L 1 AS 1745/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 3472/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 1745/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 06.04.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
3. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht [BVerwG] Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Denn grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden. Wegen des Gebots, effektiven Rechtsschutz zu gewähren (vgl. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz [GG]), ist von diesem Grundsatz aber eine Abweichung dann geboten, wenn ohne die begehrte Anordnung schwere und unzumutbare, später nicht wieder gutzumachende Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine nachfolgende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfGE 79, 69 , 74 m.w.N.). Ein Anordnungsgrund liegt nur dann vor, wenn eine einstweilige Anordnung im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Abwendung - insbesondere grundrechtsrelevanter - wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Der Antragsteller hat im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes das Bestehen des zu sichernden materiellen Anspruches (Anordnungsanspruch) sowie die besondere Dringlichkeit des Erlasses der begehrten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 der Zivilprozessordnung [ZPO]).

Sofern Leistungen für die Zeit vor der erstmaligen Antragstellung auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Konstanz (SG) am 14.12.2009 geltend gemacht werden (Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 13.12.2009), wird die Gewährung von Leistungen für die Vergangenheit begehrt, wofür regelmäßig ein Anordnungsgrund zu verneinen ist. Einstweilige Anordnungen, die sich auf vergangene Zeiträume beziehen, scheiden grundsätzlich aus, weil mit ihnen keine aktuellen Bedarfslagen mehr befriedigt werden können. Insoweit fehlt es regelmäßig an einer spezifischen, dem vorliegenden Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, deretwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.02.2010 - L 25 AS 2159/09 B ER -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.01.2010 - L 11 AS 785/09 B ER -; LSG Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.12.2009 - L 12 (20) B 124/09 AS ER -; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.02.2010 - L 11 KR 6029/09 ER-B -). Dass den Antragstellern hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile drohen könnten, zu deren Abwendung es der von ihnen begehrten einstweiligen Anordnung auch für den genannten in der Vergangenheit liegenden Zeitraum bedarf, kann ihrem Vorbringen nicht entnommen werden; dafür ist auch sonst nichts ersichtlich.

Soweit Leistungen für die Zeit ab der Antragstellung beim SG am 14.12.2009 begehrt werden, sind weder ein Anordnungsgrund noch ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss des SG Bezug genommen. Danach ist insbesondere darauf abzustellen, dass der Antragsteller zu Ziff. 1) in den Jahren 2008 und 2009 nach den von ihm vorgelegten Kontoauszügen monatliche Einkünfte von jeweils deutlich über 3.000,- EUR erzielt hat.

Für die Zeit ab Januar 2010 ist nach den Ausführungen des SG und des Antragstellers zu Ziff. 1) wegen der fortlaufenden Einnahmen durch den Verlag und Darlehen weiterhin ein ausreichendes regelmäßiges Einkommen der Antragsteller dokumentiert. So ist in der Zeit vom 04.01.2010 bis zum 17.03.2010 ein Zufluss von insgesamt 6.742,28 EUR belegt; auf die diesbezügliche Berechnung des SG anhand der vom Antragsteller zu Ziff. 1.) vorgelegten Kontoauszüge wird verwiesen. Aus dem Vortrag der Antragstellers ist zu entnehmen, dass er aufgrund der Fortführung seiner verlegerischen Tätigkeit fortlaufend mit diesen zwar wechselnden, aber konstant vorhandenen Einkünften rechnen kann. Das SG weist zutreffend darauf hin, dass angesichts eines monatlich anzunehmenden Bedarfs der aus drei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft in Höhe vom 1.652,68 EUR von einer Deckung des Bedarfs durch die Einkünfte der Antragsteller auszugehen ist.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsteller zu Ziff. 1.) sowohl bei seinem Privatkonto als auch seinem Geschäftskonto an die Grenze der ihm jeweils eingeräumten Dispositionskredite stößt. Denn solange seine laufenden Einnahmen ihm die Bestreitung des Lebensunterhalts der Bedarfsgemeinschaft ermöglichen, erwachsen ihm aus dem Fortbestehen der beiden Dispokredite keine gravierenden Nachteile.

Da der laufende Bedarf der Bedarfsgemeinschaft nach der Lage der Akten durch die Einkünfte des Antragstellers zu Ziff. 1.) gedeckt ist, besteht auch kein Anordnungsgrund. Insofern ist zusätzlich darauf hinzuweisen, dass die Vermieterin der Bedarfsgemeinschaft des Klägers die Mutter des Antragstellers zu Ziff. 1.) ist und aus den Akten bisher in keinster Weise ersichtlich ist, dass bei einer vorübergehenden Nichtzahlung der Miete eine Kündigung des Mietverhältnisses droht.

Soweit der Antragsteller zu Ziff. 1.) durch die Angabe seiner Betriebsausgaben eine Berechnung aufstellt, wonach ihm wegen der Kosten seines Geschäfts nur geringere Einkünfte als von der Antragsgegnerin angenommen gelingen, bleibt die abschließende Berechnung dem Hauptsacheverfahren beim SG (Aktenzeichen S 9 AS 3817/08) vorbehalten.

Auch das Argument des Antragstellers zu Ziff. 1.), er müsse vorrangig Schulden tilgen, insbesondere eine Darlehensschuld von 2.850,- EUR, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn insoweit sind die laufenden Einnahmen des Antragstellers zu Ziff. 1.) vorrangig zur Bestreitung seiner Existenzsicherung zu verwenden, weil anderenfalls die Grundsicherung zweckwidrig zur Rückführung privater Schulden gewährt werden würde. Die Antragsteller werden insoweit auf die bestehenden Pfändungsfreigrenzen hingewiesen, die sie vor einer Überbeanspruchung bei der Rückführung ihrer privaten Schulden schützen.

Wegen der fehlenden hinreichenden Erfolgsaussicht hat das SG zu Recht nach §§ 73a SGG, 114 ff. ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Da auch im Beschwerdeverfahren keine hinreichende Erfolgsaussicht bestand, war auch insoweit die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach den §§ 73a SGG, 114 ff. ZPO abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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