Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 3754/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 720/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Ulm vom 4.12.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Der 1964 geborene Antragsteller bezog vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 und vom 1.12.2008 bis 31.10.09 von der Agentur für Arbeit Leistungen nach dem SGB II. Am 06.11.2008 beantragte er erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Zu den Mietkosten gab er in der Anlage KdU an, er bewohne in der H.str. 2,5 Zimmer mit einer Wohnfläche von insgesamt 65 m2. Es werde mit Öl, Kohle und Holz geheizt. Er legte einen Mietvertrag vom 12.11.2008 vor, wonach zwischen ihm und seiner Mutter, B. B., zum 05.11.2008 ein Mietverhältnis abgeschlossen werde. Als Mietzins wurde eine Kaltmiete von 340 EUR und eine Gesamtmiete mit Nebenkosten in Höhe von 450 EUR vereinbart. Der Antragsteller legte ferner eine Mietbescheinigung vom 20.11.2009 vor, in der Mietschulden für die Zeit von 08.11.2004 bis 05.11.2008 in Höhe von 20.000 EUR angegeben wurden. Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 12.12.2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 397,89 EUR für den Zeitraum 01.12.2008 bis 30.04.2009 und legte dabei die Angaben im Mietvertrag vom 12.11.2008 bzw. der Mietbescheinigung vom 20.11.2008 zugrunde. Für den Folgezeitraum bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19.05.2009 für den Monat Mai 2009 397,89 EUR und vom 01.06.2009 bis 31.10.2009 monatlich 395,89 EUR für Unterkunft und Heizung.
Am 17.06.2009 führten Mitarbeiter des Antragsgegners eine Besichtigung des Gebäudes H.str. durch. Im Aktenvermerk vom selben Tag wird angegeben, hierbei habe die Mutter des Antragstellers mitgeteilt, der Antragsteller beteilige sich seit ein paar Monaten unregelmäßig mit monatlich höchstens 100 EUR an den Nebenkosten. Er habe ihr das Geld in bar gegeben. Von einer Kaltmiete wisse sie nichts. Auch könne sie sich nicht erinnern, diesbezüglich einen Mietvertrag mit dem Antragsteller unterschrieben zu haben. Er habe ihr irgendwann etwas zur Unterschrift vorgelegt, damit er vom Amt Geld bekomme. Mit Bescheid vom 18.06.2009 nahm der Antragsgegner die Bescheide vom 12.12.2008 und vom 19.05.2009 für die Zeit von 01.12.2008 bis 31.10.2009 zurück. Die Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt behielt sich der Antragsgegner ausdrücklich vor. Der eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 31.08.2009 zurückgewiesen. Aufgrund des vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrags und der Mietbescheinigung seien dem Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung ab 01.12.2008 bewilligt worden. Wie der Antragsgegner anlässlich einer beim Sozialgericht Ulm eingereichten Klage festgestellt habe, basiere die Anerkennung der Miete auf unwahren Angaben bzw. Unterlagen. So bewohne der Antragsteller das Obergeschoss nicht wie im Antrag angegeben allein, sondern zusammen mit seinem Bruder. Demzufolge hätte die Gesamtmiete nach der Kopfanteilsmethode aufgeteilt werden müssen und nur die hälftige Miete berücksichtigt werden dürfen. Auch könne sich die Mutter des Antragstellers nicht daran erinnern, mit ihm einen Mietvertrag abgeschlossen zu haben. Daneben werde dieses Mietverhältnis nicht dem von der Rechtsprechung geforderten Fremdvergleich gerecht. Zwischenzeitlich habe sich in der Rechtsprechung herauskristallisiert, dass Kosten für Unterkunft und Heizung dann nicht im Sinne von § 22 SGB II in rechtlich erheblicher Weise entstanden seien, wenn die zwischen engen Verwandten geschlossene Mietzinsabrede sowohl hinsichtlich der Gestaltung als auch der Durchführung nicht dem zwischen Fremden üblichen entspreche. Von einer derart konditionierten und damit im Rahmen des § 22 SGB II unbeachtlichen Mietzinszahlungsverpflichtung sei insbesondere dann auszugehen, wenn die Nichtzahlung von Mietzinsen ohne entsprechende mietrechtliche Sanktionierung bleibe. Es entspreche nämlich gerade nicht dem zwischen Fremden üblichen, wenn sie aus dem Zahlungsverzug des Mieters nicht die Konsequenz in Form der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 BGB) zögen. Mietschulden in Höhe von ca. 20.000 EUR ergäben sich aus der von der Mutter des Antragstellers unterschriebenen Mietbescheinigung vom 20.11.2008. Der Antragsteller habe den Mietvertrag abgeschlossen in der Absicht, vom Antragsteller Leistungen nach § 22 SGB II zu erwirken.
Am 10.07.2009 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 18.06.2009 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben (S 12 AS 2442/09). Am 21.10.2009 hat der Antragsteller zur Niederschrift beim Sozialgericht Ulm (SG) einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt. Seit ca. 4 Monaten erhalte er vom Antragsgegner keinerlei Leistungen nach dem SGB II, nachdem dieser den Bescheid vom 18.06.2009 über die Bewilligung von Leistungen von 01.12.2008 bis 31.10.2009 aufgehoben habe. Im Moment erhalte er Regelleistungen von der Agentur für Arbeit; weiteres Einkommen habe er nicht. Er bedürfe dringend der Zahlungen der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Mit Beschluss vom 4.12.2009 lehnte das SG sowohl den Antrag auf Herstellung der aufschiebende Wirkung des Widerspruchs als auch die vorläufige Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab. In den Gründen führte es aus, bei der im Rahmen des § 86 b Abs. 1 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung seien die Erfolgsaussichten einer Hauptsacheklage summarisch zu prüfen. Nach dieser summarischen Prüfung spreche im vorliegenden Fall einiges dafür, dass eine Hauptsacheklage nicht erfolgversprechend wäre. Denn aufgrund der Angaben der Zeugin im Erörterungstermin am 27.11.2009 sei es mehr als fraglich, ob der vom Antragsteller vorgelegte Mietvertrag vom 12.11.2008 wirksam sei und ob bzw. in welchem Umfang auf Grundlage dieses Mietvertrags in der Vergangenheit tatsächlich Mietzahlungen durch den Antragsteller an seine Mutter geleistet worden seien bzw. in Zukunft erbracht werden müssten. Es spreche daher einiges dafür, dass die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung von Anfang an rechtswidrig gewesen seien und die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für die Zeit von 01.12.2008 bis 31.10.2009 gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X erfüllt seien, da die Entscheidungen auf Angaben beruhten, die der Antragsteller vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig gemacht habe. Selbst wenn man aber die Erfolgsaussicht einer Hauptsacheklage für offen hielte, könne die Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Antragstellers ausfallen. Die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zugunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, seien gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die Folgen für den Antragsteller als schwer bzw. irreparabel erweisen und ob Grundrechtseingriffe zu befürchten seien, wie z.B. bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers oder - etwa bei existenzsichernden Leistungen im Bereich des SGB II und XII - bei einer drohenden Verletzung der Menschenwürde. Im vorliegenden Fall sei jedoch bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache keine Nachteile für den Antragsteller ersichtlich. Denn er habe im streitgegenständlichen Zeitraum - auch nach Wegfall der laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juli 2009 - mit Einverständnis seiner Mutter die Wohnung nutzen können und die anfallenden Nebenkosten seien der Mutter bezahlt worden. Er habe also auch ohne die Bezahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juli 2009 bis 31.10.2009 keine irreparablen Folgen zu befürchten.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit ab dem 01.11.2009 sei ebenfalls unbegründet. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlange grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) seien gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrunds nicht glaubhaft gemacht. Eine besondere Eilbedürftigkeit, die das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar erscheinen lassen, sei nicht gegeben. Der Antragsteller halte sich derzeit nach wie vor in der Wohnung H. in E. auf und es sei nicht ersichtlich, dass er diese Wohnung in absehbarer Zeit verlassen müsse und dadurch obdachlos würde. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und vorgetragen, der Mietvertrag sei mit seiner Mutter ordnungsgemäß abgeschlossen. Das Geld für die Unterkunft stehe ihm und auch seiner Mutter juristisch zu.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 Ziff. 3 SGG und nach § 86b Abs. 2 SGG zutreffend ausgeführt und die beantragten einstweiligen Anordnungen zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Im Rahmen der Prüfung des § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung an, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist; demgegenüber wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, wenn die Klage voraussichtlich aussichtslos ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können. Es gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer werden die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers sein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 12 e.). Bei der Interessenabwägung ist in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG zudem zu berücksichtigen, dass aufgrund der vom Gesetzgeber in diesen Fällen grundsätzlich angeordneten sofortigen Vollziehung ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Vollziehungsinteresses abzuleiten ist (Keller, a. a. O., m. w. N.). Die aufschiebende Wirkung kann daher in diesen Fällen nur angeordnet werden, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Ein solches Interesse kann wie das SG zutreffend ausgeführt hat nicht festgestellt werden. Die Erfolgsaussichten der Klage sind als gering einzustufen. Durch die Vollziehung entstehen dem Antragsteller keine nicht wiedergutzumachenden Nachteile.
Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG fehlt es auch an einer drohenden Rechtsverletzung von einem Gewicht, das eine einstweilige Anordnung gebieten würde, und damit an einem Anordnungsgrund. Es ist festzustellen, dass ohne Eilrechtsschutz kein Wohnungsverlust und schon gar keine Obdachlosigkeit droht; dementsprechend wenig wahrscheinlich ist eine entsprechende, nur per Eilbeschluss verhinderbare (Grund -) Rechtsverletzung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II). Der 1964 geborene Antragsteller bezog vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 und vom 1.12.2008 bis 31.10.09 von der Agentur für Arbeit Leistungen nach dem SGB II. Am 06.11.2008 beantragte er erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Zu den Mietkosten gab er in der Anlage KdU an, er bewohne in der H.str. 2,5 Zimmer mit einer Wohnfläche von insgesamt 65 m2. Es werde mit Öl, Kohle und Holz geheizt. Er legte einen Mietvertrag vom 12.11.2008 vor, wonach zwischen ihm und seiner Mutter, B. B., zum 05.11.2008 ein Mietverhältnis abgeschlossen werde. Als Mietzins wurde eine Kaltmiete von 340 EUR und eine Gesamtmiete mit Nebenkosten in Höhe von 450 EUR vereinbart. Der Antragsteller legte ferner eine Mietbescheinigung vom 20.11.2009 vor, in der Mietschulden für die Zeit von 08.11.2004 bis 05.11.2008 in Höhe von 20.000 EUR angegeben wurden. Der Antragsgegner bewilligte mit Bescheid vom 12.12.2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 397,89 EUR für den Zeitraum 01.12.2008 bis 30.04.2009 und legte dabei die Angaben im Mietvertrag vom 12.11.2008 bzw. der Mietbescheinigung vom 20.11.2008 zugrunde. Für den Folgezeitraum bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19.05.2009 für den Monat Mai 2009 397,89 EUR und vom 01.06.2009 bis 31.10.2009 monatlich 395,89 EUR für Unterkunft und Heizung.
