Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 U 100/03
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 57/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch schweres Heben oder Tragen oder extreme Rumpfbeugehaltungen – vorliegt.
Der im März 1967 geborene Kläger wandte sich mit Datum vom 13. September 1998 an die Beklagte und schilderte, er leide seit 1997 an stark zunehmenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden. Er sei bei der Firma L. in H. als Verpacker tätig gewesen. Dabei habe er folgende Arbeitsschritte ausgeführt:
Zunächst seien Gitterrollwagen zu holen gewesen, auf denen fertige Polstermöbel gestapelt wurden. Dann seien die einzelnen Komponenten einer Kommission (z. B. Dreisitzersofa, Zweisitzersofa, Sessel) einzupacken gewesen, wobei eine Folientüte über das entsprechende Teil gezogen worden sei. Dabei hätten die Elemente auf die Seite eines Armteils gestellt werden müssen, um die Folie auf der Unterseite verkleben zu können. Die Arbeit habe ständiges Bücken, Heben und Drehen erfordert. Dann hätten die Teile aufgestapelt eingeräumt werden müssen. Dazu hätten sie angehoben und aufgestellt werden müssen. Die einzelnen Möbel seien aus Platzgründen aufeinander geschichtet bis in Kopfhöhe abgelegt worden. Zuletzt hätten die Möbel verzurrt und abtransportiert werden müssen. Am Tag seien zwischen 60 und 80 Kommissionen im Akkord zu bearbeiten gewesen. Sessel hätten etwa 30 bis 50 kg, Sofas 50 bis 85 kg und Schlafsofas 70 bis 100 kg gewogen. Zum Teil seien auch LKW in einer ähnlichen Vorgehensweise be- und entladen worden.
In einem am 1. Oktober 1998 ausgefüllten Erhebungsbogen gab der Kläger an, die Arbeit sei im Knien, Hocken und Stehen erfolgt. Er habe von Hand Gegenstände zwischen 20 und etwa 80 kg Gewicht heben und tragen müssen. Dies sei ungefähr 200 mal pro Arbeitstag an 220 Arbeitstagen erfolgt. Einzelne Hebe- oder Tragevorgänge hätten zwischen fünf und dreißig Sekunden gedauert. Das Heben und Tragen sei vor dem Körper, auf der Schulter, auf dem Rücken und seitwärts mit verdrehtem Oberkörper erfolgt. Die Beugung habe mehr als 60 Grad betragen. Dies sei etwa 240 Minuten pro Arbeitstag der Fall gewesen. In der Unternehmeranzeige vom 15. Oktober 1998 hat die Firma F. Link & Sohn GmbH & Co KG mitgeteilt, der Kläger sei zwischen dem 18. Mai 1992 und 13. November 1994 als Versandarbeiter und vom 14. November 1994 an in der gewerblichen Verwaltung als Bürohilfe eingesetzt gewesen. Zu dieser Zeit habe er noch aushilfsweise Versandtätigkeiten verrichtet. Der Kläger habe die Arbeit am 2. September bzw. 27. Oktober 1997 eingestellt.
Unter dem 24. November 1998 machte die Arbeitgeberin des Klägers ihre Angaben im Erhebungsbogen: Der Belastungszeitraum habe zwischen dem 18. Mai 1992 und 13. November 1994 gelegen. Der Kläger sei mit dem Verpacken von Polstergarnituren in Folie beschäftigt gewesen. Die Tätigkeit sei im Stehen auszuüben gewesen. Er habe Gegenstände mit einem Gewicht zwischen 50 und 60 kg heben müssen. Dabei habe es sich um Polstermöbel, nämlich Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel gehandelt. Es seien etwa 60 Hebevorgänge an etwa 200 Arbeitstagen im Jahr angefallen. Längere Tragevorgänge seien nicht erforderlich gewesen. Die Hebungen seien vor dem Körper erfolgt und hätten Beugungen zwischen 30 und 60 Grad erfordert. Die Belastung im Zeitraum von 14. November 1994 an habe in einer Aushilfstätigkeit gleicher Art bestanden. Diese sei minimal gewesen und lasse sich zeitlich nicht mehr eingrenzen.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten berichtete zusammenfassend über seine Recherchen, er habe sich im Beschäftigungsbetrieb in einem Gespräch mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit informiert. Die bis November 1994 ausgeübte Tätigkeit als Versandarbeiter bestehe in folgenden Verrichtungen: Zunächst seien Gitterrollwagen mit fertigen Polstermöbeln herbeizuholen. Im Allgemeinen handele es sich um komplette Garnituren, die zu verpacken seien, typischerweise ein Dreisitzersofa, ein Zweisitzersofa und ein Sessel. In geringem Umfang fielen auch Schlafsofas bzw. Funktionsmöbel, etwa zwei bis drei Stück pro Tag, an. Beim Einpacken würden die Möbelstücke angekippt, wobei etwa die Hälfte der Gewichtskraft aufzubringen sei. Dies sei mit regelmäßigem Bücken verbunden und werde teilweise in ergonomisch ungünstigen Haltungen durchgeführt. Die einzelnen Möbelteile würden auf spezielle Wagen gestellt. Dazu würden sie wiederum mit der halben Gewichtskraft auf einer Seite angehoben und auf den Versandwagen gekippt. Sofas stünden nachher hochkant auf einem Seitenteil. Auf die Zweisitzersofas würden Einzelteile wie Sessel oder andere Elemente gehoben. Dazu müssten die Sessel mit Gewichten von 30 bis maximal 50 kg auf eine Höhe von bis zu 1,60 m angehoben werden. Zum Schluss würden die Möbelstücke verzurrt und für den Abtransport vorbereitet. Durchschnittlich würden pro Tag 50 bis 60 Garnituren auf diese Weise bearbeitet. Gehe man bei den Sesseln davon aus, diese hätten zur Hälfte das Maximalgewicht gehabt, errechneten sich insgesamt höchstens 1487 Newtonstunden als Tagesdosis. Diese Größe liege unter dem gefährdenden Richtwert. Nach Auskunft des Sicherheitsbeauftragten sei der Kläger nach November 1994 lediglich sporadisch mal im Verpackungsbereich tätig gewesen, wenn Not am Mann gewesen sei. Der Technische Aufsichtsdienst hat seine Berechnungen beigefügt.
Die Beklagte erstreckte ihre Ermittlungen auf den Zeitraum von 1983 bis 1992, in dem der Kläger als Baumaschinist tätig war. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft bediente der Kläger in der Zeit zwischen August 1985 und April 1986 und von März 1990 bis Mai 1992 Baumaschinen, die die Beurteilungsschwingstärke von Kr 16,2 mit Kr 16,7 überschritten hätten, darunter den LKW W 50. Die ermittelte Gesamtdosis hätte aber kein Drittel einer gefährdenden Dosis erreicht. Bezüglich früherer Beschäftigungen des Klägers hat die Beklagte keine Gefährdungen im Sinne der Berufskrankheiten erheben können. Die insoweit angefallenen Ganzkörperschwingungen erreichten danach nicht die kritische Dosis für eine Gefährdung.
