S 9 KG 25/08

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 KG 25/08
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
SOZIALGERICHT NÜRNBERG

S 9 KG 25/08
S 9 KG 28/08
S 9 KG 32/08
S 9 KG 57/08

Beschluss:

I. Die Streitsachen S 9 KG 25/08, S 9 KG 28/08, S 9 KG 32/08 und S 9 KG 57/08 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Verfahren werden ausgesetzt.

III. Dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) werden zur Vorabentscheidung folgende Fragen vorgelegt:

1. Ist Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 dahingehend auszulegen, dass Familienbeihilfen für Empfänger von Alters- oder Invaliditätsrenten, Renten wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit, die nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Rente beziehen (sog. Doppelrentner bzw. Mehrfachrentner) und deren Rentenanspruch auf der Grundlage der Rechtsvorschriften des ehemaligen Beschäftigungsstaates beruht (innerstaatlicher Rentenanspruch), vom ehemaligen Beschäftigungsstaat nicht gewährt werden müssen, wenn im Wohnsitzstaat eine vergleichbare höhere Leistung zwar vorgesehen ist, aber mit einer anderen Leistung unvereinbar ist, für die sich der Betroffene aufgrund einer Wahlmöglichkeit entschieden hat?

2. Ist Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 dahingehend auszulegen, dass Familienbeihilfen für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für die die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben und bei denen ein fiktiver Waisenrentenanspruch auf der Grundlage der Rechtsvorschriften des ehemaligen Beschäftigungsstaates beruht (potentieller innerstaatlicher Rentenanspruch), vom ehemaligen Beschäftigungsstaat nicht gewährt werden müssen, wenn im Wohnsitzstaat eine vergleichbare höhere Leistung zwar vorgesehen ist, aber mit einer anderen Leistung unvereinbar ist, für die sich der Betroffene aufgrund einer Wahlmöglichkeit entschieden hat?

3. Gilt das auch für eine unter Art. 77 oder Art. 78 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 fallende Leistung, die zwar im Wohnsitzstaat der Kinder dem Grunde nach vorgesehen ist, aber keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich dieser Leistung besteht?

Gründe:

1 Der Beschluss beruht auf § 114 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. Art 234 EG- Vertrag; er berücksichtigt die Hinweise des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die nationalen Gerichte (2005/C 143/01).

2 Die Beteiligten wurden vor Erlass des Aussetzungsbeschlusses angehört.

3 Die Beteiligten streiten jeweils über einen Anspruch auf deutsches Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in Verbindung mit den Vorschriften des koordinierenden europäischen Sozialrechts als Zusatzleistung beziehungsweise über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung dieser Leistung.

I.

Vorbemerkungen:

4 Das Sozialgericht Nürnberg hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach an den EuGH mit Vorlagebeschlüssen gewandt.

5 Es hat mit Beschluss vom 16.01.1995 dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Anspruch von Rentnern oder für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbstständigen, für die die Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben, auf Differenzleistungen beziehungsweise Zusatzleistungen von Familienbeihilfen dann besteht, wenn der Anspruch auf Rente oder Waisenrente in einem Mitgliedstaat nicht allein auf Vorschriften dieses Mitgliedstaates erworben worden ist. Der EuGH hat mit Urteil vom 27.02.1997 in der Rechtssache C-59/ 95 (Bastos Moriana u.a., Slg. I-1071) entschieden, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats nach den Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b Ziffer i und Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b Ziffer i der Ver- ordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht verpflichtet ist, Rentnern oder Waisen, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, der niedrigere Familienleistungen gewährt, als sie im Recht des ersten Mitgliedstaats vorgesehen sind, Familienleistungen als Zusatzleistung zu gewähren, wenn Anspruch auf die Rente oder Anspruch auf die Leistungen für Waisen nicht ausschließlich aufgrund von Versicherungszeiten erworben wurde, die in diesem Staat zurückgelegt wurden.

6 Das Sozialgericht Nürnberg hat ferner mit Beschluss vom 22.11.1999 dem EuGH im Wesentlichen die Frage vorgelegt, ob ein Anspruch von Rentnern oder für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbstständigen, für die die Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben, auf Differenzleistungen beziehungsweise Zusatzleistungen von Familienbeihilfen dann besteht, wenn der Anspruch auf Rente oder Waisenrente in einem Mitgliedstaat nicht allein auf Vorschriften dieses Mitgliedstaates erworben worden ist, aber im Wohnsitzstaat keinerlei Anspruch auf Familienbeihilfen bzw. Familienleistungen – der EuGH verwendet auch im Rahmen der Art. 77 und 78 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 die Formulierung "Familienleistungen" - besteht. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 24.09.2002 in der Rechtssache C-471/99 darauf hingewiesen, dass es sich hierzu bereits in seinem Urteil vom 27.02.1997 C-59/ 95 (Bastos Moriana u.a., RdNr. 5) geäußert habe; im Urteil Bastos Moriana u.a. sei es auch um Rechtsstreitigkeiten gegangen, die nicht nur höhere Leistungen betroffen hätten, als sie im Wohnstaat gewährt wurden, sondern auch Kindergeld, das nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Antrag gestellt worden war, für einen längeren Zeitraum, d.h. wegen einer höheren Altersgrenze als in den Rechtsvorschriften des Wohnstaats vorgesehen, gewährt wurde. Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b und 78 Abs. 2 Buchstabe b der Verordnung seinen so auszulegen, dass der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, der nicht Wohnstaat des Empfängers einer Alters- oder Invaliditätsrente oder Wohnstaat des Waisen eines Verstobenen Arbeitnehmers ist, nicht verpflichtet ist, den Betroffenen Leistungen für unterhaltsberechtigte Kinder oder für Waisen zu gewähren, wenn die in den Rechtsvorschriften des Wohnstaats für die Bewilligung solcher Leistungen vorgesehenen Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen und der Anspruch des Rentenempfängers oder derjenige von Waisen des verstobenen Arbeitnehmers in dem anderen Mitgliedstaat allein nach dessen Recht nicht gegeben ist.

7 Unter den dem EuGH mit Beschluss vom 22.11.1999 vorgelegten Fällen befand sich auch eine Fallgestaltung, in der der Kläger als Rentenempfänger (Herr Benitez Urbano) kein spanisches Kindergeld erhielt. Der Generalanwalt Tizzana hatte in seinem Schlussantrag vom 07.02.2002 in der Rechtssache C-471/ 99 ausgeführt: "In Spanien sieht das Real Decreto Legislativo 1/1994 mit allgemeinen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Zahlung von Kindergeld an Rentenempfänger für jedes unterhaltsberechtigte Kind vor, das das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sofern das Familieneinkommen einen bestimmten Betrag nicht übersteigt. Für jedes behinderte Kind, dessen Behinderung Grad 65 % übersteigt, wird nach diesem Decreto Kindergeld hingegen ohne Alters- oder Einkommensbegrenzung gewährt; die Zahlung dieser Beihilfe für volljährige Kinder ist jedoch mit dem Bezug der Sonderbeihilfe nach der Ley 13/1982 de Integracion Social de los Minusvalidos (Gesetz über die Integration der Behinderten) unvereinbar, so dass sich die Betroffenen bei Vorliegen der Voraussetzungen für die eine oder die andere Regelung entscheiden müssen". Die Fallgestaltung war für das Urteil des EuGH vom 24.09.2002 in der Rechtssache C-471/99 im Ergebnis aber ohne Bedeutung.

II. Rechtliche Ausgangssituation:

8 Die mit dem vorliegenden Beschluss dem EuGH zu stellenden Fragen betreffen ausschließlich Fallgestaltungen, in denen für Rentner bzw. Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben und der Anspruch des Rentenempfängers oder derjenige von Waisen des verstorbenen Arbeitnehmers gegenüber dem ehemaligen Beschäftigungsstaat (Deutschland) allein nach dessen Rechtsvorschriften gegeben ist bzw. gegeben wäre, also ein innerstaatlicher deutscher Rentenanspruch vorliegt. In allen Fallgestaltungen wird für das in Spanien lebende behinderte Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, eine nicht beitragsbezogene Rentenleistung als Sonderbeihilfe nach der Ley 13/1982 de Integracion Social de los Minusvalidos (Gesetz über die Integration der Behinderten) bezogen, aber kein spanisches Kindergeld nach dem Real Decreto Legislativo 1/1994.

Gesetzliche Regelungen für behinderte Kinder nach dem BKGG:

9 Das BKGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.01.2009 (BGBl. I S. 142) sieht in § 2 Abs. 2 Satz Nr. 3 BKGG vor, dass ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, kindergeldrechtlich berücksichtigt wird, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Diese Regelung gilt aufgrund Artikel 3 des Gesetzes vom 19.07.2006 (BGBl. I S. 1652) ab 01.01.2007. Für den Zeitraum vor dem 01.01.2007 genügte, dass die Behinderung vor dem 27. Lebensjahr eingetreten war; § 20 Abs. 4 BKGG sieht eine Übergangsregelung für Kinder vor, bei denen die Behinderung nach dem 25. Lebensjahr, aber vor dem 27. Lebensjahr eingetreten ist.

Die Höhe des monatlichen Kindergeldes beträgt nach § 6 Abs. 1 BKGG: 2002 bis 2008: 154,00 Euro für erste, zweite und dritte Kinder und 179 Euro für das vier- te und jedes weitere Kind; 2009: 164,00 Euro für erste und zweite Kinder, 170 Euro für dritte Kinder und 195 Euro für jedes weitere Kind; (ferner wird jedes Kind, für das im Kalenderjahr 2009 mindestens für einen Kalendermonat ein Anspruch auf Kindergeld besteht, im Kalenderjahr 2009 ein Einmalbetrag in Höhe von 100 Euro gezahlt). 2010: 184,00 Euro für erste und zweite Kinder, 190 Euro für dritte Kinder und 215 Euro für jedes weitere Kind.

Kinder, die das 25. Lebensjahr vollendet haben und die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten, können nach deutschen Rechtsvorschriften Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz- buch (SGB XII) als Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung beziehen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

10 Gesetzliche Regelungen für behinderte Kinder nach dem Real Decreto Legislativo 1/1994 als Familienleistung:

In Spanien sieht das Real Decreto Legislativo 1/1994 mit allgemeinen Rechtsvorschrif- ten auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit die Zahlung von Kindergeld an Rentenempfänger für jedes unterhaltsberechtigte Kind vor, das das 18. Lebensjahr noch nicht voll endet hat, sofern das Familieneinkommen einen bestimmten Betrag nicht übersteigt (bei einem Grad der Behinderung von mindestens 33% betrug die Leistungshöhe von 2002 bis 2008: 48,47 Euro, ab 2009: 83,33 Euro). Für jedes behinderte Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat und dessen Behinderungsgrad 65 % übersteigt, wird nach diesem Decreto Kindergeld hingegen ohne Altersgrenze gezahlt. Für jedes behinderte Kind, dessen Behinderungsgrad 75 % übersteigt, wird Kindergeld ohne Altersgrenze in einem höheren Betrag bezahlt.

Das Real Decreto 1335/2005 vom 11. November (Capitulo III, Seccion 1, Articulo 9) bestimmt: 1.) Das Kind oder der angenommene Minderjährige wird als Unterhaltspflichtiger betrachtet, wenn er mit dem Berechtigten wohnt und von ihm finanziell abhängig ist. 2.) Es ist davon auszugehen, falls nicht das Gegenteil bewiesen wird, dass eine finanzielle Abhängigkeit besteht, wenn das Kind oder der angenommene Minderjährige bei dem Berechtigten wohnt. Das Zusammenleben wird als nicht unterbrochen betrachtet, wenn eine vorübergehende Trennung durch Schulbesuch, Arbeit der Eltern oder Pflegepersonen, ärztliche Behandlung, Rehabilitation oder andere ähnliche Gründe bedingt wird. 3.) Das Kind oder der angenommene Minderjährige gilt als vom Berechtigten finanziell abhängig, auch wenn dieses/r eine lukrative Arbeit - selbstständige oder im Angestelltenverhältnis - ausübt, wenn es/er weiterhin beim Leistungsberechtigten wohnt und die Einkünfte aus der Erwerbstätigkeit nicht 75 % des jeweils gültigen jährlichen Mindestlohnes übersteigen. 4.) Das Kind oder der angenommene Minderjährige gilt als nicht vom Berechtigten finanziell abhängig, wenn es/er eine nicht beitragsgebundene öffentliche oder soziale Rente bezieht, nicht jedoch beim Bezug von Waisenrente oder Hinterbliebenenrente an Enkel oder Geschwister.

Die jährlichen spanischen Familienleistungen betragen für behinderte Kinder (Zahlen aus MISSOC):

2002: 65%: 251,00 EUR; 75%: 376,50 EUR;
2003: 65%: 260,79 EUR; 75%: 381,19 EUR;
2004: 65%: 268,09 EUR; 75%: 402,14 EUR;
2005: 65%: 285,64 EUR 75%: 428,46 EUR
2006: 65%: 301,55 EUR 75%: 452,33 EUR
2007: 65%: 312,43 EUR 75%: 468,65 EUR
2008: 65%: 328,44 EUR 75%: 492,66 EUR
2009: 65%: 336,33 EUR 75%: 504,50 EUR

11 Nicht beitragsbezogene spanische Rentenleistung

Behinderte Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, können eine nicht beitragsbezogene Rentenleistung als Sonderbeihilfe nach der Ley 13/1982 de Integracion Social de los Minusvalidos (LIMSI) beantragen. Diese Leistung ist keine spanische Familienleistung oder Familienbeihilfe.

Die Höhe der jährlichen Leistungen konnte das vorlegende Gericht nicht zuverlässig ermitteln. Die entsprechenden spanischen Bescheinigungen über den Bezug der nicht beitragsbezogenen Rentenleistung (pension de invalidez contributuva) bescheinigen aber durchgehend eine jährliche Höhe, die entweder genau der Höhe der spanischen Familienleistungen für behinderte Kinder entspricht oder – wegen bestimmter Zulagen (Ayuda Complementaria) - oder deutlich höher sind.

12 Das Verhältnis der spanischen Leistungen zueinander

Bereits im Verfahren C-471/99 hatte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die spanische Regierung zum Verhältnis der vorbezeichneten spanische Leistungen gefragt (Dokument C-471/99- Nr. 25); die Spanische Regierung (Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten) hat mitgeteilt (Dokument C-471/99- Nr. 27): " Die Familienversorgungsleistung für ein volljähriges behindertes Kind ist mit einer eigenen Leistung nach der dieses Kindes nach der Ley de Integracion Social de los Minusvali- dos unvereinbar, so dass sich die Betroffenen für die eine oder andere Leistung ent scheiden müssen." Diese Rechtslage gilt bis heute.

13 Vorschriften der Verordnung (EWG) des Rates über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (Nr. 1408/71), zuletzt geändert durch Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.06.2008, ABl EU Nr. L 177 v. 04.07.2008, S. 1).

Artikel 77 - Unterhaltsberechtigte Kinder von Rentnern (1) Leistungen im Sinne dieses Artikels sind die Familienbeihilfen für Empfänger von Alters- oder Invaliditätsrenten, Renten wegen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit sowie die Kinderzuschüsse zu solchen Renten, mit Ausnahme der Kinderzulagen aus der Versicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. (2) Die Leistungen werden ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat die Rentner oder die Kinder wohnen, wie folgt gewährt: a) Der Rentner, der nach den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats Rente bezieht, erhält die Leistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rente zuständigen Staates; b) der Rentner, der nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Rente bezieht, erhält die Leistungen i) nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt, wenn Anspruch auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) – nach den Rechtsvorschriften dieses Staates besteht, oder ii) in den anderen Fällen nach den Rechtsvorschriften des Staates, die für den Rentner die längste Zeit gegolten haben, wenn Anspruch auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) – nach den betreffenden Rechtsvorschriften besteht; wenn nach diesen Rechtsvorschriften kein Anspruch besteht, werden die Anspruchsvoraussetzungen in Bezug auf die Rechtsvorschriften der anderen in Betracht kommenden Mitgliedstaaten in der Reihenfolge der abnehmenden Dauer der nach den Rechtsvorschriften dieser Staaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten geprüft.

