Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Cottbus (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 14 AS 516/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1.) Zur Frage der Schaffung alternativer Modelle zur Eingliederung in Arbeit.
2.) Ein Träger der Leistungen nach dem SGB II ist bei der Schaffung alternativer Modelle zur Eingliederung in Arbeit nicht berechtigt gesetzlich geregelte Instrumente (wie der Vermittlungsgutschein), durch eigene Abwandlungen der gesetzlich geregelten Instrumente zu ersetzen.
3.) Die von dem Beklagten geschaffene Vermittlungsprämie ist rechtswidrig.
2.) Ein Träger der Leistungen nach dem SGB II ist bei der Schaffung alternativer Modelle zur Eingliederung in Arbeit nicht berechtigt gesetzlich geregelte Instrumente (wie der Vermittlungsgutschein), durch eigene Abwandlungen der gesetzlich geregelten Instrumente zu ersetzen.
3.) Die von dem Beklagten geschaffene Vermittlungsprämie ist rechtswidrig.
I. Der Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 10. August 2007 auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. II. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Am 10. August 2007 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins (gem. § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. § 421g SGB III). Mit Bescheid vom 28. November 2007 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus; der Beklagte erbringe Leistungen zu Eingliederung in Arbeit und könne unter anderem die in §§ 421f SGB III ff. genannten Leistungen erbringen. Bei der Auswahl der Eingliederungsleistungen habe der Beklagte die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 14 S. 3 SGB II) zu beachten. Der Beklagte hat daher das Instrument der Vermittlungsprämie anstelle des Instrumentes des Vermittlungsgutscheines geschaffen. Das von dem Beklagten neu geschaffene Instrument der Vermittlungsprämie sichere gewisse Mindeststandards und besondere Vorzüge wie:
&9642; Übermittlung einer konkreten Stellenbeschreibung &9642; Eine Arbeitsstundenzahl von mindestens 30 Wochenstunden &9642; Mindestvergütung in Höhe von 6,- Euro die Stunde (bei Facharbeitern 7,- Euro) &9642; Keine Beschäftigung in den letzten 3 Jahren für länger als 3 Monate bei dem Arbeitgeber &9642; Eine stärkere Bemühung des Arbeitsvermittlers den Vermittelten nachhaltig in Arbeit zu vermitteln um sich die volle Prämie zu sichern.
und wirke durch restriktive Förderungsvoraussetzung einer missbräuchlichen Verwendung entgegen. Die Höhe der Vermittlungsprämie wurde durch den Beklagten auf eine absolute Höhe von 2000,- EUR begrenzt. Die Auszahlung dieser Maximalsumme erfolgt gestaffelt, abhängig von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Nach Vorlage des Arbeitsvertrages erfolgt eine anteilige Auszahlung in Höhe von 200,- Euro. Danach erfolgen nach mindestens sechsmonatigem Bestehen und dann für jeweils weitere 6 Monate jeweils in diesen Staffelungen, die Auszahlungen von bis zu dreimal 600,- Euro. Hierdurch würden nach Argumentation des Beklagten so genannte Mitnahmeeffekte und den niedrigen 1. Betrages neutralisiert. Die nachfolgende Staffelung unterstreiche den langfristigen Charakter der Eingliederungsbemühungen. Darüber hinaus erfülle das Instrument der Vermittlungsprämie die gleichen Aufgaben wie der Vermittlungsgutscheins und habe den gleichen Mitteleinsatz. Der Hilfebedürftige habe durch die Entscheidung für die Vermittlungsprämie auch keinen Nachteil, da diese ebenso wie der Vermittlungsgutscheins erst nach der Vermittlung zur Auszahlung komme. Auf diese Weise werde mit den Geldern der Steuerzahler, nach der Begründung des Beklagten, wirtschaftlicher umgegangen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2008 zurück. Der Beklagte stellte dabei fest, bei der begehrten Leistung handele es sich um Ermessensleistungen und der Beklagte habe sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Mit seiner am 26. März 2008 erhobenen Klage begehrt der Kläger eine ermessenfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins. Er ist der Auffassung der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen falsch gebraucht. Nach seiner Auffassung sei das Ermessen des Beklagten dahingehend zu gebrauchen, dass ihm vergleichbare Leistungen zum Vermittlungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit zu gewähren seien (§ 421g SGB III) die vom Beklagten in Aussicht gestellte Vermittlungsprämie sei abhängig von der Haushaltslage. Ein Rechtsanspruch auf Auszahlung würde selbst im Falle einer erfolgreichen Vermittlung daher nicht begründet werden. Es kann daher im Falle der Vermittlungsprämie nicht mit der gleichen Sicherheit wie bei einem Vermittlungsgutschein davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsvermittler auch tatsächlich einen Anspruch auf Auszahlung der Vergütung gegenüber dem Beklagten erlangt. Das wirtschaftliche Risiko der Beauftragung des Arbeitsvermittlers wird damit in vollem Umfang auf den Hilfebedürftigen übertragen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 10. August 2007 auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Er trägt ergänzend vor, dass er wegen § 6a SGB II verpflichtet sei alternative Modelle der Eingliederung zu schaffen. Dem sei er mit der Schaffung der Vermittlungsprämie, die das Instrument des Vermittlungsgutscheines auch nicht völlig ablöse, sondern lediglich ergänze, auch nachgekommen.