Aus der Vielzahl beigezogener medizinischer Unterlagen ging hervor, dass der Kläger zunächst vom 2. bis zum 26. September 1997 wegen einer Blockierung im Bereich des vierten und fünften Lendenwirbelkörpers arbeitsunfähig war. Röntgenaufnahmen vom 27. August 1997 ergaben geringe osteochondrotische Veränderungen. Erneute Arbeitsunfähigkeit trat am 27. Oktober 1997 ein. Ein Computertomogramm der Lendenwirbelsäule vom 20. Oktober 1997 ergab einen großen Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper und einen kleineren zwischen dem fünften Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein. Ein entsprechender Befund folgte aus einem Kernspintomogramm vom 31. Oktober 1997. Daraufhin erfolgte am 18. November 1997 eine Operation der Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen und Sportmediziners Dr. L. vom 28. April 2000 nach Aktenlage ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger seien keine wesentlichen Alternativursachen der Erkrankung zu sichern. Es sei aber keine Belastung der Wirbelsäule erreicht worden, die einen berufsbedingten Bandscheibenschaden begründen könnte. Bei einem rückfälligen Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres sei der Zusammenhang besonders kritisch zu prüfen. Beim Kläger lägen solche Beschwerden bereits seit 1993, seit dem 27. Lebensjahr, rückfällig vor. Dies spreche eindeutig für eine anlagebedingte Komponente der Wirbelsäulenbeschwerden. Nach den vom Technischen Aufsichtsdienst ermittelten Belastungen sei auch nicht von einer ausreichenden Belastung der Wirbelsäule auszugehen.
Der Gewerbearzt hat mitgeteilt, er halte eine Mitwirkung nicht für erforderlich.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nummern 2108 bzw. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab. Sie führte aus, die Annahme einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 setze bei Männern voraus, dass diese über einen Zeitraum von wenigstens 10 Jahren in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten mit gewisser Regelmäßigkeit und Dauer Gewichte von wenigstens 25 kg gehoben und getragen hätten. Beim Kläger hätte eine ausreichende Belastung nur zwischen Mai 1992 und November 1994 vorgelegen. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 2110 seien durch die vorangegangenen Beschäftigungen nicht erfüllt.
Mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 21. März 2002 hat der Kläger die Überprüfung des Bescheides nach § 44 SGB X beantragt. Er hat ausgeführt, die Verpackungstätigkeit habe sich nur zu Beginn seiner Tätigkeit vornehmlich auf Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel bezogen. Später seien in gleichem Maße Rundecken, Schlafsofas und Kombinationsliegen gefertigt worden und zu verpacken gewesen. Die Stückzahl der zu verpackenden schwereren Möbel habe durchschnittlich etwa zehn Stück pro Tag betragen. Es sei unzutreffend, dass er allenfalls die Hälfte des Gewichts der einzelnen Möbelteile anzuheben gehabt habe. Nach der vom Technischen Aufsichtsdienst abgegebenen Beschreibung hätte wegen der Gefahr einer Beschädigung der Möbel nicht vorgegangen werden können. Auch nach November 1994 sei er teilweise über Wochen im Verpackungsdienst eingesetzt gewesen. Insgesamt müsse die Hälfte der Zeit in Ansatz gebracht werden. Bezüglich der Ermittlung der Ganzkörperschwingungen sei anzumerken, dass er den LKW W 50 nur ein einziges Mal gefahren habe.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hat in einer erneuten Stellungnahme vom 31. Mai 2002 mitgeteilt, der Betrieb des Arbeitgebers sei am 1. März 2000 gelöscht worden. Die Behauptungen aus der Antragsbegründung ließen sich nur schwer nachprüfen. Jedenfalls sei das Kriterium einer langjährigen Belastungsdauer von mindestens 10 Jahren nicht erfüllt.
Der Technische Aufsichtsdienst der Tiefbau-Berufsgenossenschaft nahm am 14. August 2002 Stellung, der Kläger habe die Beurteilungsschwingstärke der BK 2110 von Kr 16,2 nicht erreicht. Für die drei Geräte, deren Benutzung ermittelt worden sei, liege die höchste Schwingstärke bei 10,1 (mit Ausnahme des W 50, dessen Benutzung der Kläger bestritten hatte), wie sich aus entsprechenden Publikationen ergebe. Eine gefährdende Tätigkeit sei nicht ausgeübt worden.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 6. Juli 2000 ab. Sie stellte das Ergebnis ihrer erneuten Ermittlungen dar.
Mit dem am 5. November 2002 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Zeit von zehn Belastungsjahren könne nicht entscheidend sein. Bei richtiger Berechnung habe er den Richtwert der Tagesdosis deutlich überschritten. Die tatsächliche Belastung lasse sich aus den Akkordlohnnachweisen ableiten. Die Abrechnung sei nach Sitzeinheiten erfolgt, die mit 42 Pfennig vergütet worden seien. Eine aus Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel bestehende Garnitur habe sechs Sitzeinheiten umfasst. Durchschnittlich habe er 200,- DM arbeitstäglich erarbeiten sollen, was 80 Garnituren entspreche. Für den 28. Oktober 1994 sei aber z. B. ein Betrag für ungefähr 154 Sitzgarnituren berechnet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und blieb bei den abgegebenen Begründungen.
Mit der am 10. Juni 2003 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2000. Beim Kläger liege zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Es stehe aber nicht mit Wahrscheinlichkeit fest, dass sie wesentlich durch berufliche Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheiten nach Nummern 2108 und 2110 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung verursacht worden sei. Das Gutachten von Dr. L. habe eine anlagebedingte Schwäche des Bandscheibengewebes als Ursache der Erkrankung benennen können. Auch fehle es an einem zur Verursachung hinreichenden Ausmaß beruflicher Einwirkungen. Der Kläger sei von Mai 1992 bis November 1994 nur zwei Jahre und sieben Monate und damit nicht langjährig, nämlich zehn Jahre, Einwirkungen im Sinne einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur BKV ausgesetzt gewesen. Ob er während dieser Zeit hinreichend regelmäßig schwer gehoben und getragen habe, könne danach dahinstehen. Als Baumaschinist sei er auch keiner gefährdenden Exposition im Sinne einer Berufskrankheit nach Nummer 2110 ausgesetzt gewesen. Dies ergebe sich aus den entsprechenden Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft.
