Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Münster (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AY 41/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung ihres Bescheids vom 02.07.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 unter Anrechnung der bislang insoweit bewilligten Leistungen in Höhe von 667,66 EUR Leistungen gem. § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 750,- EUR zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/30.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Gewährung von Leistungen entsprechend den Regelungen des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007.
Der am 00.00.1981 geborene Kläger stammt aus dem Kosovo. Er ist Roma. Der Kläger reiste gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern im Jahr 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Seit dem 16.10.1991 hält er sich im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auf. Das Asylverfahren des Klägers wurde am 21.08.1995 bestandskräftig abgeschlossen. In der Folgezeit wurde der Kläger ausländerrechtlich geduldet. Am 12.11.2007 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 104 a AufenthG, die bis zum 31.12.2009 befristet war. Am 05.11.2009 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 23 Abs. 1, 104 a Abs. 5 AufenthG, die bis zum 04.11.2011 befristet ist.
Die Beklagte gewährte dem Kläger seit seiner Einreise Sozialhilfeleistungen, seit dem Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes am 01.07.1993 (AsylbLG) Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Die Beklagte stellte die Leistungen an den Kläger durch Bescheid vom 15.12.2007 wegen der zwischenzeitlich entfallenen Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG ein.
Der Kläger war seit dem 01.11.2007 mit Unterbrechungen erwerbstätig. Seither nahm er keine Sozialleistungen mehr in Anspruch.
Der Kläger lebt seit dem 15.02.2009 (Anmietung einer gemeinsamen Wohnung) mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Der Kläger hat gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Kind, geb. am 00.00.2003. Seine Lebensgefährtin hat ein weiteres Kind, geb. am 00.00.2006. Der Kläger war bis Januar 2009 arbeitslos. Im Februar 2009 nahm er zunächst eine geringfügige Beschäftigung auf. Er erhielt für diesen Monat noch Leistungen nach dem SGB II. Seit dem 02.03.2009 arbeitete der Kläger bei der Firma T ... Er erzielte dort im Jahre 2009 ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von 515,50 EUR. Seine Lebensgefährtin war ebenfalls erwerbstätig. Sie erzielte bis Juni 2009 ein Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich ca. 500 EUR netto, seit Juli 2009 bis Dezember 2009 erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich ca. 671 EUR. An Unterkunftskosten zahlen der Kläger und seine Lebensgefährtin seit dem 15.02.2009 insgesamt 606,75 einschließlich der Betriebsnebenkosten und der Heiz- und Warmwasserkosten. Der Kläger und seine Lebensgefährtin erhalten für die beiden Kinder Kindergeld. Der Kläger ist seit dem 01.04.2010 arbeitslos. Er erhält seither monatlich 425,40 EUR Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 02.02.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug unter Abänderung bestandskräftig gewordener Bescheide und unter Anwendung des § 44 SGB X Leistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren.
Durch Bescheid vom 25.02.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis zur Beendigung der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG unter Anwendung des § 44 SGB X Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Der Kläger habe die Vorbezugsfrist des § 2 AsylbLG zweifelsfrei erfüllt. Er habe seinen Aufenthalt auch nicht rechtsmissbräuchlich verlängert. Er habe deshalb ab dem 01.01.2005 einen Anspruch auf Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Über die Höhe des Nachzahlungsbetrag erhalte der Kläger noch einen gesonderten Bescheid.
Mit Schreiben vom 25.05.2009 erinnerte der Kläger an die Berechnung seiner Nachzahlung. Gleichzeitig beantragte er, den Nachzahlungsbetrag jeweils ab Erlass des ursprünglichen ablehnenden Verwaltungsaktes im Rahmen der rückwirkenden Neufestsetzung mit 4 % zu verzinsen.
Durch Bescheid vom 02.07.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 Leistungen gem. § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 667,66 EUR. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Bundessozialgericht (BSG) habe durch Urteil vom 17.06.2008, B 8/9b AY 1/07 R, entschieden, dass bei der rückwirkenden Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anwendung des § 44 SGB X der Aktualitätsgrundsatz zu berücksichtigen sei. Dies bedeute, dass nicht mehr bestehende Bedarfe nachträglich nicht mehr zu decken seien. Um feststellen zu können, welche Bedarfe pauschal noch zu decken seien, seien die Bestandteile des Regelsatzes zu überprüfen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werde dabei für die Nachberechnung der Leistungen der Regelsatz eines Haushaltsvorstands für die Zeit ab dem 01.07.2008 zugrunde gelegt. Es sei festzustellen, dass für die Bedarfsgruppe Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren kein Nachholbedarf bestehe. Für die Bedarfsgruppe Bekleidung, Schuhe bestehe unter Berücksichtigung des in den Grundleistungen nach dem AsylbLG enthaltenen Betrags für Bekleidung ein Nachholbedarf in Höhe von 14,53 EUR pro Monat. Bei der Bedarfsgruppe Strom, Reparaturen und Instandsetzung der Wohnung sei grundsätzlich kein Nachholbedarf feststellbar, es sei denn, es würden Stromschulden nachgewiesen. Bei der Bedarfsgruppe Möbel, sonstige Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte, Instandhaltungskosten sei der Bedarf in der Vergangenheit durch einmalige Beihilfen gedeckt worden. Um für die Zukunft ansparen zu können, werde die Pauschale in Höhe von 25,20 EUR rückwirkend für ein halbes Jahr gewährt. Bei der Bedarfsgruppe Medikamente, Gesundheitspflege sei kein Nachholbedarf feststellbar. Gleiches gelte für die Bedarfsgruppen Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Beherbergungskosten und Gaststättenleistungen sowie andere Waren und Dienstleistungen. Für die Bedarfsgruppe Freizeit, Unterhaltung und Kultur würden pauschal 5 EUR pro Monat nachgezahlt, es sei denn der Kläger weise einen höheren Nachholbedarf nach. Für den Haushaltsvorstand sei somit für die letzten sechs Monate vor der Antragstellung ein Betrag in Höhe von 44,73 EUR monatlich und für die davor liegenden Monate ein Betrag in Höhe von 19,53 EUR monatlich nachzugewähren. Haushaltsangehörige erhielten ihre Nachzahlungen prozentual entsprechend dem Anteil ihres Regelsatzes an dem Regelsatz eines Haushaltsvorstands. Die Beklagte ging bei der Nachberechnung der Leistungen an den Kläger davon aus, dass dieser erwachsener Haushaltsangehöriger war und gewährte ihm deshalb für die letzten 6 Monate des Leistungsbezugs eine Nachzahlung in Höhe von 35,78 EUR monatlich (80% des Nachzahlungsbetrags eines Haushaltsvorstandes) und für die übrigen Monate eine Nachzahlung in Höhe von 15,62 EUR monatlich.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zu dessen Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Rechtsprechung des BSG stütze die Berechnungsweise der Nachzahlungen der Beklagten nicht. Die Nachzahlung in Höhe von noch ca. 30 % des Differenzbetrags zwischen den Leistungen nach § 3 AsylbLG und den Leistungen nach § 2 AsylbLG führe dazu, dass rechtswidriges Verwaltungshandeln im Nachhinein noch belohnt werde. Es entstehe eine durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Ausländern, denen von vornherein Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt worden sind.
Durch Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Vertiefung der Gründe der Ausgangsbescheids zurück.
Der Kläger hat daraufhin am 18.08.2009 Klage erhoben. Zu deren Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 02.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 zu verurteilen, ihm Analog-Leistungen gem. § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII nach Maßgabe des § 44 SGB X – hilfsweise nach Maßgabe des § 48 SGB X – unter Anrechnung der gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und unter entsprechender Abänderung der früheren Verwaltungsakte betreffend den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 zu gewähren und den Nachzahlungsbetrag mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft sie die Begründung der angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, hat jedoch nur teilweise Erfolg.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig, soweit die Beklagte dem Kläger weniger als einen Betrag von 750,- EUR an Nachzahlung für den streitbefangenen Zeitraum gewährt.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach § 44 SGB X in Verbindung mit § 2 AsylbLG.
§ 44 SGB X ist vorliegend gem. § 9 Abs. 3 AsylbLG anwendbar (vgl. Urteil des BSG vom 17.06.2008, B 8/9b AY 5/07 R).
Die Beklagte ist gem. § 44 Abs. 3 SGB X für die Entscheidung über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit der im streitbefangenen Zeitraum ergangenen Verwaltungsakte zuständig. Sie ist die gem. § 10 Satz 1 AsylbLG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AG AsylbLG NRW sachlich und gem. § 10 a Abs. 1 AsylbLG örtlich zuständige Behörde. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X bei einem zwischenzeitlichen Ortswechsel des Betroffenen dazu führt, dass nunmehr die dann für ihn örtlich zuständige Behörde über seinen Anspruch nach § 44 SGB X zu entscheiden hat oder ob es bei der Zuständigkeit der Behörde bleibt, die für den Erlass der dem Abänderungsanspruch des Betroffenen unterliegenden Verwaltungsakte in der Vergangenheit zuständig war (so: OVG NRW, Urteil vom 22.01.1998, 8 A 940/96).
Gem. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen hier vor. Denn bei Erlass der für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2009 bestandskräftig ergangenen Verwaltungsakte wurde das Recht unrichtig angewandt.
Die Beklagte gewährte dem Kläger für den gesamten streitbefangenen Zeitraum Leistungen gem. § 3 AsylbLG. Der Kläger hatte aber im streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Nach dieser Regelung ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das Zwölfte Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten bzw. ab dem 28.08.2007 über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger gehörte während des streitbefangenen Zeitraums zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG. Die Beklagte gewährte dem Kläger auch bis zum 31.12.2004 bereits mehr als 48 Monate Leistungen gem. § 3 AsylbLG. Schließlich hat der Kläger seinen Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Hiervon gehen die Beteiligten unstreitig aus. Der Kläger wurde seit dem bestandskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens in der Bundesrepublik geduldet. Anhaltspunkte dafür, dass die fortlaufende Duldung des Klägers darauf beruhte, dass dieser seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat, bestehen nicht. Dazu reicht es nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus, dass der Ausländer die Möglichkeit hatte, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig zu verlassen. Vielmehr setzt der Rechtsmissbrauch im Sinne des § 2 AsylbLG ein auf die Aufenthaltsverlängerung zielendes vorsätzliches, sozialwidriges Verhalten, d.h. im Einzelfall unentschuldbares Verhalten voraus (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, B 8 /9b AY 1/07 R). Ein derartiges Verhalten des Klägers lässt sich hier nicht feststellen.
Der Kläger hatte mithin seit dem 01.01.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG (30.11.2007) einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Der nachträglichen Gewährung von Leistungen an den Kläger steht nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht (BSG) erst durch das o.a. Urteil vom 17.06.2008 entschieden hat, dass die Weigerung eines Ausländers freiwillig auszureisen keinen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 2 AsylbLG begründet. Zwar bestimmt § 330 Abs. 1 SGB III Folgendes: Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Hier wurde die Regelung des § 2 AsylbLG durch die Beklage so ausgelegt, dass derjenige sich rechtsmissbräuchlich verhält, der von der Möglichkeit freiwillig auszureisen keinen Gebrauch macht. Erst durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008, B 8/9b AY 1/07 R, war klar, dass die freiwillige Ausreisemöglichkeit für sich gesehen keinen Rechtsmissbrauch begründet. Die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 330 Abs. 1 SGB III hätte also zur Folge, dass eine Aufhebung bzw. entsprechende Abänderung der Bescheide der Beklagten mit Blick auf den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG erst ab dem 17.06.2008 in Betracht käme.
Für eine Anwendung der Regelung des § 330 Abs. 1 SGB III könnte zwar sprechen, dass diese Regelung bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II anwendbar ist und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ebenso wie die Leistungen nach dem 3. und dem 4. Kapitel des SGB XII und die Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG der Sicherung des Lebensunterhalts dienen.
§ 44 Abs. 1 SGB X enthält aber seinem Wortlaut nach keine Einschränkung dergestalt, dass es für die Frage, ob das Recht unrichtig angewandt wurde, darauf ankommt, wie das Recht im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts höchstrichterlich ausgelegt wurde. Auch das AsylbLG enthält keine Vorschriften, die auf eine entsprechende Anwendbarkeit des § 330 Abs. 1 SGB III verweisen. Gleiches gilt für das SGB XII. Schließlich hat das BSG in dem Urteil vom 17.06.2008, B 8 AY 5/07 R, keinerlei Beschränkung der Anwendbarkeit des § 44 SGB X mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 330 Abs. 1 SGB III vorgenommen. Der Rechtsgedanke des § 330 Abs. 1 SGB III ist nach allem hier nicht anzuwenden.
Gem. § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.
Ein Anspruch auf die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts für die Vergangenheit und die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen besteht allerdings nur "nach den Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuchs". Es muss also den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen werden. Im Bereich des Asylbewerberleistungsrechts ist insoweit zu berücksichtigen, dass diese Leistungen nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und nicht als nachträgliche Geldleistungen ausgestaltet sind. Insoweit gilt nichts anderes als im Sozialhilferecht (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 16/08 R, mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Ziel eingeführt wurde, ein eigenes Leistungsgesetz für solche Ausländer zu schaffen, die sich in aller Regel nur vorübergehend und mit einem ausländerrechtlich nicht gefestigten Status in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Das Bundessozialhilfegesetz, dessen Ziel es war, ein existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, sollte auf die Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nicht mehr angewendet werden. Dadurch sollten auch die leistungsrechtlichen Anreize für einen weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland abgebaut werden (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 12/4451). Dieser – auch heute noch bestehenden – Zielsetzung des AsylbLG würde es entgegenstehen, über § 44 SGB X für Bedarfe, die in der Vergangenheit entstanden sind, mehr als den jetzt noch gegenwärtigen Bedarf an Leistungen zu gewähren. Die Regelung des § 2 AsylbLG war wegen einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie und Senioren in das AsylbLG 1993 aufgenommen worden und verfolgte das Ziel, nach einem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik die Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse zu fördern (vgl. BT-Drucksache 12/5008, S. 15). Dieses Ziel verfolgt die Gewährung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG bis heute. Dieses Ziel gebietet es nicht, über § 44 Abs. 4 SGB X für die Vergangenheit selbst dann noch Leistungen zu gewähren, wenn der Bedarf an diesen Leistungen nicht mehr gegenwärtig bzw. aktuell ist. Denn die Integration eines Leistungsberechtigten lässt sich für die Vergangenheit durch derartige Leistungen nicht mehr herstellen.
Ausgehend hiervon besteht ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach § 44 Abs. 1 und 4 SGB X in Verbindung mit § 2 AsylbLG nur insoweit, als der Leistungsberechtigte dieser Leistungen gegenwärtig noch bedarf. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 17.06.2008, B 8 AY 5/07 R, Folgendes ausgeführt: Höhere Leistungen sind nur gerechtfertigt, wenn die den Klägern nach §§ 3 ff. AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach niedriger sind als die Leistungen, die ihnen nach dem SGB XII zugestanden hätten. Bei dem erforderlichen Vergleich ist ohne Bedeutung, ob den Klägern nach den §§ 3 ff. AsylbLG Einmalleistungen gewährt wurden, die bei entsprechender Anwendung des SGB XII als Pauschalleistungen abgegolten würden. Andererseits ist zu beachten, dass ggf. Bedarfe, die durch das SGB XII hätten gedeckt werden müssen, mittlerweile entfallen sein könnten. Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG, die durch das SGB XII nicht gedeckt werden, sind demgegenüber nicht in die Vergleichsberechnung mit einzubeziehen. Dies gilt beispielsweise für die Krankenbehandlung nach § 4 AsylbLG (wird näher ausgeführt).
Unter Berücksichtigung dieser Urteilsgründe scheint es nahe zu liegen, eine Differenzberechnung zwischen den nach §§ 3 ff AsylbLG zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts gewährten Leistungen und den Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII durchzuführen, d.h. die dem Kläger gewährten Grundleistungen zuzüglich der einmaligen Hilfeleistungen, insbesondere unter Anwendung des § 6 AsylbLG, von den Regelsatzleistungen nach dem SGB XII abzuziehen. Hierzu neigt offenbar auch das BSG, wenn es in dem o.a. Urteil vom 29.09.2009 zum Sozialhilferecht ausführt, dass es bei pauschalierten Leistungen, die – wie der Regelsatz – typisierend von einer Bedarfsdeckung ausgehen und nicht nur die Höhe des nachzuweisenden Bedarfs typisierend pauschalieren, nicht des Nachweises anderweitiger Bedarfsdeckung bedürfe, wenn sie nicht nur der Befriedigung eins aktuellen, sondern auch eines zukünftigen und vergangenen Bedarfs dienen. Diese Pauschalen würden daher nicht an der von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommenen "Existenzschwäche" des Sozialhilfeanspruchs teilnehmen und seien bei fortdauernder Bedürftigkeit im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X nachzuzahlen.
Andererseits enthält das o.a. Urteil des BSG vom 17.06.2008, B 8 R 5/07 R, die Einschränkung, dass nicht mehr bestehende Bedarfe nicht mehr zu decken zu seien. Da die Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG der Höhe nach deutlich von der Regelsatzleistung nach dem SGB XII differieren, macht diese Einschränkung nur Sinn, wenn das BSG letztlich eine einschränkende Nachzahlung der Regelsatzleistungen ins Auge gefasst hatte. Denn neben den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG werden sonstige Leistungen zum Lebensunterhalt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt (vgl. dazu die Regelung des § 6 AsylbLG). Regelmäßig werden die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und etwaige sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG daher nicht die Regelsatzhöhe des SGB XII erreichen sondern weit darunter bleiben.
Der Kläger beruft sich darauf, die Beklagte habe ihm die Leistungen nach § 2 AsylbLG über den hier streitbefangenen Zeitraum rechtswidrig vorenthalten. Der Kläger begründet die Nachzahlung des vollen Differenzbetrags also im Wesentlichen mit einem Anspruch auf Schadensersatz für ein rechtswidrig vorenthaltenes höheres Lebensniveau als das des § 3 AsylbLG geht. Die nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringende Leistung soll aber unter Berücksichtigung des Gegenwärtigkeits- bzw. Aktualitätsgrundsatzes des AsylbLG keine Entschädigungsleistung darstellen, sondern der Deckung des aus der Vergangenheit noch vorhandenen Bedarfs bzw. des Surrogats dieses Bedarfs dienen (vgl. BSG, o.a. Urteil vom 29.09.2009). Auch die Ausführungen des Klägers zu der Verfassungswidrigkeit des § 3 AsylbLG führen zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn die Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 01.01.2005 nicht existenzsichernd gewesen sein sollten, hat dies nicht zur Folge, dass die Differenz zwischen den bislang gewährten Leistungen und den hier beanspruchten Leistungen nach § 2 AsylbLG ein gegenwärtig noch vorhandener und damit noch zu deckender Bedarf wäre.
Ausgehend von diesen Überlegungen besteht nach Überzeugung der Kammer trotz der pauschalierten Regelsatzleistungen kein Anspruch auf Nachzahlung der vollen Differenz zwischen dem Wert der nach § 3 AsylbLG und gegebenenfalls weiteren zum Lebensunterhalt gewährten Leistungen (insbesondere unter Anwendung des § 6 AsylbLG) zu den Regelsatzleistungen nach dem SGB XII. Vielmehr besteht für den Haushaltsvorstand allenfalls ein Anspruch auf die nachträgliche Gewährung eines Pauschalbetrags in Höhe von 48,- EUR monatlich ab dem 01.01.2005, begrenzt auf einen Ansparbetrag in Höhe von insgesamt 750,- EUR (vgl. dazu die ausführliche Begründung des Urteils der Kammer vom 12.04.2010, 12 AY 89/09).
Der Kläger hat mithin gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung eines Betrags in Höhe von maximal 750,- EUR. Die Kammer hat ihm deshalb die Differenz zwischen der bislang gewährten Nachzahlung und diesem Betrag zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Eine über diesen Ansparbetrag hinausgehende Leistung für die Vergangenheit kommt nur dann in Betracht, wenn der Betroffene in der Vergangenheit mit Hilfe von Dritten den hier geltend gemachten Bedarf gedeckt hat, wenn also festgestellt werden kann, dass an die Stelle des damaligen Bedarfs nunmehr ein Surrogat in Form entsprechender Schulden besteht. Dies ist hier nicht der Fall.
Schließlich ist bei der Nachgewährung von Leistungen unter Berücksichtigung des o.a. Urteils des BSG vom 29.09.2009 zu berücksichtigen, ob die Bedürftigkeit des Betroffenen deshalb entfallen ist, weil er zwischenzeitlich erwerbstätig ist und deshalb nicht mehr auf die Nachzahlung von Leistungen für die Vergangenheit angewiesen ist. Derartiges lässt sich hier letztlich nicht feststellen.
Das BSG stellt für die Frage, ob ein Anspruch auf Nachzahlung von Leistungen nach § 44 SGB X bestehe, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der jeweiligen Tatsacheninstanz ab. Diesen Rechtsstandpunkt teilt die erkennende Kammer nicht. Für die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig war, kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses bzw. – bei Sozialleistungen – auf die Frage an, ob der Betroffene nach damaliger Sach- und Rechtslage, die bis zur letzten Tatsacheninstanz geklärt werden kann, einen Anspruch auf die Gewährung der bestandskräftig abgelehnten oder nur teilweise gewährten Sozialleistungen hatte. Stellt sich heraus, dass dies der Fall ist, so kann es für die Frage, welche Leistungen dem Berechtigten unter Berücksichtigung der Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs nachzuzahlen sind, unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 19. Abs. 4 GG nicht darauf ankommen, ob Bedürftigkeit noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, d.h. der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz besteht. Vielmehr kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Antrag nach § 44 Abs. 1 SGB X an, d.h. auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids, der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Andernfalls würde die Entscheidung einer Vielzahl der hier gegenwärtig anhängigen Verfahren, in denen die Beteiligten über die Frage der rückwirkenden Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG streiten, wann die letzte mündliche Verhandlung durchgeführt und ob die jeweiligen Kläger bis dahin noch bedürftig sind oder nicht oder wieder bedürftig sind. Dies könnte dazu führen, dass eine zunächst rechtmäßig getroffene Verwaltungsentscheidung wegen der zwischenzeitlich wieder eingetretenen Bedürftigkeit nachträglich rechtswidrig wird und umgekehrt. Deshalb bedarf es aus Gründen der Effektivität der Rechtsschutzgewährung eines von vornherein feststehenden Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Das Gericht stellt hierbei unter Berücksichtigung der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X auf den Zeitpunkt des angegriffenen Bescheids ab.
Hier kann offen bleiben, ob auf den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2009 abzustellen ist, mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 2 AsylbLG dem Grunde nach anerkannte, oder auf den in diesem Verfahren angegriffenen Bescheid vom 02.07.2009.
Der Kläger bezog nämlich im Februar 2009 noch Sozialleistungen nach dem SGB II. Im Juli 2009 war der Kläger zwar erwerbstätig und aus dem laufenden Hilfebezug nach dem SGB II ausgeschieden. Dies allein rechtfertigt es indessen nicht davon auszugehen, dass er keiner Nachzahlung von Leistungen nach § 2 AsylbLG mehr bedurfte. Denn das Gericht stellt für diese Frage nicht darauf ab, ob der Betroffene Leistungen nach dem SGB XII oder SGB II in Anspruch nimmt, sondern darauf, ob der Betroffene über Erwerbseinkommen verfügt, das oberhalb des Leistungsbedarfs nach dem SGB II liegt. Dies war hier nicht der Fall.
Das um die Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit (§§ 12 Abs. 1 Satz 2 und 30 SGB II) bereinigte Einkommen des Klägers reichte nach überschlägiger Berechnung nicht zur Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II in Höhe von ca. 474 EUR (323 EUR Regelleistung zuzüglich eines Betrags von ca. 151 EUR an Unterkunfts- und Heizkosten = 1/4 der tatsächlichen Kosten).
Auch unter Berücksichtigung der familiären Verhältnisse des Klägers war der Kläger nach überschlägiger Berechnung noch hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Der Kläger lebte in Haushaltsgemeinschaft mit seiner Tochter, seiner Lebensgefährtin und deren Tochter. Das um die Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit bereinigte durchschnittliche Einkommen des Klägers und seiner Lebensgefährtin (ca. 789 EUR) und das Kindergeld (328 EUR) reichten nach überschlägiger Berechnung zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts der Familie des Klägers in Höhe von ca. 1.680,- EUR (Regelleistungen, Unterkunfts- und Heizkosten) nicht aus. Selbst wenn das Kind der Lebensgefährtin UVG-Leistungen erhalten haben sollte, reichten die Mittel der Familie nicht zur Deckung des Lebensunterhalts aus.
Selbst wenn man für die Frage, ob die Bedürftigkeit wegen Erwerbstätigkeit weggefallen ist, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellt, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Kläger ist seit dem 01.04.2010 arbeitslos. Das Arbeitslosengeld deckt seinen Hilfebedarf nach dem SGB II nicht ab. Der Kläger ist also nach wie vor bedürftig.
Ein Anspruch auf Verzinsung der Nachzahlungsbeträge besteht nicht. § 44 SGB I ist auf Leistungsansprüche nach dem AsylbLG nicht anwendbar. Eine Anwendbarkeit ergibt sich auch nicht über § 44 SGB X. Denn § 44 SGB X enthält keine eigene Verzinsungsregelung. Die Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB I müsste deshalb im AsylbLG selbst geregelt sein, was nicht der Fall ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren um die Gewährung von Leistungen entsprechend den Regelungen des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007.
Der am 00.00.1981 geborene Kläger stammt aus dem Kosovo. Er ist Roma. Der Kläger reiste gemeinsam mit seinen Eltern und seinen Geschwistern im Jahr 1991 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte seine Anerkennung als Asylberechtigter. Seit dem 16.10.1991 hält er sich im Zuständigkeitsbereich der Beklagten auf. Das Asylverfahren des Klägers wurde am 21.08.1995 bestandskräftig abgeschlossen. In der Folgezeit wurde der Kläger ausländerrechtlich geduldet. Am 12.11.2007 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 104 a AufenthG, die bis zum 31.12.2009 befristet war. Am 05.11.2009 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis gem. §§ 23 Abs. 1, 104 a Abs. 5 AufenthG, die bis zum 04.11.2011 befristet ist.
Die Beklagte gewährte dem Kläger seit seiner Einreise Sozialhilfeleistungen, seit dem Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes am 01.07.1993 (AsylbLG) Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Die Beklagte stellte die Leistungen an den Kläger durch Bescheid vom 15.12.2007 wegen der zwischenzeitlich entfallenen Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG ein.
Der Kläger war seit dem 01.11.2007 mit Unterbrechungen erwerbstätig. Seither nahm er keine Sozialleistungen mehr in Anspruch.
Der Kläger lebt seit dem 15.02.2009 (Anmietung einer gemeinsamen Wohnung) mit seiner Lebensgefährtin zusammen. Der Kläger hat gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ein Kind, geb. am 00.00.2003. Seine Lebensgefährtin hat ein weiteres Kind, geb. am 00.00.2006. Der Kläger war bis Januar 2009 arbeitslos. Im Februar 2009 nahm er zunächst eine geringfügige Beschäftigung auf. Er erhielt für diesen Monat noch Leistungen nach dem SGB II. Seit dem 02.03.2009 arbeitete der Kläger bei der Firma T ... Er erzielte dort im Jahre 2009 ein durchschnittliches Nettoeinkommen in Höhe von 515,50 EUR. Seine Lebensgefährtin war ebenfalls erwerbstätig. Sie erzielte bis Juni 2009 ein Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich ca. 500 EUR netto, seit Juli 2009 bis Dezember 2009 erzielte sie ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich ca. 671 EUR. An Unterkunftskosten zahlen der Kläger und seine Lebensgefährtin seit dem 15.02.2009 insgesamt 606,75 einschließlich der Betriebsnebenkosten und der Heiz- und Warmwasserkosten. Der Kläger und seine Lebensgefährtin erhalten für die beiden Kinder Kindergeld. Der Kläger ist seit dem 01.04.2010 arbeitslos. Er erhält seither monatlich 425,40 EUR Arbeitslosengeld.
Mit Schreiben vom 02.02.2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug unter Abänderung bestandskräftig gewordener Bescheide und unter Anwendung des § 44 SGB X Leistungen gem. § 2 AsylbLG zu gewähren.
Durch Bescheid vom 25.02.2009 gewährte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis zur Beendigung der Leistungsberechtigung nach dem AsylbLG unter Anwendung des § 44 SGB X Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Der Kläger habe die Vorbezugsfrist des § 2 AsylbLG zweifelsfrei erfüllt. Er habe seinen Aufenthalt auch nicht rechtsmissbräuchlich verlängert. Er habe deshalb ab dem 01.01.2005 einen Anspruch auf Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Über die Höhe des Nachzahlungsbetrag erhalte der Kläger noch einen gesonderten Bescheid.
Mit Schreiben vom 25.05.2009 erinnerte der Kläger an die Berechnung seiner Nachzahlung. Gleichzeitig beantragte er, den Nachzahlungsbetrag jeweils ab Erlass des ursprünglichen ablehnenden Verwaltungsaktes im Rahmen der rückwirkenden Neufestsetzung mit 4 % zu verzinsen.
Durch Bescheid vom 02.07.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 Leistungen gem. § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 667,66 EUR. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, das Bundessozialgericht (BSG) habe durch Urteil vom 17.06.2008, B 8/9b AY 1/07 R, entschieden, dass bei der rückwirkenden Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG unter Anwendung des § 44 SGB X der Aktualitätsgrundsatz zu berücksichtigen sei. Dies bedeute, dass nicht mehr bestehende Bedarfe nachträglich nicht mehr zu decken seien. Um feststellen zu können, welche Bedarfe pauschal noch zu decken seien, seien die Bestandteile des Regelsatzes zu überprüfen. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung werde dabei für die Nachberechnung der Leistungen der Regelsatz eines Haushaltsvorstands für die Zeit ab dem 01.07.2008 zugrunde gelegt. Es sei festzustellen, dass für die Bedarfsgruppe Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren kein Nachholbedarf bestehe. Für die Bedarfsgruppe Bekleidung, Schuhe bestehe unter Berücksichtigung des in den Grundleistungen nach dem AsylbLG enthaltenen Betrags für Bekleidung ein Nachholbedarf in Höhe von 14,53 EUR pro Monat. Bei der Bedarfsgruppe Strom, Reparaturen und Instandsetzung der Wohnung sei grundsätzlich kein Nachholbedarf feststellbar, es sei denn, es würden Stromschulden nachgewiesen. Bei der Bedarfsgruppe Möbel, sonstige Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte, Instandhaltungskosten sei der Bedarf in der Vergangenheit durch einmalige Beihilfen gedeckt worden. Um für die Zukunft ansparen zu können, werde die Pauschale in Höhe von 25,20 EUR rückwirkend für ein halbes Jahr gewährt. Bei der Bedarfsgruppe Medikamente, Gesundheitspflege sei kein Nachholbedarf feststellbar. Gleiches gelte für die Bedarfsgruppen Verkehr, Nachrichtenübermittlung, Beherbergungskosten und Gaststättenleistungen sowie andere Waren und Dienstleistungen. Für die Bedarfsgruppe Freizeit, Unterhaltung und Kultur würden pauschal 5 EUR pro Monat nachgezahlt, es sei denn der Kläger weise einen höheren Nachholbedarf nach. Für den Haushaltsvorstand sei somit für die letzten sechs Monate vor der Antragstellung ein Betrag in Höhe von 44,73 EUR monatlich und für die davor liegenden Monate ein Betrag in Höhe von 19,53 EUR monatlich nachzugewähren. Haushaltsangehörige erhielten ihre Nachzahlungen prozentual entsprechend dem Anteil ihres Regelsatzes an dem Regelsatz eines Haushaltsvorstands. Die Beklagte ging bei der Nachberechnung der Leistungen an den Kläger davon aus, dass dieser erwachsener Haushaltsangehöriger war und gewährte ihm deshalb für die letzten 6 Monate des Leistungsbezugs eine Nachzahlung in Höhe von 35,78 EUR monatlich (80% des Nachzahlungsbetrags eines Haushaltsvorstandes) und für die übrigen Monate eine Nachzahlung in Höhe von 15,62 EUR monatlich.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zu dessen Begründung trug er im Wesentlichen vor, die Rechtsprechung des BSG stütze die Berechnungsweise der Nachzahlungen der Beklagten nicht. Die Nachzahlung in Höhe von noch ca. 30 % des Differenzbetrags zwischen den Leistungen nach § 3 AsylbLG und den Leistungen nach § 2 AsylbLG führe dazu, dass rechtswidriges Verwaltungshandeln im Nachhinein noch belohnt werde. Es entstehe eine durch nichts gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu den Ausländern, denen von vornherein Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt worden sind.
Durch Widerspruchsbescheid vom 30.07.2009 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers unter Vertiefung der Gründe der Ausgangsbescheids zurück.
Der Kläger hat daraufhin am 18.08.2009 Klage erhoben. Zu deren Begründung vertieft er sein bisheriges Vorbringen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 02.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.07.2009 zu verurteilen, ihm Analog-Leistungen gem. § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII nach Maßgabe des § 44 SGB X – hilfsweise nach Maßgabe des § 48 SGB X – unter Anrechnung der gewährten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und unter entsprechender Abänderung der früheren Verwaltungsakte betreffend den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 zu gewähren und den Nachzahlungsbetrag mit 4 % zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft sie die Begründung der angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, hat jedoch nur teilweise Erfolg.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig, soweit die Beklagte dem Kläger weniger als einen Betrag von 750,- EUR an Nachzahlung für den streitbefangenen Zeitraum gewährt.
Das Begehren des Klägers beurteilt sich nach § 44 SGB X in Verbindung mit § 2 AsylbLG.
§ 44 SGB X ist vorliegend gem. § 9 Abs. 3 AsylbLG anwendbar (vgl. Urteil des BSG vom 17.06.2008, B 8/9b AY 5/07 R).
Die Beklagte ist gem. § 44 Abs. 3 SGB X für die Entscheidung über die Rücknahme nach Unanfechtbarkeit der im streitbefangenen Zeitraum ergangenen Verwaltungsakte zuständig. Sie ist die gem. § 10 Satz 1 AsylbLG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 AG AsylbLG NRW sachlich und gem. § 10 a Abs. 1 AsylbLG örtlich zuständige Behörde. Dabei kann hier offen bleiben, ob die Regelung des § 44 Abs. 3 SGB X bei einem zwischenzeitlichen Ortswechsel des Betroffenen dazu führt, dass nunmehr die dann für ihn örtlich zuständige Behörde über seinen Anspruch nach § 44 SGB X zu entscheiden hat oder ob es bei der Zuständigkeit der Behörde bleibt, die für den Erlass der dem Abänderungsanspruch des Betroffenen unterliegenden Verwaltungsakte in der Vergangenheit zuständig war (so: OVG NRW, Urteil vom 22.01.1998, 8 A 940/96).
Gem. § 44 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 SGB X liegen hier vor. Denn bei Erlass der für die Zeit vom 01.01.2005 bis zum 31.01.2009 bestandskräftig ergangenen Verwaltungsakte wurde das Recht unrichtig angewandt.
Die Beklagte gewährte dem Kläger für den gesamten streitbefangenen Zeitraum Leistungen gem. § 3 AsylbLG. Der Kläger hatte aber im streitbefangenen Zeitraum einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen gem. § 2 AsylbLG. Nach dieser Regelung ist abweichend von den §§ 3 bis 7 das Zwölfte Sozialgesetzbuch (SGB XII) auf diejenigen Leistungsberechtigten anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten bzw. ab dem 28.08.2007 über eine Dauer von insgesamt 48 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger gehörte während des streitbefangenen Zeitraums zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG. Die Beklagte gewährte dem Kläger auch bis zum 31.12.2004 bereits mehr als 48 Monate Leistungen gem. § 3 AsylbLG. Schließlich hat der Kläger seinen Aufenthalt nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Hiervon gehen die Beteiligten unstreitig aus. Der Kläger wurde seit dem bestandskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens in der Bundesrepublik geduldet. Anhaltspunkte dafür, dass die fortlaufende Duldung des Klägers darauf beruhte, dass dieser seinen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat, bestehen nicht. Dazu reicht es nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus, dass der Ausländer die Möglichkeit hatte, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig zu verlassen. Vielmehr setzt der Rechtsmissbrauch im Sinne des § 2 AsylbLG ein auf die Aufenthaltsverlängerung zielendes vorsätzliches, sozialwidriges Verhalten, d.h. im Einzelfall unentschuldbares Verhalten voraus (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008, B 8 /9b AY 1/07 R). Ein derartiges Verhalten des Klägers lässt sich hier nicht feststellen.
Der Kläger hatte mithin seit dem 01.01.2005 bis zum Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG (30.11.2007) einen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Der nachträglichen Gewährung von Leistungen an den Kläger steht nicht entgegen, dass das Bundessozialgericht (BSG) erst durch das o.a. Urteil vom 17.06.2008 entschieden hat, dass die Weigerung eines Ausländers freiwillig auszureisen keinen Rechtsmissbrauch im Sinne des § 2 AsylbLG begründet. Zwar bestimmt § 330 Abs. 1 SGB III Folgendes: Liegen die in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes vor, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für nichtig oder für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist, so ist der Verwaltungsakt, wenn er unanfechtbar geworden ist, nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder ab dem Bestehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Hier wurde die Regelung des § 2 AsylbLG durch die Beklage so ausgelegt, dass derjenige sich rechtsmissbräuchlich verhält, der von der Möglichkeit freiwillig auszureisen keinen Gebrauch macht. Erst durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.06.2008, B 8/9b AY 1/07 R, war klar, dass die freiwillige Ausreisemöglichkeit für sich gesehen keinen Rechtsmissbrauch begründet. Die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 330 Abs. 1 SGB III hätte also zur Folge, dass eine Aufhebung bzw. entsprechende Abänderung der Bescheide der Beklagten mit Blick auf den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG erst ab dem 17.06.2008 in Betracht käme.
Für eine Anwendung der Regelung des § 330 Abs. 1 SGB III könnte zwar sprechen, dass diese Regelung bei Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gem. § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II anwendbar ist und Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ebenso wie die Leistungen nach dem 3. und dem 4. Kapitel des SGB XII und die Analog-Leistungen nach § 2 AsylbLG der Sicherung des Lebensunterhalts dienen.
§ 44 Abs. 1 SGB X enthält aber seinem Wortlaut nach keine Einschränkung dergestalt, dass es für die Frage, ob das Recht unrichtig angewandt wurde, darauf ankommt, wie das Recht im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts höchstrichterlich ausgelegt wurde. Auch das AsylbLG enthält keine Vorschriften, die auf eine entsprechende Anwendbarkeit des § 330 Abs. 1 SGB III verweisen. Gleiches gilt für das SGB XII. Schließlich hat das BSG in dem Urteil vom 17.06.2008, B 8 AY 5/07 R, keinerlei Beschränkung der Anwendbarkeit des § 44 SGB X mit Blick auf den Rechtsgedanken des § 330 Abs. 1 SGB III vorgenommen. Der Rechtsgedanke des § 330 Abs. 1 SGB III ist nach allem hier nicht anzuwenden.
Gem. § 44 Abs. 4 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.
Ein Anspruch auf die Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts für die Vergangenheit und die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen besteht allerdings nur "nach den Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuchs". Es muss also den Besonderheiten des jeweiligen Leistungsrechts Rechnung getragen werden. Im Bereich des Asylbewerberleistungsrechts ist insoweit zu berücksichtigen, dass diese Leistungen nur der Behebung einer gegenwärtigen Notlage dienen und nicht als nachträgliche Geldleistungen ausgestaltet sind. Insoweit gilt nichts anderes als im Sozialhilferecht (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 16/08 R, mit weiteren Nachweisen). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Ziel eingeführt wurde, ein eigenes Leistungsgesetz für solche Ausländer zu schaffen, die sich in aller Regel nur vorübergehend und mit einem ausländerrechtlich nicht gefestigten Status in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Das Bundessozialhilfegesetz, dessen Ziel es war, ein existentiell gesichertes und sozial integriertes Leben in der Bundesrepublik Deutschland zu ermöglichen, sollte auf die Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG nicht mehr angewendet werden. Dadurch sollten auch die leistungsrechtlichen Anreize für einen weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland abgebaut werden (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucksache 12/4451). Dieser – auch heute noch bestehenden – Zielsetzung des AsylbLG würde es entgegenstehen, über § 44 SGB X für Bedarfe, die in der Vergangenheit entstanden sind, mehr als den jetzt noch gegenwärtigen Bedarf an Leistungen zu gewähren. Die Regelung des § 2 AsylbLG war wegen einer entsprechenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie und Senioren in das AsylbLG 1993 aufgenommen worden und verfolgte das Ziel, nach einem längeren Aufenthalt in der Bundesrepublik die Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse zu fördern (vgl. BT-Drucksache 12/5008, S. 15). Dieses Ziel verfolgt die Gewährung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG bis heute. Dieses Ziel gebietet es nicht, über § 44 Abs. 4 SGB X für die Vergangenheit selbst dann noch Leistungen zu gewähren, wenn der Bedarf an diesen Leistungen nicht mehr gegenwärtig bzw. aktuell ist. Denn die Integration eines Leistungsberechtigten lässt sich für die Vergangenheit durch derartige Leistungen nicht mehr herstellen.
Ausgehend hiervon besteht ein Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach § 44 Abs. 1 und 4 SGB X in Verbindung mit § 2 AsylbLG nur insoweit, als der Leistungsberechtigte dieser Leistungen gegenwärtig noch bedarf. Das BSG hat hierzu in seinem Urteil vom 17.06.2008, B 8 AY 5/07 R, Folgendes ausgeführt: Höhere Leistungen sind nur gerechtfertigt, wenn die den Klägern nach §§ 3 ff. AsylbLG gewährten Leistungen der Höhe nach niedriger sind als die Leistungen, die ihnen nach dem SGB XII zugestanden hätten. Bei dem erforderlichen Vergleich ist ohne Bedeutung, ob den Klägern nach den §§ 3 ff. AsylbLG Einmalleistungen gewährt wurden, die bei entsprechender Anwendung des SGB XII als Pauschalleistungen abgegolten würden. Andererseits ist zu beachten, dass ggf. Bedarfe, die durch das SGB XII hätten gedeckt werden müssen, mittlerweile entfallen sein könnten. Leistungen nach §§ 3 ff AsylbLG, die durch das SGB XII nicht gedeckt werden, sind demgegenüber nicht in die Vergleichsberechnung mit einzubeziehen. Dies gilt beispielsweise für die Krankenbehandlung nach § 4 AsylbLG (wird näher ausgeführt).
Unter Berücksichtigung dieser Urteilsgründe scheint es nahe zu liegen, eine Differenzberechnung zwischen den nach §§ 3 ff AsylbLG zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts gewährten Leistungen und den Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII durchzuführen, d.h. die dem Kläger gewährten Grundleistungen zuzüglich der einmaligen Hilfeleistungen, insbesondere unter Anwendung des § 6 AsylbLG, von den Regelsatzleistungen nach dem SGB XII abzuziehen. Hierzu neigt offenbar auch das BSG, wenn es in dem o.a. Urteil vom 29.09.2009 zum Sozialhilferecht ausführt, dass es bei pauschalierten Leistungen, die – wie der Regelsatz – typisierend von einer Bedarfsdeckung ausgehen und nicht nur die Höhe des nachzuweisenden Bedarfs typisierend pauschalieren, nicht des Nachweises anderweitiger Bedarfsdeckung bedürfe, wenn sie nicht nur der Befriedigung eins aktuellen, sondern auch eines zukünftigen und vergangenen Bedarfs dienen. Diese Pauschalen würden daher nicht an der von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung angenommenen "Existenzschwäche" des Sozialhilfeanspruchs teilnehmen und seien bei fortdauernder Bedürftigkeit im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X nachzuzahlen.
Andererseits enthält das o.a. Urteil des BSG vom 17.06.2008, B 8 R 5/07 R, die Einschränkung, dass nicht mehr bestehende Bedarfe nicht mehr zu decken zu seien. Da die Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG der Höhe nach deutlich von der Regelsatzleistung nach dem SGB XII differieren, macht diese Einschränkung nur Sinn, wenn das BSG letztlich eine einschränkende Nachzahlung der Regelsatzleistungen ins Auge gefasst hatte. Denn neben den Grundleistungen nach § 3 AsylbLG werden sonstige Leistungen zum Lebensunterhalt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen gewährt (vgl. dazu die Regelung des § 6 AsylbLG). Regelmäßig werden die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und etwaige sonstige Leistungen nach § 6 AsylbLG daher nicht die Regelsatzhöhe des SGB XII erreichen sondern weit darunter bleiben.
Der Kläger beruft sich darauf, die Beklagte habe ihm die Leistungen nach § 2 AsylbLG über den hier streitbefangenen Zeitraum rechtswidrig vorenthalten. Der Kläger begründet die Nachzahlung des vollen Differenzbetrags also im Wesentlichen mit einem Anspruch auf Schadensersatz für ein rechtswidrig vorenthaltenes höheres Lebensniveau als das des § 3 AsylbLG geht. Die nach § 44 SGB X nachträglich zu erbringende Leistung soll aber unter Berücksichtigung des Gegenwärtigkeits- bzw. Aktualitätsgrundsatzes des AsylbLG keine Entschädigungsleistung darstellen, sondern der Deckung des aus der Vergangenheit noch vorhandenen Bedarfs bzw. des Surrogats dieses Bedarfs dienen (vgl. BSG, o.a. Urteil vom 29.09.2009). Auch die Ausführungen des Klägers zu der Verfassungswidrigkeit des § 3 AsylbLG führen zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn die Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Zeit ab dem 01.01.2005 nicht existenzsichernd gewesen sein sollten, hat dies nicht zur Folge, dass die Differenz zwischen den bislang gewährten Leistungen und den hier beanspruchten Leistungen nach § 2 AsylbLG ein gegenwärtig noch vorhandener und damit noch zu deckender Bedarf wäre.
Ausgehend von diesen Überlegungen besteht nach Überzeugung der Kammer trotz der pauschalierten Regelsatzleistungen kein Anspruch auf Nachzahlung der vollen Differenz zwischen dem Wert der nach § 3 AsylbLG und gegebenenfalls weiteren zum Lebensunterhalt gewährten Leistungen (insbesondere unter Anwendung des § 6 AsylbLG) zu den Regelsatzleistungen nach dem SGB XII. Vielmehr besteht für den Haushaltsvorstand allenfalls ein Anspruch auf die nachträgliche Gewährung eines Pauschalbetrags in Höhe von 48,- EUR monatlich ab dem 01.01.2005, begrenzt auf einen Ansparbetrag in Höhe von insgesamt 750,- EUR (vgl. dazu die ausführliche Begründung des Urteils der Kammer vom 12.04.2010, 12 AY 89/09).
Der Kläger hat mithin gegen die Beklagte einen Anspruch auf die Gewährung eines Betrags in Höhe von maximal 750,- EUR. Die Kammer hat ihm deshalb die Differenz zwischen der bislang gewährten Nachzahlung und diesem Betrag zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Eine über diesen Ansparbetrag hinausgehende Leistung für die Vergangenheit kommt nur dann in Betracht, wenn der Betroffene in der Vergangenheit mit Hilfe von Dritten den hier geltend gemachten Bedarf gedeckt hat, wenn also festgestellt werden kann, dass an die Stelle des damaligen Bedarfs nunmehr ein Surrogat in Form entsprechender Schulden besteht. Dies ist hier nicht der Fall.
Schließlich ist bei der Nachgewährung von Leistungen unter Berücksichtigung des o.a. Urteils des BSG vom 29.09.2009 zu berücksichtigen, ob die Bedürftigkeit des Betroffenen deshalb entfallen ist, weil er zwischenzeitlich erwerbstätig ist und deshalb nicht mehr auf die Nachzahlung von Leistungen für die Vergangenheit angewiesen ist. Derartiges lässt sich hier letztlich nicht feststellen.
Das BSG stellt für die Frage, ob ein Anspruch auf Nachzahlung von Leistungen nach § 44 SGB X bestehe, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der jeweiligen Tatsacheninstanz ab. Diesen Rechtsstandpunkt teilt die erkennende Kammer nicht. Für die Frage, ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig war, kommt es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seines Erlasses bzw. – bei Sozialleistungen – auf die Frage an, ob der Betroffene nach damaliger Sach- und Rechtslage, die bis zur letzten Tatsacheninstanz geklärt werden kann, einen Anspruch auf die Gewährung der bestandskräftig abgelehnten oder nur teilweise gewährten Sozialleistungen hatte. Stellt sich heraus, dass dies der Fall ist, so kann es für die Frage, welche Leistungen dem Berechtigten unter Berücksichtigung der Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs nachzuzahlen sind, unter Berücksichtigung der Regelung des Art. 19. Abs. 4 GG nicht darauf ankommen, ob Bedürftigkeit noch im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, d.h. der letzten gerichtlichen Tatsacheninstanz besteht. Vielmehr kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde über den Antrag nach § 44 Abs. 1 SGB X an, d.h. auf den Zeitpunkt des Erlasses des Ausgangsbescheids, der Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Andernfalls würde die Entscheidung einer Vielzahl der hier gegenwärtig anhängigen Verfahren, in denen die Beteiligten über die Frage der rückwirkenden Gewährung von Leistungen nach § 2 AsylbLG streiten, wann die letzte mündliche Verhandlung durchgeführt und ob die jeweiligen Kläger bis dahin noch bedürftig sind oder nicht oder wieder bedürftig sind. Dies könnte dazu führen, dass eine zunächst rechtmäßig getroffene Verwaltungsentscheidung wegen der zwischenzeitlich wieder eingetretenen Bedürftigkeit nachträglich rechtswidrig wird und umgekehrt. Deshalb bedarf es aus Gründen der Effektivität der Rechtsschutzgewährung eines von vornherein feststehenden Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Das Gericht stellt hierbei unter Berücksichtigung der Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X auf den Zeitpunkt des angegriffenen Bescheids ab.
Hier kann offen bleiben, ob auf den Bescheid der Beklagten vom 25.02.2009 abzustellen ist, mit dem die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Leistungen nach § 2 AsylbLG dem Grunde nach anerkannte, oder auf den in diesem Verfahren angegriffenen Bescheid vom 02.07.2009.
Der Kläger bezog nämlich im Februar 2009 noch Sozialleistungen nach dem SGB II. Im Juli 2009 war der Kläger zwar erwerbstätig und aus dem laufenden Hilfebezug nach dem SGB II ausgeschieden. Dies allein rechtfertigt es indessen nicht davon auszugehen, dass er keiner Nachzahlung von Leistungen nach § 2 AsylbLG mehr bedurfte. Denn das Gericht stellt für diese Frage nicht darauf ab, ob der Betroffene Leistungen nach dem SGB XII oder SGB II in Anspruch nimmt, sondern darauf, ob der Betroffene über Erwerbseinkommen verfügt, das oberhalb des Leistungsbedarfs nach dem SGB II liegt. Dies war hier nicht der Fall.
Das um die Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit (§§ 12 Abs. 1 Satz 2 und 30 SGB II) bereinigte Einkommen des Klägers reichte nach überschlägiger Berechnung nicht zur Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II in Höhe von ca. 474 EUR (323 EUR Regelleistung zuzüglich eines Betrags von ca. 151 EUR an Unterkunfts- und Heizkosten = 1/4 der tatsächlichen Kosten).
Auch unter Berücksichtigung der familiären Verhältnisse des Klägers war der Kläger nach überschlägiger Berechnung noch hilfebedürftig im Sinne des SGB II. Der Kläger lebte in Haushaltsgemeinschaft mit seiner Tochter, seiner Lebensgefährtin und deren Tochter. Das um die Freibeträge wegen Erwerbstätigkeit bereinigte durchschnittliche Einkommen des Klägers und seiner Lebensgefährtin (ca. 789 EUR) und das Kindergeld (328 EUR) reichten nach überschlägiger Berechnung zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts der Familie des Klägers in Höhe von ca. 1.680,- EUR (Regelleistungen, Unterkunfts- und Heizkosten) nicht aus. Selbst wenn das Kind der Lebensgefährtin UVG-Leistungen erhalten haben sollte, reichten die Mittel der Familie nicht zur Deckung des Lebensunterhalts aus.
Selbst wenn man für die Frage, ob die Bedürftigkeit wegen Erwerbstätigkeit weggefallen ist, auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abstellt, führt dies hier zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Kläger ist seit dem 01.04.2010 arbeitslos. Das Arbeitslosengeld deckt seinen Hilfebedarf nach dem SGB II nicht ab. Der Kläger ist also nach wie vor bedürftig.
Ein Anspruch auf Verzinsung der Nachzahlungsbeträge besteht nicht. § 44 SGB I ist auf Leistungsansprüche nach dem AsylbLG nicht anwendbar. Eine Anwendbarkeit ergibt sich auch nicht über § 44 SGB X. Denn § 44 SGB X enthält keine eigene Verzinsungsregelung. Die Anwendung des § 44 Abs. 1 SGB I müsste deshalb im AsylbLG selbst geregelt sein, was nicht der Fall ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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