Am 17.06.2009 führten Mitarbeiter des Antragsgegners eine Besichtigung des Gebäudes H.str. durch. Im Aktenvermerk vom selben Tag wird angegeben, hierbei habe die Mutter des Antragstellers mitgeteilt, der Antragsteller beteilige sich seit ein paar Monaten unregelmäßig mit monatlich höchstens 100 EUR an den Nebenkosten. Er habe ihr das Geld in bar gegeben. Von einer Kaltmiete wisse sie nichts. Auch könne sie sich nicht erinnern, diesbezüglich einen Mietvertrag mit dem Antragsteller unterschrieben zu haben. Er habe ihr irgendwann etwas zur Unterschrift vorgelegt, damit er vom Amt Geld bekomme. Mit Bescheid vom 18.06.2009 nahm der Antragsgegner die Bescheide vom 12.12.2008 und vom 19.05.2009 für die Zeit von 01.12.2008 bis 31.10.2009 zurück. Die Rückforderung der zu Unrecht erhaltenen Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt behielt sich der Antragsgegner ausdrücklich vor. Der eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid vom 31.08.2009 zurückgewiesen. Aufgrund des vom Antragsteller vorgelegten Mietvertrags und der Mietbescheinigung seien dem Antragsteller Leistungen für Unterkunft und Heizung ab 01.12.2008 bewilligt worden. Wie der Antragsgegner anlässlich einer beim Sozialgericht Ulm eingereichten Klage festgestellt habe, basiere die Anerkennung der Miete auf unwahren Angaben bzw. Unterlagen. So bewohne der Antragsteller das Obergeschoss nicht wie im Antrag angegeben allein, sondern zusammen mit seinem Bruder. Demzufolge hätte die Gesamtmiete nach der Kopfanteilsmethode aufgeteilt werden müssen und nur die hälftige Miete berücksichtigt werden dürfen. Auch könne sich die Mutter des Antragstellers nicht daran erinnern, mit ihm einen Mietvertrag abgeschlossen zu haben. Daneben werde dieses Mietverhältnis nicht dem von der Rechtsprechung geforderten Fremdvergleich gerecht. Zwischenzeitlich habe sich in der Rechtsprechung herauskristallisiert, dass Kosten für Unterkunft und Heizung dann nicht im Sinne von § 22 SGB II in rechtlich erheblicher Weise entstanden seien, wenn die zwischen engen Verwandten geschlossene Mietzinsabrede sowohl hinsichtlich der Gestaltung als auch der Durchführung nicht dem zwischen Fremden üblichen entspreche. Von einer derart konditionierten und damit im Rahmen des § 22 SGB II unbeachtlichen Mietzinszahlungsverpflichtung sei insbesondere dann auszugehen, wenn die Nichtzahlung von Mietzinsen ohne entsprechende mietrechtliche Sanktionierung bleibe. Es entspreche nämlich gerade nicht dem zwischen Fremden üblichen, wenn sie aus dem Zahlungsverzug des Mieters nicht die Konsequenz in Form der Beendigung des Mietverhältnisses (§ 573 BGB) zögen. Mietschulden in Höhe von ca. 20.000 EUR ergäben sich aus der von der Mutter des Antragstellers unterschriebenen Mietbescheinigung vom 20.11.2008. Der Antragsteller habe den Mietvertrag abgeschlossen in der Absicht, vom Antragsteller Leistungen nach § 22 SGB II zu erwirken.
Am 10.07.2009 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 18.06.2009 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben (S 12 AS 2442/09). Am 21.10.2009 hat der Antragsteller zur Niederschrift beim Sozialgericht Ulm (SG) einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt. Seit ca. 4 Monaten erhalte er vom Antragsgegner keinerlei Leistungen nach dem SGB II, nachdem dieser den Bescheid vom 18.06.2009 über die Bewilligung von Leistungen von 01.12.2008 bis 31.10.2009 aufgehoben habe. Im Moment erhalte er Regelleistungen von der Agentur für Arbeit; weiteres Einkommen habe er nicht. Er bedürfe dringend der Zahlungen der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Mit Beschluss vom 4.12.2009 lehnte das SG sowohl den Antrag auf Herstellung der aufschiebende Wirkung des Widerspruchs als auch die vorläufige Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab. In den Gründen führte es aus, bei der im Rahmen des § 86 b Abs. 1 SGG vorzunehmenden Interessenabwägung seien die Erfolgsaussichten einer Hauptsacheklage summarisch zu prüfen. Nach dieser summarischen Prüfung spreche im vorliegenden Fall einiges dafür, dass eine Hauptsacheklage nicht erfolgversprechend wäre. Denn aufgrund der Angaben der Zeugin im Erörterungstermin am 27.11.2009 sei es mehr als fraglich, ob der vom Antragsteller vorgelegte Mietvertrag vom 12.11.2008 wirksam sei und ob bzw. in welchem Umfang auf Grundlage dieses Mietvertrags in der Vergangenheit tatsächlich Mietzahlungen durch den Antragsteller an seine Mutter geleistet worden seien bzw. in Zukunft erbracht werden müssten. Es spreche daher einiges dafür, dass die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung von Anfang an rechtswidrig gewesen seien und die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für die Zeit von 01.12.2008 bis 31.10.2009 gemäß § 45 Abs.2 Satz 3 Nr. 2 bzw. Nr. 3 SGB X erfüllt seien, da die Entscheidungen auf Angaben beruhten, die der Antragsteller vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtig bzw. unvollständig gemacht habe. Selbst wenn man aber die Erfolgsaussicht einer Hauptsacheklage für offen hielte, könne die Interessenabwägung nicht zu Gunsten des Antragstellers ausfallen. Die Folgen, die eintreten würden, wenn die Eilentscheidung zugunsten des Antragstellers nicht erginge, die Klage aber später Erfolg hätte, seien gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte Eilentscheidung erlassen würde, der Klage aber der Erfolg zu versagen wäre. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, ob sich die Folgen für den Antragsteller als schwer bzw. irreparabel erweisen und ob Grundrechtseingriffe zu befürchten seien, wie z.B. bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Antragstellers oder - etwa bei existenzsichernden Leistungen im Bereich des SGB II und XII - bei einer drohenden Verletzung der Menschenwürde. Im vorliegenden Fall sei jedoch bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache keine Nachteile für den Antragsteller ersichtlich. Denn er habe im streitgegenständlichen Zeitraum - auch nach Wegfall der laufenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juli 2009 - mit Einverständnis seiner Mutter die Wohnung nutzen können und die anfallenden Nebenkosten seien der Mutter bezahlt worden. Er habe also auch ohne die Bezahlung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ab Juli 2009 bis 31.10.2009 keine irreparablen Folgen zu befürchten.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit ab dem 01.11.2009 sei ebenfalls unbegründet. Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) könne das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr bestehe, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlange grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) seien gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V. m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Im vorliegenden Fall habe der Antragsteller bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrunds nicht glaubhaft gemacht. Eine besondere Eilbedürftigkeit, die das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar erscheinen lassen, sei nicht gegeben. Der Antragsteller halte sich derzeit nach wie vor in der Wohnung H. in E. auf und es sei nicht ersichtlich, dass er diese Wohnung in absehbarer Zeit verlassen müsse und dadurch obdachlos würde. Gegen den Beschluss hat der Antragsteller beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und vorgetragen, der Mietvertrag sei mit seiner Mutter ordnungsgemäß abgeschlossen. Das Geld für die Unterkunft stehe ihm und auch seiner Mutter juristisch zu.
II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 1 Ziff. 3 SGG und nach § 86b Abs. 2 SGG zutreffend ausgeführt und die beantragten einstweiligen Anordnungen zu Recht nicht erlassen. Der Senat weist die Beschwerde aus den Gründen der sozialgerichtlichen Entscheidung zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Im Rahmen der Prüfung des § 86 b Abs. 1 Satz 2 SGG ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung an, wenn der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt ist; demgegenüber wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, wenn die Klage voraussichtlich aussichtslos ist. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, ist eine allgemeine Interessenabwägung vorzunehmen, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mitberücksichtigt werden können. Es gilt der Grundsatz: Je größer die Erfolgsaussichten sind, umso geringer werden die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers sein (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 86b Rn. 12 e.). Bei der Interessenabwägung ist in den Fällen des § 86 a Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 SGG zudem zu berücksichtigen, dass aufgrund der vom Gesetzgeber in diesen Fällen grundsätzlich angeordneten sofortigen Vollziehung ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Vollziehungsinteresses abzuleiten ist (Keller, a. a. O., m. w. N.). Die aufschiebende Wirkung kann daher in diesen Fällen nur angeordnet werden, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Ein solches Interesse kann wie das SG zutreffend ausgeführt hat nicht festgestellt werden. Die Erfolgsaussichten der Klage sind als gering einzustufen. Durch die Vollziehung entstehen dem Antragsteller keine nicht wiedergutzumachenden Nachteile.
Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG fehlt es auch an einer drohenden Rechtsverletzung von einem Gewicht, das eine einstweilige Anordnung gebieten würde, und damit an einem Anordnungsgrund. Es ist festzustellen, dass ohne Eilrechtsschutz kein Wohnungsverlust und schon gar keine Obdachlosigkeit droht; dementsprechend wenig wahrscheinlich ist eine entsprechende, nur per Eilbeschluss verhinderbare (Grund -) Rechtsverletzung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved