L 6 U 142/05

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 11 U 149/02
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 142/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall und bestimmter Unfallfolgen hat.

Der im 1952 geborene Kläger war am 1. Dezember 2000 als Kraftfahrer bei der Stadtwirtschaft H. im Rahmen der Müllbehälterentleerung tätig. Dabei knickte er um 7.15 Uhr beim Aussteigen aus dem Kraftfahrzeug mit dem rechten Fuß um und fiel auf Kopf und Rücken. Dieser Vorgang ist Gegenstand der Unfallanzeige der Arbeitgeberin vom 14. Dezember 2000. Bereits am 4. Dezember 2000 hatte die Ehefrau des Klägers bei der Unfallkasse Sachsen-Anhalt angerufen und mitgeteilt, der Kläger sei umgeknickt und habe sich zusätzlich am Kopf gestoßen.

Der Kläger wurde am Unfalltag auf Grund der Notfallmeldung von 8.15 Uhr von seiner Wohnung zum St. E-Krankenhaus in H. gebracht. Nach dem Notarztprotokoll ging der Notarzt von einem akuten Halswirbelsäulensyndrom aus. Nach dem Entlassungsbericht vom 23. Mai 2001 über die stationäre Behandlung bis zum 8. Dezember 2000 erfolgte die Aufnahme nach einem Kreislaufkollaps mit vorheriger Übelkeit und Erbrechen. In der Notfallambulanz habe sich eine transitorischischämische Attacke mit kurzzeitiger Sehstörung gezeigt. Ein Schädel-CT vom Unfalltag wurde als unauffällig beschrieben; ein Infarkt oder eine Blutung waren nicht nachweisbar. Im Behandlungsverlauf trat nach einigen Tagen eine Schwellung und Überwärmung des rechten Sprunggelenkes auf, die die Ärzte als Aktivierung einer Arthrose einschätzten. Der Kläger habe in diesem Zusammenhang über ein Trauma des linken Fußes am Aufnahmetag berichtet, zu dem sich ein Zusammenhang der Beschwerden nicht herstellen lasse.

Am 11. Dezember 2000 suchte der Kläger die praktische Ärztin Dr. H. auf und machte Angaben über den Unfall. Eine Mitteilung über Beschwerden und Diagnosen liegt nicht vor.

Nach einem Bericht der Augenärztin S vom 12. Dezember 2000 sah diese beim Kläger eine inkomplette Hemianopsie rechts als Zustand nach Schädelhirntrauma. Hier gab der Kläger an, er sei nach dem Umknicken auf Gesäß und Kopf gefallen.

Ebenfalls am 12. Dezember 2000 begab sich der Kläger in Behandlung des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie V und am Folgetag in die Behandlung eines Chirurgen. Aus einem MRT vom 14. Dezember 2000 ergab sich nach dem Erstbefund der Verdacht auf eine frische Ödemzone occipital links sowie eine herdförmige Ödemzone periventrikulär dem linken Seitenventrikelhinterhorn anliegend. Es könne sich hier um eine prellungsbedingte (postkontusionelle) Veränderung handeln. Auch ein Posteriorinfarkt links sei nicht auszuschließen. Eine frische Blutung sei nicht belegt worden.

Vom 15. bis 21. Dezember 2000 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung der Klinik für Neurologie des Städtischen Krankenhauses H ... Die Ärzte vertraten die Auffassung, die Symptome in Form einer diskreten Halbseitenlähmung rechts und eines Gesichtsfeldausfalls des rechten oberen Viertels beider Augen erklärten sich am ehesten als Folge einer Schädelprellung bei dem Unfall. Eine Blutung oder Entzündung des zentralen Nervensystems habe sich nicht nachweisen lassen. Auch von einem ischämischen Infarkt gehe man nicht aus. Die auffälligen Befunde elektrophysiologischer Untersuchungen seien ebenfalls durch die Schädelprellung bedingt. Dazu findet sich in den Befunden eine Verzögerung bei den visuellevozierten Potentialen und eine gestörte Leitfähigkeit bei den sensibel evozierten Potentialen, die ableitbedingt sein könne. Unter der Behandlung habe sich die Halbseitensymptomatik zurückgebildet und die Sehstörung verbessert.

