03.08.2009, in dem lediglich die Diagnosen aufgezählt werden und ohne weitere Begründung eine Erwerbsunfähigkeit angenommen wird, kann das Gutachten von Dr.C. nicht erschüttern. Gleiches gilt für das im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit nach Untersuchung durch Dr.K. erstellte Gutachten vom 14.07.2009, das ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen annimmt, bietet keinen Anhalt für weitere Ermittlungen. Als Gesundheitsstörungen werden genannt: Depression und somatoforme Schmerzstörung, eine Begründung für ein unter 3-stündiges Leistungsvermögen wird jedoch nicht angegeben. Nicht gefolgt wird auch der sozialmedizinischen Einschätzung durch Dr.S. im erstinstanzlichen Verfahren. Insoweit wird in vollem Umfang auf die Entscheidungsgründe des SG gemäß § 153 Abs 2 SGG verwiesen.

Nachdem weder eine Summierung von Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegen, besteht kein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ein Anspruch der Klägerin auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI besteht ebenfalls nicht, denn die Klägerin ist nicht vor dem 02.01.1961 geboren.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 1 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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