L 20 AS 578/10 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 186 AS 6358/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 578/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2010 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Be- schwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Kosten der Unterkunft nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - SGB II - im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die Antragsteller, die fortlaufend Leistungen nach dem SGB II beziehen, bewohnten bis Mitte Dezember 2009 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Rstraße in B mit einer Wohnfläche von ca. 50,27 m² zu einem Mietzins in Höhe von 354 EUR monatlich. Aufgrund der Geburt ihrer Tochter, der Antragstellerin zu 3), im Juli 2009 beantragten sie am 22. Oktober 2009 beim Antragsgegner die Erteilung einer Zustimmung zur Übernahme der Kosten für die Anmietung neuen Wohnraums. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2009 lehnte der Antragsgegner diesen Antrag ab. Zur Begründung verwies er darauf, dass Wohnraum gemäß den Ausführungsvorschriften zur Angemessenheit von Wohnraum der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales regelmäßig dann als zumutbar angesehen werde, wenn für drei Personen eine 2-Zimmer-Wohnung mit 50 m² Wohnfläche zur Verfügung stehe. Gemäß dieser Richtlinie sei die Wohnung als zumutbar anzusehen und daher ein Umzug nicht erforderlich. Auch andere Gründe, die einen Umzug erforderlich machen würden, seien nicht erkennbar.

Den Widerspruch der Antragsteller wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2009 zurück. Die daraufhin vor dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage ist unter dem Aktenzeichen S 156 AS 45442/09 anhängig. Mitte Dezember 2009 bezogen die Antragsteller eine 70,50 m² umfassende 3-Zimmer-Wohnung am M in B und zahlen seit dem 01. Dezember 2009 einen monatlichen Mietzins in Höhe von 542,25 EUR.

Mit Bescheid vom 04. Januar 2010 bewilligte der Antragsgegner für den Leistungszeitraum Februar bis Juli 2010 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe des bisher für die alte Wohnung übernommenen Anteils.

Auf den Antrag der Antragsteller vom 24. Februar 2010 hat das Sozialgericht Berlin durch Beschluss vom 18. März 2009 den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit ab 24. Februar 2010 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens in der Hauptsache, längstens bis zum 31. August 2010 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 525,97 EUR monatlich zu gewähren. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsanspruch und auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Entgegen der vom Antragsgegner vertretenen Auffassung sei die von den Antragstellern früher bewohnte 50,27 m² große 2-Zimmer-Wohnung für zwei Erwachsene und ein Baby im Hinblick auf den nahenden Beginn des Krabbelalters der Antragstellerin zu 3) zu beengt. Auch ein Anordnungsgrund sei gegeben. Den Antragstellern drohe ein wesentlicher Nachteile, wenn sie bis zur Entscheidung in der Hauptsache monatlich 193,88 EUR aus der Regelleistung gegenüber dem Vermieter erbringen müssten. Die Antragsteller hätten einen Anspruch darauf, dass die ihnen zustehenden Leistungen rechtzeitig erbracht werden, so dass sie in der Lage seien, ihre mietvertraglichen Verpflichtungen rechtzeitig zu erfüllen.

Mit der hiergegen am 19. März 2010 erhobenen Beschwerde macht der Antragsgegner geltend, dass die Antragsteller weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hätten. Der Umzug sei nicht erforderlich gewesen, da unzumutbar beengte Wohnverhältnisse nicht vorgelegen hätten. Davon sei erst auszugehen, wenn nicht mindestens zwei Wohnräume und insgesamt 50 m² Wohnfläche bei einem 3-Personenhaushalt zur Verfügung stünden. Auch sei nicht ersichtlich, inwieweit es der Antragstellerin zu 3) nicht möglich gewesen sein sollte, sich in der 50,27 m² Wohnung ausreichend bewegen zu können. Auch ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsteller hätten weder Kontoauszüge noch einen Nachweis darüber vorgelegt, dass Mietschulden entstanden seien. Auch drohe kein konkreter Verlust der Wohnung. Weder sei eine Kündigung erfolgt, noch drohe eine Räumungsklage. Allein die Möglichkeit der Kündigung des Mietverhältnisses genüge nicht. Das Bestehen von möglichen Mietschulden rechtfertige nicht die Vorwegnahme einer Hauptsacheentscheidung.

Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2010 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie wiederholen und vertiefen ihren Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren.

Auf den Antrag des Antragsgegners hat der Vorsitzende des Senats am 15. April 2010 die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2010 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Beschwerdeinstanz gemäß § 199 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgesetzt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 SGG zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung der einstweiligen Anordnung, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen war.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft zu machen.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Einen Anordnungsgrund haben die Antragsteller nicht zur Überzeugung des Senats glaubhaft gemacht. Ein solcher setzt voraus, dass es den Antragstellern bei Abwägung aller betroffenen Interessen unzumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Die Antragsteller haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären.

Soweit sie mit Schriftsatz vom 24. Februar 2010 vorgetragen haben, dass die Differenz zwischen dem von den Antragstellern monatlich zu zahlenden Mietzins und dem vom Antragsgegner übernommenen Anteil der Kosten für Unterkunft und Heizung knapp 200,00 EUR pro Monat betrage, es daher den Antragstellern nicht möglich sei, den laufenden Mietverpflichtungen nachzukommen und damit der Bestand des Mietverhältnisses gefährdet sei, reicht dies für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht aus. Die Antragsteller haben nämlich - auch auf Vorhalt des Antragsgegners - nicht glaubhaft gemacht, dass tatsächlich ein Zahlungsrückstand gegenüber dem Vermieter besteht.

Auch soweit das Sozialgericht offenbar davon ausgeht, dass es den Antragstellern unzumutbar sei, zwar die Kosten der neuen und teureren Wohnung aus den Leistungen des Antragsgegners zu bestreiten, dann aber nicht mehr ihren Lebensunterhalt sichern zu können, begründet dies keinen Anordnungsgrund. Der Lebensunterhalt wird durch die Regelleistung des Antragsgegners gedeckt (§ 20 Abs. 1 SGB II). Soweit die Antragsteller darüber hinaus ihre mietvertraglichen Verpflichtungen zur Zeit nicht voll erfüllen können, rechtfertigt dies - wie dargelegt - die Annahme eines Anordnungsgrundes derzeit nicht.

Deshalb kann in diesem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahingestellt bleiben, ob die Auffassung des Antragsgegners, dass der Umzug nicht erforderlich war, zutreffend ist, was im Hinblick auf die geringe Wohnfläche der zuvor bewohnten Wohnung durchaus zweifelhaft erscheint.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

3. Vor diesem Hintergrund konnte der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wegen fehlender Erfolgsaussicht keinen Erfolg haben (§ 73a SGG i. V. m. § 114 ZPO).

4. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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