L 12 AS 5794/09 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 4531/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5794/09 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes u.a. die Verpflichtung der Antragsgegner zur Übernahme von Beiträgen bzw. Gewährung von Zuschüssen zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung ab März 2005 sowie zur Übernahme monatlicher Unterkunftskosten in Höhe von 275 EUR ab März 2009.

Der 1955 geborene Antragsteller bezieht von den Antragsgegnern, die keine Arbeitsgemeinschaft gebildet haben, seit März 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er ist privat kranken- und pflegeversichert und zahlt hierfür monatlich insgesamt 503,70 EUR. Im Februar 2004 schloss er einen "Gewerberaummietvertrag mit funktionell verbundenem Wohnraummietvertrag" ab, wonach er für Büroräume im Erd- und Untergeschoss eine Bruttomiete von 1.276 EUR und für Wohnräume im Obergeschoss eine Grundmiete von 500 EUR zuzüglich 100 EUR Betriebs- und Heizkosten (Gesamtmiete 1.876 EUR) zu entrichten hat. Im September 2004 schloss er eine Vereinbarung mit seinem Studienfreund P. K., wonach dieser als "Ersatzmieter" eintritt und der Antragsteller - sollte er aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage sein, die Mietzahlungen zu leisten - nur 200 EUR Mietanteil zuzüglich 75 EUR Nebenkosten für die Nutzung eines Teils der Wohnfläche zu entrichten hat.

Die Antragsgegnerin zu 1 hat zuletzt mit Bescheid vom 9. September 2009 die Regelleistung für die Zeit vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 bewilligt. Gesetzliche Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werden nicht abgeführt; der Antragsteller hat trotz mehrfacher Nachfrage keine Krankenkasse benannt, an die Beiträge abgeführt werden sollen. Der Antragsgegner zu 2 hat zuletzt für Februar 2009 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 275 EUR bewilligt. Für die Folgezeit hat er Leistungen wegen fehlender Mitwirkung des Antragstellers versagt (Bescheid vom 5. Mai 2009 und Bescheid vom 16. November 2009, Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2010, Klageverfahren anhängig - S 17 AS 436/10).

Der Antragsteller hatte bereits im März 2009 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) um einstweiligen Rechtsschutz ersucht u.a. wegen eines Zuschusses zur Krankenversicherung und Übernahme der Unterkunftskosten. Mit Beschluss vom 2. April 2009 lehnte das SG den Antrag ab, die hiergegen eingelegte Beschwerde blieb ohne Erfolg (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2009 - L 7 AS 2040/09 ER-B).

Am 19. Oktober 2009 hat sich der Antragsteller erneut an das SG mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gewandt. Hierbei hat er sinngemäß die Zahlung von Leistungen für Kranken- und Pflegeversicherung ab März 2005, die Zahlung monatlicher Mietkosten von 275 EUR ab März 2009, die Verzinsung der Leistungen ab Fälligkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Fälligkeit, die Festsetzung des Streitwerts, Übernahme seiner außergerichtlichen Kosten durch die Antragsgegner und - für den Fall, dass die einstweilige Anordnung nicht erlassen werde - Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit Beschluss vom 11. November 2009 hat das SG die Anträge abgelehnt. Die hier in Betracht kommende Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) setze das Bestehen eines Anordnungsanspruchs und Anordnungsgrunds voraus. Bezüglich der für die Zeit vor Antragstellung begehrten Leistungen fehle es bereits am Anordnungsgrund, denn Eilbedürftigkeit sei grundsätzlich zu verneinen, wenn Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben würden. Für die Zeit danach sei Eilbedürftigkeit ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Ein drohender Verlust der Wohnung oder des Krankenversicherungsschutzes sei nicht ersichtlich. Auch die ausgebliebene Reaktion auf die Mitwirkungsaufforderung des Antragsgegners zu 2 spreche gegen eine Eilbedürftigkeit. Der Zinsantrag sei schon unbegründet, weil die Antragsgegner nicht zur Zahlung verurteilt worden seien. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung sei unzulässig, da in gerichtskostenfreien Verfahren wie vorliegend eine Streitwertfestsetzung unterbleibe. Auch wenn der Prozesskostenhilfeantrag als unter einer innerprozessualen Bedingung gestellt und damit für zulässig erachtet werde, habe die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zudem habe es der Antragsteller trotz Fristsetzung versäumt darzulegen, dass er aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in der Lage sei, die Prozesskosten aus eigenen Mitteln zu tragen.

Hiergegen richtet sich die am 12. Dezember 2009 eingelegte Beschwerde des Antragstellers, mit welcher er seine bisherigen Anträge aufrecht erhält.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegner Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Der Senat kann in der vorliegenden Besetzung über die Beschwerde entscheiden, da der Senat das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen die Berichterstatterin ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin mit Beschluss vom 21. Januar 2010 abgelehnt hat.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 173 Satz 1 SGG) ist statthaft, da auch in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). In der Sache ist sie jedoch nicht begründet, das SG hat zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG mit zutreffender und überzeugender Begründung zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Beschwerde wird daher aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses als unbegründet zurückgewiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass schon sehr zweifelhaft ist, ob der gestellte Eilantrag überhaupt zulässig ist. Die Zahlung eines Zuschusses zu den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen sowie die Übernahme der Mietkosten war bereits Gegenstand eines Verfahrens auf einstweiligen Rechtsschutz (S 6 AS 1123/09 ER, nachgehend Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 25. August 2009 - L 7 AS 2040/09 ER-B). Ist über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtskräftig entschieden worden, ist ein auf dasselbe Begehren gerichteter Antrag wegen der entgegen stehenden Rechtskraft des ursprünglichen Beschlusses unzulässig (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 40). Eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage, die eine neue Beurteilungsgrundlage und damit einen neuen Streitgegenstand ergeben würde, ist nicht ersichtlich.

Davon abgesehen ist nicht nur der Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) nicht glaubhaft gemacht, sondern es fehlt auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Wie die Ausführungen des Antragstellers in seinem Schreiben vom 12. Mai 2009 zeigen, wonach ihm ein "Wechsel in eine gesetzliche Krankenversicherung" wegen der "notwendigen Chefarztbehandlung sowie bis zur Klärung des Krankentagegeldes zur Rückzahlung des Darlehens" nicht möglich sei, hat der Antragsteller kein Interesse an einer Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse, so dass sein Begehren allein dahin zu verstehen ist, dass er eine - zumindest teilweise - Übernahme seiner Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung begehrt. Ein Zuschuss der Antragsgegnerin zu 1 zu den privaten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen (vgl. § 26 Abs. 2 und 3 SGB II (in der Fassung des am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26. März 2007 - GKV-WSG -, BGBl. I S. 378)) kommt indes schon deswegen nicht in Betracht, weil der Antragsteller - seine fortdauernde Hilfebedürftigkeit unterstellt - als versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu behandeln sein dürfte (§ 5 Abs. 1 Nr. 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI); so bereits LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2009 - L 7 AS 2040/09 ER-B). Zwar ist in § 5 Abs. 5a Satz 1 SGB V (in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung des GKV-WSG) u.a. bestimmt, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht versicherungspflichtig ist, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war. Diese Neuregelung der Versicherungspflicht gilt jedoch nach der Übergangsvorschrift des § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V (ebenfalls in der Fassung des GKV-WSG) nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versicherungspflichtig waren, und zwar für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit. Wäre der Antragsteller demnach bis 31. Dezember 2008 hilfebedürftig gewesen und bis heute geblieben, wäre er demnach in der gesetzlichen Krankenversicherung und in dessen Folge auch in der sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig. Eine Ausnahme wäre nur dann gegeben, wenn eine wirksame Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (Fassung vor Inkrafttreten des GKV-WSG)) stattgefunden hätte (zur Pflegeversicherung vgl. § 23 Abs. 1 SGB XI). Dies ist hier indessen nicht erfolgt, obwohl der Antragsteller wiederholt sowohl vom SG, LSG als auch der Antragsgegnerin zu 1 auf dieses Erfordernis hingewiesen worden war. Die Befreiung von der Versicherungspflicht durch die Krankenkasse war jedoch Anspruchsvoraussetzung für den Zuschuss nach der bis 31. Dezember 2008 maßgeblichen Rechtslage (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 31. Juli 2007 - L 3 AS 139/07 - (juris; Rdnr. 29)) und ist es wegen § 5 Abs. 5a Satz 2 SGB V für Übergangsfälle bis heute; die Befreiung hat für den Grundsicherungsträger Tatbestandswirkung und ist für ihn bindend (vgl. Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 26 Rdnr. 18, Stand VII/07; Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, § 26 Rdnr. 14; ferner Krodel in Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 207a Rdnrn. 5, 6; zum Ganzen: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. August 2009, a.a.O.).

Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft ist ebenfalls ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht, denn nach wie vor ist die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zweifelhaft. Zur Aufklärung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Antragsteller bislang nicht umfassend beigetragen, obgleich er die objektive Beweislast für das Vorliegen der Hilfebedürftigkeit als Anspruchsvoraussetzung trägt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 9 Nr. 6; BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - 4 As 10/08 R - (juris)). Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes kommt es insoweit auf die Frage der Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheids in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Januar 2010 nicht an.

Hinsichtlich der übrigen streitigen Punkte ist den Ausführungen des SG nichts hinzuzufügen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved