L 11 KR 207/10 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 4848/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 207/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. November 2009 aufgehoben. Der Antragstellerin wird für das Verfahren S 5 KR 4848/09 ER Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt und Rechtsanwalt D., P., beigeordnet.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist nicht gemäß § 172 Abs 3 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung des Artikel 1 Nr 29 des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl I 2008, 444) ausgeschlossen und daher statthaft. Das Sozialgericht Karlsruhe (SG) hat nicht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe (PKH) verneint, sondern die Bewilligung von PKH wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Klage abgelehnt. Die am 4. Januar 2010 beim SG eingegangene Beschwerde gegen den am 4. Dezember 2009 zugestellten Beschluss des SG ist zulässig; sie ist insbesondere gemäß § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Voraussetzungen, unter denen PKH für das beim SG anhängig gewesene Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bewilligt werden kann, sind erfüllt.

Gemäß § 73a SGG iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Rechtsschutzverfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl BVerfG, Kammerbeschluss vom 4. Februar 1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Dezember 1997, IV ZR 238/97, NJW 1998, 1154; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 27. November 1998, VI B 120/98, juris) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl BVerfG Kammerbeschlüsse vom 20. Februar 2002, 1 BvR 1450/00, NJW-RR 2002, 1069, und 14. April 2003, 1 BvR 1998/02, NJW 2003, 2976, 2977). Darüber hinaus soll die Prüfung der Erfolgsaussicht nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das summarische Verfahren zu verlagern. Dieses Verfahren will den grundrechtlich garantierten Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 2. März 2000, 1 BvR 2224/98, NJW 2000, 2098).

Für die gemäß § 114 Satz 1 ZPO vorzunehmende Erfolgsprognose ist der Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung Entscheidungsgrundlage, wenn alsbald nach Entscheidungsreife entschieden wird (BGH, Beschluss vom 18. November 2009, XII ZB 152/09, FamRZ 2010, 197). Dementsprechend ist zwar grundsätzlich die Erfolgsaussicht nach dem Zeitpunkt der Entscheidung der ersten Instanz zu beurteilen, jedoch ist neuer Vortrag im Beschwerdeverfahren gemäß § 202 SGG iVm § 571 Abs 2 Satz 1 ZPO zu berücksichtigen. Hat deshalb das erstinstanzliche Gericht die hinreichende Erfolgsaussicht aufgrund der ihm bekannten Sach- und Rechtslage zutreffend verneint und trägt der PKH-Antragsteller im Beschwerdeverfahren in Bezug auf die erste Instanz wesentlich Neues vor, ist auch dieser neue Vortrag zu seinen Gunsten zu berücksichtigen (vgl Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Januar 2010, 10 D 2892/09, juris mwN).

Nach diesen Grundsätzen ist die hinreichende Erfolgsaussicht zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung zu bejahen.

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat die Antragstellerin begehrt, die aufschiebende Wirkung der Klage (Az S 5 KR 4847/09) gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2009, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht der Antragstellerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) zum 31. Dezember 2008 wegen Eintretens von Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG aufgehoben hat, anzuordnen und hilfsweise, die Versicherungspflicht nach dem KSVG ab einem späteren Zeitpunkt wegen Erzielens ausreichenden Einkommens vorläufig festzustellen.

Zum Hilfsantrag hat die Antragstellerin jedenfalls im PKH-Verfahren mit der beim SG am 16. November 2009 eingegangenen Einnahmen-Überschuss-Rechnung für die Monate August bis Oktober 2009 erstmals sinngemäß ein höheres Einkommen geltend gemacht. Während des Beschwerdeverfahrens wurde dieses Einkommen noch präzisiert und mit neueren Einnahmen-Überschuss-Rechnungen unter Vorlage von Nachweisen glaubhaft gemacht. Mit den vorgelegten Unterlagen hat die Antragstellerin damit glaubhaft gemacht, dass ihre Einnahmen die in § 3 KSVG genannte Grenze übersteigen. Dementsprechend hat die Antragstellerin jedenfalls für den Hilfsantrag die hinreichende Erfolgsaussicht dargelegt.

Die Antragstellerin erfüllt auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gemäß § 73 a SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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