Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1572/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 272/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Abgabenforderung für die Jahre 1999 bis 2001.
Die Klägerin, ein zur Künstlersozialabgabe (KSA) verpflichtetes Unternehmen, produzierte das Showprogramm "M", welches sie in den streitigen Jahren, u.a. im Rahmen einer Deutschland-Tournee, an eine Vielzahl örtlicher Veranstalter "lieferte" (so der Vertrag mit dem Veranstaltungsbüro Wünsch für eine Aufführung in der Stadthalle von O am März ). Im Rahmen dieses Showprogramms traten u.a. die Sgruppe "B D T" (BDT) auf, deren Mitglied der Tänzer und Choreograph S G ist. Herr G unterliegt seit dem 1. September 1996 als Künstler der Versicherungspflicht nach dem KSVG und seit dem 1. März 2001 der KSA. Schriftliche Verträge zwischen ihm und der Klägerin existieren nach deren Angaben nicht. Wegen der von Herrn G erstellten Rechnungen an die Klägerin bezüglich der streitigen Jahre 1999 bis 2001 wird auf Blatt 65 bis 114 der ersten Lasche der Betriebsprüfungsakte der Beklagten verwiesen.
Für die Klägerin wurde aufgrund ihrer jahresbezogenen Meldungen durch die Künstlersozialkasse (KSK) für die Jahre 1999 bis 2001 die KSA in folgender Höhe festgesetzt:
Jahr gemeldetes Entgelt KSA Bescheid vom
1999 0 DM 0 DM 11. Oktober 2000 2000 97.455 DM 3.898,20 DM 8. April 2001 2001 430.732 EUR 16.798,55 EUR 21. Februar 2002
Auf der Grundlage einer im Juni und September 2002 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung setzte die KSK mit Bescheid vom 22. November 2002 unter Hinweis auf § 35 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) die KSA für die oben genannten Jahre wie folgt fest:
1999 1.378,54 EUR (davon 493,93 DM für den Bereich darstellende Kunst) 2000 19.871,15 EUR 2001 37.249,27 EUR
Die KSK stützte die Neufestsetzung der KSA auf von der Klägerin bislang nicht gemeldete Entgelte, insbesondere – und nur diese sind zwischen den Beteiligten noch im Streit – Zahlungen an Herrn G. Ferner enthält dieser Bescheid u. a. folgende Passage:
"Die bisher erteilten Abrechnungsbescheide werden zurückgenommen, soweit sie diesem Bescheid widersprechen. Nach § 27 Abs. 1a KSVG darf ein Abgabebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen werden, wenn die Meldung unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung als unrichtig erweist."
Während des Widerspruchsverfahrens bat die Beklagte Herrn G um Mitteilung, ob er für die Deutschland-Tournee des Showprogramms "M" während der Jahre 2000/2001 selbst Tänzer unter Vertrag genommen habe und ob er ggf. als Vertreter entsprechender Künstler Verträge mit der Klägerin abgeschlossen habe. Hierauf antwortete Herr G mit Schreiben vom 2. Juli 2003 wie folgt:
"Star Entertainment, vertreten durch Herrn J B, hat im Rahmen der Tour¬neeproduktion "M" die Künstlergruppe "B D T" als selb¬ständige Partei eingesetzt.
Für die Saison August 2001 bis Juni 2002 gibt es lediglich eine "Vorab-Vereinbarung" zwischen S und der Künstlergruppe "B D T", die ich Ihnen beilege. Sven G ist ein Mitglied der "B D T", war Verhandlungsführer und trat im Rahmen der "B D T" auf. Die Vorab-Vereinbarung wurde zwischen S und den "B D T" geschlossen, es gibt keinen weiteren Vertrag.
Es gibt keinen Vertrag zwischen S G und einzelnen Mitgliedern der "B D T" und keinen Vertrag, den S G als Vertreter der entsprechenden Künstler mit S abgeschlossen hat."
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die hiergegen gerichtete Klage begründete die Klägerin u.a. mit der Behauptung, dass es sich bei der Künstlergruppe BDT um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handele und die von Herrn G zitierte Vorabvereinbarung in der Praxis nicht umgesetzt worden sei. Zwischen ihr - der Klägerin - und einer GbR BDT gebe es keinen Vertrag. Nur und ausschließlich Herr G sei als eigenständiger Vertragspartner gegenüber der Klägerin aufgetreten und habe seinerseits mit der GbR BDT kontrahiert. Jedenfalls sei die Pflicht zur KSA ausschließlich und umfänglich auf der Ebene von Herrn G entstanden.