Artikel 78 - Waisen (1) Leistungen im Sinne dieses Artikels sind Familienbeihilfen und gegebenenfalls zusätzliche oder besondere Beihilfen für Waisen. (2) Die Leistungen für Waisen werden ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat die Waisen oder die natürliche oder juristische Person, die ihren Unterhalt bestreitet, wohnen, wie folgt gewährt: a) Für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats gegolten haben, gemäß den Rechtsvorschriften dieses Staates; b) für Waisen eines verstorbenen Arbeitnehmers oder Selbständigen, für den die Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten gegolten haben: i) nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet die Waisen wohnen, wenn Anspruch auf eine der in Absatz 1 genannten Leistungen – gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) – nach den Rechtsvorschriften dieses Staates besteht, oder ii) in den anderen Fällen nach den Rechtsvorschriften des Staates, die für den Verstorbenen die längste Zeit gegolten haben, wenn Anspruch auf eine der in Abs.1 genannten Leistungen nach den Rechtsvorschriften dieses Staates gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe a) besteht; wenn nach diesen Rechtsvorschriften kein Anspruch besteht, werden die Anspruchsvoraus- setzungen in Bezug auf die Rechtsvorschriften der anderen in Betracht kommenden Mitgliedstaaten in der Reihenfolge der abnehmenden Dauer der nach den Rechts- vorschriften dieser Staaten zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten ge- prüft. Die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, die für die Gewährung der in Artikel 77 genannten Leistungen für Kinder eines Rentenberechtigten anzuwenden waren, gelten jedoch nach dem Tod des Rentenberechtigten für die Gewährung der Leistungen an die Waisen weiter.

III.

Die vier Fallgestaltungen:

14 Im Rechtsstreit S 9 KG 25/08 (J. P. G.) ist der am 04.08.1941 geborene Kläger Doppelrentner mit Rentenanspruch gegenüber dem spanischen Versicherungsträger ab August 2006, gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger ab 01.09.2008 (Altersrente). Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland bescheinigte mit Schreiben vom 01.02.2007 einen innerstaatlichen deutschen Rentenanspruch des Klägers. Die am 21.06.1981geborene Tochter des Klägers, M. L. P. R., ist nach spanischen Rechtsvorschriften zu 65 % behindert. Im Formblatt E 404 E (Bescheinigung der Junta de Andalucia, consejeria de Asuntos Sociales – Centro des Valoracion Y Orientacion Sevilla) wurde bescheinigt, dass sie seit Geburt behindert ist, der Grad der Behinderung 65% beträgt und sie nicht in der Lage sei, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Formblatt E 411 R wird bescheinigt, dass der Kläger keinen Anspruch auf spanische Familienleistungen habe, weil seine Tochter eine beitragsfreie Invalidenrente erhalte (no contributiva por invalidez). Mit Bescheid vom 29.11.2007 lehnte die Familienkasse Nürnberg die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter des Klägers mit der Begründung ab, dem Kläger stehe Anspruch auf spanische Familienleistungen zu, die der Höhe nach die in Deutschland zustehende Leistung erreiche, so dass eine Kindergeldzahlung ausgeschlossen sei. Der dagegen am 27.12.2007 vom der Botschaft von Spanien, Berlin erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2008 zurückgewiesen; dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 29.05.2008 Klage erhoben.

15 Im Rechtsstreit S 9 KG 28/08 (J. A. N.), ist der am 26.11.1939 geborene Kläger Doppelrentner mit Rentenanspruch gegenüber dem spanischen Versicherungsträger ab Januar 2000, gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger ab Dezember 2004 (Altersrente). Aus dem vorliegenden Versicherungsverlauf ergibt sich ein innerstaatlicher deutscher Rentenanspruch des Klägers. Die am 29.09.1971 geborene Tochter des Klägers, A. A. H., ist nach spanischen Rechtsvorschriften zu 91 % behindert; sie war auch im Besitz eines deutschen Schwerbehindertenausweises. Im Formblatt E 404 E (Bescheinigung des Medico Colegiado - INSS A Coruna) wurde bescheinigt, dass die Tochter des Klägers seit dem 3 Lebensmonat behindert, der Grad der Behinderung von 91% seit 04.03.1986 festgestellt worden und sie nicht in der Lage sei, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Aus der Bescheinigung E 411 R ging hervor, die Tochter des Klägers habe "gewählt, eine beitragsfreie Invalidenrente zu erhalten" (monatlich 2005: 433,19 Euro). Die Familienkasse der Agentur für Arbeit Nürnberg bewilligte mit Bescheid vom 21.06.2005 dem Kläger Kindergeld für seine Tochter rückwirkend ab Dezember 2004 in Höhe von 154 Euro monatlich, mit Bescheid vom 03.01.2006 ab Januar 2006 in Höhe von 154,00 Euro monatlich, mit Bescheid vom 08.01.2007 ab Januar 2007 in Höhe von 154,00 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 28.04.2008 hob die Familienkasse Nürnberg die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter des Klägers mit Wirkung ab Mai 2008 mit der Begründung auf, dem Kläger stehe Anspruch auf spanische Familienleistungen zu, die höher als der deutsche Kindergeldbetrag seien. Entscheidend sei, dass spanische Familienleistungen geschuldet seien, wenngleich das behinderte Kind dann keine Behindertenrente beziehen dürfe. Die von Anfang an rechtswidrige Bewilligung werde für die Zukunft aufgeho- ben; das Vertrauen des Klägers auf die rechtwidrige Begünstigung sei nicht schutzwürdig; das öffentliche Interesse erfordere eine Rücknahme für die Zukunft. Der dagegen am 06.05.2008 vom Spanischen Generalkonsulat Düsseldorf erhobene Widerspruch hatte für Mai 2008 Erfolg, nicht aber für die Zeit ab Juni 2008 und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 18.06.2008 zurückgewiesen; dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 25.06.2008 Klage erhoben.