Nach einem neurologischen Befundbericht von Dr. H. vom 15. Januar 2001 hatte der Kläger angegeben, er sei nicht bewusstlos gewesen. Eine Stunde nach dem Unfall habe er erbrechen müssen. Drei bis vier Tage später habe er nur noch verschwommen gesehen und sei die Gesichtsfeldstörung eingetreten. Aus den visuell evozierten Hirnpotenzialen leitete Dr. H. den Hinweis auf eine Läsion cortikaler/occipitaler Hirnstrukturen ab.

In einem Bericht vom 12. März 2001 teilte der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. M. mit, der Kläger habe das Auftreten eines Schwindelgefühls und von Ohrgeräuschen nach dem Unfall angegeben. Das Hörvermögen sei aber normal gewesen. Es habe sich kein Hinweis auf eine Schädigung des VIII. Hirnnerven gefunden. Über aufgetretene Durchblutungsstörungen könne ein Zusammenhang mit einem posttraumatischen Hirnödem bestehen.

Bei der Auswertung eines Kontroll-MRT vom 2. April 2001 sahen die Ärzte eine Alterung des vorbeschriebenen Herdes in der linken Hirnhälfte, der sich jetzt von links corticaloccipital bis temporobasal ins Marklager bandförmig erstrecke und einen Defektzustand herausbilde. Die Bewertung sei unverändert.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Direktors der Klinik für Neurologie der B Kliniken B. in H., Prof. Dr. M., vom 14. August 2001 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe am 1. Dezember 2000 einen Hirninfarkt erlitten. Die bildgebende Diagnostik spreche für eine Embolie in die Spitze der arteria basilaris. Als Emboliequelle sei eine kranke Aortenklappe in Betracht zu ziehen. Der Kläger habe keine Kopfverletzung gehabt und sei nach dem Sturz nicht bewusstlos gewesen. Der MRT-Befund sei typisch für einen Hirninfarkt. Danach bestehe kein Anhalt für eine Hirnprellung. Die Angaben des Klägers zum Sturzereignis wiesen auf eine vorübergehende Lähmung durch den Hirninfarkt hin. Er halte es im Sinne einer zweckmäßigen Behandlung des Klägers für sinnvoll, auch die behandelnden Ärzte davon zu überzeugen.

Mit Bescheid vom 7. November 2001 lehnte die Beklagte die Anerkennung des "Unfalls" vom 1. Dezember 2000 als Arbeitsunfall nebst Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Unter Hinweis auf das Gutachten von Prof. Dr. M. hielt sie eine äußere Einwirkung als Kennzeichen eines Unfalls nicht für gegeben. Der Sturz sei Folge einer inneren Ursache.

Gegen den Bescheid legte der Kläger noch im gleichen Monat Widerspruch ein, verwies auf die früheren ärztlichen Einschätzungen und warf die Frage auf, ob nicht auch ein Infarkt durch den Sturz auf den Kopf ausgelöst worden sein könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juni 2002 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er blieb bei der abgegebenen Begründung und führte ergänzend aus, fehlende Bewusstlosigkeit spreche gegen den Eintritt des Hirninfarkts durch den Fall auf den Kopf.

Mit der am 1. Juli 2002 beim Sozialgericht Halle eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die behandelnden Ärzte seien sich in der Diagnose einer Hirnprellung einig. Eine Kopfverletzung und Bewusstlosigkeit seien keine zwingenden Symptome für eine Hirnprellung. Wesentlich sei die im MRT festgestellte frische Ödemzone. Dabei handele es sich um eine häufige Reaktion des Gehirns auf Verletzungen.