Mit Urteil vom 12. Oktober 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe nicht vorgetragen, wer Gesellschafter der von ihr angenommenen GbR sei solle. Herr G könne als einzelne Person keine GbR darstellen. Auch aus der Aufmachung der Rechnungen von Herrn G könne nicht gefolgert werden, dass die Klägerin Zahlungen an eine GbR geleistet habe. Da teilweise nicht nach Personen aufgeschlüsselte Rechnungen und teilweise nach einer, zwei oder drei Personen aufgeschlüsselte Rechnungen erstellt worden seien, sei nicht zu erkennen, dass an einen Zusammenschluss von Personen habe geleistet werden sollen, der selbst in einer Verbindung von gewisser Dauerhaftigkeit am Rechtsverkehr teilnehme. Herr G sei unstreitig selbst selbständiger Künstler, so dass die Voraussetzungen einer Abgabepflicht nach § 25 Abs. 1 KSVG erfüllt seien. Ob und wie weit er selbst Zahlungen an Dritte leiste, beruhe zumindest nicht auf einer nach außen offen gelegten vertraglichen Vereinbarung. Bei dem von der Klägerin vorgetragenen vertragslosen Zustand sei nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die Klägerin überhaupt von einer Erfüllungswirkung ihrer Zahlungen gegenüber einer anderen Person als Herrn G ausgehe.
Gegen dieses ihr am 4. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22. November 2004, zu deren Begründung sie vorbringt: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Herr G durch sein Schreiben vom 2. Juli 2003 eine seinerseits bestehende Abgabepflicht habe vermeiden wollen. Das Sozialgericht hätte – gegebenenfalls unter Beweiserhebung – aufklären müssen, welche Rechtsgrundlage den Zahlungen an Herrn G und etwaige nachgeschaltete Unternehmer zugrunde gelegen habe. Sollte Herr G als Verhandlungsführer einer von ihm behaupteten GbR aufgetreten sein, so müsse diese GbR steuerlich erfasst gewesen sein, was auf Nachfrage des Gerichts von den Finanzbehörden aufgeklärt werden könne. Sollte sich herausstellen, dass Herr G seinerseits für die tänzerische Aufführung Vergütungen an selbstständige Künstler geleistet habe, so wäre zumindest dieser Anteil aus der Bemessungsgrundlage auszuklammern. Nach dem KSVG dürfe nicht für ein und die gleiche künstlerische Leistung auf jeder Verwertungsstufe die KSA festgesetzt werden. Es könne nicht darauf ankommen, in welcher potentiellen Form die zielgerichteten Leistungsbeziehungen ausgestaltet seien. Fakt sei, dass von Seiten der BDT Tanzleistungen zu erbringen gewesen seien. Würden Honorare dafür über Herrn G unmittelbar an die Tänzer weitergeleitet, so verdeutliche sich, dass hier auf den verschiedenen Ebenen KSA für ein und die gleiche Leistung festgesetzt würde, nämlich für Tanzauftritte auf der Bühne. Es werde bestritten, dass Herr G ein einheitliches Gesamtkonzept erbracht habe und seine persönliche künstlerische Leistung maßgeblich auch durch Bündelung einer Vielzahl weiterer künstlerischer Leistungen anderer Künstler zustande gekommen sei. Die Beklagte übersehe insoweit, dass die Tänzer Teil der Gesamtshow "M" gewesen seien, die von der Klägerin selbst produziert worden sei. Die künstlerische Konzeption sei durch die Klägerin erstellt worden. Insoweit unterscheide sich der Fall der Klägerin von dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Mai 2003 (AZ: B 3 KR 37/02 R), auf das sich die Beklagte berufe. Im dortigen Fall habe eine Werbeagentur eine Vielzahl gesonderter Einzelleistungen gebündelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2003 aufzuheben, soweit an Herrn Sven Göttlicher erfolgte Zahlungen in Höhe von 84.700,00 DM für das Kalenderjahr 1999, 335.923,00 DM für das Kalenderjahr 2000 und 104.000,00 DM für das Kalenderjahr 2001 in die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgaben einbezogen wurden,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Weil Herr G nicht lediglich fremde künstlerische Leistungen angeboten habe, sei er bei Vertragschluss mit der Klägerin nicht nur als reiner Vermittler im Sinne einer Agenturtätigkeit beteiligt gewesen. Vielmehr beinhaltete die an die Klägerin veräußerte künstlerische Leistung neben den Darbietungen weiterer Tänzer auch eine eigene künstlerische Darbietung Herrn G sowie dessen Leistungen als Choreograph bei der Show BDT. Eine unzulässige Doppelbelastung mit der KSA liege auch nach Auffassung des BSG nicht vor.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
1.) Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG in der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung (neue Fassung - nF). Danach wird der Abgabenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen, wenn die Meldung nach Abs. 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung nach Abs. 1 Satz 3 als unrichtig erweist. Nach § 27 Abs. 1 KSVG hat der zur Abgabe Verpflichtete nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, die Summe der sich nach § 25 ergebenden Beträge zu melden, die Künstlersozialabgabe zu berechnen und diese an die Künstlersozialkasse zu zahlen. Für die Meldung ist ein Vordruck der Künstlersozialkasse zu verwenden.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG sind Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe u.a. die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Die zum 1. Juli 2001 in Kraft getretenen materiell-rechtlichen Änderungen bezüglich der KSA sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
2.) Die Voraussetzungen von § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF sind im Falle der Klägerin erfüllt.
a) Die Klägerin ist als Gastspieldirektion im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG zur KSA verpflichtet. Eine Gastspieldirektion unterhält direkte vertragliche Beziehungen zu Künstlern, tritt aber nicht als örtlicher Veranstalter auf, sondern veräußert die künstlerische Leistung im eigenen Namen an örtliche Veranstalter (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4.A., § 24 Rd. 99). Dass die Klägerin hierzu zählt, belegt der o.g. Vertrag mit dem Veranstaltungsbüro Wünschmann, ist zwischen den Beteiligten aber auch nicht umstritten. Die Klägerin könnte aber auch als Tourneeveranstalterin eingestuft werden. "Tourneeveranstalter planen, organisieren und veranstalten Konzertreihen und unterhalten dazu grundsätzlich unmittelbare Vertragsbeziehungen zu Künstlern. Die einzelnen Veranstaltungen werden in der Regel an örtliche Veranstalter verkauft oder in Kooperation mit diesen durchgeführt. Tourneeveranstalter sind Empfänger der künstlerischen Leistung und schulden dafür den Künstlern die Gagen" (a.a.O.). Sie zählen daher zu den sonstigen Unternehmen i.S.v. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen.
b) In ihren Meldungen nach § 27 Abs. 1 KSVG bezüglich der Jahre 1999 bis 2001 machte die Klägerin u.a. dadurch unrichtige Angaben, dass sie die an Herrn G gezahlten Beträge nicht als Entgelte nach § 25 KSVG meldete.
aa) Die strittigen Zahlungen der Klägerin an Herrn G unterliegen der KSA. Das Vorbringen der Klägerin, dass "von Seiten der Tanzgruppe ‚D T’ Tanzleistungen zu erbringen gewesen" seien, ist unstreitig. Daraus folgt, dass zwischen den Klägerin und den BDT Vertragsbeziehungen bestanden. Die Gegenleistung für künstlerische Darbietungen, die Herr G gemeinsam mit anderen Mitgliedern der BDT erbracht hat, bilden die o.g. Zahlungen an Herrn G. Sie stellen somit Entgelte für künstlerische Leistungen dar, die die Klägerin als zur KSA Verpflichtete im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gastspieldirektion an selbständige Künstler - die BDT als GbR - zahlte. Ein hiervon abweichender Sachverhalt, der ausnahmsweise die Abgabepflicht der Klägerin entfallen lassen würde, hat sich nicht feststellen lassen.
bb) Dass die BDT eine GbR bilden, ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Ausführungen sowohl der Klägerin - die dies ausdrücklich behauptet - als auch von Herrn G. Dessen Angaben in seiner o.g. Stellungnahme vom 2. Juli 2003, die BDT seien einerseits als "selbständige Partei" engagiert worden, deren Mitglied und Verhandlungsführer er sei, andererseits existierten keine Verträge zwischen ihm und einzelnen Mitgliedern der BDT, lassen nur den Schluss zu, dass die BDT einen Zusammenschluss von selbständigen Künstlern bilden, die zur Darbietung eines oder mehrerer Werke zusammenarbeiten und hierdurch einen gemeinschaftlichen Zweck i.S.v. § 705 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 26. Januar 2006, Az.: B 3 KR 1/05 R, und vom 7. Juli 2005, Az.: B 3 KR 29/04 R, beide veröffentlicht in Juris). Einer Einstufung der BDT als GbR steht nicht entgegen, dass sie - ausweislich der o.g. Rechnungen - in unterschiedlicher Besetzung (zwischen 2 und 4 Mitglieder) aufgetreten sind. Denn zum einen muss der gemeinschaftliche Zweck, wenn er in der Erarbeitung und Durchführung eines Programmteils von "M" besteht, nicht bei jeder Aufführung von allen Mitgliedern (= Gesellschaftern) der BDT verfolgt werden. Zum anderen könnte der gemeinschaftliche Zweck auch nur in der Teilnahme an einer einzelnen Aufführung von "M" gesehen werden, sodass nur die jeweils mitwirkenden Mitglieder Gesellschafter wären.
cc) Für diese GbR trat Herr G nach eigenen Angaben, deren Glaubhaftigkeit anzuzweifeln der Senat keinen Anlass sieht, als "Verhandlungsführer" auf. Dies lässt sich nur dahin verstehen, dass Herr G bei den (mündlichen) Vereinbarungen mit der Klägerin über Inhalt, Zeit und Ort der Tanzdarbietungen sowie deren Vergütung als Vertreter (§ 164 BGB) der BDT handelte. Verpflichtet und berechtigt werden sollte daher die BDT als GbR, nicht aber Herr G allein. Dass Herr G des Weiteren mitteilte, es gebe keinen Vertrag, den er "als Vertreter der entsprechenden Künstler" mit der Klägerin abgeschlossen habe, steht dem nicht entgegen. Denn aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass Herr G mit dieser Formulierung lediglich erklären wollte, er habe nicht in Vertretung der einzelnen BDT -Mitglieder gehandelt, sondern für die Künstlergruppe als Ganze.