Gegen den ihm am 20. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19. April 2006 Berufung eingelegt.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen MR D ... Dr. M. vom 1. Oktober 2008 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 129 - 141 d. A. Bezug genommen wird. Er hat im Wesentlichen ausgeführt, bei der ihm vorgegebenen unterstellten ausreichenden beruflichen Einwirkung sei die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers wahrscheinlich berufsbedingt entstanden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich in diesem Falle auf 10 v. H.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 30. Oktober 2007 eine neue Berechnung der Gesamtbelastungsdosis vorgelegt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 155 - 160 d. A. Bezug genommen wird. Insgesamt ist sie zu einer Belastung von 1,9 Meganewtonstunden (MNh) gelangt.
Der Kläger hat auf Anforderung des Gerichts weitere Akkordlohnnachweise vorgelegt, die sich auf verschiedene Monate des Jahres 1994 beziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 168 - 185 d. A. verwiesen.
Der Kläger bekräftigt, in seinem Falle seien die zulässigen Grenzwerte in einem Extremmaß überschritten worden. Das Sozialgericht habe nicht ohne gutachterliche Mitwirkung für diesen Fall entscheiden können, eine Einwirkungszeit von zwei Jahren und sieben Monaten reiche nicht aus. Der Sachverständige habe eine alternative Erklärung für das Wirbelsäulenleiden ausgeschlossen. Bei der Expositionsermittlung der Beklagten sei nicht hinreichend berücksichtigt, dass er die Polsterelemente allein getragen habe. Zudem hätten auch die Dreisitzer und Zweisitzer auf den Rollwagen gehoben werden müssen, dessen Boden etwa 10 cm über dem Erdboden gelegen habe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 6. Juli 2000 aufzuheben und bei ihm ab 27. Oktober 1997 eine Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, das Gutachten des Sachverständigen MR D ... Dr. M. sei wegen der Unterstellung einer ausreichenden Exposition nicht verwertbar. Deren Erfüllung halte sie für widerlegt.
Die Akte der Beklagten über den Kläger – Az.: 1/98/09226/4 – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juli 2000 abgelehnt hat. Der Kläger hat gem. § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) keinen Anspruch auf die Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2000, weil die Beklagte darin nicht wegen falscher Sachverhaltsgrundlage oder Rechtsanwendung zu Unrecht Sozialleistungen verweigert hat. Sie hat die (Sozialleistungen begründende) Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu Recht abgelehnt. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des Tatbestandes der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV, weil er nicht in einem Maße mit Heben und Tragen schwerer Lasten oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung beschäftigt war, das besondere Einwirkungen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) begründen könnte. Denn er erfüllt nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen, aus denen sich eine entsprechende Gefährdung ableiten ließe. Die Exposition des Klägers durch Heben und Tragen von Lasten erreicht schon nach seiner eigenen Darstellung der Belastungen nicht die Mindestbelastung von 12,5 MNh, unterhalb deren nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ein Zusammenhang einer Lendenwirbelsäulenerkrankung mit beruflichen Belastungen auszuschließen ist (BSG, Urt. v. 30. 10. 2007 – B 2 U 4/06 R – Juris, Rdnr. 25). Mit Ausnahme bestimmter Mindestgrößen hat die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem Mainz-D.er-Dosismodell zu erfolgen (BSG, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten unter dem 28. Januar 2009 vorgelegte Berechnung grundsätzlich. Die vom Kläger vorgetragenen Einwände bezüglich des tatsächlichen Arbeitsablaufs führen nicht zum Erreichen der Dosis von 12,5 MNh. Der Senat geht zunächst bei Überprüfung der Berechnung der Beklagten von folgenden Tatsachen aus: Die Berechnung der Beklagten berücksichtigt lediglich das Aufkanten der Möbel zum Zweck der Verpackung. Zutreffend legt die Beklagte dafür die Hälfte des Möbelgewichts als Traglast zu Grunde. Nicht nachvollziehbar ist aber die Einordnung des Vorgangs als Umsetzen. Denn das Möbelstück ist nicht nur kurz umzuheben, sondern durch das aufdie-Seite-Legen mit der Hälfte seines Gewichts auf die Höhe zu heben, die seiner Breite entspricht. Es handelt sich insoweit um einen Hebevorgang.
Nach Würdigung des Senats unberücksichtigt geblieben ist die Notwendigkeit, die Möbel vom Anlieferwagen herab- und wieder auf den Versandwagen hinauf zu heben. Hierzu geht das Gericht vom Vortrag des Klägers aus, die Möbel dabei allein gehoben zu haben. Bei den ganz oben aufzulegenden Sesseln handelt es sich um Hebevorgänge. Demgegenüber liegen beim Aufstellen der größeren Möbel mit der Seite auf den Wagenboden in einer Höhe von zehn Zentimetern Umsetzvorgänge vor, weil die Hubhöhe vernachlässigt werden kann. Denn auch beim sonstigen Umsetzen ist eine Hebung vom Boden erforderlich. Für den Vorgang der Ent- und Beladung des Wagens setzt der Senat je Möbelstück und Vorgang zwei Sekunden für Umsetzen an. Kürzere Hebungen sind nach dem Mainz-D.er-Dosismodell pauschal mit 2,5 Sekunden zu berücksichtigen.
Der Senat geht von den Gewichten der Möbelstücke aus, die die Beklagte in ihre Berechnung eingestellt hat. Zunächst ist diese Berechnung günstig, weil die Beklagte bei allen Mehrsitzern die Gewichtsobergrenze zu Grunde gelegt hat. Dabei sind die berücksichtigten Gewichte höher, als die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 26. November 2009 mitgeteilten Gewichte. Für Sessel schließt sich der Senat der Aufteilung der Beklagten an, wonach zur Hälfte die leichtesten Sessel und zur Hälfte die schwersten Sessel in die Berechnung eingehen.
Weiterhin berücksichtigt der Senat den nicht bewiesenen Vortrag des Klägers, wonach er nicht 60, sondern 80 Garnituren arbeitstäglich und nicht drei, sondern zehn schwere Einzelstücke, z.B. Schlafsofas etc., zu verpacken hatte.
Die Berechnung nach dem Mainz-D.er-Dosismodell ist mit dem Titel "Vorschlag zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren" in Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 1999, S. 112 – 122, veröffentlicht. Daran ist die hier anzustellende Berechnung ausgerichtet. Im Einzelnen ergibt sich für den Zeitraum zwischen Mai 1992 und November 1994 Folgendes: Beidhändiges Heben von Sesseln von 30 kg Gewicht zur Hälfte (durch Hochkanten) ergibt die Druckkraft F von 2925 N, errechnet aus 15 kg Lastgewicht mal 75 N zuzüglich einer Konstante von 1800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 8.555.625 ist mit der arbeitstäglichen Einwirkungszeit von 0,03 Stunden, errechnet aus 40 Hebungen (für die Hälfte der Sessel) mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 256.669 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 30 kg Gewicht (durch Ent- und Beladen) ergibt die Druckkraft von 4050 N. Das Quadrat der Druckkraft von 16.402.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden, errechnet aus 80 Hebungen mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 984.150 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 50 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 3675 N, errechnet mit 25 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 13.505.625 ist mit der Einwirkungszeit von 0,03 Stunden zu einer Zwischengröße von 405.169 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 50 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 5550 N. Das Quadrat der Druckkraft von 30.802.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden zu einer Zwischengröße von 1.848.150 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Zweisitzern von 50 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 3675 N, errechnet mit 25 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 13.505.625 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden, errechnet aus 80 Hebungen mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 810.358 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von Zweisitzern von 50 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 4550 N, errechnet aus 50 kg Lastgewicht mal 75 N zuzüglich einer Konstante von 800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 20.702.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,09 Stunden, errechnet aus 160 Umsetzvorgängen mal 2 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 1.863.225 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Dreisitzern von 70 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 4425 N, errechnet mit 35 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 19.580.625 ist mit 0,06 Stunden zu einer Zwischengröße von 1.174.838 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von Dreisitzern von 70 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 6050 N. Das Quadrat der Druckkraft von 36.602.500 ist mit 0,09 Stunden zu einer Zwischengröße von 3.294.225 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von schweren Einzelmöbeln von 80 kg Gewicht (Schlafsofas etc.) durch Hochkanten zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 4800 N, errechnet mit 40 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 23.040.000 ist mit 0,01 Stunden, errechnet aus 10 Hebungen mal 2,5 Sekunden zu einer Zwischengröße von 230.400 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von schweren Einzelmöbeln von 80 kg Gewicht durch Laden ergibt die Druckkraft von 6800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 46.240.000 ist mit 0,01 Stunden, errechnet aus 20 Umsetzvorgängen von 2 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 462.400 zu vervielfältigen.
Aus allen Zwischengrößen ist die Summe von 11.329.584 zu bilden. Diese ist durch die tägliche Arbeitsstundenzahl 8 auf 1.416.198 zu teilen und daraus die Wurzel zu ziehen, ergibt 1190. Dieses Ergebnis ist wiederum mit 8 Stunden auf 9520 Nh für den Arbeitstag zu vervielfältigen. Bei den von der Beklagten weiter zu Grunde gelegten Größen von 220 Arbeitstagen jährlich und 2,58 Jahren ergibt die Vervielfältigung 5.403.552 Nh bzw. 5,4 MNh.
Für den Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 30. September 1997 ist der vom Kläger behaupteten gleichen Beanspruchung in der Hälfte der Arbeitszeit zu entsprechen, indem 110 Arbeitstage pro Jahr angesetzt werden. Danach ergeben sich bei 9520 Nh belastungstäglich mal 110 Belastungstagen jährlich und 2,83 Jahren 3 MNh, zusammen eine Einwirkung im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV 8,4 MNh. Dies sind nur zwei Drittel der Belastung, ab der die Berufskrankheit in Betracht kommt, wobei fast ausschließlich Gewichte an der Obergrenze eingestellt sind.
Die vom Kläger erreichte Dosis kann sich auch durch eine zusätzliche Berücksichtigung der Ganzkörperschwingungen nicht erhöhen, da eine einzubeziehende Dosis an Ganzkörperschwingungen nicht vorgelegen hat. Denn eine Dosis errechnet sich insoweit nicht, weil schon Schwingungen gefährdender Stärke nicht vorgelegen haben. Insofern reichen nicht jegliche Ganzkörperschwingungen aus, sondern nur solche, die sich nach wissenschaftlichem Kenntnisstand im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. SGB VII als besondere Einwirkungen darstellen, die eine solche Krankheit verursachen können. Insoweit hat die Beklagte im Rahmen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zutreffend die erforderliche Schwingungsstärke verneint, weil die aufgetretene Schwingungsstärke von Kr 10,1 sowohl die allgemeine Beurteilungsschwingstärke von Kr 16,2 als auch die gefährdende Größe bei Auftreten impulshaltiger Schwingungen von Kr 12,5 unterschreitet. Dies ergibt sich aus der jüngeren, nachvollziehbar begründeten Mitteilung des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft. Daran ändert es nichts, dass die Beurteilungsschwingstärke seit 2002 ausweislich der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Merkblatt (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales v. 1. 5. 2005, hier zitiert nach Mehrtens/B., BKV, M 2110) in einer anderen Größe ermittelt und angegeben wird. Denn hinsichtlich der Größenordnung ist insoweit keine grundsätzliche Änderung eingetreten; eine Gefährdung durch die Einwirkung ist hier weiterhin nicht wahrscheinlich. Nach der Umrechnungsformel (Merkblatt, a.a.O., IV) auf den neuen Maßstab a w(8) ist die Zahl der Kr-Größe zur annähernden Ermittlung des neuen Wertes durch 20 zu teilen, hier auf höchstens 0,51 ms(hoch -2). Dieser Wert begründet nach der Tabelle 2 des Merkblattes bei einer Belastungsdauer von weniger als zehn Jahren – so beim Kläger – kein wahrscheinliches Gesundheitsrisiko. Auch Änderungen bei der Ermittlung haben insoweit keinen Einfluss, weil für die Neubewertung der jeweiligen Arten von Baumaschinen (Merkblatt, a.a.O., Tabelle 3) als höchster Faktor für eine Erhöhung der Ergebnisse 1,2 genannt ist. Selbst eine damit verbundene Erhöhung des Wertes der Schwingstärke auf 0,61 begründete keine Gefährdung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 160 Abs. 2 S. 2 SGG nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob beim Kläger eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung – bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch schweres Heben oder Tragen oder extreme Rumpfbeugehaltungen – vorliegt.
Der im März 1967 geborene Kläger wandte sich mit Datum vom 13. September 1998 an die Beklagte und schilderte, er leide seit 1997 an stark zunehmenden Lendenwirbelsäulenbeschwerden. Er sei bei der Firma L. in H. als Verpacker tätig gewesen. Dabei habe er folgende Arbeitsschritte ausgeführt:
Zunächst seien Gitterrollwagen zu holen gewesen, auf denen fertige Polstermöbel gestapelt wurden. Dann seien die einzelnen Komponenten einer Kommission (z. B. Dreisitzersofa, Zweisitzersofa, Sessel) einzupacken gewesen, wobei eine Folientüte über das entsprechende Teil gezogen worden sei. Dabei hätten die Elemente auf die Seite eines Armteils gestellt werden müssen, um die Folie auf der Unterseite verkleben zu können. Die Arbeit habe ständiges Bücken, Heben und Drehen erfordert. Dann hätten die Teile aufgestapelt eingeräumt werden müssen. Dazu hätten sie angehoben und aufgestellt werden müssen. Die einzelnen Möbel seien aus Platzgründen aufeinander geschichtet bis in Kopfhöhe abgelegt worden. Zuletzt hätten die Möbel verzurrt und abtransportiert werden müssen. Am Tag seien zwischen 60 und 80 Kommissionen im Akkord zu bearbeiten gewesen. Sessel hätten etwa 30 bis 50 kg, Sofas 50 bis 85 kg und Schlafsofas 70 bis 100 kg gewogen. Zum Teil seien auch LKW in einer ähnlichen Vorgehensweise be- und entladen worden.
In einem am 1. Oktober 1998 ausgefüllten Erhebungsbogen gab der Kläger an, die Arbeit sei im Knien, Hocken und Stehen erfolgt. Er habe von Hand Gegenstände zwischen 20 und etwa 80 kg Gewicht heben und tragen müssen. Dies sei ungefähr 200 mal pro Arbeitstag an 220 Arbeitstagen erfolgt. Einzelne Hebe- oder Tragevorgänge hätten zwischen fünf und dreißig Sekunden gedauert. Das Heben und Tragen sei vor dem Körper, auf der Schulter, auf dem Rücken und seitwärts mit verdrehtem Oberkörper erfolgt. Die Beugung habe mehr als 60 Grad betragen. Dies sei etwa 240 Minuten pro Arbeitstag der Fall gewesen. In der Unternehmeranzeige vom 15. Oktober 1998 hat die Firma F. Link & Sohn GmbH & Co KG mitgeteilt, der Kläger sei zwischen dem 18. Mai 1992 und 13. November 1994 als Versandarbeiter und vom 14. November 1994 an in der gewerblichen Verwaltung als Bürohilfe eingesetzt gewesen. Zu dieser Zeit habe er noch aushilfsweise Versandtätigkeiten verrichtet. Der Kläger habe die Arbeit am 2. September bzw. 27. Oktober 1997 eingestellt.
Unter dem 24. November 1998 machte die Arbeitgeberin des Klägers ihre Angaben im Erhebungsbogen: Der Belastungszeitraum habe zwischen dem 18. Mai 1992 und 13. November 1994 gelegen. Der Kläger sei mit dem Verpacken von Polstergarnituren in Folie beschäftigt gewesen. Die Tätigkeit sei im Stehen auszuüben gewesen. Er habe Gegenstände mit einem Gewicht zwischen 50 und 60 kg heben müssen. Dabei habe es sich um Polstermöbel, nämlich Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel gehandelt. Es seien etwa 60 Hebevorgänge an etwa 200 Arbeitstagen im Jahr angefallen. Längere Tragevorgänge seien nicht erforderlich gewesen. Die Hebungen seien vor dem Körper erfolgt und hätten Beugungen zwischen 30 und 60 Grad erfordert. Die Belastung im Zeitraum von 14. November 1994 an habe in einer Aushilfstätigkeit gleicher Art bestanden. Diese sei minimal gewesen und lasse sich zeitlich nicht mehr eingrenzen.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten berichtete zusammenfassend über seine Recherchen, er habe sich im Beschäftigungsbetrieb in einem Gespräch mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit informiert. Die bis November 1994 ausgeübte Tätigkeit als Versandarbeiter bestehe in folgenden Verrichtungen: Zunächst seien Gitterrollwagen mit fertigen Polstermöbeln herbeizuholen. Im Allgemeinen handele es sich um komplette Garnituren, die zu verpacken seien, typischerweise ein Dreisitzersofa, ein Zweisitzersofa und ein Sessel. In geringem Umfang fielen auch Schlafsofas bzw. Funktionsmöbel, etwa zwei bis drei Stück pro Tag, an. Beim Einpacken würden die Möbelstücke angekippt, wobei etwa die Hälfte der Gewichtskraft aufzubringen sei. Dies sei mit regelmäßigem Bücken verbunden und werde teilweise in ergonomisch ungünstigen Haltungen durchgeführt. Die einzelnen Möbelteile würden auf spezielle Wagen gestellt. Dazu würden sie wiederum mit der halben Gewichtskraft auf einer Seite angehoben und auf den Versandwagen gekippt. Sofas stünden nachher hochkant auf einem Seitenteil. Auf die Zweisitzersofas würden Einzelteile wie Sessel oder andere Elemente gehoben. Dazu müssten die Sessel mit Gewichten von 30 bis maximal 50 kg auf eine Höhe von bis zu 1,60 m angehoben werden. Zum Schluss würden die Möbelstücke verzurrt und für den Abtransport vorbereitet. Durchschnittlich würden pro Tag 50 bis 60 Garnituren auf diese Weise bearbeitet. Gehe man bei den Sesseln davon aus, diese hätten zur Hälfte das Maximalgewicht gehabt, errechneten sich insgesamt höchstens 1487 Newtonstunden als Tagesdosis. Diese Größe liege unter dem gefährdenden Richtwert. Nach Auskunft des Sicherheitsbeauftragten sei der Kläger nach November 1994 lediglich sporadisch mal im Verpackungsbereich tätig gewesen, wenn Not am Mann gewesen sei. Der Technische Aufsichtsdienst hat seine Berechnungen beigefügt.
Die Beklagte erstreckte ihre Ermittlungen auf den Zeitraum von 1983 bis 1992, in dem der Kläger als Baumaschinist tätig war. Nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft bediente der Kläger in der Zeit zwischen August 1985 und April 1986 und von März 1990 bis Mai 1992 Baumaschinen, die die Beurteilungsschwingstärke von Kr 16,2 mit Kr 16,7 überschritten hätten, darunter den LKW W 50. Die ermittelte Gesamtdosis hätte aber kein Drittel einer gefährdenden Dosis erreicht. Bezüglich früherer Beschäftigungen des Klägers hat die Beklagte keine Gefährdungen im Sinne der Berufskrankheiten erheben können. Die insoweit angefallenen Ganzkörperschwingungen erreichten danach nicht die kritische Dosis für eine Gefährdung.
Aus der Vielzahl beigezogener medizinischer Unterlagen ging hervor, dass der Kläger zunächst vom 2. bis zum 26. September 1997 wegen einer Blockierung im Bereich des vierten und fünften Lendenwirbelkörpers arbeitsunfähig war. Röntgenaufnahmen vom 27. August 1997 ergaben geringe osteochondrotische Veränderungen. Erneute Arbeitsunfähigkeit trat am 27. Oktober 1997 ein. Ein Computertomogramm der Lendenwirbelsäule vom 20. Oktober 1997 ergab einen großen Bandscheibenvorfall zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbelkörper und einen kleineren zwischen dem fünften Lendenwirbelkörper und dem Kreuzbein. Ein entsprechender Befund folgte aus einem Kernspintomogramm vom 31. Oktober 1997. Daraufhin erfolgte am 18. November 1997 eine Operation der Bandscheibe zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbelkörper.
Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen und Sportmediziners Dr. L. vom 28. April 2000 nach Aktenlage ein. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, beim Kläger seien keine wesentlichen Alternativursachen der Erkrankung zu sichern. Es sei aber keine Belastung der Wirbelsäule erreicht worden, die einen berufsbedingten Bandscheibenschaden begründen könnte. Bei einem rückfälligen Auftreten von Wirbelsäulenbeschwerden vor dem Erreichen des 30. Lebensjahres sei der Zusammenhang besonders kritisch zu prüfen. Beim Kläger lägen solche Beschwerden bereits seit 1993, seit dem 27. Lebensjahr, rückfällig vor. Dies spreche eindeutig für eine anlagebedingte Komponente der Wirbelsäulenbeschwerden. Nach den vom Technischen Aufsichtsdienst ermittelten Belastungen sei auch nicht von einer ausreichenden Belastung der Wirbelsäule auszugehen.
Der Gewerbearzt hat mitgeteilt, er halte eine Mitwirkung nicht für erforderlich.
Mit Bescheid vom 6. Juli 2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nummern 2108 bzw. 2110 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ab. Sie führte aus, die Annahme einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 setze bei Männern voraus, dass diese über einen Zeitraum von wenigstens 10 Jahren in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten mit gewisser Regelmäßigkeit und Dauer Gewichte von wenigstens 25 kg gehoben und getragen hätten. Beim Kläger hätte eine ausreichende Belastung nur zwischen Mai 1992 und November 1994 vorgelegen. Auch die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nummer 2110 seien durch die vorangegangenen Beschäftigungen nicht erfüllt.
Mit Eingangsdatum bei der Beklagten vom 21. März 2002 hat der Kläger die Überprüfung des Bescheides nach § 44 SGB X beantragt. Er hat ausgeführt, die Verpackungstätigkeit habe sich nur zu Beginn seiner Tätigkeit vornehmlich auf Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel bezogen. Später seien in gleichem Maße Rundecken, Schlafsofas und Kombinationsliegen gefertigt worden und zu verpacken gewesen. Die Stückzahl der zu verpackenden schwereren Möbel habe durchschnittlich etwa zehn Stück pro Tag betragen. Es sei unzutreffend, dass er allenfalls die Hälfte des Gewichts der einzelnen Möbelteile anzuheben gehabt habe. Nach der vom Technischen Aufsichtsdienst abgegebenen Beschreibung hätte wegen der Gefahr einer Beschädigung der Möbel nicht vorgegangen werden können. Auch nach November 1994 sei er teilweise über Wochen im Verpackungsdienst eingesetzt gewesen. Insgesamt müsse die Hälfte der Zeit in Ansatz gebracht werden. Bezüglich der Ermittlung der Ganzkörperschwingungen sei anzumerken, dass er den LKW W 50 nur ein einziges Mal gefahren habe.
Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hat in einer erneuten Stellungnahme vom 31. Mai 2002 mitgeteilt, der Betrieb des Arbeitgebers sei am 1. März 2000 gelöscht worden. Die Behauptungen aus der Antragsbegründung ließen sich nur schwer nachprüfen. Jedenfalls sei das Kriterium einer langjährigen Belastungsdauer von mindestens 10 Jahren nicht erfüllt.
Der Technische Aufsichtsdienst der Tiefbau-Berufsgenossenschaft nahm am 14. August 2002 Stellung, der Kläger habe die Beurteilungsschwingstärke der BK 2110 von Kr 16,2 nicht erreicht. Für die drei Geräte, deren Benutzung ermittelt worden sei, liege die höchste Schwingstärke bei 10,1 (mit Ausnahme des W 50, dessen Benutzung der Kläger bestritten hatte), wie sich aus entsprechenden Publikationen ergebe. Eine gefährdende Tätigkeit sei nicht ausgeübt worden.
Mit Bescheid vom 21. Oktober 2002 lehnte die Beklagte die Rücknahme ihres Bescheides vom 6. Juli 2000 ab. Sie stellte das Ergebnis ihrer erneuten Ermittlungen dar.
Mit dem am 5. November 2002 bei der Beklagten eingegangenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Zeit von zehn Belastungsjahren könne nicht entscheidend sein. Bei richtiger Berechnung habe er den Richtwert der Tagesdosis deutlich überschritten. Die tatsächliche Belastung lasse sich aus den Akkordlohnnachweisen ableiten. Die Abrechnung sei nach Sitzeinheiten erfolgt, die mit 42 Pfennig vergütet worden seien. Eine aus Dreisitzer, Zweisitzer und Sessel bestehende Garnitur habe sechs Sitzeinheiten umfasst. Durchschnittlich habe er 200,- DM arbeitstäglich erarbeiten sollen, was 80 Garnituren entspreche. Für den 28. Oktober 1994 sei aber z. B. ein Betrag für ungefähr 154 Sitzgarnituren berechnet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück und blieb bei den abgegebenen Begründungen.
Mit der am 10. Juni 2003 beim Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Klage hat der Kläger sein Anliegen weiter verfolgt.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. März 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X auf Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2000. Beim Kläger liege zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule vor. Es stehe aber nicht mit Wahrscheinlichkeit fest, dass sie wesentlich durch berufliche Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheiten nach Nummern 2108 und 2110 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung verursacht worden sei. Das Gutachten von Dr. L. habe eine anlagebedingte Schwäche des Bandscheibengewebes als Ursache der Erkrankung benennen können. Auch fehle es an einem zur Verursachung hinreichenden Ausmaß beruflicher Einwirkungen. Der Kläger sei von Mai 1992 bis November 1994 nur zwei Jahre und sieben Monate und damit nicht langjährig, nämlich zehn Jahre, Einwirkungen im Sinne einer Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur BKV ausgesetzt gewesen. Ob er während dieser Zeit hinreichend regelmäßig schwer gehoben und getragen habe, könne danach dahinstehen. Als Baumaschinist sei er auch keiner gefährdenden Exposition im Sinne einer Berufskrankheit nach Nummer 2110 ausgesetzt gewesen. Dies ergebe sich aus den entsprechenden Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft.
Gegen den ihm am 20. März 2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19. April 2006 Berufung eingelegt.