16 Im Rechtsstreit S 9 KG 32/08 (F. B. C.), ist der am 27.04.1932 geborene Kläger Doppelrentner mit Rentenanspruch gegenüber dem spanischen Versicherungsträger ab Dezember 1995, gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger ab März 1996 (Erwerbsunfähigkeitsrente, Mai 1997: Altersrente). Die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz hat mit Schreiben vom 04.10.1999 einen innerstaatlichen Rentenanspruch bestätigt. Die am 21.05.1963 geborene Tochter des Klägers, M. B. P., ist nach spanischen Rechtsvorschriften zu 93 % behindert. Nach Vorlage des Formblatts E 404 E (Bescheinigung vom 25.01.2001 des Centro Base de Minusvalidos Sevilla), in dem bescheinigt wurde, dass die Tochter des Klägers schon 1985 schwere Störungen beim Gehen gehabt habe, und der Bescheinigung der Junta de Andalucia vom 16.05.2001 (Bl. 78 der Kindergeldakten) über den Bezug von "pension no contributiva en su modali- dad des invalidez" (mindestens) ab 1996 Bewilligte die Familienkasse des Arbeitsamts Nürnberg mit Bescheid vom 17.07.2001 dem Kläger Kindergeld für seine Tochter rückwirkend ab April 1996 in voller Höhe. (Daneben erhielt der Kläger Kindergeld für seine am 16.08.1991 geborene Enkelin). Mit Bescheid vom 05.06.2008 hob die Familienkasse Nürnberg die Bewilligung von Kindergeld für die Tochter des Klägers mit Wirkung ab Juli 2008 mit der Begründung auf, der Kläger könne jederzeit spanische Familienleistungen beantragen, die höher als der deutsche Kindergeldbetrag seien. Entscheidend sei, dass spanische Familienleistungen geschuldet seien, wenngleich das behinderte Kind dann keine Behindertenrente beziehen dürfe. Die von Anfang an rechtswidrige Bewilligung werde für die Zukunft auf gehoben; der Kläger könne nicht auf den Bestand der rechtswidrigen Bewilligung vertrauen. Der dagegen am 24.06.2008 vom Spanischen Generalkonsulat Frankfurt a.M. erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 03.07.2008 zurückgewiesen; dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 14.07.2008 Klage erhoben.

17 Im Rechtsstreit S 9 KG 57/08 (J. B. F.), ist der am 11.02.1937 geborene, zwischenzeitlich verstorbene, Kläger Doppelrentner mit Rentenanspruch gegenüber dem spanischen Versicherungsträger ab März 1981, gegenüber dem deutschen Rentenversicherungsträger ab 1986 Erwerbsunfähigkeitsrente, ab März 2002 Altersrente. Aus dem vorliegenden Versicherungsverlauf ergibt sich ein innerstaatlicher deutscher Rentenanspruch des Klägers ab März 2002. Für den am 28.02.1966 gebore- nen Sohn des Klägers, F. M. B. V., wird im Formblatt E 404 E (Bescheinigung der Junta de Andalucia, consejeria de Asuntos Sociales – Centro des Valoracion Y Orientacion Sevilla) ein Behinderungsgrad von 72% seit Geburt bescheinigt und er nicht in der Lage sei, den Lebensunterhalt zu bestreiten. In den Formblättern E 411 R bescheinigte das INSS Sevilla stets einen Anspruch des Klägers auf Familienzuschläge zu einer Rente (derecho a complementos familiares una renta), teilte aber stets mit, der Kläger habe keinen diesbezüglichen Antrag gestellt. Nachgewiesen wurde, dass der Sohn des Klägers – durchgehend seit mindestens 1998 eine beitragsfreie spanische Invalidenrente bezieht. Die Familienkasse der Agentur für Arbeit Nürnberg bewilligte mit Bescheid vom 04.02.2004 dem Kläger Kindergeld für seinen Sohn rückwirkend ab November 2002; in voller Höhe, später mit Bescheid vom 13.10.2005 Kindergeld rückwirkend von Januar 1998 bis Dezember 2001, zuletzt – nach einer Zahlungseinstellung zur Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen - mit Bescheid vom 08.01.2008 ab Juli 2007. Mit Bescheid vom 28.04.2008 hob die Familienkasse Nürnberg die Bewilligung von Kindergeld mit Wirkung ab Mai 2008 mit der Begründung auf, dem Kläger stehe Anspruch auf spanische Familienleistungen zu, die höher als der deutsche Kindergeldbetrag seien. Entscheidend sei, dass spanische Familienleistungen geschuldet seien, wenngleich das behinderte Kind dann keine Behindertenrente beziehen dürfe. Die von Anfang an rechtswidrige Bewilligung werde für die Zukunft aufgehoben; das Vertrauen des Klägers auf die rechtwidrige Begünstigung sei nicht schutzwürdig; das öffentliche Interesse erfordere eine Rücknahme für die Zukunft. Der dagegen am 02.06.2008 vom Spanischen Generalkonsulat Hannover erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.2008 zurückgewiesen; dagegen haben die Bevollmächtigten des Klägers am 26.11.2008 Klage erhoben. Der Kläger ist am 20.04.2009 verstorben. Die Witwe des Klägers setzt als Sonderrechtsnachfolgerin den Rechtsstreit fort, so dass ein Anspruch ab Mai 2009 auf der Grundlage des Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zu prüfen ist.

IV.

Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts:

Zur Vorlagefragen 1 und 2:

18 Zunächst weist das vorlegende Sozialgericht Nürnberg darauf hin, dass die Beklagte ihre Rechtsauffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Nürnberg vom 22.10.2007 – S 9 KG 21/04 – stützt. In diesem Rechtsstreit war zwar von den Bevollmächtigten (Spanisches Generalkonsulat Düsseldorf) vorgetragen worden, die behinderte Tochter der Klägerin beziehe nicht beitragbezogene Rentenleistungen; aus den vorliegenden Unterlagen war aber ersichtlich, dass an die Klägerin selbst spanische Familienleistungen gezahlt wurden. Das Sozialgericht Nürnberg hatte zwar ausgeführt, die Klägerin müsse sich die in Spanien vorgesehenen Familienleistungen auch dann zurechnen lassen, wenn sie den Anspruch nicht konkret verwirklichen könne, etwa wegen fehlender Antragstellung, konkrete Ausführungen zum Verhältnis der nicht beitragsbezogenen spanischen Rentenleistungen zum deutschen Kindergeld wurden nicht gemacht.

19 Das vorlegende Gericht ist der Auffassung, dass in allen betroffenen Fallgestaltungen ein Anspruch auf spanische Leistungen für behinderte Kinder "besteht", wie es Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) und Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 verlangen. Es genügt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts ein Bestehen dem Grunde nach, also die Erfüllung der rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen.

20 Das vorlegende Gericht neigt im Ergebnis zu der Auffassung, dass der Bezug von nicht beitragsbezogenen spanischen Rentenleistungen für Behinderte in Fallgestaltun- gen, in denen ein Anspruch auf spanische Familienleistungen für behinderte Kinder nur deshalb nicht besteht, weil die Eltern des behinderten Kindes von einer im nationalen spanischen Recht vorgesehenen Wahlmöglichkeit Gebrauch gemacht haben, einen gegenüber dem nach Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 oder Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nachrangigen Nichtwohnsitzstaat bestehenden Anspruch auf deutsche Kindergeldleistungen (als Zusatzleistung bzw. Differenzleistung) ausschließt.

