L 10 R 4311/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3125/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4311/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.07.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der am 1944 geborene Kläger hat den Beruf eines Maurers erlernt und war in diesem Beruf bis zuletzt im Juni 2003 beschäftigt. Ab 01.12.2003 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 23.04.2004 ausgehend von einem in einen Rentenantrag umgedeuteten Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation vom 03.12.2003 und einem Versicherungsfall im Juni 2003 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Seit 01.10.2007 bezieht der Kläger von der Beklagten eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 14.09.2007).

Der Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit lag der Entlassungsbericht der R. Bad Rappenau über ein stationäres Heilverfahren vom Dezember 2003/Januar 2004 zu Grunde. Darin beschrieb der Chefarzt der R. , Dr. J. , eine distale Polyneuropathie unklarer Genese, eine Retropatellararthrose rechts, Bluthochdruck, Gicht, Übergewicht und einen grauen Star am linken Auge. Die bisherige Tätigkeit als mitarbeitender Polier könne nicht mehr fortgeführt werden. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne der Kläger auf Dauer leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tages-, Früh- und Spätschicht unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (Vermeiden von häufigem Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 20 kg bzw. von Lasten über 15 kg vor dem Körper bzw. mit ausgestreckten Armen über 10 kg, Vermeiden häufigen Bückens, fixierten Sitzens sowie häufiger starker Stoß- und Erschütterungsbelastungen, Vermeiden von Gehstrecken über 10 km sowie von häufigem Klettern, Steigen und häufigen knienden Tätigkeiten) vollschichtig ausüben. Den gegen den Bescheid vom 23.04.2004 erhobenen Widerspruch, mit welchem der Kläger die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrte, wies die Beklagte u. a. nach Einholung eines Gutachtens des Internisten Dr. G. (periphere Polyneuropathie mit Stand- und Gangschwierigkeiten, Meniskopathie mit Meniskuseinrissen, insbesondere rechts ohne aktuelle Bewegungseinschränkung, Zustand nach spontan konvertiertem Vorhofflimmern, Katarakt (grauer Star), diätetisch eingestellter Diabetes mellitus, kompensierter Bluthochdruck, Übergewicht, Fettleber, Sklerose der arteria Carotis beidseits, Gicht; überwiegend sitzende Tätigkeiten mit gelegentlicher Geh- und Stehbelastung ohne kniebelastende Tätigkeiten, ohne Heben, Tragen und Bewegen größerer Lasten über 10 kg ohne technische Hilfsmittel, ohne Hock- und Bückstellung als Regelleistung, ohne Besteigen von Leitern, Treppen oder Anhöhen, ohne Tätigkeiten auf Gerüsten oder in Höhen oder auf Unebenheiten, ohne Tätigkeiten, die eine Feinmotorik der unteren Extremitäten erfordern und ohne Beschäftigung an gefährlichen Maschinen könne der Kläger noch vollschichtig ausüben) und Beiziehung eines Befundberichts des Chefarztes der Augenklinik des Klinikums P. , Dr. G. (Katarakt am linken Auge mit einer Sehschärfe links von 0,05) mit Widerspruchsbescheid vom 19.07.2006 zurück.

Wegen von dem Kläger während des Bezuges der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gleichzeitig bezogenen Arbeitslosengeldes nahm die Beklagte mit Bescheid vom 28.09.2004 die Rentenbewilligung ab 01.04.2004 zurück und forderte die Rückzahlung der bis 30.09.2004 entstandenen Überzahlung in Höhe von 3.701,40 EUR; mit weiteren Bescheid vom 27.01.2006 hob die Beklagte die ab 01.04.2004 erfolgte erneute Rentenbewilligung (Bescheid vom 13.04.2005) für die Zeit ab 01.03.2005 auf und forderte die Rückzahlung der bis 30.11.2005 eingetretenen Überzahlung in Höhe von 5.535,84 EUR. Über die hiergegen erhobenen Widersprüche ist noch nicht entschieden.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.07.2006 hat der Kläger am 21.08.2006 Klage zum Sozialgericht Heilbronn erhoben und geltend gemacht, es liege volle Erwerbsminderung vor, dies würden die behandelnden Ärzte bestätigen. Hierzu hat er Atteste des behandelnden Neurologen Dr. U. (Polyneuropathie, Depression, Schlafstörungen; Leistungsfähigkeit für leichte Arbeiten unter drei Stunden) und des behandelnden Orthopäden Dr. L. (degeneratives Cervikalsyndrom, Schultersteife beidseits, Coxarthrose beidseits, metabolisches Syndrom, Hyperurikämie, Depression; Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten unter drei Stunden) vorgelegt. Die im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens außerdem eingebrachte Anregung, das Gericht solle auch über die Aufhebungs- und Rückforderungsbescheide der Beklagten entscheiden, hat der Kläger nach einer Erörterung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Heilbronn am 16.07.2007 nicht weiter aufrecht erhalten. Vielmehr hat er ausschließlich die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bis zum Beginn seiner Altersrente (01.10.2007) unter Aufhebung des Bescheides vom 23.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.07.2006 beantragt.

Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. D. eingeholt. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. B. hat über Behandlungen des Klägers im Januar 2003, März 2004 und Dezember 2006 wegen einer Polyneuropathie berichtet. Leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Einschränkungen (Vermeiden von Arbeiten auf unebenem Boden, von Arbeiten, die eine ungestörte Feinmotorik der unteren Extremitäten erfordern sowie von Klettern und Steigen, Betätigen von Maschinen und Fahrzeugen sowie Beschäftigung an gefährlichen Maschinen mit hohem Verletzungspotenzial, Vermeiden von Schichtarbeit und ständigem Stehen oder Gehen) könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Der behandelnde Kardiologe Dr. M. hat angegeben, er habe den Kläger einmalig im November 2005 wegen eines intermittierenden Vorhofflimmerns bei leichter Schädigung des Herzens untersucht. Eine leichte Arbeit sei übereinstimmend mit der Beurteilung der Beklagten (Gutachten des Dr. G. ) vollschichtig möglich, wobei anzumerken sei, dass der Kläger wegen des Vorhofflimmerns auch psychischen Stresssituationen nicht ausgesetzt werden sollte. Der Orthopäde Dr. R. hat über Behandlungen des Klägers im Juni 2003 und April 2005 wegen Beschwerden beider Kniegelenke bei Gonarthrose berichtet. Bei der letzten Untersuchung im April 2005 habe aus seiner Sicht ein untervollschichtiges Leistungsvermögen von vier Stunden für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestanden. Der Neurologe Dr. U. hat Behandlungen des Klägers im Juli und September 2007 angegeben und eine Polyneuropathie, Spannungskopfschmerzen und eine Depression diagnostiziert. Der Kläger sei auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in der Lage, leichte Tätigkeiten sechs Stunden täglich auszuüben, das Leistungsvermögen liege unterhalb von drei Stunden, wobei die Leistungsminderung in diesem Ausmaß seit Juli 2007 vorliege. Der Orthopäde Dr. L. hat über eine einmalige Behandlung des Klägers im Juli 2007 berichtet und eine Polyneuropathie, ein unteres Cervikalsyndrom mit Rotationsdefizit der Halswirbelsäule, eine Hyperurikämie im Rahmen eines metabolischen Syndroms, eine Coxarthrose II-III. Grades beidseits sowie ein chronifiziertes Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C4/5 diagnostiziert. Die Verrichtung einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von ca. sechs Stunden sei mit entsprechenden Belastungsausschlüssen und unter bestimmten Voraussetzungen (qualitative Einschränkungen beim Gehen auf unebenem Gelände und dem Ersteigen von Leitern sowie Störung der Feinmotorik an den unteren Extremitäten beim Betätigen von Maschinen und Fahrzeugen) möglich.

Der gerichtliche Sachverständige Dr. D. hat auf orthopädischem Fachgebiet einen Spreizfuß beidseits, eine leichte Sprunggelenksarthrose beidseits, eine leichte Retropatellararthrose beidseits, eine initiale Coxarthrose links, eine chronische Lumbalgie bei leichten degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule ohne vertebragen bedingte Neurologie, eine chronische Cervikalgie bei degenerativen Veränderungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule, ein subacromiales Schmerzsyndrom beidseits bei leichter Bursitis subacromialis links und beidseitiger leichter Tendinitis der langen Bizepssehne sowie AC-Arthrosen beidseits und eine endgradige Bewegungseinschränkung beider Ellenbogen mit Umwendbewegungseinschränkung diagnostiziert. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (keine Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft, keine gebückten Tätigkeiten, keine Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie Tätigkeiten mit Heben und Tragen über 10 kg, keine Tätigkeiten in Hockstellungen, kein Besteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten, kein Betätigen von Maschinen und Fahrzeugen, die die Notwendigkeit des Gefühls der unteren Extremität erfordern) könne der Kläger leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überwiegend im Sitzen mit gelegentlicher Geh- und Stehtätigkeit noch vollschichtig (acht Stunden täglich) ausüben.

