L 21 SF 41/10 Verg

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
21
1. Instanz
-
Aktenzeichen
VK 1 - 236/09
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 21 SF 41/10 Verg
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 03.02.2010 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerinnen und der Beigeladenen. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerinnen und die Beigeladene wird für notwendig erklärt.

Gründe:

I.

Die Antragsgegnerinnen (AG) führten ein europaweites Offenes Verfahren zum Abschluss von Rabattvereinbarungen gemäß § 130a Abs. 8 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) für 2010/2011 (Bekanntmachung vom 22.08.2009, ABl. EG 2009/S. 161-234006, berichtigt durch Bekanntmachung vom 04.09.2009, ABl. EG 2009/S. 170-244541) für 87 Wirkstoffe/Wirkstoffkombinationen durch. Die Rabattverträge (RV) sollten für einen Zeitraum von 24 Monaten (zuzüglich einer einmaligen Verlängerungsoption, § 9 Abs. 1 RV) gelten. Die Frist zur Einreichung von Angeboten lief am 25.11.2009, 12.00 Uhr, ab.

Jeder der ausgeschriebenen Wirkstoffe bildete ein eigenes Fachlos. Dieses wurde in fünf Teillose in Form von Gebietslosen unterteilt. Eines der ausgeschriebenen Fachlose (Nr. 81) betraf den Wirkstoff Trospiumchlorid. Die Antragstellerin (AS), die Beigeladene (BG) sowie das Unternehmen N sind im Wesentlichen die einzigen pharmazeutischen Unternehmer, die den streitigen Wirkstoff in der Bundesrepublik vertreiben. N bietet das den Wirkstoff Trospiumchlorid enthaltende Fertigarzneimittel Spasmex (Wirkstärke: 30 mg) in der Darreichungsform Tabletten in den Packungsgrößen N 1, N 2 und N 3 an und wird hiermit von der BG beliefert.

Nach der Bekanntmachung und den Verdingungsunterlagen hatten die Bieter pro angebotenem Wirkstoff und Gebietslos Rabattangebote für alle zu diesem Wirkstoff gehörenden Pharmazentralnummern (PZN) abzugeben, die sie nach der Lauer-Taxe (Stand: 15.08.2009) im Sortiment haben. Der Zuschlag pro Wirkstoff und Gebietslos war für jeweils einen Bieter zu erteilen und umfasste sämtliche - zu dem jeweiligen Wirkstoff gehörenden - PZN des Zuschlagsempfängers.

Zum Nachweis ihrer Eignung mussten die Bieter gemäß Nr. III 2.1. der Bekanntmachung eine von den AG formularmäßig vorbereitete Eigenerklärung zu ihrer Zuverlässigkeit, einen Handelsregisterauszug, für die angebotenen Rabattarzneimittel einen Auszug aus dem öffentlichen Teil der AMIS-Datenbank, eine Krankenkassenbescheinigung über die Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge, eine Eigenerklärung zum Nachweis der eigenen und fremden Produktionskapazitäten und - im Falle des Einsatzes von Unterauftragnehmern - eine Verpflichtungserklärung vorlegen. Die Eigenerklärung zu den eigenen und fremden Produktionskapazitäten enthielt die Bescheinigung, dass der Bieter entweder aufgrund eigener oder fremder Produktionsstätten in der Lage ist, eine nachzuweisende Anzahl Packungen pro PZN bzw. eine nachzuweisende Anzahl von Einheiten (= Anzahl der Einheiten in Milligramm pro PZN - bezogen auf jeden Zeitraum von 12 Monaten während der gesamten Vertragslaufzeit) herzustellen. Unterauftragnehmer mussten ihre Produktionskapazitäten bestätigen.

Die Angebotswertung erfolgte für jedes Fach- und Gebietslos gesondert. Die Wirtschaftlichkeit des angebotenen Rabatt-ApU beurteilte sich nach der Höhe der für die AG pro Gebiets- und Fachlos möglichen Einsparungen auf der Grundlage von Wirtschaftlichkeitsmaßzahlen (WMZ), die an Hand von Preisvergleichsgruppen, von Verordnungszahlen aus der Vergangenheit (01.04.2008 bis 31.03.2009) und von Vergleichsgrößen ("bereinigte Rabatt-ApU" und "bereinigte durchschnittliche ApU der Preisvergleichsgruppe", jeweils pro Milligramm Wirkstoff) ermittelt wurden. Das Angebot mit der höchsten sog. Gesamtwirtschaftlichkeitsmaßzahl (GWMZ) sollte den Zuschlag erhalten.

Für den Fall, dass ein Angebot mehrere PZN innerhalb einer Preisvergleichsgruppe umfasste, war in den Verdingungsunterlagen ein besonderes Ausschlusskriterium vorgesehen: Danach durfte der bereinigte Rabatt-ApU je Milligramm Wirkstoff bei keiner PZN kleiner sein als bei der PZN derselben Preisvergleichsgruppe, die der bisher marktstärksten Packungsgröße/Packungsart dieser Preisvergleichsgruppe zuzuordnen war.

Sowohl die AS als auch die BG und N (für die die BG eine Nachunternehmererklärung abgegeben hatte) beteiligten sich mit Angeboten in sämtlichen Gebietslosen an der Ausschreibung. Im Rahmen der Prüfung der Rabatt-ApU forderten die AG die AS und die BG unter Fristsetzung bis zum 08.12.2009 auf, zusätzliche Informationen über die ihren Angeboten zugrundeliegenden Preiskalkulationen zu übermitteln (Schreiben vom 03.12.2009). Die Zuschlagsentscheidung im Gebietslos 2 wurde von den AG unter den Vorbehalt gestellt, dass sich aus den zu erwartenden Stellungnahmen keine vergaberechtlichen Bedenken gegen den Zuschlag ergeben. Nach Überprüfung der Antwort der BG forderten die AG die BG mit Schreiben vom 11.12.2009 erneut auf, aussagekräftige Erläuterungen und konkrete Angaben zu ihrem Angebotspreis zu übersenden (Frist: 16.12.2009). Nachdem die BG dieser Aufforderung nachgekommen war, gelangten die AG zu dem Ergebnis, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Angebot der BG im Gebietslos 2 die Leistungserbringung beeinträchtige oder der gezielten Verdrängung von Mitbewerbern diene.

Die AG setzten die AS darüber in Kenntnis, dass die BG in sämtlichen Gebietslosen für den Zuschlag vorgesehen sei (Gebietslose 1, 3, 4 und 5: Schreiben vom 11.12.2009 - Gebietslos 2: Schreiben vom 22.12.2009). Den von der AS erhobenen Rügen vom 15., 22. und 23.12.2009 halfen die AG nicht ab (Schreiben vom 17., 23. und 29.12.2009).

Unter dem 21.12.2009 (Gebietslose 1, 3, 4 und 5) bzw. 29.12.2009 (Gebietslos 2) hat die AS bei der Vergabekammer (VK) des Bundes die Einleitung von Nachprüfungsverfahren beantragt. Die VK hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden (Beschluss vom 04.01.2010).

Die AS hat im Wesentlichen vorgetragen: Die BG und N hätten gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen, da die BG aufgrund ihrer Lieferbeziehung zu N deren Angebotsgrundlagen - insbesondere die ihr entstehenden Gesamtkosten - gekannt habe. Nennenswerte Spielräume zur Preisgestaltung seien N nicht verblieben, da sie ansonsten gegen § 25 Nr. 2 Abs. 3 Verdingungsordnung für Leistungen - Teil A (VOL/A) verstoßen hätte. Weitere erhebliche kalkulationsrelevante Kosten hätten N nicht entstehen können, da sich z.B. die Vertriebskosten bei jedem Bieter gleichermaßen zwischen 1 bis maximal 3 % bewegten und sich die Lagerkosten branchenüblich maximal auf lediglich 3 % des Umsatzes beliefen. Andere Faktoren - wie etwa Marketing- und allgemeine Verwaltungskosten - fielen ebenfalls nicht erheblich ins Gewicht. Der BG hätten damit sämtliche N betreffenden Variablen zur Verfügung gestanden.

Die von den AG aufgestellte Wertungsmatrix mit ihren Zuschlagskriterien bevorzuge zu Unrecht diejenigen Bieter, die eine größere Produktbreite aufwiesen. Zudem führe das Vergabeverfahren zur Bildung von Monopolstrukturen; mittelständischen Interessen sei angesichts einer fehlenden Loslimitierung nicht Rechnung getragen worden.

Überdies hätten die AG bei der Prüfung der Angebotspreise im Gebietslos 2 gegen § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A verstoßen, da sie die AS zu ergänzenden Angaben zur Preiskalkulation aufgefordert hätten, obwohl ihr Gebot nicht deutlich unterhalb der übrigen Gebote gelegen habe. Angesichts des Umstandes, dass die AG hierdurch erheblich in Bieterrechte eingegriffen hätten, sei die VK berechtigt und verpflichtet, diesen Vergaberechtsverstoß auch dann festzustellen, wenn die Zuschlagschancen der AS insoweit nicht beeinträchtigt worden seien. Die Preisprüfung sei entgegen § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A nicht ergebnisoffen durchgeführt worden. Aus den Vergabeakten ergebe sich nämlich, dass die Prüfung der vierten Wertungsstufe bereits am 11.12.2009 abgeschlossen worden sei. Abgesehen davon habe die BG zwingend aus dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden müssen, weil diese sich offenkundig geweigert habe, die von den AG angeforderten Kalkulationsbelege auf die Anforderung vom 03.12.2009 hin fristgerecht vorzulegen.

Aufgrund der durchgeführten Akteneinsicht habe sie - die AS - festgestellt, dass die BG ihren Geboten sechs Nachunternehmererklärungen beigefügt habe. Nach den vorliegenden Informationen habe die BG ihre Fertigarzneimittel mit dem Wirkstoff Trospiumchlorid bisher jedoch ausschließlich selbst hergestellt. Sofern die BG neue Nachunternehmer benannt habe, habe für die AG zwingend der Anlass zur Überprüfung bestanden, ob diese sowohl arzneimittelrechtlich als auch tatsächlich in der Lage seien, die Leistung zu erbringen.

Die AG sind dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten und haben entgegnet: Der Nachprüfungsantrag sei im Hinblick auf einige beanstandete Vergaberechtsverstöße (Ausgestaltung der Wertungskriterien, Einfluss der Produktbreite, Loseinteilung, fehlende Loslimitierung und nicht ausreichende schlichte Vorlage von Unterauftragnehmerverzeichnissen nebst Verpflichtungserklärungen) unzulässig, weil diese Verstöße bereits aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen, jedoch von der AS nicht bis zum Ende der Angebotsfrist gerügt worden seien. Darüber hinaus sei der Nachprüfungsantrag unbegründet, weil die BG nicht gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs verstoßen habe. Allein der Umstand, dass die BG Unterauftragnehmerin von N sei, könne nicht zu einem derartigen Verstoß führen, da N ausreichende Gestaltungsspielräume bei der Kalkulation ihrer Angebote verblieben seien. Die Prüfung der Preise im Gebietslos 2 sei fehlerfrei durchgeführt worden. Anhaltspunkte dafür, dass etwaige Unterauftragnehmer nicht in der Lage seien, den Auftrag zu bedienen, lägen nicht vor.

Die BG ist dem Vorbringen der AG beigetreten und hat vorgetragen, dass sie zwar die von N zu entrichtenden Preise für die bei ihr bezogenen Fertigarzneimittel kenne, jedoch nicht die sonstigen kalkulationserheblichen Faktoren.

Die AS hat bei der VK beantragt, sämtliche Akten selber einzusehen (Schriftsatz vom 04.01.2010). Daraufhin hat die VK Akteneinsicht durch Übersendung teilweise anonymisierter Aktenbestandteile gewährt. Die AS hat mit Schriftsatz vom 19.01.2010 (nochmals) uneingeschränkte Akteneinsicht beantragt und geltend gemacht, dass die bislang gewährte Akteneinsicht ungenügend sei, weil die von den AG getroffenen Wertungen nicht nachvollziehbar seien.

Durch Beschluss vom 03.02.2010 hat die VK den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt: Soweit die AS als verbundenes Unternehmen eines italienischen Pharmakonzerns die Verletzung des § 97 Abs. 3 GWB rüge, fehle ihr die Antragsbefugnis. Im Hinblick auf die Rüge, dass die AG die Prüfung der Angemessenheit der Angebotspreise nicht nur auf den erstplatzierten Bieter beschränkt hätten, sei die AS ebenfalls nicht antragsbefugt. Die AS könne nämlich einen Schaden i.S.d. § 107 Abs. 2 GWB nicht darlegen. Gleiches habe für die Rüge, die Prüfung der Angemessenheit der Preise der BG sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, zu gelten. Verspätet i.S.d. § 107 Abs. 3 Nr. 2 und 3 GWB seien die im Hinblick auf Verstöße gegen den Wettbewerbsgrundsatz, die Ausgestaltung der Wertungskriterien und der von der BG zu führenden Belege ihrer Eignung erhobenen Rügen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs sei nicht gegeben. Für einen Ausschluss reiche es nicht aus, dass N tatsächlich ein eigenes Angebot abgegeben habe und von der BG als Nachunternehmerin beliefert werden sollte. Eine andere Beurteilung liefe darauf hinaus, einem Hersteller von Fertigprodukten von vornherein dessen Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu versagen, wenn sich hieran auch seine Abnehmer beteiligten. Ein Vergaberechtsverstoß liege ebenso wenig darin, dass die AG die von der BG eingereichten Nachunternehmererklärungen nicht näher daraufhin überprüft hätten, ob die Nachunternehmer rechtlich und tatsächlich in der Lage seien, die von ihr übernommenen Leistungsanteile zu erbringen.

Gegen den ihr am 03.02.2010 zugestellten Beschluss hat die AS am 17.02.2010 unter Aufrechterhaltung folgender Rügen sofortige Beschwerde erhoben:

Nach wie vor sei daran festzuhalten, dass die BG und N gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs verstoßen hätten. Denn die BG habe wesentliche Kalkulationsgrundlagen der Mitbieterin N gekannt. Da die BG nicht nur Zulieferer eines wesentlichen Teils der nachgefragten Leistung sei, sondern von Fertigarzneimitteln, seien ihr die Herstellungskosten bekannt. Die BG kenne ferner die Kosten für Marketing und Vertrieb sowie den Umstand, dass sie bei einem Rabatt von ca. 50 % - dies resultiere aus dem maßgeblich die Sortimentsbreite berücksichtigenden Preisfindungsmechanismus´ - günstiger als N liege.

Festzuhalten sei ferner daran, dass die AG Nachunternehmererklärungen der BG fehlerhaft ausgewertet hätten. Bislang habe die BG Trospiumchlorid selber hergestellt. Aufgrund der eingereichten Nachunternehmererklärungen müsse davon ausgegangen werden, dass sie nunmehr (auch) andere Hersteller in den Produktionsprozess einbinde. Vor dem Hintergrund, dass der Wechsel eines Nachunternehmers erfahrungsgemäß einen Zeitraum von 6 bis 12 Monaten in Anspruch nehme, hätte es sich den AG aufdrängen müssen, deren Lieferfähigkeit zu prüfen. Konkretere Darlegungen seien nicht möglich, weil die VK insoweit Akteneinsicht verweigert habe.

Im Hinblick auf das Gebietslos 2 habe die AG ermessensfehlerhaft weitere Angaben u.a. zur Preiskalkulation angefordert, obwohl dies einen erheblichen Kostenfaktor darstelle und zudem Betriebsgeheimnisse ausgeforscht worden seien. Außerdem hätte das Angebot der BG im Gebietslos 2 ausgeschlossen werden müssen, weil sie auf das Schreiben der AG vom 03.12.2009 bis zum Fristablauf nicht sämtliche Belege übersandt habe.

Schließlich habe die VK trotz der Rüge vom 19.01.2010 eine erweiterte Akteneinsicht verweigert. Daher habe sie - die AS - bis heute nicht feststellen können, ob und inwieweit der Akteninhalt den Vortrag der AS stütze und ob sich aus dem Akteninhalt die Beeinträchtigung weiterer subjektiver Rechte der AS ergebe. Die VK habe - unter Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs - ein nach eigenem Ermessen zusammengestelltes Konvolut einzelner Aktenbestandteile übersandt, obwohl bekannt sei, dass einige Unterlagen nicht als geheimhaltungsbedürftig gekennzeichnet worden seien.

Da der EuGH bislang noch nicht die Möglichkeit zur Prüfung gehabt habe, ob sich den Regelungen der RL 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten entnehmen lasse, Vergabeverfahren derart zu gestalten, dass Bieter, die in Kenntnis der Angebote anderer Mitbieter Gebote abgeben, zwingend auszuschließen seien, müsse der Rechtsstreit ausgesetzt und dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt werden. Eine Vorlage an den EuGH habe auch mit Blick auf den Begriff "Schaden" in § 107 Abs. 2 Satz 2 GWB zu erfolgen, da unmittelbare Auswirkungen auf die Antragsbefugnis gegeben seien. Angesichts des Umstandes, dass der Senat im Fall einer zurückweisenden Entscheidung sowohl von Entscheidungen des OLG München als auch des BGH abweiche, habe jedenfalls eine Vorlage an das BSG zu erfolgen.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der 1. Vergabekammer des Bundes vom 3. Februar 2010, Az.: VK 1-236/09 aufzuheben,

2. die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats über die Sache erneut zu entscheiden,

3. hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 2 EG zur Vorabentscheidung vorzulegen,

4. weiter hilfsweise festzustellen, dass die Antragsgegnerinnen durch ermessensfehlerhafte Anwendung des Rechts auf Einsicht in die Kalkulationsgrundlagen der Antragstellerin gegen § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A verstoßen haben.

Die Antragsgegnerin und Beigeladene beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen unter ausführlicher Darstellung ihrer Standpunkte den angefochtenen Beschluss der VK.

Weiterer Einzelheiten wegen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts-, Vergabekammer- und Vergabeakten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die VK hat den Nachprüfungsantrag der AS mit dem angefochtenen Beschluss sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend zurückgewiesen.

Auf das hier streitige Vergabeverfahren sind die Regelungen des GWB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20.04.2009 (BGBl. I, S. 790) anwendbar, weil das Vergabeverfahren nach dessen Inkrafttreten dieses Gesetzes (24.04.2009) begonnen hat (vgl. § 131 Abs. 8 GWB).

Die AG sind öffentliche Auftraggeber i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB. Gesetzliche Krankenkassen werden - jedenfalls mittelbar - mit den Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) durch den Bund finanziert (vgl. §§ 3, 271 SGB V) und unterliegen einer engmaschigen staatlichen Rechtsaufsicht (vgl. EuGH, Urteil vom 11.06.2009 - C-300/07, ZfBR 2009, 601 - "Oymanns"; Senat Beschluss vom 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922 m.w.N.). Bei dem streitigen RV handelt es sich auch um einen öffentlichen Lieferauftrag i.S.d. § 99 Abs. 1 und 2 GWB (vgl. hierzu ausführlich Senat, Beschluss v. 03.09.2009 - L 21 KR 51/09 SFB, VergabeR 2010, 126 und v. 10.09.2009 - L 21 KR 53/09 SFB, VergabeR 2010, 135 jeweils m.w.N.). Der im Jahr 2009 noch einschlägige Schwellenwert von 206.000,00 Euro (vgl. Art. 2 VO 1422/2007/EG v. 04.12.2007 - ABl. L 317/34; § 2 Nr. 3 VgV) ist überschritten.

Der von der AS gerügte Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs liegt nicht vor. Soweit die AS dabei geltend macht, dass das - sowohl vom LSG Baden-Württemberg (vgl. Beschluss v. 23.01.2009 - L 11 WB 5971/09, VergabeR 2009, 452) als auch vom Senat (vgl. Beschluss v. 26.03.2009 - L 21 KR 26/09 SFB, VergabeR 2009, 922) bereits ausführlich erörterte - Kriterium der Produktbreite die Entstehung eines echten Geheimwettbewerbs hindere, ist der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig, weil diese Rüge verspätet erhoben worden ist (§ 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Das Kriterium der Produktbreite ergibt sich - neben anderen relevanten Faktoren zur streitgegenständlichen Ausschreibung - aus den Vergabeunterlagen. Für die AS als verbundenes Unternehmen eines italienischen pharmazeutischen Unternehmers waren die von ihr beanstandeten Gesichtspunkte ohne Weiteres aus den Vergabeunterlagen erkennbar. Die Rüge ist jedoch nicht bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe, dem 25.11.2009, sondern erst mit Schreiben vom 15.12.2009 erhoben worden.

Darüber hinaus ist die Rüge auch unbegründet. Bei der Ausgestaltung der Zuschlagskriterien steht dem öffentlichen Auftraggeber ein nur beschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu. Beanstandungen können lediglich darauf gestützt werden, dass die Vergabestelle einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt, aus willkürlichen bzw sachfremden Erwägungen heraus gehandelt oder Bieter ungleich behandelt hat (vgl. Senat, Beschluss v 28.04.2009 - L 21 KR 40/09 SFB; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.07.2005 - Verg 108/04; Summa/Kullack in: jurisPK-VergR, § 97 GWB, Rdn. 92; Otting in: Bechtold, GWB, 5. Aufl. 2008, § 97, Rdn 38, jeweils m.w.N.). Dass die AG diesen Ermessensspielraum überschritten hätten, ist nicht ersichtlich.

Auch im Übrigen ist entgegen der Ansicht der AS ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs nicht zu erkennen. Unverzichtbare Grundvoraussetzung jeder Auftragsvergabe ist es zwar, einen geheimen Wettbewerb zwischen den beteiligten Bietern sicherzustellen (vgl. VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 17.09.2008 - VK-SH 10/08, IBR 2008, 756). Der bloße Umstand jedoch, dass ein Bieter ein eigenes Angebot zum Vergabeverfahren unterbreitet und daneben von einem anderen Bieter als Nachunternehmer benannt wird, reicht grundsätzlich nicht aus, um die für einen Angebotsausschluss erforderliche Kenntnis beider Angebote bzw. wesentlicher Kalkulationsgrundlagen und damit einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs festzustellen. Für eine derartige Annahme müssen weitere Tatsachen hinzutreten, die nach Art und Umfang des Nachunternehmereinsatzes sowie mit Rücksicht auf die Begleitumstände eine Kenntnis von dem zu derselben Ausschreibung abgegebenen Konkurrenzangebot annehmen lassen (OLG Düsseldorf, Beschluss v. 09.04.2008 - VII-Verg 2/08, VergabeR 2008, 865; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.2006 - VII-Verg 10/06, NZBau 2006, 810; OLG München, Beschluss v. 11.08.2008 - Verg 16/08, VergabeR 2009, 61; VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 17.09.2008, a.a.O.).

Die VK hat zutreffend darauf abgestellt, dass der BG lediglich ihre eigenen gegenüber N berechneten Preise bekannt sind. Allein dieser Gesichtspunkt reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs anzunehmen. Denn die BG hatte weder über das von N abgegebene Angebot noch über die tatsächlich von N durchgeführte Angebotskalkulation oder wesentliche Kalkulationsgrundlagen Kenntnis. Soweit die AS darauf abstellt, dass N keine wesentlichen Gestaltungsspielräume bei der Kalkulation ihrer Angebote zugekommen seien, lässt sich dies nicht nachvollziehen. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass zu den Herstellungskosten nicht nur die von der BG berechneten Preise, sondern auch die von der AS als zu vernachlässigende Größe qualifizierten allgemeinen Verwaltungs-, Marketing- und Logistikkosten gehören. In die Betrachtung müssen nicht zuletzt die bekanntlich einen erheblichen Kostenblock verursachenden Personalkosten einbezogen werden. Die AG haben überdies zutreffend darauf verwiesen, dass Gegenstand der ausgeschriebenen RV nicht die Lieferung von Fertigarzneimitteln als solche, sondern die Rabattierung von Wirkstoffen ist. Dabei haben die Rabattvertragspartner während der gesamten Vertragslaufzeit ihre Lieferfähigkeit zu garantieren (vgl. § 7 Abs. 2 RV). Hierfür ist allein die Herstellung der bezuschlagten Fertigarzneimittel nicht ausreichend. Vielmehr müssen die betrieblichen Abläufe entsprechend angepasst und in diesem Zusammenhang insbesondere Vorkehrungen für die erforderliche Lieferlogistik getroffen werden. Es liegt auf der Hand, dass auch diese Faktoren die Kostenstruktur verändern und sich in der Angebotskalkulation widerspiegeln können. Weiterhin ist zu bedenken, dass N nicht ohne Weiteres gezwungen war, Angebote auf Basis einer Vollkostenrechnung zu kalkulieren, sondern es ihr nicht von vornherein verwehrt gewesen wäre, ein "Unterkostenangebot" abzugeben, um auf diese Weise z.B. die Strategie zu verfolgen, im Falle eines Zuschlages die von ihr vertriebenen Fertigarzneimittel und ihr Unternehmen einem größeren Versichertenkreis bekannt zu machen. Greifbare Anhaltspunkte für eine Kenntnis der BG über die der Kalkulation zu Grunde liegenden konkreten Strategien der N und darüber, ob und ggf. inwieweit sämtliche Kostenfaktoren in die Kalkulation des von M angebotenen Rabatt-ApU eingeflossen sind, sind nicht ersichtlich.

Der VK ist schließlich darin beizupflichten, dass eine andere Beurteilung in Konstellationen der vorliegenden Art darauf hinausliefe, einem Hersteller von Fertigprodukten von vornherein die Teilnahme an einem Vergabeverfahren zu versagen, wenn sich hieran auch nur einer seiner Abnehmer beteiligt. Vielmehr ist vor einem Teilnahmeverbot eines Bieters - dies ergibt sich auch aus der von der AS zitierten Rechtsprechung des EuGH (Beschluss v. 19.05.2009 - C-538/07 - und v. 23.12.2009 - C-376/08) - in jedem Einzelfall zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung wirksamen Wettbewerbs gegeben ist. Eine derartige Beeinträchtigung lässt sich hier jedoch, wie bereits ausgeführt, nicht feststellen.

Der Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung des OLG München in dem Beschluss vom 11.08.2008 - Verg 16/08 ab. Denn der Senat hat gerade die vom OLG München aufgestellten tragenden Rechtssätze angewandt und seiner Entscheidung zugrundegelegt. Zu berücksichtigen ist ferner, dass - anders als bei dem vom OLG München (a.a.O.) zu beurteilenden Sachverhalt - die BG keine Kenntnis von dem Rabattangebot der N hatte, sondern ihr aufgrund der gegenüber N für die Herstellung von Spasmex in Rechnung gestellten Preise lediglich ein Teil der Kalkulationsgrundlagen bekannt war.

Auch die von der AS beantragte Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 AEUV kommt nicht in Betracht. Denn aus der bereits skizzierten Rechtsprechung des EuGH folgt, dass das Europäische Gemeinschaftsrecht einem zwingenden Ausschluss von Bietern aufgrund eines unwiderleglich vermuteten Verstoßes gegen das Gebot des Geheimwettbewerbs regelmäßig entgegensteht (Beschluss v. 19.05.2009 - C-538/07 - und v. 23.12.2009, a.a.O.). Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass sich prinzipiell in bestimmten Sachverhaltskonstellationen aufgrund schwerwiegender Verstöße gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbes ein zwingender Angebotsausschluss ergeben kann, wären diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt. Denn allein aufgrund des Umstandes, dass - wie hier - ein Bieter Unterauftragnehmer eines anderen Bieters ist und daher lediglich Kenntnis von einem Teil der Angebotsgrundlagen hat, lässt sich ein Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbes mit der Konsequenz eines zwingenden Angebotsausschlusses nicht herleiten. Zweifel an der Auslegung primären und sekundären Gemeinschaftsrechts bestehen damit mangels Entscheidungserheblichkeit nicht. Gleiches gilt für die von der AS mit dem Beschwerdeschriftsatz formulierten Vorlagefragen. Denn der BG war lediglich der in Rechnung gestellte Preis für die von ihr hergestellten Fertigarzneimittel bekannt.

Ohne Erfolg macht die AS ferner geltend, dass sich die AG aufgrund des – von ihr behaupteten - Umstandes, dass die BG entgegen ihrer bislang geübten Praxis nunmehr Nachunternehmer einsetze, hätten gedrängt sehen müssen, weitergehende Eignungsnachweise zu verlangen. Abgesehen davon, dass die Nachforderung von Eignungsnachweisen, die nicht bereits in der Vergabebekanntmachung benannt worden sind, grundsätzlich vergaberechtlich unzulässig ist (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Beschluss v. 06.06.2008 - VII-Verg 21/08 juris Rdn. 50 ff; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.12.2007 - VII-Verg 34/07 juris Rdn. 51 ff.; Senat, Beschluss v. 08.10.2009 - L 21 KR 39/09 SFB juris Rdn. 54), sind bereits keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die AG an der Authentizität, Vollständigkeit und Richtigkeit der übersandten Nachunternehmererklärungen hätten zweifeln müssen. Selbst wenn sich die von der BG übersandten Nachunternehmererklärungen auch auf den Wirkstoff Trospiumchlorid bezögen hätten, wäre Folgendes zu berücksichtigen: Bei Erteilung eines Zuschlages für einen RV ist aufgrund der dann einsetzenden Substitutionspflicht (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und der durch den RV eingeräumten Exklusivität mit einer deutlichen Erhöhung der Absatzmengen zu rechnen. Nicht zuletzt dieser Aspekt bildet den Anreiz für den pharmazeutischen Unternehmer, ein Rabattangebot zu unterbreiten. Ist im Falle eines Zuschlages mit einer Erhöhung der Absatzmengen zu rechnen, kann es ohne Weiteres vorkommen, dass eigene Produktionskapazitäten nicht (mehr) ausreichen, so dass der Einsatz von Nachunternehmern erforderlich wird. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund, dass Bieter ihre Lieferfähigkeit gegenüber den AG zu garantieren haben (§ 7 Abs. 2 RV) und eine Verletzung dieser Pflicht vertragsstrafenbewehrt ist (§ 8 RV). Allein aufgrund des Umstandes, dass ein pharmazeutisches Unternehmen, das Fertigarzneimittel gewöhnlich selber herstellt, im Rahmen von Rabattvertragsausschreibungen Verpflichtungserklärungen von Nachunternehmern beibringt, können sich angesichts der erörterten Gegebenheiten mithin keine weitergehenden Prüfungspflichten der Vergabestellen ergeben.

Soweit die AS geltend macht, dass die Prüfung der Angemessenheit der Angebotspreise der BG von den AG fehlerhaft durchgeführt worden sei, fehlt ihr insofern die Antragsbefugnis. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A entfaltet nämlich grundsätzlich keine bieterschützende Wirkung. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein Angebot in Marktverdrängungsabsicht oder zumindest mit der billigend in Kauf genommenen Gefahr abgegeben wird, einen Mitbewerber vom Markt zu verdrängen oder wenn der Auftragnehmer aufgrund seiner unauskömmlichen Preisgestaltung voraussichtlich in so große Schwierigkeiten geraten wird, dass er gezwungen ist, die Ausführung des Auftrages abzubrechen (BSG, Beschluss v. 22.04.2009 - B 3 KR 2/09 D Rdn. 33, SozR 4 - 7935 Nr. 1 = SozR 4 - 2500 § 127 Nr. 3 m.w.N.; OLG Koblenz, Beschluss v. 15.10.2009 - 1 Verg 9/09; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 23.04.2009 - 1 Verg 7/08, VergabeR 2009, 793 juris Rdn. 39; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.08.2007 - VII-Verg 27/07 juris Rdn. 12, jeweils m.w.N.). Für das Vorliegen eines der genannten Ausnahmetatbestände liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Angesichts des Umstandes, dass die Rüge bereits unzulässig ist, stellt sich die von der AS aufgeworfene Frage der inhaltlichen Abweichung von den Entscheidungen des BGH vom 24.05.2005 - ZR 243/02 und vom 18.09.2007 - ZR 89/04 nicht.

Auch die Rüge der Gewährung unzureichender Akteneinsicht durch die VK ist nicht begründet. Zwar hat die AS die Einsicht in die gesamten Vergabeakten im Nachprüfungsverfahren beantragt und die Übersendung (teilweise) anonymisierter - nur die erhobenen Rügen betreffender - Aktenauszüge mit Schriftsatz vom 19.01.2010 gegenüber der VK beanstandet. Ihren Antrag auf vollständige Akteneinsicht hat sie in der mündlichen Verhandlung vor der VK jedoch nicht aufrechterhalten, da ein entsprechender Antrag nicht protokolliert worden ist. Wie bei einem Beweisantrag (vgl. hierzu BSG, Beschluss v. 27.06.2003 - B 7 AL 2/03 B juris Rdn. 10 m.w.N.) entfällt die auch bei der Geltendmachung eines prozessualen Anspruchs auf Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren gegebene "Warnfunktion", wenn dieser lediglich lediglich in der Antragsschrift, sonstigen Schriftsätzen oder etwa anlässlich telefonischer Unterredungen geltend gemacht wird. Die AS hat in der mündlichen Verhandlung - dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift - den im Schriftsatz vom 19.01.2010 enthaltenen Antrag auf umfassende Akteneinsicht nicht wiederholt und insofern der VK gerade nicht vor ihrer Entscheidung nachdrücklich vor Augen geführt, dass der geltend gemachte Anspruch auf vollständige Akteneinsicht und Gewährung rechtlichen Gehörs noch nicht als erfüllt angesehen wird. Hat ein unterlegener Bieter jedoch im Nachprüfungsverfahren die Gewährleistung von Verfahrensrechten nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung durch zu Protokoll erklärte Anträge geltend gemacht, kann er im Beschwerdeverfahren nicht rügen, dass dies Rechte durch die VK verletzt worden seien. Unabhängig davon werden die Rechte eines Bieters auf Akteneinsicht dadurch hinreichend gewahrt, dass die Möglichkeit besteht, im Beschwerdeverfahren vor den Vergabesenaten weitergehende Akteneinsicht zu beantragen und zu erhalten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 04.03.2009 - VII-Verg 67/08, NZBau 2009, 334 juris Rdn. 72). Aber auch einen solchen Antrag hat die AS im Beschwerdeverfahren nicht gestellt.

Schließlich hat auch der Feststellungsantrag (§ 123 Satz 3 GWB) keinen Erfolg. Denn er ist bereits nicht zulässig. Wie sich aus dem gemäß § 123 Satz 4 GWB entsprechend anzuwendenden § 114 Abs. 2 Satz 2 GWB ableiten lässt, müssen sich die beanstandeten Maßnahmen während des Nachprüfungsverfahrens erledigt haben. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn sich die Maßnahmen vor Anbringung des Nachprüfungsantrages erledigt haben. In einer derartigen Konstellation haben weder die VK noch die Beschwerdegerichte die Möglichkeit, korrigierend auf das Vergabeverfahren einzuwirken (vgl. Weyand, ibr-online, § 114 GWB, Rdn. 3586 und 3589 m.w.N.). Hier hat sich die von der AS beanstandete Maßnahme - Aufforderung zur Offenlegung der genauen Kalkulation - durch die Übersendung der geforderten Unterlagen noch im Vergabeverfahren und vor Einreichung des Nachprüfungsantrages erledigt. Eine Korrektur dieser Maßnahme war im Nachprüfungsverfahren ersichtlich nicht mehr möglich. Unabhängig davon ist der Antrag unbegründet. Denn es sind keine rechtlich tragfähigen Gründe dafür erkennbar, dass lediglich erstplatzierte Bieter in die Preisprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A einbezogen werden dürfen. Einem öffentlichen Auftraggeber kann es daher nicht verwehrt werden, nicht nur das am besten platzierte, sondern auch die jeweils nächstplatzierten Angebote einer Preisprüfung zu unterziehen.

Angesichts dessen war der Senat nicht gehalten, den Rechtsstreit aussetzen und dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung zur Auslegung des Begriffs "Schaden" i.S.d. Art. 1 Abs. 3 RL 89/665/EWG i.d.F. der RL 2007/66/EG zu ersuchen. Entscheidungserheblichkeit ist nicht gegeben, weil es auf die "Darlegung eines Schadens" im Rahmen der Antragsbefugnis nicht ankommt und der Feststellungsantrag zudem unbegründet ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 142a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 120 Abs. 2, 78 GWB. Da sich auch die BG durch Stellung des Zurückweisungsantrages einem prozessualen Risiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, der AS auch insoweit die außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die AG und BG war notwendig.

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§§ 142a, 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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