L 3 R 5480/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1771/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 R 5480/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 28.02.2005 hinaus.

Die 1956 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige, besuchte in der Türkei für fünf Jahre die Schule und lebt seit 1972 in der Bundesrepublik Deutschland. Sie hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt bis März 2002 als Maschinenarbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie derzeit (nach Aussteuerung seitens ihrer Krankenkasse) aus Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 70 seit 27.06.2002 und von 80 seit 05.12.2002 anerkannt.

Nach 1993 und 1998 erlitt sie am 02.04.2002 ihren dritten Herzinfarkt, woraufhin sie sich vom 23.04. bis 21.05.2002 zur medizinischen Rehabilitation in der Rheintalklinik Bad Krozingen befand. Ausweislich des Entlassberichtes vom 31.05.2002 wurde sie als arbeitsunfähig entlassen (Diagnosen u.a.: koronare Drei-Gefäßerkrankung, Bluthochdruck, Dringender Verdacht auf (V.a.) arterielle Verschlusskrankheit, Hypercholesterinämie, Nikotinabusus, Depressionen, Epilepsie mit Absence-Anfällen).

Am 27.11.2002 beantragte sie die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch den Sozialmediziner Dr. Lazarus sowie von der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. Brandt untersuchen. Dr. Brandt diagnostizierte in ihrem Gutachten vom 20.03.2003 bei der Klägerin ein Anfallsleiden und ein chronisch-depressives Syndrom (mit Antriebsschwäche, vitaler Baisse und zeitweiser Vernachlässigung), das sich unter den erlebten körperlichen Einschränkungen verstärke. Zudem bestehe schon seit Jahren ein epileptisches Anfallsleiden. Insgesamt sei eine deutliche Chronifizierung feststellbar und die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit soweit eingeschränkt, dass sie derzeit keine Tätigkeit mit ausreichender Sicherung ihres Erwerbs nachgehen könne. Allerdings sei eine Besserung des Gesundheitszustandes bis März 2005 wahrscheinlich. Dr. Lazarus kam in seinem Gutachten vom 31.03.2003 zum Ergebnis, die Klägerin leide an arteriellem Bluthochdruck, koronarer Herzkrankheit, drei Herzinfarkten, beginnender arterieller Verschlusskrankheit der Beine und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Aus internistischer Sicht bestehe "keine Leistungsunfähigkeit".

Mit Bescheid vom 08.04.2003 bewilligte die Beklagte daraufhin der Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.06.2003 bis 28.02.2005. Zur Begründung führte sie aus, nach den medizinischen Untersuchungsbefunden sei es nicht unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Am 03.01.2005 beantragte die Klägerin, ihr die bewilligte Erwerbsminderungsrente über den 28.02.2005 hinaus zu gewähren.

Daraufhin ließ die Beklagte die Klägerin am 22.02.2005 von dem Internisten Dr. Barton untersuchen. In seinem Gutachten vom selben Tag diagnostizierte er bei ihr folgende Diagnosen: 1. Koronare 3-Gefäß-Erkrankung, drei Herzinfarkte bis 2002, mehrere Dilatationen und Stent-Einlagen, derzeit stabil; 2. Arterielle Verschlusskrankheit der Beine mit mäßiggradiger Femoralisstenose links; 3. Anfallsleiden (Epilepsie) seit der Kindheit. In psychischer Hinsicht habe die Klägerin orientiert, konzentriert, gut gelaunt, gesprächig, emotional schwingungsfähig und in keiner Weise depressiv oder angstgestört gewirkt. Unter Berücksichtigung zahlreicher, von der Beklagten beigezogener Arztberichte sei festzustellen, dass psychiatrische Berichte aus den letzten beiden Jahren nicht existierten. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten könne die Klägerin ab sofort wieder vollschichtig verrichten. Aufgrund ihres Anfallsleidens dürften keine Tätigkeiten auf Leitern oder Gerüsten bzw. mit Eigen- oder Fremdgefährdung ausgeübt werden. Wegen der arteriellen Verschlusskrankheit solle die Klägerin keine längeren Gehstrecken zurücklegen.

Mit Bescheid vom 07.03.2005 lehnte die Beklagte daraufhin den Weitergewährungsantrag ab, weil über den Wegfallzeitpunkt hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege. Den hiergegen eingelegten Widerspruch, den die Klägerin damit begründete, ihre Krankheit habe sich verschlechtert, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.05.2005 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.06.2005 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, bis 2004 insgesamt fünf Herzinfarkte erlitten zu haben. Im August 2005 sei ihr ein Herzkatheter gelegt worden. Seit Jahren leide sie darüber hinaus an chronischen Depressionen mit starker Antriebsschwäche, an einer Epilepsie und an einer arteriellen Verschlusskrankheit.