Mit Urteil vom 16.07.2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gegen das am 18.08.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.09.2008 Berufung eingelegt. Er macht geltend, ausgehend von den Attesten der behandelnden Ärzte seien die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung erfüllt. Außerdem gehe es nicht nur um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, sondern auch um die Rückforderung der zu viel gezahlten Rentenbeträge, woran ihn kein Verschulden treffe.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst, s. Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Sozialgerichts vom 16.07.2008),

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 16.07.2008 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 23.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung bis zu Beginn seiner Altersrente (01.10.2007) zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten von dem Orthopäden Dr. L. eingeholt. Dr. L. hat ein unteres Cervikalsyndrom bei Osteochondrose C4-7 mit ventraler Hyperspondylose, eine Schultersteife beidseits bei bilateraler PHS calzificans und AC-Gelenksarthrose, eine Lumbalgie bei Segmentinstabilität und Spondylarthrose L5/S1, eine Coxarthrose II-III. Grades beidseits, eine Femoropatellararthrose beidseits, eine periphere Polyneuropathie und Übergewicht im Rahmen eines metabolischen Syndroms diagnostiziert. In Folge dieser Gesundheitsstörungen seien dem Kläger keine Überkopftätigkeiten und kein schweres Heben und häufiges Bücken zumutbar, Gehen auf unebenem Gelände oder das Ersteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten sei kontraindiziert; zumutbar seien allenfalls noch leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen. Auch solche könne der Kläger nur noch weniger als drei Stunden täglich verrichten. In Bezug auf die Vorgutachten sei eine Verschlechterung der Gesamtbefundsituation eingetreten; das von ihm dargestellte Leistungsvermögen bestehe seit 2008.

Der Kläger hat ergänzend mitgeteilt, er habe sich vom 28.10.2009 bis 03.11.2009 wegen eines Schlaganfalls im Klinikum Ludwigsburg aufgehalten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Streitgegenständlich ist vorliegend allein die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung (Dezember 2003) bis zum Beginn der Altersrente (01.10.2007), also bis einschließlich 30.09.2007 und somit der Bescheid der Beklagten vom 23.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2006, soweit damit die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung abgelehnt worden ist. Nicht streitgegenständlich ist hingegen - wie bereits im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 16.07.2008 erörtert - die Frage der Rechtmäßigkeit der Bescheide vom 28.09.2004 und 27.01.2006, mit denen die bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit wegen des von dem Kläger neben der Rente bezogenen Arbeitslosengeldes aufgehoben und die entstandene Überzahlung zurückgefordert wurde. Diese, bereits während des Widerspruchsverfahrens gegen die Ablehnung der Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ergangenen Bescheide sind nicht gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, denn durch diese Bescheide wurde die streitgegenständliche Entscheidung - Ablehnung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - weder geändert noch ersetzt. Hierüber traf die Beklagte auch im Widerspruchsbescheid keine Entscheidung, sondern verwies sogar ausdrücklich darauf, dass der Kläger "wegen des noch anhängigen Widerspruchs nach Abschluss des Verfahrens weitere Mitteilung erhalte". Dem entsprechend hat der Kläger mit seinem Klageantrag auch nur den Bescheid vom 23.04.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2006 mit dem Begehren, die Beklagte zur Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den o.a. Zeitraum zu verurteilen, angefochten. Allein hierüber hat das Sozialgericht entschieden und allein diese Entscheidung hat der Senat im Berufungsverfahren zu überprüfen. Soweit der Kläger daher im Berufungsverfahren die Erwartung geäußert hat, der Senat werde auch über die "Rückforderung von Leistungen" entscheiden, verkennt er, das eine solche Entscheidung des Senats bereits ausgehend von seinem Klageantrag nicht ergehen kann. Einen entsprechenden prozessualen Antrag hat er ohnehin nicht gestellt.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger hat auch nach Überzeugung des Senats im streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 2003 bis September 2007 keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Senat stützt sich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des im erstinstanzlichen Verfahren gehörten Sachverständigen Dr. D. sowie des im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachters Dr. G ... Dr. D. hat auf orthopädischem Fachgebiet einen Spreizfuß beidseits, eine leichte Sprunggelenksarthrose beidseits, eine leichte Retropatellararthrose beidseits, eine initiale Coxarthrose links, eine chronische Lumbalgie bei leichten degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule ohne vertebragen bedingte Neurologie, eine chronische Cervikalgie bei degenerativen Veränderungen der mittleren und unteren Halswirbelsäule, ein subacromiales Schmerzsyndrom beidseits bei leichter Bursitis subacromialis links und beidseitiger leichter Tendinitis der langen Bizepssehne sowie AC-Arthrose beidseits und eine endgradige Bewegungseinschränkung beider Ellenbogen incl. Umwendbewegungseinschränkung diagnostiziert. Auf Grund dieser Gesundheitsstörungen sowie unter Berücksichtigung der bei dem Kläger außerdem bestehenden Polyneuropathie sind bei einer beruflichen Tätigkeit des Klägers - so nachvollziehbar Dr. D. - zwar gewisse, qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen, bei Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen bestand jedoch im streitgegenständlichen Zeitraum für leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin ein Leistungsvermögen von acht Stunden täglich. Funktionseinschränkungen von Seiten der degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule ergeben sich, wie Dr. D. dargelegt hat insoweit, als keine Tätigkeiten in Nässe, Kälte und Zugluft, keine gebückten Tätigkeiten, keine Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen sowie Tätigkeiten mit Heben und Tragen über 10 kg mehr verrichtet werden können. Von Seiten der Kniegelenke können - so Dr. D. - Hockstellungen nicht mehr eingenommen werden. Wegen der Polyneuropathie ist außerdem das Besteigen von Leitern und Treppen sowie Gerüsten nicht mehr möglich, ebenso wie das Betätigen von Maschinen und Fahrzeugen, die die Notwendigkeit des Gefühls der unteren Extremität erfordern.

Eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens für überwiegend sitzende Tätigkeiten mit gelegentlicher Geh- und Stehtätigkeit ist unter Berücksichtigung der von Dr. D. genannten funktionellen Beeinträchtigungen hingegen nicht ersichtlich. Die hiervon abweichenden Auffassungen der behandelnden Orthopäden Dr. R. und Dr. L. sind nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Beurteilung des Dr. D. in Zweifel zu ziehen. Dr. R. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage über eine nur zweimalige Behandlung des Klägers im Juni 2003 und April 2004 wegen bewegungs- und belastungsabhängigen Schmerzen beider Kniegelenke berichtet. Soweit er deswegen von einem untervollschichtigen Leistungsvermögen für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Polier ausgegangen ist, ist dies auf Grund der körperlichen Belastungen im Rahmen einer Tätigkeit auf Baustellen nachvollziehbar und hat auch zur Gewährung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit durch die Beklagte geführt. Nicht nachvollziehbar ist hingegen, allein wegen der Kniegelenksbeschwerden von einem untervollschichtigen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen. Insoweit ist aus der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. R. nicht ersichtlich, von welchen körperlichen Belastungen er hierbei ausgegangen ist. Im Übrigen hat auch Dr. R. ausgeführt, dass eine Tätigkeit vorwiegend im Sitzen wünschenswert wäre. Damit kann jedoch auch nach der Auffassung von Dr. R. den funktionellen Beeinträchtigungen von Seiten der Kniegelenksbeschwerden durch die Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen Rechnung getragen werden. Weshalb derartige überwiegend sitzende Tätigkeiten nur vier Stunden und nicht auch sechs Stunden täglich verrichtet werden können, hat Dr. R. nicht begründet. Eine derartige Einschränkung ist ausgehend von den von ihm mitgeteilten Befunden nicht nachvollziehbar. Der behandelnde Orthopäde Dr. L. hat zunächst in dem von dem Kläger vorgelegten Attest ohne jegliche Begründung ein Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich angegeben. In der anschließend vom Sozialgericht eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage hat er ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen nur für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers beschrieben und hingegen eine quantitative Leistungsminderung für leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes gerade nicht bestätigt. Vielmehr hat er ausgeführt, dass die Verrichtung einer solchen leichten Tätigkeit mit entsprechenden Belastungsausschlüssen und unter bestimmten Voraussetzungen denkbar wäre. Qualitative Einschränkungen hat er insoweit allein auf Grund der Polyneuropathie beim Gehen auf unebenem Gelände sowie beim Ersteigen von Leitern und einer gestörten Feinmotorik an den unteren Extremitäten beim Betätigen von Maschinen und Fahrzeugen beschrieben. Insgesamt weicht damit die von Dr. L. auf Grund einer Untersuchung des Klägers im Juli 2007 beschriebene Leistungsfähigkeit des Klägers nicht von der Einschätzung des Sachverständigen Dr. D. ab. Soweit Dr. L. in dem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG im Berufungsverfahren erstatteten Gutachten auf Grund einer "Verschlechterung der Gesamtbefundsituation" von einem auf weniger als drei Stunden täglich abgesunkenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeht, kann dahingestellt bleiben, ob die von ihm angenommene Verschlechterung tatsächlich derart gravierenden Ausmaßes ist. Denn streitig ist vorliegend nur ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente bis einschließlich September 2007. Die von Dr. L. erst für das Jahr 2008 angenommene Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit einer einhergehenden Verringerung auch des quantitativen Leistungsvermögens ist damit nicht geeignet, für den streitigen Zeitraum das Vorliegen voller Erwerbsminderung zu begründen.