Die Kammer hat in Ausübung der Verpflichtung zur unter dem 13. Juli 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt. Im Rahmen dessen wurde dem Beklagten aufgegeben darzulegen in welchem Umfang in den vergangenen Jahren seit 2005 durch diesen Vermittlungsprämien und Vermittlungsgutscheine ausgegeben wurden. Die Kammer hat den Beteiligten mit Schreiben vom 10. September 2009 die Möglichkeit gegeben zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Kammer kann gemäß § 105 Absatz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und die Beteiligten dazu gehört wurden.
II. Die Klage ist zulässig, und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 7 Absatz 1 SGB II. Er hat darüber hinaus einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins. Die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins richtet sich nach § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II i. V. m. § 421g SGB III. Wie die Formulierung in § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II ("kann erbringen") klarstellt, handelt es sich bei den Eingliederungsleistungen nach dieser Bestimmung um Ermessensleistungen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen nach dem SGB III in den Vorschriften, auf welche sich diese Verweisung bezieht, eine Pflichtleistung geregelt ist (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2008 Az.: L 7 AS 3614/08). Grundsätzlich ist daher keine unmittelbare Verurteilung zur Leistung, sondern nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes möglich (vgl. § 131 Absatz 3 SGG). Das Gericht ist nicht berechtigt, oder befugt seine eigenen Ermessenserwägungen anstelle der Behörde auszuüben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9. Aufl. § 54 Rn. 28).
Der Beklagte hat sein Ermessen pflichtgemäß im Sinne von § 39 Absatz 1 S. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) auszuüben. Ein Ermessensfehler und damit eine Verletzung der Verpflichtung aus § 39 Absatz 1 S. 1 SGB I, liegt regelmäßig in drei Fallkonstellationen vor (vgl. aaO. SGG 9. Aufl. § 54 Rn. 27 ff.):
1. Ermessensnichtgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zu Begriff und Voraussetzungen des Ermessensnichtgebrauchs: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92)
2. Ermessensüberschreitung; § 39 Absatz 1 S. 1, 2. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: Kasseler Kommentar zum SGB I § 39 Rn 9).
3. Ermessensfehlgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92)
Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid nicht einmal erkannt, dass er überhaupt Ermessen auszuüben berechtigt ist. Er ist viel eher davon ausgegangen, dass er "verpflichtet sei alternative Modelle zur Eingliederung Arbeitssuchender zu schaffen". Im Widerspruchsbescheid hat er sein Ermessen hingegen erkannt und auszuüben versucht.
Dieses Ermessen wurde allerdings fehlerhaft im Sinne einer Ermessensüberschreitung und eines Ermessensfehlgebrauchs ausgeübt. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn eine im Gesetz nicht gesetzte Rechtsfolge gesetzt wird. Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt. Der Beklagte hat hier sowohl eine vom Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge gesetzt, als auch sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Zwar ist die auf den ersten Blick gesetzte Rechtsfolge (Ablehnung des Antrags) durchaus vom Gesetz gedeckt; wird eine Leistung, die im Ermessen der Behörde steht abgelehnt, ist durch das Gesetz in jedem Falle die Ablehnung der Leistung abgedeckt. Aber die vom Beklagten weiter gesetzte Rechtsfolge, nämlich der Verweis auf eine Vermittlungsprämie ist vom Gesetz (§ 16 SGB II) nicht gedeckt.
Die vom Beklagten in Aussicht gestellte Vermittlungsprämie ist in § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II nicht geregelt. Die Gewährung einer Vermittlungsprämie ist auch im SGB III nicht geregelt. Dem Beklagten ist durchaus bewusst, dass die von ihm geschaffene Vermittlungsprämie tatsächlich auf einer völlig eigenen Kreation des Beklagten beruht.
Der Beklagte ist zu einer Rechtsetzung grundsätzlich, schon wegen des Gewaltenteilungsprinzips (vgl. Artikel 20 Absatz 2 S. 2 GG), nicht berechtigt. Der Beklagte ist als Behörde Teil der Exekutive. Gesetzgeberische Fähigkeiten liegen der Exekutive allerdings nicht zu Grunde. Diese sind der gesetzgebenden Gewalt, der Legislative, vorbehalten. In Ausnahmefällen kann ein Gesetz durch eine so genannte Verordnungsermächtigung, die Exekutive ermächtigen durch Satzungen oder Verordnungen so genanntes "materielles Recht", im Rahmen der Grenzen der Verordnungsnorm, selbst zu setzen und zu schaffen.
Als eine solche Ermächtigungsnorm käme hier allenfalls § 16 Absatz 2 SGB II i. d. F. bis 31. Dezember 2008 (a.F.) in Betracht. Danach können über die in Absatz 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, wie für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Die weiteren Leistungen dürfen die Leistungen nach Absatz 1 nicht aufstocken. Zu den weiteren Leistung gehören insbesondere die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II oder Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16a SGB II.
Aus der vorgenannten Aufzählung wird deutlich, dass die in Aussichtstellung einer Vermittlungsprämie nicht zu den Leistungen gehört in die der Gesetzgeber beispielhaft in dieser Vorschrift aufzählt.
Soweit der Beklagte ergänzend auf § 6a SGB II hinweist, ist seine Auslegung dieser Norm mit deren eindeutigem Wortlaut nicht vereinbar. Wie der Beklagte allen Ernstes zu der Auffassung gelangt er sei verpflichtet alternative Modelle zur Eingliederung in Arbeit zu schaffen erschließt sich der Kammer nicht. Nach § 6a Absatz 1 SGB II sollen lediglich "insbesondere alternative Modelle der Eingliederung von Arbeitssuchenden im Wettbewerb zu den Eingliederungsmaßnahmen der Agenturen für Arbeit erprobt werden". Sinn und Zweck dieser Erprobung ist dabei nicht der sparsame Einsatz von Mitteln, sondern die bessere Eingliederung der Arbeitssuchenden. Die Kammer hat insoweit erhebliche Bedenken, ob ein Modell, das weit restriktivere Voraussetzungen festlegt, im Wettbewerb um bessere Eingliederung in Arbeit tatsächlich Bestand haben kann. Die Kammer verkennt indes in diesem Zusammenhang nicht, dass der Beklagte hier ein Modell schaffen wollte, mit dem er auch dem Arbeitsvermittler einen Anreiz zu einer langfristigeren Eingliederung der Hilfe suchenden setzt.
Entscheidend ist jedoch, dass der Wortlaut von § 16 Absatz 2 S. 1 SGB II a.F. ("über hinaus") die dort geregelten ergänzenden Leistungen nur zusätzlich zu, als auch unabhängig von den Leistungen nach § 16 Absatz 1 SGB II zulässt (vgl. Niewald in LPK SGB II, 2. Aufl. § 16 Rn. 19). Unabhängig von der konkreten Situation im Einzelfall, hat der Beklagte im Erörterungstermin ausdrücklich erklärt, dass seit der Einführung der Vermittlungsprämie durch den Beklagten nicht ein einziger Vermittlungsgutschein, sondern ausschließlich Vermittlungsprämien ausgestellt wurden. Auch im konkreten Fall hat der Beklagte die Vermittlungsprämie nicht zusätzlich oder unabhängig von einer Leistung nach § 16 Absatz 1 SGB II gewähren wollen, sondern anstelle dieser Leistung. Damit verstößt der Beklagte sowohl gegen Ermessens-, als auch gegen Verordnungsgrenzen, so dass er sein Ermessen bezüglich des Antrags des Klägers gar nicht pflichtgemäß ausüben konnte.
Da es der Kammer, wie bereits geschildert, verwehrt ist ihr Ermessen an Stelle des Ermessens des Beklagten zu setzen, war der Beklagte, neben der Aufhebung des Ablehnungsbescheides, nach § 131 Absatz 3 SGG noch zu verpflichten über den Antrag des Klägers unter Beachtung der oben genannten Rechtsauffassung erneut zu entscheiden.
III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die ermessensfehlerfreie Entscheidung des Beklagten über den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II).