Das SG hat den Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Denzel, den Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Hanselmann und den Arzt für innere Medizin und Kardiologie Dr. Eisenlohr als sachverständigen Zeugen gehört.

Dr. Denzel hat unter dem 21.10.2005 mitgeteilt, die Klägerin leide u.a. an einer rezidivierenden depressiven Störung mit Anteilen einer Dysthymia, an einem Anfallsleiden, an einer koronaren Herzkrankheit, an Nikotinabusus und an einem rechtsseitigen Karpaltunnel-Syndrom. Selbst leichte körperliche Tätigkeiten könne die Klägerin nur noch maximal drei bis vier Stunden täglich ausüben. Auch wenn die Klägerin bislang in ihrer Fähigkeit, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen, nicht eingeschränkt gewesen sei, sei zuletzt über eine eingeschränkte Gehstrecke bei Atemnot berichtet worden.

Dr. Hanselmann hat unter dem 24.10.2005 und ergänzend 03.02.2006 berichtet, die Klägerin leide u.a. an einer koronaren Drei-Gefäß-Herzkrankheit bei diffuser Arteriosklerose mit Zustand (Z.n.) nach mehrfach PTCA/Stent und Z.n. fünffachem akutem Koronarsyndrom (seit 1993), einer mittelgradigen Carotisstenose beidseits (seit 2005), einer Struma multinodosa mit Hyperthyreose (seit 1996), einer rezidivierenden depressiven Störung (seit 1984), einem cerebralen Anfallsleiden (seit 1984), einer arteriellen Hypertonie (seit 1990) und einer Hyperlipidämie (seit 1993). Selbst leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne die Klägerin nur noch weniger als 3 Stunden täglich aufgrund ihrer koronaren Herzkrankheit und ihrer depressiven Störung verrichten. Körperliche und psychische Belastungen wie Zeitdruck oder Stress seien ihr nicht mehr zuzumuten. Der Schwerpunkt ihres Leidens liege erstrangig auf dem Fachgebiet der Kardiologie und zweitrangig auf demjenigen der Psychiatrie. Wegstrecken über 500 Metern könnten zu einer Angina-pectoris-Symptomatik führen, öffentliche Verkehrsmittel stellten hinsichtlich der depressiven Störung und des cerebralen Anfallsleidens bei großen Menschenansammlungen bzw. Überfüllung des Verkehrsmittels ein Problem dar.

Dr. Eisenlohr hat unter dem 24.10.2005 mitgeteilt, bei der Klägerin liege eine koronare Herzkrankheit mit Zustand nach mehreren Myokardinfarkten vor. Mittlerweile seien multiple Ballondilatationen und Stent-Implantationen durchgeführt worden. Mindestens seit August 2002 sei die Klägerin nicht in der Lage, selbst leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Hingegen könne sie "sicherlich" öffentliche Verkehrsmittel benutzen und Wegstrecken von über 500 Metern zu Fuß zurücklegen.

Im Anschluss daran hat das SG den Internisten Dr. U. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachten vom 09.07.2006 bei der Klägerin eine koronare Dreigefäßerkrankung, Hypertonie, arterielle Verschlusskrankheit vom peripheren Typ, Ferritinerniedrigung, Überhöhung für Cholesterin und Triglyceride im Blutserum festgestellt. Die Klägerin sei auf dem Laufband im Rahmen einer Ergospirometrie (hierzu s. Bl. 77 d. SG-Akt.) mit 72 Watt belastbar gewesen und habe binnen sechs Minuten 270 Meter zurückgelegt; insoweit habe sich kein Hinweis auf eine Koronarinsuffizienz bei normaler Pumpfunktion der linken Herzkammer ergeben. Sie sei in der Lage, jedenfalls leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten, ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ohne Akkordarbeit, ohne Arbeiten auf Gerüsten und an Maschinen, von denen eine erhöhte Unfallgefahr ausgehe, im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen bei überwiegendem Sitzen in geschlossenen Räumen. Einschränkungen hinsichtlich der Fähigkeit, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen, bestünden nicht.

Vom 02.08. bis 23.08.2006 nahm die Klägerin zuletzt Leistungen der Beklagten zur Teilhabe am Arbeitsleben in Form einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik Heidelberg-Königstuhl, Abteilung Innere Medizin/Schwerpunkt Kardiologie in Anspruch. Ausweislich des Entlassberichtes vom 27.09.2006 wurden u.a. folgende Diagnosen bei der Klägerin gestellt: Koronare 3-Gefäß-Erkrankung mit chronischem Verschluss; aktuelle Angina pectoris; Zustand nach zweimaligem Kollaps im August 2006 mit Verdacht auf neurokardiale Synkopen; Epilepsie. Die Klägerin, die während des Heilverfahrens durchgehend depressiv gestimmt gewirkt habe, könne leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne ständiges Gehen und Stehen sowie ohne gesteigerte Verletzungsgefahr sechs Stunden und mehr täglich verrichten, wobei eine darüber hinausgehende Leistungseinschränkung aufgrund von Beeinträchtigungen auf nervenärztlichem Gebiet zu berücksichtigen seien. Vorerst bestehe Arbeitsunfähigkeit im Hinblick auf eine noch durchzuführende kardiologische Kontrolluntersuchung.

Im Anschluss daran hat das SG Dr. Benz, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen sowie auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. S., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstattung eines weiteren nervenärztlichen Gutachtens beauftragt.

Dr. Benz hat in seinem Gutachten vom 26.02.2007 bei der Klägerin eine seit März 2005 nicht wesentlich geänderte, mittel bis evtl. schwer ausgeprägte, mehrdimensionale (somatoform-dysthyme) psychosomatische (neurotische) Störung und einen V.a. Epilepsie festgestellt. Die Klägerin habe ihre Beschwerden im Rahmen der Untersuchung bewusstseinsnah expressiv, dramatisierend und demonstrativ zum Ausdruck gebracht. Bei der Kraftprüfung habe sich ebenfalls eine Verdeutlichungstendenz gezeigt. Auch unter Berücksichtigung ihrer im unteren Durchschnittsbereich liegenden intellektuellen Leistungsfähigkeit sei die Klägerin deutlich reduziert stressbelastbar, weshalb sie keine Tätigkeiten mit erhöhtem Stress (wie z.B. Wechsel- oder Nachtschicht, Akkord- und Fließbandarbeit, vermehrter Publikumsverkehr etc.) ausüben solle. Tätigkeiten in absturzgefährdeten Situationen (z.B. auf Leitern oder Gerüsten), Tätigkeiten mit Maschinen, die schneiden, rotieren, quetschen o.ä. könne sie nur mit besonderen Sicherungsmaßnahmen verrichten. Ebenso könne sie Tätigkeiten, die das Führen eines Kraftfahrzeugs erfordern, nicht mehr ausüben. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Einschränkungen sei die Klägerin aus nervenärztlicher Sicht fähig, vollschichtig Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten. Insbesondere besitze sie die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit, sich binnen drei Monaten in eine neue Berufstätigkeit einzuarbeiten, die ihrem Ausbildungsstand und ihrer Primärbegabung entspreche. Er rechne auch bei weiterer konsequenter Behandlung bzw. Betreuung eher mit einer Chronifizierung als mit einer relevanten Besserung des Gesundheitszustandes der Klägerin. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Klägerin fähig, 500 Meter in weniger als 20 Minuten zu Fuß zu bewältigen und öffentliche Verkehrsmittel - auch während der Hauptverkehrszeiten - zu benutzen.

Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 07.09.2007 bei der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet eine Dysthymie mit rezidivierenden mittel- bis schwergradigen depressiven Episoden festgestellt. Infolge der chronifizierten depressiven Verstimmung sei es bei der Klägerin zu einer deutlichen Antriebs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung, eingeschränkter emotionaler Belastbarkeit, mangelndem Durchhaltevermögen, Vitalitätsverlust und kognitiven Störungen mit Einengung des Denkens gekommen. Allein aufgrund ihrer Einschränkung auf psychiatrischem Fachgebiet könne die Klägerin nur noch leichte körperliche Tätigkeiten höchstens 3 Stunden täglich ausüben, ohne Akkord- und Fließbandarbeiten, bei erheblich reduziertem Arbeitstempo, ohne besondere geistige Beanspruchung oder erhöhter Verantwortung, ohne vermehrtem Publikumsverkehr, ohne Steigen auf Leitern und Gerüsten, ohne Tätigkeiten an Maschinen und ohne Führen eines Fahrzeugs. Da die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit durch dauerhafte Gesundheitsstörungen gemindert sei, sei von einer ungünstigen Prognose auszugehen. Die Klägerin sei fähig, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 Metern zu Fuß zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen. Sie habe berichtet, in den letzten Jahren seien epileptische Anfälle nicht mehr aufgetreten.

Vom 21. bis 30.11.2007 befand sich die Klägerin nach Überweisung durch Dr. Eisenlohr in stationärer Krankenhausbehandlung im Klinikum Am Gesundbrunnen in Heilbronn. Ausweislich der dem SG am 07.02.2008 übermittelten Befundberichte des Klinikums vom 26. und 30.11.2007 leidet die Klägerin u.a. an einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit Stadium IIb, an einsetzender Claudicatio beider Waden nach einer Gehstrecke von 50 m, an einer Drei-Gefäßerkrankung (Stadium IV), an arterieller Hypertonie, an einer Depression sowie an Diabetes mellitus Typ II. Bereits bei geringerer Belastung bestehe eine Angina pectoris-Symptomatik. Bei der Klägerin bestehe zudem eine fortgeschrittene schwere Gefäßsklerose bei fortgesetztem schädlichem Nikotinkonsum. Im Bereich der Unterschenkelarterien sei eine deutliche Verschlechterung festzustellen.

Der vom SG ergänzend befragte Dr. Eisenlohr hat am 03.01.2008 berichtet, die Klägerin habe sich bei ihm seit Oktober 2005 halbjährlich bis zuletzt am 15.10.2007 vorgestellt. Zusätzlich bestehe jetzt eine periphere arterielle Verschlusskrankheit, welche im Juni 2007 mit Stents in beiden Beckenarterien behandelt worden sei. Eine hochgradige Engstelle der rechten Halsschlagader sei im März 2007 ebenfalls mit einem Stent versorgt worden. Die Durchblutungsstörungen der Arterien hätten seit Oktober 2005 insgesamt zugenommen, so dass mittlerweile auch beide Beine und die rechte Halsschlagader betroffen seien und Stents hätten implantiert werden müssen.

Daraufhin hat das SG Dr. U. um ergänzende Stellungnahme zu seinem Gutachten gebeten. Dieser hat die Klägerin sodann erneut am 31.03.2008 untersucht und am 06.06.2008 ein weiteres fachinternistisch-arbeitsmedizinisches Gutachten erstattet. Darin stellte er u.a. folgende Diagnosen: Koronare 3-Gefäßerkrankung; arterielle Verschlusskrankheit beider Beine; Stenose der Arteria carotis rechts sowie der Arteria subclavia links, jeweils mittels Dilatation und Stenteinlagerung beseitigt; Hypertonie; fortgesetztes inhalatives Zigarettenrauchen; unklare Synkopen. Es bestehe derzeit eine stabile kardiale Situation ohne wesentliche Pumpfunktionseinschränkung der linken Herzkammer. Entsprechend den Feststellungen des Klinikums Am Gesundbrunnen habe eine Interventionsnotwendigkeit im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung vom November 2007 nicht bestanden. Die Klägerin könne weiterhin leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen, möglichst in geschlossenen Räumen, mit entsprechender Kleidung auch im Freien, mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die von ihr im Rahmen der Untersuchung gemachten Angaben, seit zwei Jahren vermöge sie lediglich eine Gehstrecke von 20 Metern zurückzulegen, sei nicht einmal im Ansatz durch die erhobenen Befunde zu stützen. Unter Berücksichtigung der Sauerstoffversorgungslage beider unterer Extremitäten sei sie weiterhin in der Lage, Wegstrecken von 500 Metern und mehr viermal täglich in einer Zeit von jeweils weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Öffentliche und private Verkehrsmittel könnten uneingeschränkt benutzt werden.

Im Anschluss daran hat das SG zwei weitere nervenärztliche Gutachten von Amts wegen, eines bei der Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G.-X. und ein weiteres beim Arzt für Neurologie und Psychiatrie Mayer, in Auftrag gegeben.

Dr. G.-X. hat in ihrem Gutachten vom 16.02.2009 bei der Klägerin, die bei der Untersuchung vom 08.10.2008 immer wieder zu weinen angefangen habe, eine chronische schwere depressive Störung (seit mindestens 2002), eine chronische Insomnie (seit 2002), Spannungskopfschmerzen sowie eine Epilepsie unklarer Genese mit seltenen großen Krampfanfällen (Manifestationszeitpunkt nicht bekannt) festgestellt. Der "Alltagsablauf" der Klägerin erscheine monoton, als "Aktivität" habe sie lediglich "Fernsehen" nennen können; alle Hausarbeiten würden von Familienangehörigen übernommen. Es bestehe ein ungestörtes Auffassungsvermögen, keine Umstellungserschwernis, keine über das Altersmaß hinausreichende Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisstörungen bei geringer Kooperation während der Untersuchungssituation (Bl. 464 der SG-Akten). Angesichts der depressiven Herabgestimmtheit ergäben sich Hinweise auf eine latente Suizidaliät. Aufgrund der Schwere, der Therapieresistenz, der depressiven Symptomatik und der dadurch erheblich eingeschränkten Fähigkeit, den Alltag zu bewältigen, sei davon auszugehen, dass die Klägerin selbst leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dauerhaft nur noch weniger als drei Stunden täglich ausüben könne. Auch wenn die Beschwerden sehr klagsam vorgetragen würden, seien Simulation und Aggravation auszuschließen. Im beschriebenen Sinne sei die Klägerin in ihrer Leistungsfähigkeit unverändert gemindert seit "2006, d.h. zum Zeitpunkt des Auslaufens der Erwerbsunfähigkeit der Rente". Aufgrund der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit sei sie in ihrer Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt. Gemäß den "glaubhaften Angaben der Klägerin" träten bereits nach einer Gehstrecke von 10 Metern Beinschmerzen auf, weshalb anzunehmen sei, dass sie keine Wegstrecke von mehr als 500 Metern viermal täglich zu Fuß zurückzulegen vermöge.

Der Sachverständige Mayer hat nach eigener Untersuchung der Klägerin am 14.05.2009, bei der diese auf ihre "Vergesslichkeit" hingewiesen habe, in seinem Gutachten vom 04.06.2009 folgende Diagnosen gestellt: Dysthmyia, fraglich mit zusätzlichen depressiven Episoden; Zustand nach erfolgreicher Stentoperation einer 90%igen Carotisstenose rechts und Stentoperation einer Subclavia-Stenose mit nach Aktenlage vorhanden gewesenen Steal-Phänomen mit ebenfalls gutem postoperativen Ergebnis; bezüglich der berichteten Anfälle kein sicherer Anhalt für das Vorliegen einer Epilepsie. Aus nervenärztlicher Sicht sei die Klägerin in der Lage, ohne Gefährdung ihrer Gesundheit leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten, in wechselnder Körperhaltung ohne überwiegendes Gehen, nicht dauerhaft auf Leitern oder Gerüsten oder rutschigem Untergrund, nicht an ungenügend geschützten gefährlichen Maschinen, ohne sehr hohen Zeitdruck, ohne sehr hohe Anforderungen an das Konzentrationsvermögen bei erheblich geminderter Stressbelastbarkeit. Auch wenn es sich bei den anfallsartigen Ereignissen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht um eine Epilepsie handele, solle der Klägerin nicht mehr das berufliche Führen eines Kfz zugemutet werden. Testpsychologisch habe sich ein eindeutiger Anhalt für eine Aggravation neurokognitiver Defizite ergeben. Im Einklang hiermit habe die Klägerin auch bei der körperlichen Untersuchung ihre Beschwerden bewusst verdeutlicht, indem sie im Finger-Nase-Versuch beidseitig bewusst auf das gleichseitige Auge vorbeigezeigt habe. Ausweislich des erhobenen Tagesprofils der Klägerin (Bl. 473/474 der SG-Akten) versorgt diese sich vollständig selbst (kauft zu Fuß ein, bereitet sich sämtliche Mahlzeiten selbst zu und kocht für sich). Die Klägerin habe berichtet, aufgrund der von ihr eingenommenen Medikamente lediglich nur etwa einmal im Jahr einen Anfall zu erleiden (Bl. 467 der SG-Akten). Zwar sei bei ihr, so der Sachverständige in seinem Gutachten, ein vermindertes emotionales Schwingungsvermögen anzunehmen, jedoch habe er positive Emotionen bei ihr auslösen können. Ihre Lebensgeschichte habe sie im Wesentlichen in sich schlüssig schildern können. Sie habe angegeben, einmal im Jahr für sechs Wochen in die Türkei zu fliegen, selbst mit dem Bus (bei einmaligem Umsteigen) ihren Nervenarzt Dr. Denzel aufzusuchen und den Weg zu ihrem Bruder sowohl zu Fuß als auch mit der S-Bahn selbst zu bewältigen (Bl. 486 der SG-Akten). Seit Antragstellung sei sie in ihrer Leistungsfähigkeit im beschriebenen Ausmaß gemindert. Die im Vordergrund stehende und über Jahrzehnte chronifizierte psychische Störung könne sich durch eine Intensivierung der Behandlung, insbesondere einer zusätzlichen verhaltenstherapeutischen Behandlung bessern - möglicherweise auch auf Dauer, wenn die Klägerin ihre Nikotinabhängigkeit mit verhaltenstherapeutischer Unterstützung behebe. Eine stationäre medizinische Rehabilitation, vorzugsweise in einer Abteilung türkisch sprechender Therapeuten mit anschließender ambulanter Psychotherapie, könne den Gesundheitszustand der Klägerin beschleunigt verbessern.

Mit Urteil vom 15.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sachverständigen Dr. U., Dr. Benz und Mayer hätten schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Klägerin trotz ihrer Gesundheitsstörungen noch leichte körperliche Tätigkeiten unter Berücksichtigung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig ausüben könne. Alle drei hätten den Krankheitsverlauf der Klägerin ausführlich gewürdigt, seien den Beschwerden der Klägerin nachgegangen und hätten sie sorgfältig untersucht. Hingegen überzeuge die abweichende Leistungseinschätzung der Sachverständigen Dr. G.-X. nicht, da diese überwiegend auf den klägerischen Angaben beruhe. Die dortige Befunderhebung sei unauffällig gewesen. Zudem lasse deren Gutachten eine nähere nachvollziehbare Begründung vermissen. Dass Dr. G.-X. von einer Therapieresistenz der Klägerin ausgehe, erscheine im Hinblick auf die bislang nicht konstant durchgeführte, ggf. muttersprachlich durchzuführende Psycho- und Verhaltenstherapie nicht nachvollziehbar. Der Leistungseinschätzung des Sachverständigen Dr. S. und der behandelnden Ärzte schließe sich das SG nicht an, da den von ihnen genannten Einschränkungen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen hinreichend Rechnung getragen werden könne. Die von Dr. S. angenommene Antriebs-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörung nebst kognitiver Störung mit Einengung des Denkens hätten die Sachverständigen Dr. Benz und Mayer übereinstimmend nicht bestätigt. Schließlich sei die Klägerin nicht in ihrer Wegefähigkeit erheblich eingeschränkt, weder aufgrund der Herzerkrankung noch aufgrund ihrer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beine. Insoweit schließe sich das SG den Ausführungen von Dr. Eisenlohr und Dr. U. - beides Fachärzte auf dem Gebiet der insoweit maßgeblichen Gesundheitsstörungen - an. So habe insbesondere Dr. U. hinsichtlich der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit der Beine umfangreiche Befunde in beiden gutachterlichen Untersuchungen erhoben und schlüssig dargelegt, warum diese keine eingeschränkte Gehfähigkeit bedingen würden. Die von Dr. G.-X. insoweit angenommene fehlende Wegefähigkeit sei schon deshalb nicht überzeugend, da die Gutachterin ihre Einschätzung allein auf die glaubhaften Angaben der Klägerin stütze, ohne insoweit eigene Befunde erhoben zu haben.

Gegen das ihr am 29.10.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25.11.2009 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie führt im Wesentlichen aus, entgegen der Auffassung des SG habe Dr. G.-X. keine unauffällige Befunde im Zuge der Untersuchung der Klägerin erhoben. Vielmehr habe sie eine deutlich depressive Herabgestimmtheit mit ausgeprägter Affektlabilität festgestellt. Zudem hätten sich nach Auswertung eines Selbstbeurteilungsbogens mäßig bis deutlich ausgeprägte Zeichen einer depressiven Symptomatik und einer Angstsymptomatik gezeigt. Ihre depressive Erkrankung sei auch seit langem chronifiziert und therapieresistent. Sie befinde sich nämlich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung, ohne dass eine Besserung ihres Gesundheitszustandes habe erreicht werden können. Eine muttersprachliche Psycho- und Verhaltenstherapie habe bislang deshalb nicht durchgeführt werden können, weil es im Landkreis Heilbronn an entsprechend qualifizierten Ärzten bzw. Psychotherapeuten fehle. Der Sachverständige Dr. S. habe ausführlich begründet, weshalb die Klägerin an einer schweren Depression leide. Selbst die Sachverständigen Dr. Benz und Mayer hätten bei der Klägerin eine gedrückte Stimmung, eine Antriebsstörung sowie Interessen-/Freudlosigkeit bestätigt. Dass die Klägerin an einer schweren Depression leide, habe auch der Sachverständige Mayer festgestellt. Aufgrund der divergierenden Auffassungen der Sachverständigen auf nervenärztlichem Fachgebiet sei ein weiteres fachpsychiatrisches Gutachten von Amts wegen einzuholen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Oktober 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 07. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 28. Februar 2005 hinaus in gesetzlicher Höhe weiter zu gewähren.

Die Beklagte, die mit Bescheid vom 14.04.2010 einen Rehaantrag der Klägerin wegen fehlenden Rehabilitationsbedarfs abgelehnt hat (Bl. 30 d. LSG-Akt.), beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zurecht hat das SG mit dem angefochtenen Urteil vom 15.10.2009 die Klage abgewiesen, weil die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen. Über den 28.02.2005 hinaus erfüllt die Klägerin die gesetzlichen Voraussetzungen weder für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung noch für einen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Was die Tatbestandsvoraussetzungen eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI im einzelnen anbelangt, wird auf deren zutreffende Wiedergabe durch das SG im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Der Senat folgt darüber hinaus dem SG auch in den Gründen der Entscheidung und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist auszuführen, dass aufgrund der Berufungsbegründung, die sich auf die aus Sicht der Klägerin unzutreffende Beweiswürdigung des SG stützt, die für die Beurteilung des Falles maßgeblichen Fragen (insbesondere der Fähigkeit der Klägerin, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich erwerbstätig sein zu können) nicht abweichend von der Auffassung der Beklagten bzw. des SG zu beantworten sind. Dabei weist der Senat darauf hin, dass den bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beschwerden bereits ausreichend durch qualitative Anforderungen an eine leichte Tätigkeit Rechnung getragen wird. So spricht gegen eine zeitliche Leistungseinschränkung der Klägerin selbst für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, dass sich die Klägerin ausweislich des von dem Sachverständigen Mayer erhobenen Tagesprofils selbst versorgt (selbst zu Fuß einkauft, sich warme Mahlzeiten selbst kocht), mithin ihren Haushalt selbst meistert und nicht auf fremde Hilfe angewiesen ist. Vor dem Hintergrund, dass der Sachverständige Mayer zwar ein vermindertes emotionales Schwingungsvermögen angenommen hat, jedoch positive Emotionen bei ihr hat auslösen können, ist der Senat nicht vom Vorliegen einer schweren depressiven Störung bei der Klägerin, wie dies Frau Dr. G.-X. angenommen hat, überzeugt. Insoweit ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei den verschiedenen gutachterlichen Untersuchungen mehrmals erhebliche bewusstseinsnahe Verdeutlichungstendenzen gezeigt hat. So hat die Klägerin ausweislich des Gutachtens von Dr. Benz ihre Beschwerden anlässlich seiner gutachterlichen Untersuchung expressiv bis dramatisierend und demonstrativ zum Ausdruck gebracht. Gleichfalls hat Dr. S. festgehalten, die Klägerin habe manche Beschwerden demonstrativ akzentuiert dargestellt, auch bei der Kraftprüfung habe sich eine Verdeutlichungstendenz gezeigt. Übereinstimmend hiermit haben sich bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Mayer testpsychologisch eindeutige Hinweise auf eine Aggravation so nicht vorhandener neurokognitiver Defizite ergeben; auch hat die Klägerin bei der körperlichen Untersuchung ihre Beschwerden bewusst verdeutlicht, indem sie im Finger-Nase-Versuch beidseitig bewusst auf das gleichseitige Auge vorbeigezeigt hat. Dass die Klägerin - wie dies Dr. S. und Dr. G.-X. angenommen haben - zur Mitarbeit bei der Untersuchung teils nicht in der Lage gewesen wäre, hat der Sachverständige Mayer gerade nicht feststellen können.

Hinsichtlich der von der Klägerin, u.a. bei der Begutachtung durch den Sachverständigen Mayer selbst beschriebenen "Vergesslichkeit" ist bemerkenswert, dass sie auch bei der Untersuchung durch diesen Sachverständigen ihre biographischen Daten in sich schlüssig und übereinstimmend mit der Aktenlage hat angeben können. Gegen die von Frau Dr. G.-X. festgestellte schwere depressive Störung spricht bereits, dass sie selbst (bei geringer Kooperation während der Untersuchungssituation) im psychischen Befund ein ungestörtes Auffassungsvermögen, keine Umstellungserschwernis und keine über das Altersmaß hinausreichende Kurzzeit- oder Langzeitgedächtnisstörungen hat eruieren können. Insoweit erscheint das Gutachten von Frau Dr. G.-X. bereits in sich widersprüchlich.

Bezüglich der von der Klägerin behaupteten fehlenden Fähigkeit, 500 Meter binnen 20 Minuten zu Fuß zurückzulegen und viermal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, ergibt sich schon aus den Angaben der Klägerin bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Mayer, dass diese nicht erheblich in ihrer Wegefähigkeit gemindert ist. Denn sie hat selbst eingeräumt, einmal im Jahr für sechs Wochen in die Türkei zu fliegen, selbst mit dem Bus (bei einmaligem Umsteigen) ihren Nervenarzt Dr. Denzel aufzusuchen und den Weg zu ihrem Bruder sowohl zu Fuß als auch mit der S-Bahn selbst zu bewältigen. Schließlich vermag die Klägerin auch ihre Einkäufe weitgehend selbst zu bewältigen.

Der Klägerin ist der Arbeitsmarkt auch nicht unter dem Gesichtspunkt verschlossen, dass sie am Erwerbsleben nicht mehr unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen einsetzbar wäre. Eine solche Konstellation hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 31.03.1993 - Az.: B 13 RJ 65/91 - (zit. nach juris) bei einem Versicherten angenommen, dessen Leistungsfähigkeit durch häufige, durchschnittlich einmal in der Woche auftretende Fieberschübe jeweils für mehrere Tage vollständig aufgehoben wird. Ein vergleichbarer Fall liegt hier schon deshalb nicht vor, weil sich aus der Beweiserhebung nicht ableiten lässt, dass entsprechend häufige AU-Zeiten aufgrund der von ihr behaupteten Anfälle zu erwarten wären. So hat die Klägerin u.a. bei der Untersuchung durch den zuletzt gehörten Sachverständigen berichtet, aufgrund der von ihr eingenommenen Medikamente lediglich nur etwa einmal im Jahr einen solchen Anfall zu erleiden.

Bei dieser Ausgangslage sieht sich der Senat nicht veranlasst, von Amts wegen weiter zu ermitteln. Die vorliegenden Gutachten begründen keine Anhaltspunkte, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der gehörten Sachverständigen zu zweifeln, und haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt. Weiterer Beweis¬erhebungen, insbesondere der Einholung eines von der Klägerin beantragten weiteren nervenärztlichen Gutachtens von Amts wegen, hat es daher nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 Zivilprozessordnung nicht bedurft. Dabei weist der Senat darauf hin, dass das Gericht Sachverständigengutachten grundsätzlich frei würdigt und auch ohne Einholung eines weiteren Gutachtens von ihnen abweichen kann; einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein weiteres Gutachten bzw. durch ein "Obergutachten", durch das - wie hier - keine neuen Tatsachen festgestellt, sondern nur die Schlüssigkeit abweichender Beurteilungen durch einen weiteren Sachverständigen überprüft werden soll, sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006 - Az.: B 13 RJ 272/05 B - m.w.N., zit. nach juris). Bei sich widersprechenden Gutachten ist das Gericht allerdings gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinanderzusetzen (BSG, a.a.O., m.w.N.). Dies ist vorliegend geschehen.

Die Klägerin hat ferner, worauf das SG nicht eingegangen ist, keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als 6 Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderer Anforderung an ihre bisherige Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nach § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens 6 Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Da die Klägerin über keinen Berufsabschluss verfügt und während ihres Berufslebens nur Tätigkeiten mit einer Anlernzeit von weniger als einem Jahr, mithin angelernte Tätigkeiten des unteren Bereichs verrichtet hat, ist sie auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, auf dem sie unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkung täglich sechs Stunden tätig sein kann, verweisbar, ohne dass es der Nennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf (ständige Rechtsprechung, siehe zum vom BSG entwickelten Mehrstufenschema z.B. dessen Urteil vom 29.03.1994 - Az.: B 13 RJ 35/93 -, m.w.N., zit. nach juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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