Gleiches gilt für die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Neurologen Dr. U ... Dieser hat den Kläger im streitigen Zeitraum nur im Juli und September 2007 behandelt. Über die bereits bekannte Polyneuropathie hinaus hat er außerdem Spannungskopfschmerzen und eine Depression diagnostiziert und dem Kläger deswegen ein auf weniger als drei Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen, allerdings erst ab Juli 2007 bescheinigt. Wie bereits dargelegt, kann den Funktionsbeeinträchtigungen in Folge der Polyneuropathie - so im Übrigen auch der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. B. - hinreichend durch Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen Rechnung getragen werden. Ob die Diagnose einer Depression und die hierauf gestützte quantitative Leistungsminderung zutreffend ist, kann dahingestellt bleiben, denn Dr. U. hat auch ausgeführt, dass durch medikamentöse Therapie mit einer Besserung der Depression zu rechnen sei. Damit käme, die Beurteilung des Dr. U. als zutreffend unterstellt, allenfalls die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit in Betracht. Da eine solche Rente jedoch gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des 7. Kalendermonats nach Eintritt der Leistungsminderung beginnt, Rente wegen voller Erwerbsminderung vorliegend aber nur bis September 2007 streitig ist, ist auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Dr. U. nicht geeignet, einen Rentenanspruch des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum zu begründen. Im Übrigen ist die Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch Dr. U. nicht nachvollziehbar, denn der Diagnose einer Depression und der hierdurch bedingten Leistungsminderung hat Dr. U. allein die subjektive Beschwerdeschilderung des Klägers zu Grunde gelegt, ohne diese Beschwerden in irgendeiner Form zu objektivieren.

Auch auf Grund der Gesundheitsstörungen auf internistischen Fachgebiet ergibt sich für den streitigen Zeitraum keine quantitative Minderung der Leistungsfähigkeit. Insoweit leidet der Kläger - so Dr. G. - an einem Zustand nach Vorhofflimmern, einem diätetisch eingestellten Diabetes mellitus, einen kompensierten Bluthochdruck, Übergewicht, einer Fettleber, einer Sklerose der arteria Carotis beidseits und gelegentlicher Gicht. Das Vorhofflimmern trat, wie Dr. G. dargelegt hat, im September 2004 auf, konvertierte unter Medikation aber spontan zum Sinusrhythmus, der auch im Langzeit-EKG stabil blieb. Auch bei der Untersuchung durch Dr. G. fand sich im EKG ein normaler Sinusrhythmus, sodass Anhaltspunkte für eine Minderung der Leistungsfähigkeit in quantitativer Hinsicht deswegen nicht ersichtlich sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des behandelnden Kardiologen Dr. M. , denn dieser hat angegeben, seine Beurteilung decke sich mit der Beurteilung der Beklagten, dass leichte Arbeiten ohne körperliche Belastung vollschichtig möglich seien. Soweit er außerdem angegeben hat, wegen des Vorhofflimmerns solle der Kläger keinen psychischen Stresssituationen ausgesetzt werden, handelt es sich um eine qualitative Leistungseinschränkung ohne Auswirkung auf das quantitative Leistungsvermögen.

Eine quantitative Minderung des Leistungsvermögens oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die auch im Falle sechsstündigen Leistungsvermögens zur Annahme voller Erwerbsminderung führen würde (vgl. hierzu Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8) ergibt sich auch nicht aus dem von Dr. G. beschriebenen grauen Star am linken Auge. Insoweit hat Dr. G. in dem gegenüber der Beklagten erstatteten Befundbericht zwar eine erhebliche Minderung der Sehschärfe am linken Auge, nicht jedoch am rechten Auge angegeben. Für eine erhebliche Einschränkung der Sehfähigkeit mit beiden Augen sind damit keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich; insoweit hat der Kläger auch keine Beeinträchtigung vorgetragen.

Letztlich lässt sich auch aus dem nach den Angaben des Klägers wegen eines Schlaganfalls im Oktober /November 2009 stattgehabten stationären Krankenhausaufenthalt für den hier streitigen Zeitraum von Dezember 2003 bis September 2007 nichts ableiten, da sich hieraus allenfalls eine Leistungsminderung ab Oktober 2009 und somit nach Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums ergeben könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved