S 39 AS 9775/10 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
39
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 39 AS 9775/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht und Beiordnung von Rechtsanwältin A D, A ...str ..., ... B wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Der am 22. März 2010 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem die Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Kosten für eine mehrtägige Kindergartenfahrt des Antragstellers zu 3.) in Höhe von 121,00 Euro - hilfsweise als Darlehen - begehren, bleibt ohne Erfolg.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung liegen nicht vor.

Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn ein Anordnungsanspruch (im Hinblick auf das materiell geltend gemachte Recht) und ein Anordnungsgrund (im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit) glaubhaft gemacht sind (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, 924 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Vorliegend können die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Eine Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten für die Kindergartenfahrt existiert nicht.

Der von den Antragstellern zur Begründung ihres Antrags herangezogene § 23 Abs. Nr. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist nicht einschlägig. Die im Rahmen dieser Vorschrift mögliche gesonderte Leistungserbringung außerhalb der Regelleistung ist ausweislich des eindeutigen Wortlauts nur für "mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen" vorgesehen. Die Fahrt des Kindergartens "K M ", den der Antragsteller zu 3.) besucht, unterfällt nicht den schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Berlin. Im Schulrecht des Landes Berlin sind die Bestimmungen zur Durchführung von Schülerfahrten in den Ausführungsvorschriften zu Veranstaltungen in der Schule ("AV Veranstaltungen") der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung niedergelegt. Diese Vorschriften sind jedoch auf den Kindergarten des Antragstellers zu 3.) nicht anzuwenden. Ausweislich der Ziffer 1 der "AV Veranstaltungen" ist ihr Anwendungsbereich auf allgemeinbildende und berufliche Schulen sowie auf Einrichtungen zum nachträglichen Erwerb schulischer Abschlüsse begrenzt. Der in privater Trägerschaft der F B gGmbH geführte Kindergarten "K M ..." steht außerhalb dieses Anwendungsbereichs. Da der Kindergarten des Antragstellers zu 3.) bereits nicht unter die schulrechtlichen Bestimmungen des Landes Berlin fällt, kommt es auf das Vorliegen weiterer Anspruchsvoraussetzungen aus § 23 Abs. 3 Nr. 3 SGB II nicht an.

Eine Pflicht zur Übernahme der Teilnahmekosten für die Kindergartenfahrt folgt entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (Az: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser von den Antragstellern zur Begründung ihres Antrags herangezogenen Entscheidung festgestellt, dass der Gesetzgeber den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken darf, jedoch für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen muss. Die vorliegend geltend gemachten Kosten für die Kindergartenfahrt sind bereits keine laufenden, sondern nur einmalig anfallende Kosten, so dass auch ein unmittelbar aus den Grundrechten herzuleitender Anspruch hier nicht besteht.

Soweit die Antragsteller hilfsweise eine darlehensweise Gewährung begehren, bleibt ihr Antrag auch diesbezüglich ohne Erfolg. Gemäß § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II ist einem Hilfebedürftigen ein Darlehen zu gewähren, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Unabweisbarkeit liegt jedoch nur vor, wenn es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe kommt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regeleistung beseitigt bzw. aufgefangen werden kann (Lang/Blüggel in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, § 23 Rn. 29). Dass diese Voraussetzungen für eine Darlehensgewährung gegeben sind, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. In Anbetracht der Gesamtleistungen des Antragsgegners an die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller von monatlich rund 1.800,00 - 1.900,00 Euro ist für die Kammer nicht ersichtlich, warum eine ggf. über zwei Monate gestreckte Mittelumschichtung für die aufzubringenden 121,00 Euro nicht möglich sein soll. Hinzu kommt, dass die Antragsteller zu 1.) und 2.) nach telefonischer Auskunft der Kindergartenleiterin Frau B vom heutigen Tage seit circa einem Jahr darüber informiert sind, was die Fahrt – für deren Durchführung sie sich mit ausgesprochen haben - kosten wird. Diese frühzeitige Information dient nach Aussage der Kindergartenleiterin auch dem Zweck, sozial schwächeren Familien die Möglichkeit zu eröffnen, den Kostenbeitrag langfristig anzusparen. In Anbetracht der bereits vor einem Jahr bekannten Höhe des Kostenbeitrages von 121,00 Euro wäre es den Antragstellern nach Auffassung der Kammer ohne weiteres möglich gewesen, diese Summe durch Rücklage von lediglich 10,00 Euro pro Monat aufzubringen. In Anbetracht der den Antragstellern monatlich überwiesenen Leistungen des Antragsgegners war eine solche Rücklage den Antragstellern auch zuzumuten. Hinzu kommt weiterhin, dass auch das hilfsweise begehrte Darlehen an den Antragsgegner zurückzuführen gewesen wäre. Die Antragsteller haben insoweit durch ihre schriftsätzlich erklärte Bereitschaft, ein Darlehen und die damit einhergehende Rückführungspflicht zu akzeptieren, zu erkennen gegeben, dass ihnen offensichtlich die Umschichtung eines entsprechenden Betrages möglich ist und damit auch in der Vergangenheit möglich gewesen wäre.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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