21 Das vorlegende Gericht sieht darin keine Verletzung oder Erschwerung der Freizügigkeit von Wanderarbeitnehmern: Wenn ein Doppelrentner bzw. Mehrfachrentner zu nächst in Deutschland wohnt, hat er nach Art. 77 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 vorrangigen Anspruch auf deutsches Kindergeld, nämlich "nach den Rechtsvorschriften des Staates, in dessen Gebiet er wohnt"; er oder sein Ehegatte können einen Anspruch auf die höheren spanischen Familienleistungen als Differenzleistung haben, wenn dem behinderten Kind eine nicht beitragsbezogene Rente nicht gewährt wird. Verlegt der Doppelrentner seinen Wohnsitz nach Spanien verliert er den deutschen Kindergeldanspruch und erhält vorrangig die (höheren) spanischen Familienleistungen ohne wirtschaftliche Einbuße. Gleiches gilt nach Art. 78 Abs. 2 Buchstabe b) Ziffer i) der Verordnung Nr. 1408/71 für die Witwe/den Witwer eines/einer verstorbenen Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin.

22 Wird in gleicher Ausgangssituation von dem in Spanien lebenden behinderten Kind eine nicht beitragsbezogene Rente bezogen, hat der Doppelrentner bzw. Mehrfachrentner mit Wohnsitz in Deutschland vorrangigen Anspruch auf deutsches Kindergeld, verliert diesen Anspruch aber bei Wohnsitznahme in Spanien; er steht wirtschaftlich schlechter, weil er – wegen des Bezugs der nicht beitragsbezogenen Rente durch sein behindertes Kind – keine spanischen Familienleistungen erhalten kann.

23 Diese Rechtsfolge liegt nach Auffassung des vorlegenden Gerichts aber nicht an einer diskriminierenden Rechtslage bzw. Rechtsauslegung im Hinblick auf Familienbeihilfen, sondern ausschließlich daran, dass der spanische Gesetzgeber keine Anrechnung des deutschen Kindergeldes auf die Höhe der nicht beitragsbezogenen Rente vornimmt. Der gleichzeitige Bezug von spanischen Familienleistungen mit nicht beitragsbezoge- nen Rentenleistungen ist nicht möglich, während der Bezug einer ausländischen Familienleistung durch die Eltern ohne Einfluss auf die spanische, nicht beitragsbezogene Rente des Kindes wäre.

Zur Vorlagefrage 3:

24 Mit dieser Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht - abhängig von der Antwort auf die erste Frage - wissen, ob ein Anspruch auf deutsches Kindergeld in Höhe von Differenzbeträgen bestehen kann, wenn das Kind in Spanien eine nicht beitragsbezogene Rente erhält, aber in Spanien nicht oder nicht mehr als Unterhaltsverpflichteter gilt mit der Folge, dass in Spanien kein Wahlrecht zwischen Familienleistungen und nicht beitragsbezogener Rente besteht. Nach spanischen Rechtsvorschriften wird – wie ausgeführt - das Kind oder der angenommene Minderjährige wird als Unterhaltspflichtiger betrachtet, wenn er mit dem Berechtigten wohnt und von ihm finanziell abhängig ist; falls nicht das Gegenteil bewiesen wird, besteht eine finanzielle Abhängigkeit, wenn das Kind oder der angenommene Minderjährige bei dem Berechtigten wohnt. Das Zusammenleben wird als nicht unterbrochen betrachtet, wenn eine vorübergehende Trennung durch Schulbesuch, Arbeit der Eltern oder Pflegepersonen, ärztliche Behandlung, Rehabilitation oder andere ähnliche Gründe bedingt wird.

25 Löst das behinderte Kind jedoch das Zusammenleben mit den Eltern dauerhaft auf, um eine eigene Wohnung oder therapeutische Wohngemeinschaft zu beziehen, kommt der Anspruch auf spanische Familienleistungen und damit ein Wahlrecht zwischen Familienleistung und nicht beitragsbezogener Rente nicht in Betracht. Für diese Fälle vertritt das vorlegende Gericht die Auffassung, dass ein Anspruch auf deutsches Kindergeld als Differenzleistung besteht.
Rechtskraft
Aus
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