Am 10. August 2007 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins (gem. § 16 Absatz 1 SGB II i. V. m. § 421g SGB III). Mit Bescheid vom 28. November 2007 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus; der Beklagte erbringe Leistungen zu Eingliederung in Arbeit und könne unter anderem die in §§ 421f SGB III ff. genannten Leistungen erbringen. Bei der Auswahl der Eingliederungsleistungen habe der Beklagte die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 14 S. 3 SGB II) zu beachten. Der Beklagte hat daher das Instrument der Vermittlungsprämie anstelle des Instrumentes des Vermittlungsgutscheines geschaffen. Das von dem Beklagten neu geschaffene Instrument der Vermittlungsprämie sichere gewisse Mindeststandards und besondere Vorzüge wie:
&9642; Übermittlung einer konkreten Stellenbeschreibung &9642; Eine Arbeitsstundenzahl von mindestens 30 Wochenstunden &9642; Mindestvergütung in Höhe von 6,- Euro die Stunde (bei Facharbeitern 7,- Euro) &9642; Keine Beschäftigung in den letzten 3 Jahren für länger als 3 Monate bei dem Arbeitgeber &9642; Eine stärkere Bemühung des Arbeitsvermittlers den Vermittelten nachhaltig in Arbeit zu vermitteln um sich die volle Prämie zu sichern.
und wirke durch restriktive Förderungsvoraussetzung einer missbräuchlichen Verwendung entgegen. Die Höhe der Vermittlungsprämie wurde durch den Beklagten auf eine absolute Höhe von 2000,- EUR begrenzt. Die Auszahlung dieser Maximalsumme erfolgt gestaffelt, abhängig von der Dauer des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Nach Vorlage des Arbeitsvertrages erfolgt eine anteilige Auszahlung in Höhe von 200,- Euro. Danach erfolgen nach mindestens sechsmonatigem Bestehen und dann für jeweils weitere 6 Monate jeweils in diesen Staffelungen, die Auszahlungen von bis zu dreimal 600,- Euro. Hierdurch würden nach Argumentation des Beklagten so genannte Mitnahmeeffekte und den niedrigen 1. Betrages neutralisiert. Die nachfolgende Staffelung unterstreiche den langfristigen Charakter der Eingliederungsbemühungen. Darüber hinaus erfülle das Instrument der Vermittlungsprämie die gleichen Aufgaben wie der Vermittlungsgutscheins und habe den gleichen Mitteleinsatz. Der Hilfebedürftige habe durch die Entscheidung für die Vermittlungsprämie auch keinen Nachteil, da diese ebenso wie der Vermittlungsgutscheins erst nach der Vermittlung zur Auszahlung komme. Auf diese Weise werde mit den Geldern der Steuerzahler, nach der Begründung des Beklagten, wirtschaftlicher umgegangen.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2008 zurück. Der Beklagte stellte dabei fest, bei der begehrten Leistung handele es sich um Ermessensleistungen und der Beklagte habe sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Mit seiner am 26. März 2008 erhobenen Klage begehrt der Kläger eine ermessenfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins. Er ist der Auffassung der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen falsch gebraucht. Nach seiner Auffassung sei das Ermessen des Beklagten dahingehend zu gebrauchen, dass ihm vergleichbare Leistungen zum Vermittlungsgutschein der Bundesagentur für Arbeit zu gewähren seien (§ 421g SGB III) die vom Beklagten in Aussicht gestellte Vermittlungsprämie sei abhängig von der Haushaltslage. Ein Rechtsanspruch auf Auszahlung würde selbst im Falle einer erfolgreichen Vermittlung daher nicht begründet werden. Es kann daher im Falle der Vermittlungsprämie nicht mit der gleichen Sicherheit wie bei einem Vermittlungsgutschein davon ausgegangen werden, dass der Arbeitsvermittler auch tatsächlich einen Anspruch auf Auszahlung der Vergütung gegenüber dem Beklagten erlangt. Das wirtschaftliche Risiko der Beauftragung des Arbeitsvermittlers wird damit in vollem Umfang auf den Hilfebedürftigen übertragen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 10. August 2007 auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf die angefochtenen Bescheide. Er trägt ergänzend vor, dass er wegen § 6a SGB II verpflichtet sei alternative Modelle der Eingliederung zu schaffen. Dem sei er mit der Schaffung der Vermittlungsprämie, die das Instrument des Vermittlungsgutscheines auch nicht völlig ablöse, sondern lediglich ergänze, auch nachgekommen.