Der Kläger hat für private Versicherungen erstattete Gutachten vorgelegt. In dem Gutachten vom 15. Januar 2003 hat der Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin III in H., Prof. Dr. W., ausgeführt, es bestehe ein wahrscheinlicher Zusammenhang zwischen dem Sturz und den gegenwärtig noch bestehenden Funktionseinschränkungen. Auch nach der früheren Auswertung des MRT könne es sich um Veränderungen nach einem gedeckten Schädel-Hirn-Trauma handeln. Eine rückblickende Differenzierung zwischen prellungsbedingten Veränderungen und Befunden eines Hirninfarkts sei schwierig. Jedenfalls bleibe der zeitliche Zusammenhang zu dem Sturz. Bezüglich einer Infarktverursachung durch Verletzung der Hirn versorgenden Gefäße sei auf die unauffälligen sonographischen Befunde vom 10. Mai 2001 zu verweisen. Die Diskussion eines kardialembolischen Geschehens sei spekulativ. Zur Sicherung embolischer Hirninfarkte eigne sich eine cerebrale Angiographie, die – wohl wegen fehlender Indikation – nicht durchgeführt worden sei.

In seinem Zusatzgutachten vom 29. April 2003 ist der Leiter der Universitätsklinik für HNO-Heilkunde H., Privatdozent Dr. B., zu dem Ergebnis gelangt, Schwindel und Ohrgeräusche seien als Folge einer Hirnprellung zu beurteilen. Es sei von einer nachfolgenden Contusio labyrinthi auszugehen, die geeignet sei, Ohrgeräusche hervor zu rufen. Untypisch sei die verbliebene Normalhörigkeit. Die Schwindelbeschwerden seien durch eine beschriebene Läsion im Bereich des Kleinhirns erklärbar. Ob ein Infarkt vorgelegen habe, unterliege nicht seiner Beurteilung. Auch der Direktor der Universitätsaugenklinik H., Prof. Dr. D., hat in seinem Gutachten vom 22. April 2003 mitgeteilt, er könne nicht beurteilen, ob der Gesichtsfeldausfall nach rechts oben durch eine Prellung oder einen Infarkt bedingt sei. Vorstellbar sei beides.

Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 4. November 2003 vorgelegt. Er hat ausgeführt, die Krankengeschichte spreche gegen ein gravierendes Kopftrauma. Eine prellungsbedingte Hirnverletzung sei daher hochgradig unwahrscheinlich. Die bildgebenden Befunde seien dafür untypisch. Auch fehle es an der typischen Bewusstlosigkeit. Das kardiologische Gutachten leide an einer mangelhaften Erhebung der Krankengeschichte. Der Fall sei als Medizin-Anekdote geeignet. Sollte der Kläger neben der von seiner Klinik veranlassten richtigen Behandlung nun durch gutachterliche Fehlinterpretation auch noch pekuniären Nutzen ziehen können, wäre dies für ihn sicherlich die beste aller möglichen Welten.