Das Gericht hat ein Gutachten des Chirurgen MR D ... Dr. M. vom 1. Oktober 2008 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 129 - 141 d. A. Bezug genommen wird. Er hat im Wesentlichen ausgeführt, bei der ihm vorgegebenen unterstellten ausreichenden beruflichen Einwirkung sei die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers wahrscheinlich berufsbedingt entstanden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit belaufe sich in diesem Falle auf 10 v. H.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vom 30. Oktober 2007 eine neue Berechnung der Gesamtbelastungsdosis vorgelegt, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf Bl. 155 - 160 d. A. Bezug genommen wird. Insgesamt ist sie zu einer Belastung von 1,9 Meganewtonstunden (MNh) gelangt.
Der Kläger hat auf Anforderung des Gerichts weitere Akkordlohnnachweise vorgelegt, die sich auf verschiedene Monate des Jahres 1994 beziehen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 168 - 185 d. A. verwiesen.
Der Kläger bekräftigt, in seinem Falle seien die zulässigen Grenzwerte in einem Extremmaß überschritten worden. Das Sozialgericht habe nicht ohne gutachterliche Mitwirkung für diesen Fall entscheiden können, eine Einwirkungszeit von zwei Jahren und sieben Monaten reiche nicht aus. Der Sachverständige habe eine alternative Erklärung für das Wirbelsäulenleiden ausgeschlossen. Bei der Expositionsermittlung der Beklagten sei nicht hinreichend berücksichtigt, dass er die Polsterelemente allein getragen habe. Zudem hätten auch die Dreisitzer und Zweisitzer auf den Rollwagen gehoben werden müssen, dessen Boden etwa 10 cm über dem Erdboden gelegen habe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 14. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 6. Juli 2000 aufzuheben und bei ihm ab 27. Oktober 1997 eine Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt aus, das Gutachten des Sachverständigen MR D ... Dr. M. sei wegen der Unterstellung einer ausreichenden Exposition nicht verwertbar. Deren Erfüllung halte sie für widerlegt.
Die Akte der Beklagten über den Kläger – Az.: 1/98/09226/4 – hat in der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2003 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 S. 1 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Juli 2000 abgelehnt hat. Der Kläger hat gem. § 44 Abs. 1 S. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) keinen Anspruch auf die Aufhebung des Bescheides vom 6. Juli 2000, weil die Beklagte darin nicht wegen falscher Sachverhaltsgrundlage oder Rechtsanwendung zu Unrecht Sozialleistungen verweigert hat. Sie hat die (Sozialleistungen begründende) Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) zu Recht abgelehnt. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen des Tatbestandes der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV, weil er nicht in einem Maße mit Heben und Tragen schwerer Lasten oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung beschäftigt war, das besondere Einwirkungen im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2, 1. Halbs. des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) begründen könnte. Denn er erfüllt nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen, aus denen sich eine entsprechende Gefährdung ableiten ließe. Die Exposition des Klägers durch Heben und Tragen von Lasten erreicht schon nach seiner eigenen Darstellung der Belastungen nicht die Mindestbelastung von 12,5 MNh, unterhalb deren nach wissenschaftlichem Erkenntnisstand ein Zusammenhang einer Lendenwirbelsäulenerkrankung mit beruflichen Belastungen auszuschließen ist (BSG, Urt. v. 30. 10. 2007 – B 2 U 4/06 R – Juris, Rdnr. 25). Mit Ausnahme bestimmter Mindestgrößen hat die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nach dem Mainz-D.er-Dosismodell zu erfolgen (BSG, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten unter dem 28. Januar 2009 vorgelegte Berechnung grundsätzlich. Die vom Kläger vorgetragenen Einwände bezüglich des tatsächlichen Arbeitsablaufs führen nicht zum Erreichen der Dosis von 12,5 MNh. Der Senat geht zunächst bei Überprüfung der Berechnung der Beklagten von folgenden Tatsachen aus: Die Berechnung der Beklagten berücksichtigt lediglich das Aufkanten der Möbel zum Zweck der Verpackung. Zutreffend legt die Beklagte dafür die Hälfte des Möbelgewichts als Traglast zu Grunde. Nicht nachvollziehbar ist aber die Einordnung des Vorgangs als Umsetzen. Denn das Möbelstück ist nicht nur kurz umzuheben, sondern durch das aufdie-Seite-Legen mit der Hälfte seines Gewichts auf die Höhe zu heben, die seiner Breite entspricht. Es handelt sich insoweit um einen Hebevorgang.
Nach Würdigung des Senats unberücksichtigt geblieben ist die Notwendigkeit, die Möbel vom Anlieferwagen herab- und wieder auf den Versandwagen hinauf zu heben. Hierzu geht das Gericht vom Vortrag des Klägers aus, die Möbel dabei allein gehoben zu haben. Bei den ganz oben aufzulegenden Sesseln handelt es sich um Hebevorgänge. Demgegenüber liegen beim Aufstellen der größeren Möbel mit der Seite auf den Wagenboden in einer Höhe von zehn Zentimetern Umsetzvorgänge vor, weil die Hubhöhe vernachlässigt werden kann. Denn auch beim sonstigen Umsetzen ist eine Hebung vom Boden erforderlich. Für den Vorgang der Ent- und Beladung des Wagens setzt der Senat je Möbelstück und Vorgang zwei Sekunden für Umsetzen an. Kürzere Hebungen sind nach dem Mainz-D.er-Dosismodell pauschal mit 2,5 Sekunden zu berücksichtigen.
Der Senat geht von den Gewichten der Möbelstücke aus, die die Beklagte in ihre Berechnung eingestellt hat. Zunächst ist diese Berechnung günstig, weil die Beklagte bei allen Mehrsitzern die Gewichtsobergrenze zu Grunde gelegt hat. Dabei sind die berücksichtigten Gewichte höher, als die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 26. November 2009 mitgeteilten Gewichte. Für Sessel schließt sich der Senat der Aufteilung der Beklagten an, wonach zur Hälfte die leichtesten Sessel und zur Hälfte die schwersten Sessel in die Berechnung eingehen.
Weiterhin berücksichtigt der Senat den nicht bewiesenen Vortrag des Klägers, wonach er nicht 60, sondern 80 Garnituren arbeitstäglich und nicht drei, sondern zehn schwere Einzelstücke, z.B. Schlafsofas etc., zu verpacken hatte.
Die Berechnung nach dem Mainz-D.er-Dosismodell ist mit dem Titel "Vorschlag zur Beurteilung der arbeitstechnischen Voraussetzungen im Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren" in Arbeitsmedizin Sozialmedizin Umweltmedizin 1999, S. 112 – 122, veröffentlicht. Daran ist die hier anzustellende Berechnung ausgerichtet. Im Einzelnen ergibt sich für den Zeitraum zwischen Mai 1992 und November 1994 Folgendes: Beidhändiges Heben von Sesseln von 30 kg Gewicht zur Hälfte (durch Hochkanten) ergibt die Druckkraft F von 2925 N, errechnet aus 15 kg Lastgewicht mal 75 N zuzüglich einer Konstante von 1800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 8.555.625 ist mit der arbeitstäglichen Einwirkungszeit von 0,03 Stunden, errechnet aus 40 Hebungen (für die Hälfte der Sessel) mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 256.669 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 30 kg Gewicht (durch Ent- und Beladen) ergibt die Druckkraft von 4050 N. Das Quadrat der Druckkraft von 16.402.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden, errechnet aus 80 Hebungen mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 984.150 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 50 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 3675 N, errechnet mit 25 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 13.505.625 ist mit der Einwirkungszeit von 0,03 Stunden zu einer Zwischengröße von 405.169 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Sesseln von 50 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 5550 N. Das Quadrat der Druckkraft von 30.802.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden zu einer Zwischengröße von 1.848.150 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Zweisitzern von 50 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 3675 N, errechnet mit 25 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 13.505.625 ist mit der Einwirkungszeit von 0,06 Stunden, errechnet aus 80 Hebungen mal 2,5 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 810.358 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von Zweisitzern von 50 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 4550 N, errechnet aus 50 kg Lastgewicht mal 75 N zuzüglich einer Konstante von 800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 20.702.500 ist mit der Einwirkungszeit von 0,09 Stunden, errechnet aus 160 Umsetzvorgängen mal 2 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 1.863.225 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von Dreisitzern von 70 kg Gewicht (durch Hochkanten) zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 4425 N, errechnet mit 35 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 19.580.625 ist mit 0,06 Stunden zu einer Zwischengröße von 1.174.838 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von Dreisitzern von 70 kg Gewicht (durch Laden) ergibt die Druckkraft von 6050 N. Das Quadrat der Druckkraft von 36.602.500 ist mit 0,09 Stunden zu einer Zwischengröße von 3.294.225 zu vervielfältigen. Beidhändiges Heben von schweren Einzelmöbeln von 80 kg Gewicht (Schlafsofas etc.) durch Hochkanten zur Hälfte ergibt die Druckkraft von 4800 N, errechnet mit 40 kg Lastgewicht. Das Quadrat der Druckkraft von 23.040.000 ist mit 0,01 Stunden, errechnet aus 10 Hebungen mal 2,5 Sekunden zu einer Zwischengröße von 230.400 zu vervielfältigen. Beidhändiges Umsetzen von schweren Einzelmöbeln von 80 kg Gewicht durch Laden ergibt die Druckkraft von 6800 N. Das Quadrat der Druckkraft von 46.240.000 ist mit 0,01 Stunden, errechnet aus 20 Umsetzvorgängen von 2 Sekunden, zu einer Zwischengröße von 462.400 zu vervielfältigen.
Aus allen Zwischengrößen ist die Summe von 11.329.584 zu bilden. Diese ist durch die tägliche Arbeitsstundenzahl 8 auf 1.416.198 zu teilen und daraus die Wurzel zu ziehen, ergibt 1190. Dieses Ergebnis ist wiederum mit 8 Stunden auf 9520 Nh für den Arbeitstag zu vervielfältigen. Bei den von der Beklagten weiter zu Grunde gelegten Größen von 220 Arbeitstagen jährlich und 2,58 Jahren ergibt die Vervielfältigung 5.403.552 Nh bzw. 5,4 MNh.
Für den Zeitraum vom 1. Dezember 1994 bis 30. September 1997 ist der vom Kläger behaupteten gleichen Beanspruchung in der Hälfte der Arbeitszeit zu entsprechen, indem 110 Arbeitstage pro Jahr angesetzt werden. Danach ergeben sich bei 9520 Nh belastungstäglich mal 110 Belastungstagen jährlich und 2,83 Jahren 3 MNh, zusammen eine Einwirkung im Sinne der Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV 8,4 MNh. Dies sind nur zwei Drittel der Belastung, ab der die Berufskrankheit in Betracht kommt, wobei fast ausschließlich Gewichte an der Obergrenze eingestellt sind.
Die vom Kläger erreichte Dosis kann sich auch durch eine zusätzliche Berücksichtigung der Ganzkörperschwingungen nicht erhöhen, da eine einzubeziehende Dosis an Ganzkörperschwingungen nicht vorgelegen hat. Denn eine Dosis errechnet sich insoweit nicht, weil schon Schwingungen gefährdender Stärke nicht vorgelegen haben. Insofern reichen nicht jegliche Ganzkörperschwingungen aus, sondern nur solche, die sich nach wissenschaftlichem Kenntnisstand im Sinne von § 9 Abs. 1 S. 2 1. Halbs. SGB VII als besondere Einwirkungen darstellen, die eine solche Krankheit verursachen können. Insoweit hat die Beklagte im Rahmen der arbeitstechnischen Voraussetzungen zutreffend die erforderliche Schwingungsstärke verneint, weil die aufgetretene Schwingungsstärke von Kr 10,1 sowohl die allgemeine Beurteilungsschwingstärke von Kr 16,2 als auch die gefährdende Größe bei Auftreten impulshaltiger Schwingungen von Kr 12,5 unterschreitet. Dies ergibt sich aus der jüngeren, nachvollziehbar begründeten Mitteilung des Technischen Aufsichtsdienstes der Tiefbau-Berufsgenossenschaft. Daran ändert es nichts, dass die Beurteilungsschwingstärke seit 2002 ausweislich der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse im Merkblatt (Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziales v. 1. 5. 2005, hier zitiert nach Mehrtens/B., BKV, M 2110) in einer anderen Größe ermittelt und angegeben wird. Denn hinsichtlich der Größenordnung ist insoweit keine grundsätzliche Änderung eingetreten; eine Gefährdung durch die Einwirkung ist hier weiterhin nicht wahrscheinlich. Nach der Umrechnungsformel (Merkblatt, a.a.O., IV) auf den neuen Maßstab a w(8) ist die Zahl der Kr-Größe zur annähernden Ermittlung des neuen Wertes durch 20 zu teilen, hier auf höchstens 0,51 ms(hoch -2). Dieser Wert begründet nach der Tabelle 2 des Merkblattes bei einer Belastungsdauer von weniger als zehn Jahren – so beim Kläger – kein wahrscheinliches Gesundheitsrisiko. Auch Änderungen bei der Ermittlung haben insoweit keinen Einfluss, weil für die Neubewertung der jeweiligen Arten von Baumaschinen (Merkblatt, a.a.O., Tabelle 3) als höchster Faktor für eine Erhöhung der Ergebnisse 1,2 genannt ist. Selbst eine damit verbundene Erhöhung des Wertes der Schwingstärke auf 0,61 begründete keine Gefährdung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen gem. § 160 Abs. 2 S. 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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SAN
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