Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Trier (RPF)
Aktenzeichen
S 2 EG 5/08
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 EG 8/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Lebensmonate des Kindes, in denen die berechtigte Person Mutterschaftsgeld bezieht, gelten nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BEEG auch dann als Monate für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht, wenn der Elterngeldbezug nicht unmittelbar an den Zeitraum des Bezugs von Mutterschaftsgeld anschließt.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 12.10.2009 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bezugsdauer des an die Klägerin zu zahlenden Elterngeldes.
Die Klägerin ist die Mutter des am 2008 geborenen Kindes E L B. Sie ist als Gemeindereferentin erwerbstätig, ihr Ehemann und Prozessbevollmächtigter versorgt als Hausmann den Haushalt mit insgesamt sechs Kindern. Die Klägerin bezog in der Zeit vom 15.06.2008 bis 10.08.2008 Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 13,00 EUR von ihrer Krankenkasse zuzüglich eines Zuschusses des Arbeitgebers in Höhe von täglich 78,29 EUR. Auf Antrag vom 15.07.2008 bewilligte die Kreisverwaltung B -W mit Bescheid vom 17.07.2008 dem Ehemann der Klägerin für den ersten und zweiten Lebensmonat von E L Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages von monatlich 300,00 EUR. Dem Antrag der Klägerin auf Gewährung von Elterngeld für den dritten bis vierzehnten Lebensmonat von E L gab die Behörde mit Bescheid vom 22.08.2008 nur für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe des aus dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Klägerin vor der Geburt errechneten Betrages von monatlich 1.737,08 EUR statt und führte aus, der Klägerin stehe Elterngeld lediglich für maximal zehn Monate zu, weil der Bezugszeitraum des Mutterschaftsgeldes ab der Geburt des Kindes vom 15.06.2008 bis 10.08.2008 auf die Leistungsdauer gesetzlich anzurechnen sei. Den Widerspruch der Klägerin, die darauf verwies, sie habe in den ersten beiden Lebensmonaten ihres Kindes E L weder Elternzeit in Anspruch genommen noch Elterngeld beantragt, sodass ihr das Mutterschaftsgeld nicht im Bezugszeitraum des Elterngeldes zugeflossen sei und damit auch nicht angerechnet werden könne, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Trier erhoben und geltend gemacht, bei verfassungsgemäßer Auslegung könne die gesetzliche Anrechnungsvorschrift nur so verstanden werden, dass nur Monate "verbraucht" seien, für die zeitgleich Mutterschaftsgeld von der Berechtigten bezogen worden sei. Der Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten, er hat sich in der mündlichen Verhandlung des SG aber bereit erklärt, bei nachträglicher Umgestaltung des Antrages dem Ehemann der Klägerin für zwei weitere Monate Elterngeld zu gewähren; dies haben die Klägerin und ihr Ehemann abgelehnt. Durch Urteil vom 12.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die ersten beiden Lebensmonate des Kindes, in denen die Klägerin Mutterschaftsgeld bezogen habe, würden nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs 3 S 1 und S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) als Monate gelten, für die der Klägerin Elterngeld zu zahlen sei. Durch diese Regelung solle generell eine Anrechnung des Mutterschaftsgeldes erfolgen, unabhängig davon, für welchen Zeitraum Elterngeld gezahlt werde. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der normierten Anrechnung anderer Leistungen, Doppelleistungen gleicher Zweckrichtung zu vermeiden. Leistungen nach dem BEEG und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) hätten den Zweck, Einkommenseinbußen nach der Geburt des Kindes auszugleichen. Die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes erweise sich deshalb als sachgerecht, weil es anderenfalls zu einer doppelten Kompensation komme. Dass in den ersten beiden Monaten nicht die Klägerin, sondern der Vater Elterngeld erhalten habe, führe zu keinem anderen Ergebnis, sondern resultiere aus der eigenverantwortlichen Einteilung der Leistungsmonate der Eltern. Diese Auslegung des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 BEEG verstoße nicht gegen verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte. Bei der Ausgestaltung des Elterngeldes als Leistung der gewährenden Staatsverwaltung stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Seine Entscheidung, das BEEG als eine dem Grundsatz nach einkommensabhängige Lohnersatzleistung auszugestalten, verstoße nicht gegen Grundrechte. Durch das BEEG werde die Situation der Familie nach der Geburt finanziell gestärkt, um so über einen festgelegten Bezugszeitraum die Betreuung durch beide Elternteile, insbesondere unter Beteiligung des erwerbstätigen Elternteils, zu ermöglichen. Ein Verstoß gegen die in Art 1 Abs 2 Grundgesetz (GG) verankerte Würde des Kindes sei hierin nicht ersichtlich. Auch Art 6 GG sei nicht verletzt. Die Anrechnungsvorschrift beinhalte keinen Eingriff in die eigenverantwortliche Entscheidung der Eheleute hinsichtlich ihrer Lebensführung. Vielmehr eröffne das BEEG den Eltern die Möglichkeit, die ihnen zustehenden Leistungsmonate eigenverantwortlich aufzuteilen und so die Zeit nach der Geburt des Kindes autonom zu planen. Ebenso wenig sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art 2 GG verletzt. Die Klägerin und ihr Ehegatte hätten frei entscheiden können, wann sich wer der Erziehungsarbeit widme. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 GG sei nicht gegeben. Dieser verbiete es lediglich eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Adressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigten. Vorliegend bestünden entgegen der Auffassung der Klägerin Unterschiede zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Frauen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigten. Im Gegensatz zu nicht erwerbstätigen Müttern könnten solche, die erwerbstätig sind, Leistungen nach dem MuSchG in Anspruch nehmen. Dieser Unterschied rechtfertige es, eine Anrechnung von Bezugsmonaten von Mutterschaftsgeld nur bei erwerbstätigen Frauen vorzunehmen.
Gegen das ihr am 30.10.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.11.2009 Berufung eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, folge man der Auslegung des SG und des Beklagten, beinhalte die gesetzliche Anrechnungsregelung eine verfassungswidrige "staatlich verordnete Zwangserziehung" des Kindes durch die Mutter in den ersten beiden Lebensmonaten. Es würde in die verfassungsgemäße Freiheit der Eltern zur eigenverantwortlichen Familiengestaltung eingegriffen. Zudem sei nicht ausreichend gewürdigt worden, dass gesetzlich beide Elternteile Berechtigte seien und die jeweilige Leistungsinanspruchnahme frei wählen könnten. Durch die Regelungen des BEEG würde zudem die häusliche Erziehungsarbeit in einer "traditionellen Einverdienerehe" im Ergebnis staatlich weniger gefördert als bei bald nach der Geburt des Kindes erfolgter Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit, wie verschiedene Fallbeispiele belegten. Es komme zu einer staatlichen Minderleistung in Höhe von mindestens 2.700,00 EUR.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 12.10.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 zu verurteilen, Elterngeld ohne Anrechnung des Bezugszeitraumes von Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss auch für den dreizehnten und vierzehnten Lebensmonat ihres Kindes E L B zu gewähren,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
höchst hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG zur Klärung der Frage anzurufen, ob die Anrechnung von Mutterschaftsgeld auf das zu beziehende Elterngeld auch für Zeiten, in denen die Mutter keine Leistungen gemäß dem BEEG beantragt hat, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 ff, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Auf die zur Überzeugung des Senats insgesamt zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils, insbesondere auch hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs 2 SGG).
Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 4 Abs 3 S 2 BEEG gelten Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Diese Monate gelten nach der Gesetzesbegründung damit als verbraucht (vgl BT-Drs 16/1889 S 23). Es handelt sich mithin um eine gesetzliche Fiktion gerade für den Fall, dass ein Elternteil mit Leistungsbezug im Sinne des § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG für den Bezugszeitraum der danach anzurechnenden Leistungen tatsächlich keine Inanspruchnahme von Elterngeld gewählt hat. Hierdurch wird eine Umgehung der Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG verhindert. Die Anrechnungsvorschrift selbst begegnet aus den vom SG genannten Gründen keinen Bedenken. Nach der Gesetzesbegründung zu § 3 BEEG dient der Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss, der im Regelfall das ausfallende Netto-Einkommen während der Zeit des Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG in voller Höhe ersetzt, insoweit demselben Zweck wie das Elterngeld, als für den gleichen Leistungszeitraum aus demselben Anlass, nämlich der Geburt des Kindes, dieselben Einkommenseinbußen ganz oder teilweise ersetzt oder ausgeglichen werden. Sie können deshalb nicht nebeneinander gewährt werden. Der Zweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sie nach der Geburt die Betreuung ihres Kindes übernehmen, ist im Fall gezahlter Mutterschaftsleistungen bereits erfüllt (vgl BT-Drs 16/1889 S 22).
Die Anrechnungsvorschrift des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG beinhaltet entgegen der Berufungsbegründung keine gesetzlich angeordnete "Zwangserziehung" des Kindes durch die Mutter in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes. Vielmehr handelt es sich um eine sachlich nachvollziehbare Ausgestaltung der Familienförderungselemente verschiedener Leistungsgesetze in ihrem Zusammenwirken. Eine Benachteiligung der vor der Geburt des Kindes erwerbstätigen Mutter mit Anspruch auf Leistungen nach dem MuSchG gegenüber der nicht erwerbstätigen Mutter liegt hierin nicht. Auch die erwerbstätige Mutter erhält insgesamt für (höchstens) zwölf Monate Leistungen, wobei diese im Fall der Klägerin in den ersten zwei Lebensmonaten des Kindes auf Grund der Höhe des zuzüglich zum Mutterschaftsgeld bezogenen Zuschusses des Arbeitgebers den Höchstbetrag des Elterngeldes sogar überstiegen. Eine Kumulierung der familienfördernden Leistungen der verschiedenen Leistungsgesetze, wie sie die Klägerin im Ergebnis geltend macht, würde zu einer verfassungsrechtlich jedenfalls nicht gebotenen noch weitergehenden Besserstellung der vor der Geburt erwerbstätigen Mutter führen.
Soweit die Klägerin eine Benachteiligung von Eltern in einer "traditionellen Einverdienerehe" durch die Regelungen des BEEG rügt, ist eine solche hinsichtlich der vorliegend streitigen Anrechnungsbestimmungen nicht zu erkennen. Die Klägerin wird hierdurch nicht schlechter gestellt als eine erwerbstätige Mutter, deren Ehemann ebenfalls erwerbstätig ist. Auch bei dieser würden Mutterschaftsgeld und Zuschuss des Arbeitgebers dazu nach den Regelungen der §§ 3, 4 BEEG angerechnet. Im Übrigen erscheint es im Rahmen des vom SG zutreffend hervorgehobenen weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von Leistungsgesetzen nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber bei den Regelungen des BEEG an die bei der Geburt des Kindes bestehende individuelle Lebens- und Erwerbssituation der Eltern anknüpft. Die möglicherweise resultierende Besserstellung von doppelverdienenden Eltern steht im Übrigen die in anderen Rechtsgebieten durchaus bestehende Besserstellung von "Einverdienerehen" (etwa beim steuerlichen Ehegattensplitting oder der krankenversicherungsrechtlichen beitragsfreien Familienversicherung) gegenüber, sodass bei einer Gesamtschau die von der Klägerin angenommene bewusste Benachteiligung "traditioneller Ehen" vom Senat so nicht erkannt wird.
Der Berufung bleibt damit der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kommt nicht in Betracht, weil der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der Anrechnungsregelung des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 oder Abs 4 BEEG überzeugt ist.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Bezugsdauer des an die Klägerin zu zahlenden Elterngeldes.
Die Klägerin ist die Mutter des am 2008 geborenen Kindes E L B. Sie ist als Gemeindereferentin erwerbstätig, ihr Ehemann und Prozessbevollmächtigter versorgt als Hausmann den Haushalt mit insgesamt sechs Kindern. Die Klägerin bezog in der Zeit vom 15.06.2008 bis 10.08.2008 Mutterschaftsgeld in Höhe von täglich 13,00 EUR von ihrer Krankenkasse zuzüglich eines Zuschusses des Arbeitgebers in Höhe von täglich 78,29 EUR. Auf Antrag vom 15.07.2008 bewilligte die Kreisverwaltung B -W mit Bescheid vom 17.07.2008 dem Ehemann der Klägerin für den ersten und zweiten Lebensmonat von E L Elterngeld in Höhe des Mindestbetrages von monatlich 300,00 EUR. Dem Antrag der Klägerin auf Gewährung von Elterngeld für den dritten bis vierzehnten Lebensmonat von E L gab die Behörde mit Bescheid vom 22.08.2008 nur für den dritten bis zwölften Lebensmonat in Höhe des aus dem durchschnittlichen Erwerbseinkommen der Klägerin vor der Geburt errechneten Betrages von monatlich 1.737,08 EUR statt und führte aus, der Klägerin stehe Elterngeld lediglich für maximal zehn Monate zu, weil der Bezugszeitraum des Mutterschaftsgeldes ab der Geburt des Kindes vom 15.06.2008 bis 10.08.2008 auf die Leistungsdauer gesetzlich anzurechnen sei. Den Widerspruch der Klägerin, die darauf verwies, sie habe in den ersten beiden Lebensmonaten ihres Kindes E L weder Elternzeit in Anspruch genommen noch Elterngeld beantragt, sodass ihr das Mutterschaftsgeld nicht im Bezugszeitraum des Elterngeldes zugeflossen sei und damit auch nicht angerechnet werden könne, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 28.11.2008 Klage zum Sozialgericht (SG) Trier erhoben und geltend gemacht, bei verfassungsgemäßer Auslegung könne die gesetzliche Anrechnungsvorschrift nur so verstanden werden, dass nur Monate "verbraucht" seien, für die zeitgleich Mutterschaftsgeld von der Berechtigten bezogen worden sei. Der Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten, er hat sich in der mündlichen Verhandlung des SG aber bereit erklärt, bei nachträglicher Umgestaltung des Antrages dem Ehemann der Klägerin für zwei weitere Monate Elterngeld zu gewähren; dies haben die Klägerin und ihr Ehemann abgelehnt. Durch Urteil vom 12.10.2009 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die ersten beiden Lebensmonate des Kindes, in denen die Klägerin Mutterschaftsgeld bezogen habe, würden nach dem eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs 3 S 1 und S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) als Monate gelten, für die der Klägerin Elterngeld zu zahlen sei. Durch diese Regelung solle generell eine Anrechnung des Mutterschaftsgeldes erfolgen, unabhängig davon, für welchen Zeitraum Elterngeld gezahlt werde. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der normierten Anrechnung anderer Leistungen, Doppelleistungen gleicher Zweckrichtung zu vermeiden. Leistungen nach dem BEEG und dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) hätten den Zweck, Einkommenseinbußen nach der Geburt des Kindes auszugleichen. Die Anrechnung des Mutterschaftsgeldes auf den Bezugszeitraum des Elterngeldes erweise sich deshalb als sachgerecht, weil es anderenfalls zu einer doppelten Kompensation komme. Dass in den ersten beiden Monaten nicht die Klägerin, sondern der Vater Elterngeld erhalten habe, führe zu keinem anderen Ergebnis, sondern resultiere aus der eigenverantwortlichen Einteilung der Leistungsmonate der Eltern. Diese Auslegung des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 BEEG verstoße nicht gegen verfassungsrechtlich garantierte Grundrechte. Bei der Ausgestaltung des Elterngeldes als Leistung der gewährenden Staatsverwaltung stehe dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Seine Entscheidung, das BEEG als eine dem Grundsatz nach einkommensabhängige Lohnersatzleistung auszugestalten, verstoße nicht gegen Grundrechte. Durch das BEEG werde die Situation der Familie nach der Geburt finanziell gestärkt, um so über einen festgelegten Bezugszeitraum die Betreuung durch beide Elternteile, insbesondere unter Beteiligung des erwerbstätigen Elternteils, zu ermöglichen. Ein Verstoß gegen die in Art 1 Abs 2 Grundgesetz (GG) verankerte Würde des Kindes sei hierin nicht ersichtlich. Auch Art 6 GG sei nicht verletzt. Die Anrechnungsvorschrift beinhalte keinen Eingriff in die eigenverantwortliche Entscheidung der Eheleute hinsichtlich ihrer Lebensführung. Vielmehr eröffne das BEEG den Eltern die Möglichkeit, die ihnen zustehenden Leistungsmonate eigenverantwortlich aufzuteilen und so die Zeit nach der Geburt des Kindes autonom zu planen. Ebenso wenig sei das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art 2 GG verletzt. Die Klägerin und ihr Ehegatte hätten frei entscheiden können, wann sich wer der Erziehungsarbeit widme. Auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art 3 GG sei nicht gegeben. Dieser verbiete es lediglich eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Adressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen den Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigten. Vorliegend bestünden entgegen der Auffassung der Klägerin Unterschiede zwischen erwerbstätigen und nicht erwerbstätigen Frauen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigten. Im Gegensatz zu nicht erwerbstätigen Müttern könnten solche, die erwerbstätig sind, Leistungen nach dem MuSchG in Anspruch nehmen. Dieser Unterschied rechtfertige es, eine Anrechnung von Bezugsmonaten von Mutterschaftsgeld nur bei erwerbstätigen Frauen vorzunehmen.
Gegen das ihr am 30.10.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24.11.2009 Berufung eingelegt. Sie macht weiterhin geltend, folge man der Auslegung des SG und des Beklagten, beinhalte die gesetzliche Anrechnungsregelung eine verfassungswidrige "staatlich verordnete Zwangserziehung" des Kindes durch die Mutter in den ersten beiden Lebensmonaten. Es würde in die verfassungsgemäße Freiheit der Eltern zur eigenverantwortlichen Familiengestaltung eingegriffen. Zudem sei nicht ausreichend gewürdigt worden, dass gesetzlich beide Elternteile Berechtigte seien und die jeweilige Leistungsinanspruchnahme frei wählen könnten. Durch die Regelungen des BEEG würde zudem die häusliche Erziehungsarbeit in einer "traditionellen Einverdienerehe" im Ergebnis staatlich weniger gefördert als bei bald nach der Geburt des Kindes erfolgter Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit, wie verschiedene Fallbeispiele belegten. Es komme zu einer staatlichen Minderleistung in Höhe von mindestens 2.700,00 EUR.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 12.10.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 zu verurteilen, Elterngeld ohne Anrechnung des Bezugszeitraumes von Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss auch für den dreizehnten und vierzehnten Lebensmonat ihres Kindes E L B zu gewähren,
hilfsweise, die Revision zuzulassen,
höchst hilfsweise den Rechtsstreit auszusetzen und das Bundesverfassungsgericht nach Art 100 Abs 1 GG zur Klärung der Frage anzurufen, ob die Anrechnung von Mutterschaftsgeld auf das zu beziehende Elterngeld auch für Zeiten, in denen die Mutter keine Leistungen gemäß dem BEEG beantragt hat, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und sieht keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die gesetzliche Regelung.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Der Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 ff, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht zu beanstanden. Auf die zur Überzeugung des Senats insgesamt zutreffenden Gründe des erstinstanzlichen Urteils, insbesondere auch hinsichtlich der von der Klägerin erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken, nimmt der Senat Bezug (§ 153 Abs 2 SGG).
Nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung des § 4 Abs 3 S 2 BEEG gelten Lebensmonate des Kindes, in denen nach § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG anzurechnende Leistungen zustehen, als Monate, für die die berechtigte Person Elterngeld bezieht. Diese Monate gelten nach der Gesetzesbegründung damit als verbraucht (vgl BT-Drs 16/1889 S 23). Es handelt sich mithin um eine gesetzliche Fiktion gerade für den Fall, dass ein Elternteil mit Leistungsbezug im Sinne des § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG für den Bezugszeitraum der danach anzurechnenden Leistungen tatsächlich keine Inanspruchnahme von Elterngeld gewählt hat. Hierdurch wird eine Umgehung der Anrechnungsvorschrift des § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG verhindert. Die Anrechnungsvorschrift selbst begegnet aus den vom SG genannten Gründen keinen Bedenken. Nach der Gesetzesbegründung zu § 3 BEEG dient der Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Arbeitgeberzuschuss, der im Regelfall das ausfallende Netto-Einkommen während der Zeit des Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG in voller Höhe ersetzt, insoweit demselben Zweck wie das Elterngeld, als für den gleichen Leistungszeitraum aus demselben Anlass, nämlich der Geburt des Kindes, dieselben Einkommenseinbußen ganz oder teilweise ersetzt oder ausgeglichen werden. Sie können deshalb nicht nebeneinander gewährt werden. Der Zweck des Elterngeldes, Eltern individuell bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen zu unterstützen, wenn sie nach der Geburt die Betreuung ihres Kindes übernehmen, ist im Fall gezahlter Mutterschaftsleistungen bereits erfüllt (vgl BT-Drs 16/1889 S 22).
Die Anrechnungsvorschrift des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 oder Abs 3 BEEG beinhaltet entgegen der Berufungsbegründung keine gesetzlich angeordnete "Zwangserziehung" des Kindes durch die Mutter in den ersten beiden Lebensmonaten des Kindes. Vielmehr handelt es sich um eine sachlich nachvollziehbare Ausgestaltung der Familienförderungselemente verschiedener Leistungsgesetze in ihrem Zusammenwirken. Eine Benachteiligung der vor der Geburt des Kindes erwerbstätigen Mutter mit Anspruch auf Leistungen nach dem MuSchG gegenüber der nicht erwerbstätigen Mutter liegt hierin nicht. Auch die erwerbstätige Mutter erhält insgesamt für (höchstens) zwölf Monate Leistungen, wobei diese im Fall der Klägerin in den ersten zwei Lebensmonaten des Kindes auf Grund der Höhe des zuzüglich zum Mutterschaftsgeld bezogenen Zuschusses des Arbeitgebers den Höchstbetrag des Elterngeldes sogar überstiegen. Eine Kumulierung der familienfördernden Leistungen der verschiedenen Leistungsgesetze, wie sie die Klägerin im Ergebnis geltend macht, würde zu einer verfassungsrechtlich jedenfalls nicht gebotenen noch weitergehenden Besserstellung der vor der Geburt erwerbstätigen Mutter führen.
Soweit die Klägerin eine Benachteiligung von Eltern in einer "traditionellen Einverdienerehe" durch die Regelungen des BEEG rügt, ist eine solche hinsichtlich der vorliegend streitigen Anrechnungsbestimmungen nicht zu erkennen. Die Klägerin wird hierdurch nicht schlechter gestellt als eine erwerbstätige Mutter, deren Ehemann ebenfalls erwerbstätig ist. Auch bei dieser würden Mutterschaftsgeld und Zuschuss des Arbeitgebers dazu nach den Regelungen der §§ 3, 4 BEEG angerechnet. Im Übrigen erscheint es im Rahmen des vom SG zutreffend hervorgehobenen weiten Gestaltungsspielraumes des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung von Leistungsgesetzen nicht sachwidrig, wenn der Gesetzgeber bei den Regelungen des BEEG an die bei der Geburt des Kindes bestehende individuelle Lebens- und Erwerbssituation der Eltern anknüpft. Die möglicherweise resultierende Besserstellung von doppelverdienenden Eltern steht im Übrigen die in anderen Rechtsgebieten durchaus bestehende Besserstellung von "Einverdienerehen" (etwa beim steuerlichen Ehegattensplitting oder der krankenversicherungsrechtlichen beitragsfreien Familienversicherung) gegenüber, sodass bei einer Gesamtschau die von der Klägerin angenommene bewusste Benachteiligung "traditioneller Ehen" vom Senat so nicht erkannt wird.
Der Berufung bleibt damit der Erfolg versagt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs 2 SGG sind nicht gegeben. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kommt nicht in Betracht, weil der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit der Anrechnungsregelung des § 4 Abs 3 S 2 iVm § 3 Abs 1 oder Abs 4 BEEG überzeugt ist.
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