Die Beklagte hat das radiologische Fachgutachten von Dr. B. vom 20. August 2001 vorgelegt, wegen dessen Inhalt auf Bl. 68 f. der Akte verwiesen wird.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Facharztes für Neurologie/Psychiatrie und Neuroradiologie Dr. G. vom 29. März 2005 eingeholt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. 70 - 99 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Er hat ausgeführt, an ursprünglichen Gesundheitsschädigungen des Unfalles fehlten eine Bewusstseinsstörung, ein Gedächtnisverlust für bestimmte Sachverhalte bis zur Verletzung, Kopfschmerzen und Prellmarken am Hinterkopf, Rücken und Gesäß, die schon bei leichter Gewalteinwirkung aufträten. Der Kläger habe angegeben, auf einem unebenen erdigen Randstreifen aufgekommen zu sein. Das sechs Stunden danach aufgenommene CCT zeige keinen Schädelbruch, keine Blutung und keinen Kontusionsherd. Die Entlassung aus internistischer Behandlung am 8. Dezember 2000 sei bei Wohlbefinden erfolgt; das bedeute ohne Schwindel, Gangstörungen und Kopfschmerzen. Gestörtes Fernsehen in der stationären Zeit habe er dort offenbar noch nicht mitgeteilt. In der Notaufnahme sei lediglich von einer vorangegangenen kurzzeitigen Sehstörung die Rede gewesen. In der Neurologischen Klinik seien Nystagmus, Schwindel oder Ataxie nicht angegeben worden bzw. verneint worden. Brückensymptome zu den späteren Beschwerden in Form von Ohrgeräuschen und Schwindel fehlten. Es habe auch keine anderen Zeichen einer traumatischen Komplikation gegeben. Dies alles schließe eine Hirnkontusion aus. Die im ohrenärztlichen Gutachten angenommene contusio labyrinthi sei nicht begründet, weil die Intensität eines Schädel-Hirn-Traumas fehle. Die zugehörigen klinischen Zeichen hätten spätestens dem behandelnden Neurologen auffallen müssen. Auch bei einer neurologischen Untersuchung am 12. Januar 2001 seien keine klinischen Zeichen für eine periphere oder zentrale Vestibularisstörung aufgefallen. Die HNOärztlichen Untersuchungen zwischen dem 27. Februar und 8. März 2001 hätten ebenfalls keine Störung des nervus vestibularis oder nervus acusticus ergeben. Die akustisch evozierten Hirnstammpotentiale seien normal gewesen und echter Leidensdruck mit lebenspraktischer Behinderung durch Ohrgeräusche und Schwindel hätten gefehlt. Die Frau des Klägers habe später erklärt, das Ohrensausen sei erst drei Monate nach dem Unfall eingetreten. Damit sei der Bezug von Ohrgeräuschen und Schwindel auf den Unfall ausgeschlossen. Allerdings sei die Annahme des neurologischen Gutachters, das Umknicken des rechten Beines sei Folge eines Schlaganfalls gewesen, nicht zu stützen. Die Darstellung einer latenten Hemiparese im neurologischen Entlassungsbericht vom Dezember 2000 sei selbstwidersprüchlich. Die anlässlich der Erstbehandlung erhobenen Befunde und die nach den Befunden mit Recht gestellte Diagnose einer transitorischischämischen Attacke sprächen für eine Mikroembolie vertebrobasilär ins Endstromgebiet der Arteria cerebri posterior und machten diese wahrscheinlich. Eine solche transitorischischämische Attacke habe sich wahrscheinlich später zu Hause erneut ereignet. Auch die drei MRT-Befunde sprächen für eine stattgehabte ein- oder mehrfache Mikroembolie.

Mit Urteil vom 12. Oktober 2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei im vorliegenden Fall nicht zu bejahen, weil mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einer inneren Ursache des Ereignisses, nämlich einem Hirninfarkt, auszugehen sei. Nur dies vermöge den beschriebenen Fehltritt und die weitere Krankheitsentwicklung überzeugend zu erklären. Besondere Gefahrenquellen für einen Fehltritt des Klägers seien weder vorgetragen noch erkennbar. Besondere betriebsbezogene Ursachen seien nicht ersichtlich. Die stationäre Aufnahme des Klägers am Unfalltag deute auf ein neurologisches Ereignis hin. Dies werde durch den Befundbericht gestützt, wonach erst nach der stationären Aufnahme Beschwerden im rechten Bein aufgetreten seien. Die gegenteilige Diagnose einer contusio cerebri sei schon auf der Grundlage der medizinischen Literatur sowie nach den überzeugenden Gutachten von Prof. Dr. M. und Dr. G. nicht haltbar. Eine Hirnprellung sei der Begriffsbestimmung nach ein gedecktes mittelschweres oder schweres Schädelhirntrauma. In jeder Begriffsbestimmung sei eine Bewusstlosigkeit enthalten. Beim Kläger seien jedoch weder eine Bewusstlosigkeit noch eine Kopfverletzung jemals beschrieben worden. Zudem sei ein Hirninfarkt von vornherein als möglich angesehen worden.

Der Kläger hat gegen das Urteil am 10. November 2005 Berufung eingelegt und macht geltend, kurz nach dem Unfall seien Symptome aufgetreten, die für eine Hirnprellung sprächen. Der erstbehandelnde Neurologe Dr. H. habe einen Hirninfarkt ausgeschlossen. Die Feststellung im Urteil, besondere Gefahrenquellen für ein Unfallereignis hätten nicht vorgelegen, sei nicht nachvollziehbar. Er habe substantiiert dargelegt, auf einem unebenen Randstreifen umgeknickt zu sein. Der Kläger hat ein am 24. Januar 2003 gefertigtes CCT vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 12. Oktober 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 7. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 aufzuheben und festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 1. Dezember 2000 um einen Arbeitsunfall handelt und in dessen Folge eine homonyme Quadrantenanopsie nach rechts, beidseitige Ohrgeräusche, Gleichgewichtsstörungen und Schwindelanfälle mit Übelkeit vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich dem Urteil des Sozialgerichts in vollem Umfang an.

Das Gericht hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. M. vom 7. Dezember 2009 eingeholt, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 172 - 174 d. A, Bezug genommen wird. Nach dessen Beurteilung zeigt das CCT vom 24. Januar 2003 das typische Bild einer Infarzierung im Bereich der linken Kleinhirnhemisphäre sowie des linksseitigen Stromgebietes der Arteria cerebri posterior. Die Abbildung sei in hohem Maße typisch für eine Embolie in die Arteria basilaris. Eine kontusionelle Verursachung sei in hohem Maße unwahrscheinlich, ja nachgerade ausgeschlossen.

In der mündlichen Verhandlung und bei der Entscheidung haben die Verwaltungsakten der Beklagten – Az. (zwei Bände) – vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Berufung hat keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2002 beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 SGG, weil die Beklagte darin zu Recht die Feststellung des Sturzes vom 1. Dezember 2000 als Arbeitsunfall abgelehnt hat. Denn darauf hat der Kläger gem. § 8 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) in der Fassung vom 7. 8. 1996 (BGBl. I S. 1254) keinen Anspruch, weil ein Unfall im Sinne dieser Vorschrift nicht festzustellen ist. Dabei kann dahinstehen, ob ein Unfallereignis vorgelegen hat, was allerdings naheliegt. Denn weder kann ein Umknicken bei arbeitsbedingter Kraftentfaltung in Form eines Aussteigens aus einem LKW als innerer Vorgang eingeordnet werden noch gibt es – der Einschätzung des Sachverständigen Dr. G. folgend – konkrete Anhaltspunkte für einen Sturz durch Infarkt, obwohl der Kläger zu jedem Zeitpunkt von einem Umknicken in Verbindung mit einem Fehltritt berichtet hat. Es fehlt aber an einem Gesundheitsschaden, der nach § 8 S. 2 SGB VII Teil des Unfallbegriffs ist und den Unfallbegriff nur (mit) erfüllt, wenn er auf das Unfallereignis zurück zu führen ist. Unmittelbar im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall aufgetretene Gesundheitsschäden in Form äußerlich erkennbarer Verletzungen sind zu keinem Zeitpunkt berichtet worden. Sie sind auch weder Gegenstand des Notarztprotokolls noch des Entlassungsberichts über die Erstbehandlung im St. E-Krankenhaus in H ... Soweit während der Erstbehandlung nach einigen Tagen eine Schwellung im Bereich des rechten Sprunggelenkes aufgetreten ist, ist ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis unwahrscheinlich. Schon die naturwissenschaftliche Ursächlichkeit des Unfalls lässt sich dafür nicht feststellen. In diesem Rahmen sind nur die Bedingungen in die weitere Prüfung einzubeziehen, die gedanklich nicht fehlen dürfen, ohne dass auch der zu prüfende Gesundheitsschaden fehlen würde (BSG, Urt. v. 17. 2. 09 – B 2 U 18/07 R – Juris, Rdnr. 12). Erforderlich ist dazu eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, bei der mehr für als gegen den Zusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden (BSG, Urt. v. 9.5.06 – B 2 U 1/05 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Der Senat folgt der Einschätzung der Ärzte des St. E-Krankenhauses, die keinen Zusammenhang zu dem Unfall haben herstellen können. Der Senat kann den Widerspruch nicht auflösen, wonach der Kläger im Verfahren durchgehend ein Umknicken mit dem rechten Fuß berichtet hat, gegenüber den Ärzten aber einen solchen Vorfall in Bezug auf den linken Fuß mitgeteilt hat. Eine Seitenverwechslung durch die Ärzte bei ihrer Schilderung hält der Senat nicht für wahrscheinlich, da sie sich nicht nur beiläufig im Sinne einer Nebensache mit der Schwellung befassen, sondern ausdrücklich zum Zusammenhang Stellung nehmen. Hat der Kläger selbst im Krankenhaus ggf. versehentlich falsche Angaben gemacht, zeigt dies aber deutlich, dass er keine Verbindung – etwa durch fortlaufenden Schmerz – zu dem Ausgangsereignis herstellen konnte. Das Auftreten des Schmerzes erst nach einigen Tagen und die mögliche Erklärung durch eine Arthrose machen den Zusammenhang mit dem Unfallereignis darüber hinaus unwahrscheinlich. Die vom Kläger als Unfallfolgen geltend gemachten Krankheitsbilder und Beschwerden sind ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Alle eingeschalteten Ärzte beurteilen sie zusammengefasst als neurologische Ausfallsymptomatik, wobei Störungen der Hirndurchblutung mit erfasst sind. Sowohl der Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. B. als auch der Augenarzt Prof. Dr. D. haben selbst weder auf einer Verursachung durch eine Hirnprellung bestehen noch auf eine Verursachung durch Hirninfarkt ausschließen wollen, sondern insoweit sinngemäß auf eine Klärung auf diesem Gebiet verwiesen. Die als Grundlage der Ausfallsymptomatik teilweise diagnostizierte Contusio cerebri (Hirnprellung) ist nicht zur vollen Überzeugung des Senates nachgewiesen. Dies wäre erforderlich, weil das Vorliegen des Gesundheitsschadens mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit belegt sein muss, die keine vernünftigen Zweifel mehr zulässt (BSG, Urt. v. 20.1.1987 – 2 RU 27/86 – SozR § 548 Nr. 84; Urt. v. 27.6.2006 – B 2 U 5/05 RSozR 4-5671 § 6 Nr. 2). Der Senat folgt in vollem Umfang der Argumentation des Sachverständigen Dr. G. und kann sich von den gegenteiligen Einschätzungen nicht überzeugen lassen, die von einer contusio cerebri ausgehen. Denn insoweit fehlt es an einer kritischen Würdigung der Beschwerdeäußerungen in ihrem zeitlichen Ablauf. Nach Einschätzung von Dr. G. fehlt es an Hinweisen auf eine Schädelverletzung, die etwa in äußeren Prellmarken, einer Bewusstseinstörung, einem Gedächtnisverlust oder auch nur Kopfschmerzen zu sehen wären. Auch der beschriebene Unfallvorgang spricht nicht für eine schwer wiegende Kopfverletzung mit Hirnbeteiligung. Denn danach muss der Sturz etwa aus Standhöhe erfolgt sein, ohne dass besondere Gefahrenmomente für den Kopf, z.B. durch Kanten oder vorstehende harte Gegenstände beschrieben sind; solche müssten auch zu äußerlich erkennbaren Verletzungen geführt haben. Das Verhalten des Klägers selbst lässt zudem den Schluss zu, dass er nicht sofort unter Beschwerden litt, die ein Brückensymptom zwischen dem Ereignis und dem Beginn der neurologischen Ausfallsymptomatik bilden könnten. Auffällig ist dazu, dass der Kläger seine Ersterkrankung offensichtlich selbst lange nicht in Verbindung mit den neurologischen Ausfallsymptomen gebracht hat. Im gesamten Abschlussbericht des St. E-Krankenhauses findet sich kein Hinweis darauf, die Krankheitssymptome könnten mit einem Unfallereignis zu tun haben; insbesondere wird schon keine Kopfverletzung erwähnt. Lediglich im Zusammenhang mit Beschwerden am rechten Fuß wird ein Trauma isoliert in Bezug auf den linken Fuß wiedergegeben. Die bildgebende Diagnostik kann ebenso wenig einen Beleg für eine Contusio cerebri erbringen, weil die Befunde schon nach der Erstauswertung keinen sicheren Hinweis darauf liefern. Während nämlich das CCT vom Unfalltag als unauffällig geschildert wurde, lassen die Auswertungen der MRTe vom 14. Dezember 2000 und vom 2. April 2001 die Möglichkeit offen, es handele sich um einen Hirninfarkt. Welchen Abbildungsinhalt das CCT vom 24. Januar 2003 hat, kann dahinstehen, weil es angesichts des Zeitablaufs von zwei Jahren auch dann nicht den fehlenden Nachweis der Verletzung ersetzen kann, wenn es Kontusionsherde abbildete. Behauptet hat der Kläger das nicht, denn "Stellen, die nicht mehr weggingen" im Sinne seines Vortrages, müssen nicht verletzungsbedingt sein. Der Nachweis einer contusio cerebri als Ursache der neurologischen Ausfallsymptomatik kann auch nicht mittelbar dadurch geführt werden, dass erhebliche Gesichtspunkte gegen den als zweite Ursache allein erörterten Hirninfarkt sprächen. Vom zeitlichen Ablauf her scheitert dies schon daran, dass die wesentliche neurologische Diagnostik erst vom 12. Dezember 2000 an eingesetzt worden ist und Dr. G. die bis dahin vorliegenden Beschwerdeäußerungen und Befunderhebungen so würdigt, dass sie zur Diagnose einer transitorisch-ischämischen Attacke berechtigt hätten, die die Ärzte des St. E-Krankenhauses so gestellt haben. Dies schließt die Ergebnisse der im St. E-Krankenhaus durchgeführten extracraniellen Duplexsonographie ein, mag diese auch keinen positiven Hinweis auf ein Infarktgeschehen gegeben haben. Unzutreffend ist die Behauptung des Klägers, die Ärzte des St. E-Krankenhauses hätten einen Hirninfarkt ausgeschlossen. Der entsprechende Satz beschäftigt sich mit dem Nachweis dreier verschiedener Krankheitsphänomene und zählt diese in einem zusammen hängenden Satz als "keine Raumforderung, kein Infarkt, keine Blutung nachweisbar" auf. Der Nachweis eines Infarktes ist insoweit nicht erforderlich, um eine contusio cerebri auszuschließen. Soweit Prof. Dr. W. die Erörterung eines kardialembolischen Geschehens – wohl im Hinblick auf unauffällige sonographische Befunde – für spekulativ hält, schließt dies ein solches Geschehen ebenfalls nicht aus. Es schließt auch nicht aus, ein solches Geschehen für überwiegend wahrscheinlich zu halten, weil die ersten Befunde und Beschwerdeäußerungen gegen eine contusio cerebri sprechen. Die dagegen von Prof. Dr. W. nur abgegebene Begründung des zeitlichen Zusammenfalls reicht im Hinblick auf die Möglichkeit eines Zufalls nicht aus und trifft auch nicht zu, weil die Erstbefunde keine wesentliche neurologische Ausfallsymptomatik – schon gar nicht von Dauer – erkennen lassen. Schließlich ist nicht ersichtlich, dass der geschilderte Sturz ein Infarktgeschehen über ein Anlassgeschehen hinaus begünstigt hat, wie der Kläger in seiner Widerspruchsbegründung gemeint hat. Prof. Dr. W. erwähnt diese Möglichkeit als traumatischen Hirninfarkt im Zusammenhang mit der Verletzung Hirn versorgender Gefäße. In den erhobenen Befunden fehlt jeder Hinweis auf eine solche Verletzung. Nach der von Prof. Dr. W. mitgeteilten Häufigkeit allein – drei von 16 Hirninfarktfällen – ergibt sich die Wahrscheinlichkeit nicht. Selbst ein zeitlicher Zusammenhang ist im Hinblick auf fehlende frühe Beschreibungen unmittelbar dem Sturz folgender Beschwerden und die Möglichkeit einer zunächst nur durchgemachten transitorischischämischen Attacke nicht gesichert. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved