L 4 KR 4169/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 KR 7379/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 4169/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin erhebt Anspruch auf Erstattung der für eine Implantatversorgung im Ober- und Unterkiefer entstandenen Kosten von insgesamt EUR 17.049,36.

Die am 1988 geborene Klägerin ist über ihren Vater bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einer genetisch bedingten Nichtanlage der Zähne 14, 16, 24, 31, 34, 41, 44 sowie der vier Weisheitszähne. Zahnarzt Dr. W. hielt eine konventionelle Versorgung nicht für sinnvoll bei fast naturgesundem Gebiss, schwierigen Platzverhältnissen, Unzumutbarkeit eines herausnehmbaren Zahnersatzes im Alter der Patientin sowie teilweise kleinen Zähnen bei Gefahr eines Pulpentrauma oder des Verlusts gesunder Zahnsubstanz (Bescheinigung des Zahnarztes Dr. W. vom 11. Januar 2006). Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. Dr. B. erstellte den Heil- und Kostenplan für Implantate vom 13. Dezember 2005 für Implantate im Bereich der Zähne 14, 16, 24, 31, 34, 44 sowie hinsichtlich der für die operativen Eingriffe anfallenden Kosten die Vergütungsvereinbarung vom 13. Dezember 2005 mit voraussichtlichen Gesamtkosten in Höhe von insgesamt EUR 10.593,17. Hinzu kam der Heil- und Kostenplan des Facharztes für Anästhesie Dr. S. vom 03. Januar 2006 über den voraussichtlichen Gesamtbetrag von EUR 875,89. Der Heil- und Kostenplan vom 13. Dezember 2005 gab als Therapiebegründung an, es entstünde ein nahezu zahnidentischer Kau- und Sprechkomfort, der Zahnersatz wäre gaumenfrei bei einer Implantation im Oberkiefer, Implantate verhinderten einen weiter fortschreitenden Knochenabbau, bei gestörter Abstützung im Seitenzahnbereich könne durch implantatgetragenen Zahnersatz einer Kiefergelenksüberlastung entgegengewirkt werden, schließlich bräuchten im Falle einer Lücke die benachbarten Zähne, anders als bei einer Brücke, nicht beschliffen zu werden. Ein Termin für den Knochenaufbau wurde für den 21. März 2006 vereinbart.

Unter Beifügung dieser Unterlagen beantragte der Vater der Klägerin mit Schreiben vom 30. Januar 2006, die Übernahme der Behandlungskosten zu prüfen. Die Beklagte holte das Gutachten des Zahnarztes Dr. C. vom 16. März 2006 ein. Da keine generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen vorliege, bestehe keine Ausnahmeindikation nach § 28 Abs. 2 Satz 9 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V). Diese sei nur bei Fehlen von mehr als der Hälfte der bleibenden Zähne anerkannt. Das vorgelegte implantat-prothetische Behandlungskonzept sei das einzige medizinische sinnvolle Behandlungskonzept und stelle entsprechend der modernen und wissenschaftlichen Zahnheilkunde die Therapie der Wahl dar. Wegen außergewöhnlich kleiner klinischer Kronen der die Schaltlücken begrenzenden Nachbarzähne sei ein Zahnersatz in Form von festsitzenden Brücken praktisch nicht möglich, da die Retentionsflächen für die Brückenpfeilerkronen wohl nicht ausreichend wären und es zu Zahnpulpaverletzungen kommen könne. Die Beklagte unterrichtete die Eltern der Klägerin am 31. März und 03. April 2006 telefonisch darüber, dass sie (die Beklagte) die Übernahme der Kosten ablehnen müsse, war jedoch bereit, als Einzelfall den Zuschuss für festsitzenden Zahnersatz zu zahlen. Hiermit erklärte sich der Vater der Klägerin nicht einverstanden. Auf Nachfrage der Beklagten konnte Dr. C. nicht bestätigen, dass die fehlenden Zähne aufgrund einer ektodermalen Dysplasie nicht angelegt seien. Am 21. Juli 2006 wurde dem Vater der Klägerin telefonisch verbindlich erklärt, eine Ausnahme liege nicht vor und deshalb sei keine Kostenübernahme möglich.

Die Klägerin erhob unter Hinweis auf die zahnärztlich vorgetragenen Argumente Widerspruch. Diesen wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch (an den Vater der Klägerin gerichteten) Widerspruchsbescheid vom 26. September 2006 zurück. Die Versorgung mit Implantaten einschließlich Suprakonstruktion sei im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nur möglich, wenn eine funktionsfähige Versorgung auf herkömmlichem Wege nicht erreicht werden könne und eine Ausnahmeindikation vorliege, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V festgelegt worden sei. Hier sei eine konventionelle Versorgung grundsätzlich möglich, so dass auch die Voraussetzungen der mit Änderung der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungs-Richtlinie) durch den GBA zum 01. März 2006 aufgenommenen Ausnahmeindikation der ektodermalen Dysplasie nicht vorlägen. Die Richtlinien des GBA seien als verbindlich anzusehen. Das Ergebnis verstoße auch nicht gegen Verfassungsrecht. Unabhängig von der Kostenübernahme der Implantate könne sie (die Beklagte) den implantatgetragenen Zahnersatz (Suprakonstruktion) nach § 55 SGB V bezuschussen. Hierzu sei gegebenenfalls ein Heil- und Kostenplan zur Prüfung und Genehmigung einzureichen.

Die Versorgung mit dem implantatgestützten Zahnersatz erfolgte ab 13. März 2006. Der Klägerin wurden für Behandlungen in der Zeit vom 13. März 2006 bis 13. Februar 2007 durch Dr. Dr. B., Dr. W. und Dr. S. Behandlungskosten einschließlich Nachbehandlungskosten in Höhe von EUR 19.756,48 in Rechnung gestellt, wovon die Beklagte EUR 2.707,12 als Zuschuss für die Suprakonstruktionen erstattete. Mithin verblieb der Betrag von EUR 17.049,36.

Der Vater der Klägerin erhob gegen den nach seinen Angaben am 28. September 2009 zugestellten Widerspruchsbescheid am 06. Oktober 2008 Klage bei dem Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit am Montag, 30. Oktober 2006 beim SG eingegangenem Telefax wurde das Rubrum dahin "berichtigt", dass die Klägerin die Klage erhoben habe. Die Klägerin nahm auf die befürwortenden Argumente des Zahnarztes Dr. C. im Gutachten vom 16. März 2006 Bezug. Die Ausnahmeindikation der Behandlungs-Richtlinie müsse unter Beachtung der Grundrechte der Menschenwürde (Art. 1 des Grundgesetzes - GG -) und der Garantie des Rechts auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG ausgelegt werden. Die Verweisung auf eine Prothese beeinträchtige die Lebensführung eines jungen Menschen und die sozialen Kontakte in einer so krassen Weise, dass diese Grundrechte verletzt seien. In deren Licht sei auch der Begriff der Notwendigkeit zu sehen. Die Klägerin legte die Rechnungen sowie die Bescheinigung des Dr. Dr. B. vom 08. März 2007 vor, eine Versorgung mit Brücken sei wegen der Größe der Pfeilerzähne nicht zu empfehlen gewesen, außerdem handele es sich um ein weitgehend füllungsfreies Gebiss. Eine herausnehmbare Versorgung sei aufgrund des Alters der Patientin nicht in Frage gekommen. Dies hätte unweigerlich zu weiterem Knochenabbau und Schädigung der vorhandenen Zähne geführt. Die Therapie sei am 28. Dezember 2006 abgeschlossen gewesen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe sich, wie bereits im Widerspruchsbescheid zitiert, eindeutig gegen verfassungsrechtliche Bedenken gestellt. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der Darlegungen des Dr. Dr. B. vom 08. März 2007. Die Gefahr einer Kieferkammatrophie bei einer herausnehmbaren Prothese sei keine Indikation für eine Leistungsverpflichtung. Der Beschluss des GBA vom 01. März 2006, wonach bei ektodermalen Dysplasien eine Ausnahmeindikation bestehe, sei erst am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger vom 17. Juni 2006 in Kraft getreten.

Das SG befragte die behandelnden Zahnärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. W. verblieb in der Aussage vom 02. März 2008 dabei, die von ihm bereits früher (Bescheinigung vom 11. Januar 2006) herausgestellten anatomischen Besonderheiten ließen die Implantate dringend empfehlen. Dr. Dr. B. führte unter dem 03. März 2008 aus, bei festsitzendem Zahnersatz sei der langfristige Erfolg bei der jugendlichen Patientin wegen kleiner Zahnwurzeln und eingeschränkter prothetischer Wertigkeit der Pfeilerzähne fraglich. Bei herausnehmbarem Ersatz würden die als Verankerungselement verwendeten Zähne überlastet und der Kieferknochen bilde sich zurück; nur die Implantation bringe eine dauerhafte Lösung. Zahnärztin für Kieferorthopädie Dr. S.-E. berichtete in der Aussage vom 11. März 2008 über ihre Behandlung der Klägerin seit 1997 und schloss sich im Wesentlichen den empfehlenden Äußerungen der anderen Zahnärzte an.

Durch Urteil vom 22. Juli 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Klägerin habe nicht den Bescheid der Beklagten abgewartet. Am 13. März 2006 sei mit der Behandlung begonnen worden, bevor am 31. März 2006 eine erste ablehnende Entscheidung der Beklagten ergangen sei. Im Übrigen hätten die Voraussetzungen für eine Implantatversorgung nicht vorgelegen. Eine Ausnahmeindikation für besonders schwere Fälle im Sinne der Behandlungs-Richtlinie liege nicht vor. Die Klägerin leide nicht an einer generalisierten genetischen Nichtanlage von Zähnen, weil nicht die überwiegende Zahl der typischerweise angelegten Zähne gefehlt habe. Vielmehr seien von 32 Zähnen lediglich sechs nicht angelegt gewesen. Sollte - was keiner der sachverständigen Zeugen bestätigt habe - eine ektodermale Dysplasie vorgelegen haben, sei diese zum Zeitpunkt der Behandlung noch keine Ausnahmeindikation gewesen, da der entsprechende Beschluss des GBA erst am 17. Juni 2006 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sei. Zudem sei eine Versorgung in Form von herausnehmbarem Zahnersatz möglich und zumutbar gewesen. Das Risiko einer Kieferatrophie sei keine Ausnahmeindikation. Eine unzumutbare Entstellung hätte nicht vorgelegen. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den gesetzlichen Ausschluss von implantologischen Leistungen bestünden nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 37/02 R -) nicht. Ein Leistungsanspruch ergebe sich auch nicht aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - (= SozR 4-2500 § 27 Nr. 5), weil eine lebensbedrohliche oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung nicht vorliege.

Gegen das am 30. Juli 2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29. August 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, die Beklagte habe von vornherein keine Einwendungen erhoben, dass die Implantatsetzung am 21. März 2006 beginnen solle. In der Sache müsse bei Nichtanlage von sechs Zähnen eine Generalisierung angenommen werden. Dies gelte insbesondere bei den bei ihr - der Klägerin - vorliegenden optischen Auffälligkeiten. Im Übrigen habe eine ektodermale Dysplasie vorgelegen, wobei es nicht darauf ankommen könne, dass der bereits am 01. März 2006 gefasste Beschluss des GBA zu dieser Ausnahmeindikation erst am 17. Juni 2006 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden sei. Es sei auch unrealistisch, sich sehenden Auges in das Risiko einer Kieferatrophie begeben zu müssen und in jugendlichem Alter sich auf herausnehmbaren Zahnersatz verweisen zu lassen. Schließlich würden die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich des Gebots der körperlichen Unversehrtheit aufrechterhalten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Juli 2008 abzuändern und unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2006 die Beklagte zu verurteilen, EUR 17.049,36 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie entgegnet, die Klägerin habe einen Bescheid nicht abgewartet. Die Behandlungstage seien bereits im Vorhinein geplant und entsprechend wahrgenommen worden. Eine Ausnahmeindikation liege weiterhin nicht vor. Mit den verfassungsrechtlichen Bedenken habe sich die Rechtsprechung auseinandergesetzt. Das Vorliegen einer ektodermalen Dysplasie sei von den befragten Zeugen nicht bestätigt worden. Eine konventionelle Behandlung wäre möglich gewesen. Auf das jugendliche Alter und die Gefahr einer Kieferatrophie stelle der Gesetzgeber nicht ab.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 22. Juli 2008 zutreffend entschieden, dass die Beklagte im (mündlich ergangenen) Bescheid vom 21. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2006 die Erstattung von Kosten für eine zahnärztliche Implantatversorgung in Höhe von insgesamt EUR 17.049,36 zu Recht abgelehnt hat. Die geltend gemachten Kosten sind nicht dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht erbringen konnte.

1. Die Klage der Klägerin war zulässig.

Die Klägerin ist durch die Berichtigung des Rubrums auf Klägerseite an die Stelle ihres ursprünglich klagenden Vaters getreten. Mit der erklärten Berichtigung erfolgte ein Beteiligtenwechsel, der eine Klageänderung im Sinne des § 99 SGG ist. Für diese geänderte Klage sind die Prozessvoraussetzungen gegeben. Insbesondere war die Klage fristgerecht erhoben und das nach § 78 SGG erforderliche Vorverfahren auch gegenüber der Klägerin abgeschlossen. Nach den nicht zu widerlegenden Angaben des Vaters des Klägers in der Klageschrift ging ihm der Widerspruchsbescheid am 28. September 2006 zu, so dass, da der 28. Oktober 2006 ein Samstag war, die einmonatige Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGG) am 30. Oktober 2006 endete. An diesem Tag ging die Berichtigung des Rubrums auf Klägerseite beim SG ein. Zwar ist der Widerspruchsbescheid nicht der - zu diesem Zeitpunkt bereits volljährigen - Klägerin selbst, sondern ihrem Vater bekannt gegeben worden (zur Bekanntgabe von Widerspruchsbescheiden bei Familienversicherten: BSG SozR 3-1500 § 78 Nr. 3; Urteil vom 29. Juni 1993 - 12 RK 13/93, veröffentlicht in Juris). Der Vater der Klägerin ist allerdings als deren Bevollmächtigter anzusehen, so dass der Widerspruchsbescheid dem Vater der Klägerin als Bevollmächtigter bekannt gegeben werden konnte. Die Beklagte ging hiervon aus. Denn zu Beginn der Entscheidungsgründe des Widerspruchsbescheids führte sie aus: "Die Angelegenheit Ihrer Tochter ...".

2. Da die Klägerin nicht nach § 13 Abs. 2 SGB V anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung gewählt hat, kommt als Anspruchsgrundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nur § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V in Betracht. Diese Vorschrift bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Nach ständiger Rechtsprechung reicht der in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 11; SozR 4-2500 § 13 Nr. 12; SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Ist das Tatbestandsmerkmal der rechtswidrigen Ablehnung der begehrten Leistung zu verneinen, bedarf es keiner Entscheidung, ob der Ausschluss der Leistung aus materiellen Gründen rechtswidrig oder auch verfassungswidrig ist.

2.1. Es fehlt hier schon an der Voraussetzung, dass der Klägerin dadurch Kosten entstanden sind, dass die Beklagte die Leistung abgelehnt hat. Ein auf die Verweigerung der Sachleistung gestützter Erstattungsanspruch scheidet nach ständiger Rechtsprechung aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne die Krankenkasse einzuschalten und auch deren Entscheidung - oder wenigstens als verbindlich zu verstehende ablehnende Äußerung - abzuwarten. § 13 Abs. 3 SGB V soll einen Erstattungsanspruch für den Ausnahmefall gewähren, dass eine von der Krankenkasse geschuldete notwendige Behandlung infolge eines Mangels im Leistungssystem nicht oder nicht in der gebotenen Zeit zur Verfügung gestellt werden kann. Nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift muss zwischen dem die Haftung der Krankenkasse begründenden Umstand (rechtswidrige Ablehnung) und dem Nachteil des Versicherten (Kostenlast) ein Ursachenzusammenhang bestehen. Daran fehlt es, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; SozR 4-2500 § 13 Nr. 8; SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Dieses Verfahren ist entgegen früherer Andeutung (vgl. BSG SozR 3-2500 § 34 Nr. 2) selbst dann zu fordern, wenn von vornherein feststand, dass eine von der Versorgung ausgeschlossene Sachleistung verweigert werden würde und sich der Versicherte dadurch gezwungen gesehen hat, die Leistung selbst zu beschaffen (vgl. eingehend BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 12). Es ist weder unzumutbar noch bloßer Formalismus, wenn eine Kostenerstattung in der Art eines zwingenden Verfahrenserfordernisses davon abhängig gemacht wird, dass die Krankenkasse zuvor Gelegenheit hatte, über die Berechtigung der außervertraglichen Behandlung zu befinden (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 1). Nur bei einer Vorabprüfung können die Krankenkassen ihre Beratungsaufgaben erfüllen, die Versicherten vor dem Risiko der Beschaffung nicht zum Leistungskatalog gehörender Leistungen zu schützen und gegebenenfalls aufzuzeigen, welche Leistungen anstatt der begehrten in Betracht kommen. Der Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und der Selbstbeschaffung fehlt auch, wenn der Versicherte sich - unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Krankenkasse ausfällt - von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung festgelegt hat (BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 20).

Die Beklagte wurde hier erstmals mit Schreiben des Vaters der Klägerin vom 30. Januar 2006, dem der Heil- und Kostenplan vom 13. Dezember 2005, der weitere vom 03. Januar 2006 und die Bescheinigung des Dr. W. vom 11. Januar 2006 beigefügt waren, mit dem Leistungsbegehren befasst. Eine vorherige Kontaktaufnahme mit einer Geschäftsstelle der Beklagten hat nicht stattgefunden. Vor Erlass des Ablehnungsbescheids - selbst wenn man diesen nicht in dem mündlichen Bescheid vom 21. Juli 2006, sondern bereits in den telefonischen Mitteilungen der Beklagten vom 31. März 2006 mit dem Rückruf des Vaters der Klägerin am 03. April 2006 sehen würde - hatte sich die Klägerin auf die Behandlung mit implantatgestütztem Zahnersatz festgelegt. Denn zum Zeitpunkt des Eingangs des Schreibens des Vaters der Klägerin war bereits für den 21. März 2006 ein Termin für den Knochenaufbau vereinbart. Vor Erlass des Ablehnungsbescheids hatte die Klägerin auch mit der Behandlung begonnen. Wie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergibt, wurde mit der Behandlung selbst bereits am 13. März 2006 begonnen. An diesem Tag erfolgten notwendige Vorarbeiten (Abformung beider Kiefer, chirurgische Bohrschablonen, Analyse von Kiefermodellen sowie die implantatbezogene Analyse, Vermessung und Registrierung der gelenkbezogenen Zentrallage). Am 21. März 2006 erfolgte dann - wie vereinbart - der erste für die Setzung der Implantate notwendige operative Eingriff.

Die begehrte Leistung war auch nicht unaufschiebbar im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alternative SGB V. Dies kann für die zum streitigen Zeitpunkt 18-jährige Klägerin für eine seit Geburt genetisch bedingte Nichtanlage von sechs Zähnen nicht ernstlich angeführt werden. Erst recht hat kein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorgelegen.

2.2. Im Übrigen besteht, wie das SG ebenfalls zutreffend dargelegt hat, kein Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Zahnimplantaten.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 2a SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG -) vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) umfasst der Anspruch des Versicherten auf zahnärztliche Behandlung auch die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. Bezüglich letzterer - die hier von der Beklagten ohne Streit in Höhe von EUR 2.707,12 bezuschusst worden sind - ist durch das zitierte Gesetz eine bis dahin bestehende Rechtsunsicherheit beseitigt worden (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 13. Juli 2004 - B 1 KR 37/02 R -, veröffentlicht in Juris). Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V gehören implantologische Leistungen nicht zur von den Krankenkassen zu leistenden zahnärztlichen Behandlung, es sei denn, es lägen seltene vom GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor. Zu diesen zählten nach Abschnitt B VII Nr. 2 Satz 4 der Behandlungs-Richtlinie in der Fassung vom 04. Juni und 24. September 2003 (Bundesanzeiger vom 03. Dezember 2003, S. 24966) nur: a) größere Kiefer- oder Gesichtsdefekte, die ihre Ursache in Tumoroperationen, Entzündungen des Kiefers, Operationen infolge von großen Zysten, Operationen infolge von Osteopathien, angeborenen Fehlbildungen des Kiefers oder Unfällen haben, b) dauerhaft bestehende extreme Mundtrockenheit (Xerostomie), insbesondere im Rahmen einer Tumorbehandlung, c) generalisierte genetische Nichtanlage von Zähnen, d) nicht willentlich beeinflussbare muskuläre Fehlfunktionen im Mund- und Gesichtsbereich (z.B. Spastiken). Darüber hinaus darf eine konventionelle prothetische Versorgung ohne Implantate nicht möglich sein (Richtlinie a.a.O Satz 2). Durch den Beschluss des GBA vom 01. März 2006 (Bundesanzeiger vom 17. Juni 2006, S. 4466) sind die angeborenen Fehlbildungen des Kiefers um die Aufzählung erweitert worden "Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten, ektodermale Dysplasien".

Von den Ausnahmeindikationen lag im Fall der Klägerin keine vor. Die im Antragsverfahren auf Seiten der Beklagten erwähnte ektodermale Dysplasie ist von den behandelnden Zahnärzten nicht als Indikation vorgebracht worden und hat sich bei den Zeugenanfragen nicht bestätigt (vgl. Aussagen Dr. W. vom 02. März 2008, Dr. Dr. B. vom 03. März 2008 und Frau Dr. S.-E. vom 11. März 2008), sodass es auf die vom SG erörterte Frage nicht ankommt, ob der letzte Beschluss des GBA vom 01. März 2006, wirksam ab 18. Juni 2006 eine neue Indikation oder nur eine Klarstellung erbracht hat. Indem Dr. Dr. B. die "generalisierte Nichtanlage von Zähnen" anführt, ist dem entgegenzuhalten, dass bei fehlenden sieben (zuzüglich vier Weisheitszähne) von 32 Zähnen dies nicht ausreicht (vgl. BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, a.a.O.). Wenn für die Alternative eines herausnehmbaren Zahnersatzes im Wesentlichen kosmetische Gesichtspunkte (jugendliches Alter der Klägerin) und Gefahr einer Kieferatrophie angeführt werden, handelt es sich über die vom untergesetzlichen Normgeber, der einen weiten Gestaltungsspielraum besitzt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4; SozR 3-2500 § 92 Nr. 7), festgelegten seltenen Ausnahmeindikationen hinausgehende weitere Tatbestände, die auch dann nicht zu implantologischen Leistungen verpflichten, wenn die Krankheit des Versicherten nicht anders als mit der begehrten Implantatversorgung geheilt oder gelindert werden kann (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, a.a.O).

Die für die Klägerin gegen die Begrenzung der Leistungspflicht der Krankenkasse behaupteten, allerdings nicht näher dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen nicht (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, a.a.O).

Der Hinweis auf die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) vermag nicht die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zu erweitern. Die Klägerin kann sich insoweit nicht auf die Rechtsprechung des BVerfG zur Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung berufen (SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Das BSG hat die verfassungsgerichtlichen Vorgaben der Rechtsprechung des BVerfG näher konkretisiert (z.B. BSG SozR 4-2500 § 27 Nrn. 8 und 12; SozR 4-2500 § 31 Nr. 8). Gerechtfertigt ist hiernach eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gleichzustellenden nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten. Eine solche Situation bestand und besteht bei der Klägerin nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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