Die Kammer hat in Ausübung der Verpflichtung zur unter dem 13. Juli 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt. Im Rahmen dessen wurde dem Beklagten aufgegeben darzulegen in welchem Umfang in den vergangenen Jahren seit 2005 durch diesen Vermittlungsprämien und Vermittlungsgutscheine ausgegeben wurden. Die Kammer hat den Beteiligten mit Schreiben vom 10. September 2009 die Möglichkeit gegeben zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid Stellung zu nehmen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Kammer kann gemäß § 105 Absatz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und die Beteiligten dazu gehört wurden.
II. Die Klage ist zulässig, und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger erfüllt unstreitig die Voraussetzungen des § 7 Absatz 1 SGB II. Er hat darüber hinaus einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins. Die Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins richtet sich nach § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II i. V. m. § 421g SGB III. Wie die Formulierung in § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II ("kann erbringen") klarstellt, handelt es sich bei den Eingliederungsleistungen nach dieser Bestimmung um Ermessensleistungen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen nach dem SGB III in den Vorschriften, auf welche sich diese Verweisung bezieht, eine Pflichtleistung geregelt ist (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg vom 18. Dezember 2008 Az.: L 7 AS 3614/08). Grundsätzlich ist daher keine unmittelbare Verurteilung zur Leistung, sondern nur eine Verpflichtung zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes möglich (vgl. § 131 Absatz 3 SGG). Das Gericht ist nicht berechtigt, oder befugt seine eigenen Ermessenserwägungen anstelle der Behörde auszuüben (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer SGG 9. Aufl. § 54 Rn. 28).
Der Beklagte hat sein Ermessen pflichtgemäß im Sinne von § 39 Absatz 1 S. 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) auszuüben. Ein Ermessensfehler und damit eine Verletzung der Verpflichtung aus § 39 Absatz 1 S. 1 SGB I, liegt regelmäßig in drei Fallkonstellationen vor (vgl. aaO. SGG 9. Aufl. § 54 Rn. 27 ff.):
1. Ermessensnichtgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zu Begriff und Voraussetzungen des Ermessensnichtgebrauchs: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92)
2. Ermessensüberschreitung; § 39 Absatz 1 S. 1, 2. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: Kasseler Kommentar zum SGB I § 39 Rn 9).
3. Ermessensfehlgebrauch; § 39 Absatz 1 S. 1, 1. Variante SGB I (vgl. zum Begriff: von Wulffen SGB X 6. Aufl. § 45 Rn. 92)
Der Beklagte hat im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid nicht einmal erkannt, dass er überhaupt Ermessen auszuüben berechtigt ist. Er ist viel eher davon ausgegangen, dass er "verpflichtet sei alternative Modelle zur Eingliederung Arbeitssuchender zu schaffen". Im Widerspruchsbescheid hat er sein Ermessen hingegen erkannt und auszuüben versucht.
Dieses Ermessen wurde allerdings fehlerhaft im Sinne einer Ermessensüberschreitung und eines Ermessensfehlgebrauchs ausgeübt. Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn eine im Gesetz nicht gesetzte Rechtsfolge gesetzt wird. Ermessensfehlgebrauch liegt vor, wenn die Behörde sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt. Der Beklagte hat hier sowohl eine vom Gesetz nicht vorgesehene Rechtsfolge gesetzt, als auch sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Zwar ist die auf den ersten Blick gesetzte Rechtsfolge (Ablehnung des Antrags) durchaus vom Gesetz gedeckt; wird eine Leistung, die im Ermessen der Behörde steht abgelehnt, ist durch das Gesetz in jedem Falle die Ablehnung der Leistung abgedeckt. Aber die vom Beklagten weiter gesetzte Rechtsfolge, nämlich der Verweis auf eine Vermittlungsprämie ist vom Gesetz (§ 16 SGB II) nicht gedeckt.
Die vom Beklagten in Aussicht gestellte Vermittlungsprämie ist in § 16 Absatz 1 S. 2 SGB II nicht geregelt. Die Gewährung einer Vermittlungsprämie ist auch im SGB III nicht geregelt. Dem Beklagten ist durchaus bewusst, dass die von ihm geschaffene Vermittlungsprämie tatsächlich auf einer völlig eigenen Kreation des Beklagten beruht.
Der Beklagte ist zu einer Rechtsetzung grundsätzlich, schon wegen des Gewaltenteilungsprinzips (vgl. Artikel 20 Absatz 2 S. 2 GG), nicht berechtigt. Der Beklagte ist als Behörde Teil der Exekutive. Gesetzgeberische Fähigkeiten liegen der Exekutive allerdings nicht zu Grunde. Diese sind der gesetzgebenden Gewalt, der Legislative, vorbehalten. In Ausnahmefällen kann ein Gesetz durch eine so genannte Verordnungsermächtigung, die Exekutive ermächtigen durch Satzungen oder Verordnungen so genanntes "materielles Recht", im Rahmen der Grenzen der Verordnungsnorm, selbst zu setzen und zu schaffen.
Als eine solche Ermächtigungsnorm käme hier allenfalls § 16 Absatz 2 SGB II i. d. F. bis 31. Dezember 2008 (a.F.) in Betracht. Danach können über die in Absatz 1 genannten Leistungen hinaus weitere Leistungen erbracht werden, wie für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Die weiteren Leistungen dürfen die Leistungen nach Absatz 1 nicht aufstocken. Zu den weiteren Leistung gehören insbesondere die Betreuung minderjähriger oder behinderter Kinder oder die häusliche Pflege von Angehörigen, die Schuldnerberatung, die psychosoziale Betreuung, die Suchtberatung, das Einstiegsgeld nach § 29 SGB II oder Leistungen zur Beschäftigungsförderung nach § 16a SGB II.
Aus der vorgenannten Aufzählung wird deutlich, dass die in Aussichtstellung einer Vermittlungsprämie nicht zu den Leistungen gehört in die der Gesetzgeber beispielhaft in dieser Vorschrift aufzählt.
Soweit der Beklagte ergänzend auf § 6a SGB II hinweist, ist seine Auslegung dieser Norm mit deren eindeutigem Wortlaut nicht vereinbar. Wie der Beklagte allen Ernstes zu der Auffassung gelangt er sei verpflichtet alternative Modelle zur Eingliederung in Arbeit zu schaffen erschließt sich der Kammer nicht. Nach § 6a Absatz 1 SGB II sollen lediglich "insbesondere alternative Modelle der Eingliederung von Arbeitssuchenden im Wettbewerb zu den Eingliederungsmaßnahmen der Agenturen für Arbeit erprobt werden". Sinn und Zweck dieser Erprobung ist dabei nicht der sparsame Einsatz von Mitteln, sondern die bessere Eingliederung der Arbeitssuchenden. Die Kammer hat insoweit erhebliche Bedenken, ob ein Modell, das weit restriktivere Voraussetzungen festlegt, im Wettbewerb um bessere Eingliederung in Arbeit tatsächlich Bestand haben kann. Die Kammer verkennt indes in diesem Zusammenhang nicht, dass der Beklagte hier ein Modell schaffen wollte, mit dem er auch dem Arbeitsvermittler einen Anreiz zu einer langfristigeren Eingliederung der Hilfe suchenden setzt.
Entscheidend ist jedoch, dass der Wortlaut von § 16 Absatz 2 S. 1 SGB II a.F. ("über hinaus") die dort geregelten ergänzenden Leistungen nur zusätzlich zu, als auch unabhängig von den Leistungen nach § 16 Absatz 1 SGB II zulässt (vgl. Niewald in LPK SGB II, 2. Aufl. § 16 Rn. 19). Unabhängig von der konkreten Situation im Einzelfall, hat der Beklagte im Erörterungstermin ausdrücklich erklärt, dass seit der Einführung der Vermittlungsprämie durch den Beklagten nicht ein einziger Vermittlungsgutschein, sondern ausschließlich Vermittlungsprämien ausgestellt wurden. Auch im konkreten Fall hat der Beklagte die Vermittlungsprämie nicht zusätzlich oder unabhängig von einer Leistung nach § 16 Absatz 1 SGB II gewähren wollen, sondern anstelle dieser Leistung. Damit verstößt der Beklagte sowohl gegen Ermessens-, als auch gegen Verordnungsgrenzen, so dass er sein Ermessen bezüglich des Antrags des Klägers gar nicht pflichtgemäß ausüben konnte.
Da es der Kammer, wie bereits geschildert, verwehrt ist ihr Ermessen an Stelle des Ermessens des Beklagten zu setzen, war der Beklagte, neben der Aufhebung des Ablehnungsbescheides, nach § 131 Absatz 3 SGG noch zu verpflichten über den Antrag des Klägers unter Beachtung der oben genannten Rechtsauffassung erneut zu entscheiden.
III.) Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis der Hauptsache.
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