dd) Wurden demzufolge (Werk-)Verträge zwischen der Klägerin und der BDT als GbR geschlossen, unterliegen die Gagenzahlungen der Klägerin an Herrn G als offensichtlichem Empfangsberechtigten in vollem Umfang der KSA. Die an die GbR gezahlten Entgelte sind als Entgelte an die Mitglieder, d.h. Gesellschafter, der BDT als Einzelkünstler zu werten (BSG, Urteile vom 26. Januar 2006, a.a.O., und vom 25. Oktober 1995, Az.: 3 RK 15/94, veröffentlicht in Juris) und daher KSA -pflichtig.
ee) Auch die den streitigen Entgeltzahlungen der Klägerin zugrunde liegenden Rechnungen sprechen nicht für die von ihr vertretene Rechtsauffassung. Zwar enthalten die Briefköpfe - graphisch hervorgehoben - nur den Namen von Herrn G, nicht aber die Namen der weiteren Mitglieder der BDT. Der zumindest ab September 2001 veränderte Briefkopf erwähnt unter der Überschrift "G Entertainment" allerdings - ausschließlich - die BDT, ein offenkundiger Hinweis, dass Herr G auch für diese Künstlergruppe im Rechtsverkehr auftritt. Aber auch die früheren Rechnungen enthalten im Briefkopf unter anderem den Begriff "S - C", sodass die Annahme, Herr G habe stets nur im eigenen Namen gehandelt, eher fernliegt. Gleiches gilt für den von der Klägerin erstinstanzlich hervorgehobenen Umstand, dass die Zahlungen auf das in den Rechnungen angegebene Konto von Herrn G erfolgt seien, denn dies korrespondiert mit dessen Stellung als "Verhandlungsführer" der BDT.
Dass im Briefkopf der Rechnungen zu keiner Zeit der Begriff "Agentur" erwähnt wird, spricht i.ü. gegen die von der Klägerin favorisierte o.g. Auffassung, wonach Herr G als Einzelperson Vertragsbeziehungen mit der Klägerin einerseits und den übrigen Mitgliedern der BDT andererseits unterhält.
c) Enthielten somit die Meldungen der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2001 unrichtige Angaben, war die Beklagte nach § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF berechtigt und verpflichtet, die diese Jahre betreffenden Abgabenbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die bis zum 30. Juni 2001 geltende Fassung von § 27 Abs. 1a KSVG, die die Rücknahme in das Ermessen der KSK stellte ("darf zurückgenommen werden"), war nicht mehr anzuwenden. § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF regelt die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) durchbrochen wird, und betrifft daher das Verwaltungsverfahrensrecht. Es entspricht den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts, dass bei Fehlen gesetzlicher Übergangsregelungen Änderungen des Verfahrensrechts auch alle bereits anhängigen Verfahren – und daher erst recht alle erst nach der Rechtsänderung erlassenen Bescheide – erfasst (BSG, Urteile vom 19. März 1998, Az.: B 7 AL 44/97 R, vom 18. September 1997, Az.: 11 RAr 9/97 sowie – im Ergebnis ebenso für den Bereich des KSVG – vom 20. April 1994, Az.: 3/12 RK 31/92, alle veröffentlicht in Juris ). Anderes gilt nur dann, wenn schutzwürdige Belange, etwa das Verbot echter Rückwirkung als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Grund¬gesetz (GG), oder grundrechtlich geschützte Positionen entgegenstehen. An solchen Umständen fehlt es im Falle der Klägerin. Denn zum einen lässt die Neufassung von § 27 Abs. 1a KSVG die materielle Rechtslage, d.h. die Frage welche Entgelte der KSA unterliegen, unberührt. Auch die grundsätzliche Voraussetzung für die Rücknahme eines bindend gewordenen Beitragsbescheides – unrichtige Angaben in den Meldungen nach § 27 Abs. 1 KSVG – bleibt unangetastet. Modifiziert wird lediglich eine zusätzliche Vergünstigung auf der Rechtsfolgenseite, sodass die Herstellung der Gesetzmäßigkeit seitens der Verwaltung erleichtert wird (vgl. BSG vom 18. September 1997, a. a. O.).
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die KSK die angefochtenen Bescheide u.a. auf § 27 Abs. 1a KSVG aF gestützt hat und Ermessen ausüben wollte. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit prüfen die im Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes zum Ausdruck gekommene Regelung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt (BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, Az.: B 11 AL 85/99 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Ob sich die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung auf die zutreffende Rechtsgrundlage berufen hat, ist jedenfalls bei Entscheidungen, die nicht in ihrem Ermessen stehen, irrelevant.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Abgabenforderung für die Jahre 1999 bis 2001.
Die Klägerin, ein zur Künstlersozialabgabe (KSA) verpflichtetes Unternehmen, produzierte das Showprogramm "M", welches sie in den streitigen Jahren, u.a. im Rahmen einer Deutschland-Tournee, an eine Vielzahl örtlicher Veranstalter "lieferte" (so der Vertrag mit dem Veranstaltungsbüro Wünsch für eine Aufführung in der Stadthalle von O am März ). Im Rahmen dieses Showprogramms traten u.a. die Sgruppe "B D T" (BDT) auf, deren Mitglied der Tänzer und Choreograph S G ist. Herr G unterliegt seit dem 1. September 1996 als Künstler der Versicherungspflicht nach dem KSVG und seit dem 1. März 2001 der KSA. Schriftliche Verträge zwischen ihm und der Klägerin existieren nach deren Angaben nicht. Wegen der von Herrn G erstellten Rechnungen an die Klägerin bezüglich der streitigen Jahre 1999 bis 2001 wird auf Blatt 65 bis 114 der ersten Lasche der Betriebsprüfungsakte der Beklagten verwiesen.
Für die Klägerin wurde aufgrund ihrer jahresbezogenen Meldungen durch die Künstlersozialkasse (KSK) für die Jahre 1999 bis 2001 die KSA in folgender Höhe festgesetzt:
Jahr gemeldetes Entgelt KSA Bescheid vom
1999 0 DM 0 DM 11. Oktober 2000 2000 97.455 DM 3.898,20 DM 8. April 2001 2001 430.732 EUR 16.798,55 EUR 21. Februar 2002
Auf der Grundlage einer im Juni und September 2002 bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung setzte die KSK mit Bescheid vom 22. November 2002 unter Hinweis auf § 35 Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) die KSA für die oben genannten Jahre wie folgt fest:
1999 1.378,54 EUR (davon 493,93 DM für den Bereich darstellende Kunst) 2000 19.871,15 EUR 2001 37.249,27 EUR
Die KSK stützte die Neufestsetzung der KSA auf von der Klägerin bislang nicht gemeldete Entgelte, insbesondere – und nur diese sind zwischen den Beteiligten noch im Streit – Zahlungen an Herrn G. Ferner enthält dieser Bescheid u. a. folgende Passage:
"Die bisher erteilten Abrechnungsbescheide werden zurückgenommen, soweit sie diesem Bescheid widersprechen. Nach § 27 Abs. 1a KSVG darf ein Abgabebescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen werden, wenn die Meldung unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung als unrichtig erweist."
Während des Widerspruchsverfahrens bat die Beklagte Herrn G um Mitteilung, ob er für die Deutschland-Tournee des Showprogramms "M" während der Jahre 2000/2001 selbst Tänzer unter Vertrag genommen habe und ob er ggf. als Vertreter entsprechender Künstler Verträge mit der Klägerin abgeschlossen habe. Hierauf antwortete Herr G mit Schreiben vom 2. Juli 2003 wie folgt:
"Star Entertainment, vertreten durch Herrn J B, hat im Rahmen der Tour¬neeproduktion "M" die Künstlergruppe "B D T" als selb¬ständige Partei eingesetzt.
Für die Saison August 2001 bis Juni 2002 gibt es lediglich eine "Vorab-Vereinbarung" zwischen S und der Künstlergruppe "B D T", die ich Ihnen beilege. Sven G ist ein Mitglied der "B D T", war Verhandlungsführer und trat im Rahmen der "B D T" auf. Die Vorab-Vereinbarung wurde zwischen S und den "B D T" geschlossen, es gibt keinen weiteren Vertrag.
Es gibt keinen Vertrag zwischen S G und einzelnen Mitgliedern der "B D T" und keinen Vertrag, den S G als Vertreter der entsprechenden Künstler mit S abgeschlossen hat."
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die hiergegen gerichtete Klage begründete die Klägerin u.a. mit der Behauptung, dass es sich bei der Künstlergruppe BDT um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) handele und die von Herrn G zitierte Vorabvereinbarung in der Praxis nicht umgesetzt worden sei. Zwischen ihr - der Klägerin - und einer GbR BDT gebe es keinen Vertrag. Nur und ausschließlich Herr G sei als eigenständiger Vertragspartner gegenüber der Klägerin aufgetreten und habe seinerseits mit der GbR BDT kontrahiert. Jedenfalls sei die Pflicht zur KSA ausschließlich und umfänglich auf der Ebene von Herrn G entstanden.
Mit Urteil vom 12. Oktober 2004 wies das Sozialgericht die Klage ab und führte zur Begründung aus: Die Klägerin habe nicht vorgetragen, wer Gesellschafter der von ihr angenommenen GbR sei solle. Herr G könne als einzelne Person keine GbR darstellen. Auch aus der Aufmachung der Rechnungen von Herrn G könne nicht gefolgert werden, dass die Klägerin Zahlungen an eine GbR geleistet habe. Da teilweise nicht nach Personen aufgeschlüsselte Rechnungen und teilweise nach einer, zwei oder drei Personen aufgeschlüsselte Rechnungen erstellt worden seien, sei nicht zu erkennen, dass an einen Zusammenschluss von Personen habe geleistet werden sollen, der selbst in einer Verbindung von gewisser Dauerhaftigkeit am Rechtsverkehr teilnehme. Herr G sei unstreitig selbst selbständiger Künstler, so dass die Voraussetzungen einer Abgabepflicht nach § 25 Abs. 1 KSVG erfüllt seien. Ob und wie weit er selbst Zahlungen an Dritte leiste, beruhe zumindest nicht auf einer nach außen offen gelegten vertraglichen Vereinbarung. Bei dem von der Klägerin vorgetragenen vertragslosen Zustand sei nicht erkennbar, auf welcher Grundlage die Klägerin überhaupt von einer Erfüllungswirkung ihrer Zahlungen gegenüber einer anderen Person als Herrn G ausgehe.
Gegen dieses ihr am 4. November 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22. November 2004, zu deren Begründung sie vorbringt: Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Herr G durch sein Schreiben vom 2. Juli 2003 eine seinerseits bestehende Abgabepflicht habe vermeiden wollen. Das Sozialgericht hätte – gegebenenfalls unter Beweiserhebung – aufklären müssen, welche Rechtsgrundlage den Zahlungen an Herrn G und etwaige nachgeschaltete Unternehmer zugrunde gelegen habe. Sollte Herr G als Verhandlungsführer einer von ihm behaupteten GbR aufgetreten sein, so müsse diese GbR steuerlich erfasst gewesen sein, was auf Nachfrage des Gerichts von den Finanzbehörden aufgeklärt werden könne. Sollte sich herausstellen, dass Herr G seinerseits für die tänzerische Aufführung Vergütungen an selbstständige Künstler geleistet habe, so wäre zumindest dieser Anteil aus der Bemessungsgrundlage auszuklammern. Nach dem KSVG dürfe nicht für ein und die gleiche künstlerische Leistung auf jeder Verwertungsstufe die KSA festgesetzt werden. Es könne nicht darauf ankommen, in welcher potentiellen Form die zielgerichteten Leistungsbeziehungen ausgestaltet seien. Fakt sei, dass von Seiten der BDT Tanzleistungen zu erbringen gewesen seien. Würden Honorare dafür über Herrn G unmittelbar an die Tänzer weitergeleitet, so verdeutliche sich, dass hier auf den verschiedenen Ebenen KSA für ein und die gleiche Leistung festgesetzt würde, nämlich für Tanzauftritte auf der Bühne. Es werde bestritten, dass Herr G ein einheitliches Gesamtkonzept erbracht habe und seine persönliche künstlerische Leistung maßgeblich auch durch Bündelung einer Vielzahl weiterer künstlerischer Leistungen anderer Künstler zustande gekommen sei. Die Beklagte übersehe insoweit, dass die Tänzer Teil der Gesamtshow "M" gewesen seien, die von der Klägerin selbst produziert worden sei. Die künstlerische Konzeption sei durch die Klägerin erstellt worden. Insoweit unterscheide sich der Fall der Klägerin von dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27. Mai 2003 (AZ: B 3 KR 37/02 R), auf das sich die Beklagte berufe. Im dortigen Fall habe eine Werbeagentur eine Vielzahl gesonderter Einzelleistungen gebündelt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2003 aufzuheben, soweit an Herrn Sven Göttlicher erfolgte Zahlungen in Höhe von 84.700,00 DM für das Kalenderjahr 1999, 335.923,00 DM für das Kalenderjahr 2000 und 104.000,00 DM für das Kalenderjahr 2001 in die Bemessungsgrundlage für die Künstlersozialabgaben einbezogen wurden,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Weil Herr G nicht lediglich fremde künstlerische Leistungen angeboten habe, sei er bei Vertragschluss mit der Klägerin nicht nur als reiner Vermittler im Sinne einer Agenturtätigkeit beteiligt gewesen. Vielmehr beinhaltete die an die Klägerin veräußerte künstlerische Leistung neben den Darbietungen weiterer Tänzer auch eine eigene künstlerische Darbietung Herrn G sowie dessen Leistungen als Choreograph bei der Show BDT. Eine unzulässige Doppelbelastung mit der KSA liege auch nach Auffassung des BSG nicht vor.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig.
1.) Rechtsgrundlage der angegriffenen Bescheide ist § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG in der seit dem 1. Juli 2001 geltenden Fassung (neue Fassung - nF). Danach wird der Abgabenbescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zu Ungunsten des zur Abgabe Verpflichteten zurückgenommen, wenn die Meldung nach Abs. 1 unrichtige Angaben enthält oder sich die Schätzung nach Abs. 1 Satz 3 als unrichtig erweist. Nach § 27 Abs. 1 KSVG hat der zur Abgabe Verpflichtete nach Ablauf eines Kalenderjahres, spätestens bis zum 31. März des Folgejahres, die Summe der sich nach § 25 ergebenden Beträge zu melden, die Künstlersozialabgabe zu berechnen und diese an die Künstlersozialkasse zu zahlen. Für die Meldung ist ein Vordruck der Künstlersozialkasse zu verwenden.
Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 KSVG sind Bemessungsgrundlage der Künstlersozialabgabe u.a. die Entgelte für künstlerische oder publizistische Werke oder Leistungen, die ein nach § 24 Abs. 1 oder 2 KSVG zur Abgabe Verpflichteter im Rahmen der dort aufgeführten Tätigkeiten im Laufe eines Kalenderjahres an selbständige Künstler oder Publizisten zahlt, auch wenn diese selbst nach diesem Gesetz nicht versicherungspflichtig sind. Die zum 1. Juli 2001 in Kraft getretenen materiell-rechtlichen Änderungen bezüglich der KSA sind für den vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung.
2.) Die Voraussetzungen von § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF sind im Falle der Klägerin erfüllt.
a) Die Klägerin ist als Gastspieldirektion im Sinne von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG zur KSA verpflichtet. Eine Gastspieldirektion unterhält direkte vertragliche Beziehungen zu Künstlern, tritt aber nicht als örtlicher Veranstalter auf, sondern veräußert die künstlerische Leistung im eigenen Namen an örtliche Veranstalter (Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4.A., § 24 Rd. 99). Dass die Klägerin hierzu zählt, belegt der o.g. Vertrag mit dem Veranstaltungsbüro Wünschmann, ist zwischen den Beteiligten aber auch nicht umstritten. Die Klägerin könnte aber auch als Tourneeveranstalterin eingestuft werden. "Tourneeveranstalter planen, organisieren und veranstalten Konzertreihen und unterhalten dazu grundsätzlich unmittelbare Vertragsbeziehungen zu Künstlern. Die einzelnen Veranstaltungen werden in der Regel an örtliche Veranstalter verkauft oder in Kooperation mit diesen durchgeführt. Tourneeveranstalter sind Empfänger der künstlerischen Leistung und schulden dafür den Künstlern die Gagen" (a.a.O.). Sie zählen daher zu den sonstigen Unternehmen i.S.v. § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSVG, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen.
b) In ihren Meldungen nach § 27 Abs. 1 KSVG bezüglich der Jahre 1999 bis 2001 machte die Klägerin u.a. dadurch unrichtige Angaben, dass sie die an Herrn G gezahlten Beträge nicht als Entgelte nach § 25 KSVG meldete.
aa) Die strittigen Zahlungen der Klägerin an Herrn G unterliegen der KSA. Das Vorbringen der Klägerin, dass "von Seiten der Tanzgruppe ‚D T’ Tanzleistungen zu erbringen gewesen" seien, ist unstreitig. Daraus folgt, dass zwischen den Klägerin und den BDT Vertragsbeziehungen bestanden. Die Gegenleistung für künstlerische Darbietungen, die Herr G gemeinsam mit anderen Mitgliedern der BDT erbracht hat, bilden die o.g. Zahlungen an Herrn G. Sie stellen somit Entgelte für künstlerische Leistungen dar, die die Klägerin als zur KSA Verpflichtete im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gastspieldirektion an selbständige Künstler - die BDT als GbR - zahlte. Ein hiervon abweichender Sachverhalt, der ausnahmsweise die Abgabepflicht der Klägerin entfallen lassen würde, hat sich nicht feststellen lassen.
bb) Dass die BDT eine GbR bilden, ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Ausführungen sowohl der Klägerin - die dies ausdrücklich behauptet - als auch von Herrn G. Dessen Angaben in seiner o.g. Stellungnahme vom 2. Juli 2003, die BDT seien einerseits als "selbständige Partei" engagiert worden, deren Mitglied und Verhandlungsführer er sei, andererseits existierten keine Verträge zwischen ihm und einzelnen Mitgliedern der BDT, lassen nur den Schluss zu, dass die BDT einen Zusammenschluss von selbständigen Künstlern bilden, die zur Darbietung eines oder mehrerer Werke zusammenarbeiten und hierdurch einen gemeinschaftlichen Zweck i.S.v. § 705 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 26. Januar 2006, Az.: B 3 KR 1/05 R, und vom 7. Juli 2005, Az.: B 3 KR 29/04 R, beide veröffentlicht in Juris). Einer Einstufung der BDT als GbR steht nicht entgegen, dass sie - ausweislich der o.g. Rechnungen - in unterschiedlicher Besetzung (zwischen 2 und 4 Mitglieder) aufgetreten sind. Denn zum einen muss der gemeinschaftliche Zweck, wenn er in der Erarbeitung und Durchführung eines Programmteils von "M" besteht, nicht bei jeder Aufführung von allen Mitgliedern (= Gesellschaftern) der BDT verfolgt werden. Zum anderen könnte der gemeinschaftliche Zweck auch nur in der Teilnahme an einer einzelnen Aufführung von "M" gesehen werden, sodass nur die jeweils mitwirkenden Mitglieder Gesellschafter wären.
cc) Für diese GbR trat Herr G nach eigenen Angaben, deren Glaubhaftigkeit anzuzweifeln der Senat keinen Anlass sieht, als "Verhandlungsführer" auf. Dies lässt sich nur dahin verstehen, dass Herr G bei den (mündlichen) Vereinbarungen mit der Klägerin über Inhalt, Zeit und Ort der Tanzdarbietungen sowie deren Vergütung als Vertreter (§ 164 BGB) der BDT handelte. Verpflichtet und berechtigt werden sollte daher die BDT als GbR, nicht aber Herr G allein. Dass Herr G des Weiteren mitteilte, es gebe keinen Vertrag, den er "als Vertreter der entsprechenden Künstler" mit der Klägerin abgeschlossen habe, steht dem nicht entgegen. Denn aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass Herr G mit dieser Formulierung lediglich erklären wollte, er habe nicht in Vertretung der einzelnen BDT -Mitglieder gehandelt, sondern für die Künstlergruppe als Ganze.
dd) Wurden demzufolge (Werk-)Verträge zwischen der Klägerin und der BDT als GbR geschlossen, unterliegen die Gagenzahlungen der Klägerin an Herrn G als offensichtlichem Empfangsberechtigten in vollem Umfang der KSA. Die an die GbR gezahlten Entgelte sind als Entgelte an die Mitglieder, d.h. Gesellschafter, der BDT als Einzelkünstler zu werten (BSG, Urteile vom 26. Januar 2006, a.a.O., und vom 25. Oktober 1995, Az.: 3 RK 15/94, veröffentlicht in Juris) und daher KSA -pflichtig.
ee) Auch die den streitigen Entgeltzahlungen der Klägerin zugrunde liegenden Rechnungen sprechen nicht für die von ihr vertretene Rechtsauffassung. Zwar enthalten die Briefköpfe - graphisch hervorgehoben - nur den Namen von Herrn G, nicht aber die Namen der weiteren Mitglieder der BDT. Der zumindest ab September 2001 veränderte Briefkopf erwähnt unter der Überschrift "G Entertainment" allerdings - ausschließlich - die BDT, ein offenkundiger Hinweis, dass Herr G auch für diese Künstlergruppe im Rechtsverkehr auftritt. Aber auch die früheren Rechnungen enthalten im Briefkopf unter anderem den Begriff "S - C", sodass die Annahme, Herr G habe stets nur im eigenen Namen gehandelt, eher fernliegt. Gleiches gilt für den von der Klägerin erstinstanzlich hervorgehobenen Umstand, dass die Zahlungen auf das in den Rechnungen angegebene Konto von Herrn G erfolgt seien, denn dies korrespondiert mit dessen Stellung als "Verhandlungsführer" der BDT.
Dass im Briefkopf der Rechnungen zu keiner Zeit der Begriff "Agentur" erwähnt wird, spricht i.ü. gegen die von der Klägerin favorisierte o.g. Auffassung, wonach Herr G als Einzelperson Vertragsbeziehungen mit der Klägerin einerseits und den übrigen Mitgliedern der BDT andererseits unterhält.
c) Enthielten somit die Meldungen der Klägerin für die Jahre 1999 bis 2001 unrichtige Angaben, war die Beklagte nach § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF berechtigt und verpflichtet, die diese Jahre betreffenden Abgabenbescheide mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die bis zum 30. Juni 2001 geltende Fassung von § 27 Abs. 1a KSVG, die die Rücknahme in das Ermessen der KSK stellte ("darf zurückgenommen werden"), war nicht mehr anzuwenden. § 27 Abs. 1a Satz 2 KSVG nF regelt die Voraussetzungen, unter denen die Bindungswirkung von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) durchbrochen wird, und betrifft daher das Verwaltungsverfahrensrecht. Es entspricht den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts, dass bei Fehlen gesetzlicher Übergangsregelungen Änderungen des Verfahrensrechts auch alle bereits anhängigen Verfahren – und daher erst recht alle erst nach der Rechtsänderung erlassenen Bescheide – erfasst (BSG, Urteile vom 19. März 1998, Az.: B 7 AL 44/97 R, vom 18. September 1997, Az.: 11 RAr 9/97 sowie – im Ergebnis ebenso für den Bereich des KSVG – vom 20. April 1994, Az.: 3/12 RK 31/92, alle veröffentlicht in Juris ). Anderes gilt nur dann, wenn schutzwürdige Belange, etwa das Verbot echter Rückwirkung als Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Grund¬gesetz (GG), oder grundrechtlich geschützte Positionen entgegenstehen. An solchen Umständen fehlt es im Falle der Klägerin. Denn zum einen lässt die Neufassung von § 27 Abs. 1a KSVG die materielle Rechtslage, d.h. die Frage welche Entgelte der KSA unterliegen, unberührt. Auch die grundsätzliche Voraussetzung für die Rücknahme eines bindend gewordenen Beitragsbescheides – unrichtige Angaben in den Meldungen nach § 27 Abs. 1 KSVG – bleibt unangetastet. Modifiziert wird lediglich eine zusätzliche Vergünstigung auf der Rechtsfolgenseite, sodass die Herstellung der Gesetzmäßigkeit seitens der Verwaltung erleichtert wird (vgl. BSG vom 18. September 1997, a. a. O.).
Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass die KSK die angefochtenen Bescheide u.a. auf § 27 Abs. 1a KSVG aF gestützt hat und Ermessen ausüben wollte. Denn die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit prüfen die im Verfügungssatz eines Verwaltungsaktes zum Ausdruck gekommene Regelung unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt (BSG, Urteil vom 29. Juni 2000, Az.: B 11 AL 85/99 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.). Ob sich die Behörde zur Begründung ihrer Entscheidung auf die zutreffende Rechtsgrundlage berufen hat, ist jedenfalls bei Entscheidungen, die nicht in ihrem Ermessen stehen, irrelevant.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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