L 3 AS 4168/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 7677/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4168/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte verpflichtet ist, zwischenzeitlich nicht mehr bestehende Schulden aus dem Mietverhältnis für die Wohnung im D. 7 in 7 S., aus welcher die Klägerin während des Klageverfahrens ausgezogen ist, in Höhe von 4.500,00 EUR zu übernehmen.

Die am 30.04.1964 in Polen geborene, geschiedene Klägerin wohnte vom 01.08.1995 bis zum 26.02.2008 in einer 77 qm großen Wohnung im D. 7 in S., ab dem 01.08.2005 zusammen mit ihrem am 11.09.1987 geborenen Sohn A., seit dem 02.05.2007 nach dessen Auszug alleine (Bl. 151 d. Bekl.-Akten). Ausweislich einer undatierten Mietbescheinigung der Vermieterin "Siedlungswerk gemeinnützige Gesellschaft für Wohnungs- und Städtebau mbH" (Siedlungswerk) betrug die Kaltmiete zuletzt 446,35 EUR zuzüglich 180,00 EUR Nebenkostenvorauszahlungen (Bl. 77 d. Bekl.-Akten).

Nachdem die Klägerin bis einschließlich 2004 zeitweise Sozialhilfe bezogen hatte, bewilligte der Beklagte ihr zunächst Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01.07. bis 31.12.2005 (Bescheid vom 27.07.2005; Bl. 34 d. Bekl.-Akten) sowie vom 01.02. bis 31.07.2006 (Bescheid vom 14.03.2006; Bl. 45 d. Bekl.-Akten). Mit Bescheid vom 24.03.2006 hob er - den Zuzug des Sohnes der Klägerin bei der Berechnung der Höhe der angemessenen Unterkunftskosten berücksichtigend - den Bescheid vom 27.07.2005 "für die Monate August 2005 bis Januar 2006 in Höhe von 210,00 EUR" auf und forderte den überzahlten Betrag von 1.260,00 EUR zurück (Bl. U/4 des ersten Teils d. Bekl.-Akten).

Mit Schreiben vom 28.12.2006 kündigte das Siedlungswerk das Mietverhältnis mit der Klägerin wegen Mietrückständen in Höhe von seinerzeit 1.929,33 EUR fristlos (vgl. Bl. 180 d. Bekl.-Akten).

Die Klägerin beantragte für sich und ihren Sohn A. am 19.02.2007 beim Beklagten erneut, ihr Alg II zu bewilligen.

Der geschiedene Ehemann der Klägerin verpflichtete sich durch gerichtlichen Vergleich vom 20.02.1997 vor dem Amtsgericht Böblingen - Familiengericht - (Az.: 2 F 667/96) u.a., ihr Unterhalt in Höhe von monatlich 962,00 DM für die Zeit von Dezember 1996 bis März 1997 sowie für die Zeit ab 01.04.1997 in Höhe von 1.160,00 DM monatlich zu zahlen (Bl. 88f. d. Bekl.-Akten). Mit Urteil vom 30.10.2006 änderte das Amtsgericht Böblingen - Familiengericht - den am 20.02.1997 geschlossenen Vergleich mit Wirkung vom 01.11.2005 dahingehend ab, dass der geschiedene Ehemann der Klägerin an diese nur noch monatlichen Unterhalt in Höhe von 426,00 EUR zu bezahlen habe (Az.: 16 F 1423/05; Bl. 93f. d. Bekl.-Akten).

Am 02.03.2007 unterschrieb die Klägerin folgende Zustimmungserklärung gegenüber dem Beklagten (Bl. 2/1 des ersten Teils d. Bekl.-Akten): "Mir ( ) wurde heute eröffnet, dass die mir und den mit mir in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ( ) gewährten Leistungen gemäß § 23 Abs. 5 Sozialgesetzbuch II (SGB II) darlehensweise gewährt werden. Grund für die darlehensweise Gewährung ist das vorhandene Vermögen, das noch nicht bewertet und verwertet werden kann. Das Darlehen wird ohne Sicherheitsleistung gewährt. Die Gesamtforderung wird vom JobCenter S. in einem gesonderten Bescheid beziffert. Ich stimme der darlehensweisen Leistungsgewährung zu, die durch Unterzeichnung dieser Erklärung zustande kommt. Das JobCenter S. erlässt hierzu einen gesonderten Bescheid, der in den nächsten Tagen übersandt wird."

Der Beklagte entschied sodann mit undatiertem Bescheid (Bl. 2/2 des ersten Teils d. Bekl.-Akten): 1. Die von Ihnen beantragten Leistungen des SGB II werden als Darlehen nach § 23 Abs. 5 des Sozialgesetzbuch II gewährt. 2. Die Höhe des Darlehens richtet sich nach den Bescheiden des Sozialgesetzbuch II. 3. Das Darlehen ist zweckgebunden und darf nicht für andere Zwecke abgetreten oder verpfändet werden. 4. Der Beginn der Rückzahlung und die Höhe der Rückzahlung wird in einem gesonderten Bescheid festgesetzt.

Mit Bescheid vom 28.03.2007 (Bl. 111 d. Bekl.-Akten) bewilligte der Beklagte der Klägerin und deren Sohn Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 19.02. bis 28.02.2007 in Höhe von 265,57 EUR und für die Zeit vom 01.03. bis 31.07.2007 in Höhe von monatlich 796,67 EUR.

Die Vermieterin verklagte die Klägerin mit Klageschrift vom 05.04.2007 (Bl. 179f. d. Bekl.-Akten) auf Räumung der an sie vermieteten Wohnung im D. 7 in 7 S. sowie auf Zahlung von 3.701,77 EUR nebst Zinsen wegen Rückständen aus dem Mietverhältnis vom 01.08.1995 vor dem Amtsgericht Böblingen (Az.: 1 C 824/07), welches den Beklagten - über das Landratsamt Böblingen - gemäß § 34 Abs. 2 SGB II über die Klage informierte.

Der Beklagte bestellte die Klägerin u.a. zum 17.04.2007 ein, woraufhin die Klägerin ohne Angabe von Gründen nicht erschien (vgl. Bl. 222 d. Bekl.-Akten).

Nachdem der Sohn der Klägerin am 02.05.2007 aus der bis dahin gemeinsamen genutzten Wohnung ausgezogen war (Bl. 151 der d. Bekl.-Akten), sprach die Klägerin am 14.05.2007 beim Beklagten vor und erklärte (Bl. 148 d. Bekl.-Akten): "Ich habe bei meinem Vermieter derzeit Mietschulden in Höhe von 3.444,88 EUR (Lt. telefonischer Auskunft des Siedlungswerks vom 14.5.07). Ich konnte seit 10/06 meine Mieten nicht bezahlen, weil ich Unterhalt nur in geringer Höhe von 350,- EUR bekommen habe, obwohl ich einen höheren Unterhaltsanspruch hätte. Derzeit klage ich auf Zahlung des höheren Unterhalts. Eine nächste Verhandlung ist auf 22.5.07 angesetzt. Mein Mann behauptet wahrheitswidrig, dass ich in Polen ein Grundstück haben soll, das einen Wert von 100.000,- EUR haben soll. Es ist zutreffend, dass ich dort ein Grundstück besitze, das aber bestenfalls 15.000 EUR wert ist. Ich wohne derzeit in der Whg. allein. Mein Sohn ist nach mehreren heftigen Streits letzte Woche mit unbekanntem Aufenthaltsort ausgezogen ( ). Gut möglich, dass mein Sohn wieder zu mir zurückkommt. Ich beantrage die darlehensweise Kostenübernahme der rückständigen Miete, um die Klage abzuwenden."

Mit Bescheid vom 14.05.2007 entschied der Beklagte, den der Klägerin zustehenden Anteil des Alg II für die Zeit vom 01.06. bis 31.08.2007 um 10 v.H. der Regelleistung abzusenken, höchstens in Höhe des der Klägerin zustehenden Auszahlungsbetrages. Wörtlich führte sie aus: "Daraus ergibt sich eine maximale Absenkung in Höhe von 35,00 EUR. Die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung wird insoweit ab dem 01.06.2007 gemäß § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) aufgehoben" (Bl. 233 d. Bekl.-Akten).

Mit Bescheid vom 16.05.2007 (Bl. 145 d. Bekl.-Akten) änderte der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 28.03.2007 ab und bewilligte der Klägerin - den Auszug ihres Sohnes zum 02.05.2007 berücksichtigend - für die Zeit vom 01.05. bis 31.05.2007 Leistungen in Höhe von 820,31 EUR und für die Zeit vom 01.06. bis 30.06.2007 in Höhe von monatlich 791,22 EUR.

Am 19.07.2007 schlossen die Klägerin (dortige Beklagte) und die Vermieterin vor dem Amtsgericht Böblingen im Rechtsstreit 1 C 824/07 (Bl. 195f. d. Bekl.-Akt.) folgenden

V e r g l e i c h:

1. Die Beklagte räumt die 3,5-Zimmerwohnung Nr. 473 im 7. Geschoss des Gebäudes D. 7 in 7 S., bestehend aus 3,5 Zimmer, Küche, Flur, Bad, WC, Balkon, Abstellraum und Abstellraum im Untergeschoss sowie die Garage Nr. 789 und gibt diese an die Klägerin heraus.

2. Die Beklagte bezahlt an die Klägerin die Rückstände in Höhe von 1.878,43 EUR sowie die weiteren vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 12,00 EUR.

3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin auf die Vollstreckung aus Ziffer 1 und 2 dieses Vergleichs verzichtet, sofern die Beklagte pünktlich künftig die monatliche Miete in Höhe von 643,11 EUR entrichtet und die unter Ziffer 2 titulierten Rückstände bis spätestens 31.10.2007 zurückführt.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Auf den Antrag der Klägerin auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 31.07.2007 (Bl. 164 d. Bekl.-Akten) bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 01.08.2007 für den Zeitraum vom 01. bis 31.08.2007 Leistungen in Höhe von 793,22 EUR - einen Minderungsbetrag aufgrund von Sanktionen in Höhe 35,00 EUR berücksichtigend - sowie für den Zeitraum vom 01.09. bis 31.10.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 828,22 EUR (Bl. 230 d. Bekl.-Akten). Den hiergegen eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2007 (W 946/07; Bl. 218 d. Bekl.-Akten) als unzulässig. Im anschließenden Klageverfahren S 20 AS 8278/07 vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) hat der Beklagte am 05.02.2009 anerkannt, der Klägerin für den Zeitraum vom 01.08. bis 31.08.2007 einen weiteren Betrag von 35,00 EUR zu bewilligen und auszubezahlen (Bl. 49 Rs. d. SG-Akten).

Mit Bescheid vom 01.08.2007 (Bl. 217 d. Bekl.-Akten) lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 14.05.2007 auf Übernahme der Mietschulden ab. Zur Begründung führte er aus, die Übernahme der Mietschulden sei nicht gerechtfertigt, da die Klägerin nunmehr die betreffende Wohnung allein nutze und die 78 qm große Wohnung mit einer Kaltmiete von 446,00 EUR unangemessen teuer sei. Im Übrigen sei nicht zu erwarten, dass die Klägerin künftig unabhängig von Leistungen nach dem SGB II werde leben können. Insbesondere sei der Ausgang des Unterhaltsprozesses offen.

Den hiergegen erhobenen, nicht begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2007 (W 1023/07; Bl. 211f. d. Bekl.-Akten), auf den Bezug genommen wird, zurück.

Mit Schreiben vom 11.10.2007 teilten die Stadtwerke S. GmbH der Klägerin mit, ab dem 16.10.2007 würden sie die Belieferung mit Energie und Wasser einstellen, sofern bis dahin nicht Zahlungsrückstände in Höhe von 199,00 EUR beglichen seien (Bl. 246 d. Bekl.-Akten).

Zur Begründung ihrer gegen den Widerspruchsbescheid vom 11.10.2007 (W 1023/07) am 19.10.2007 beim SG erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen, bei einer darlehensweisen Übernahme der Mietschulden könne sie diese aufgrund eines wahrscheinlichen Obsiegens im Unterhaltsprozess zurückführen. Ohne den am 19.07.2007 geschlossenen Vergleich erfüllt zu haben, sei sie am 26.02.2008 aus der S. Wohnung ausgezogen, nachdem sie ihre Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis in Höhe von 4.500,00 EUR getilgt habe (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 29.07.2009 im nicht mehr paginierten Teil der SG-Akten). Sie verweist auf das im vor dem Amtsgericht Böblingen - Familiengericht - geführten Rechtsstreit 16 F 245/04 UE und VA erstellte Gutachten des Internisten und Sozialmediziners Dr. T. Schumacher vom 06.09.2007, wonach sie nicht in der Lage sei, einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter üblichen Bedingungen nachzugehen. (Bl. 21/23 der SG-Akten).

Mit Bescheid vom 23.10.2007 (Bl. 250 d. Bekl.-Akten) hat der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 01. bis 30.11.2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 768,23 EUR (Regelleistung in Höhe von 347,00 EUR und Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 421,23 EUR) bewilligt. Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 3/4 erster Teil d. Bekl.-Akten) hat er sie zur beabsichtigten Rücknahme des Bescheides vom 28.03.2007 für den Monat Juli 2007 in Höhe von 222,67 EUR angehört und zur Begründung ausgeführt, sie habe ein Guthaben aus der Nebenkostenabrechnung von 2006 in Höhe von 252,67 EUR erhalten und ihm dieses erst am 22.10.2007 mitgeteilt. Hierdurch sei es zu einer Überzahlung von Alg II gekommen.

Mit Urteil vom 15.04.2008 hat das Amtsgericht Böblingen - Familiengericht - den geschiedenen Ehemann der Klägerin verurteilt, an diese mit Wirkung vom 08.12.2006 bis 31.12.2007 Unterhalt in Höhe von monatlich 938,00 EUR und ab 01.01.2008 in Höhe von monatlich 976,00 EUR zu zahlen (Az.: 16 F 245/04 UE und VA; Bl. 30f. der SG-Akten). Im anschließenden Berufungsverfahren hat das Oberlandesgericht Stuttgart den geschiedenen Ehemann der Klägerin verurteilt, für die Zeit vom 08.12.2006 bis zum 31.12.2008 insgesamt 19.420,00 EUR an Unterhalt an die Klägerin zu zahlen (vgl. Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG am 29.07.2009 im unpaginierten Teil der SG-Akten).

Mit Urteil vom 29.07.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei bereits unzulässig, da es am Rechtsschutzbedürfnis fehle. Vor dem Hintergrund, dass die Klägerin sämtliche Mietschulden kurz vor ihrem Auszug aus der Wohnung in S. getilgt habe, gehe der Klageantrag ins Leere. Mithin könne die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Klägerin durch ein Obsiegen des Urteils nicht verbessert werden. Im Übrigen wäre die Klage auch unbegründet. Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 Zweites Buch Sozialgesetzbuch komme nämlich von vornherein nur in Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden könne. Dies sei nicht mehr der Fall, da die betreffende Wohnung bereits geräumt sei und der gesetzliche Zweck der Erhaltung der Wohnung somit nicht mehr erreicht werden könne. Im Übrigen komme ein Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer - wie hier - nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht in Betracht.

Gegen das ihr am 11.08.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 10.09.2009 Berufung eingelegt, ohne diese im weiteren Verfahrensverlauf zu begründen.

Am 05.03.2010 hat das Notariat Stuttgart ein von der Stadt Stuttgart angeregtes Betreuungsverfahren eingestellt, da es der Bestellung eines Betreuers nicht bedürfe (Az.: 7 VG 91/2009; Bl. 17 d. LSG-Akt.).

Die Klägerin, die nach fernmündlicher Auskunft der Stadt Stuttgart seit September 2008 im SGB XII-Leistungsbezug steht (Bl. 17 d. LSG-Akt.), beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. Juli 2009 und den Bescheid vom 01. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Oktober 2007 (W 1023/07) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Mietschulden für die Wohnung im D. 7 in 7 S. in Höhe von 4.500,00 EUR darlehensweise zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten, die beigezogenen Leistungsakten des Beklagten sowie die gleichfalls beigezogenen Akten des SG verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte es zurecht abgelehnt hat, die zwischenzeitlich nicht mehr bestehenden Schulden der Klägerin aus dem vormaligen Mietverhältnis mit dem Siedlungswerk zu übernehmen.

Ob der Klägerin aufgrund der zwischenzeitlichen Tilgung der Verbindlichkeiten aus dem betreffenden Mietverhältnis nunmehr kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage zur Seite steht mit der Folge, dass diese als unzulässig anzusehen wäre - wie das SG meint -, kann der Senat offen lassen. Denn die Klage ist jedenfalls nicht begründet. Als Rechtsgrundlage für die begehrte darlehensweise Übernahme der Schulden aus dem vormaligen Mietverhältnis mit dem Siedlungswerk kommt - unter Berücksichtigung, dass die Klägerin nach § 44a Abs. 1 Satz 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) im streitgegenständlichen Zeitraum als erwerbsfähig anzusehen ist - die Vorschrift des § 22 Abs. 5 SGB II in Betracht. Hiernach können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist (Satz 1). Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Mit dieser zum 1. April 2006 in Kraft getretenen Änderung des § 22 Abs. 5 SGB II (Artikel 1 Nr. 6 c des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006, BGBl I Seite 558) ist die Übernahme von Schulden (Mietschulden und/oder Energieschulden), die für die Sicherung der Unterkunft unabweisbar ist, unmittelbar im SGB II und nicht mehr durch Verweis auf § 34 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelt worden, ohne dass das bis dahin in der Sozialhilfepraxis übliche Verfahren in der Sache geändert werden sollte (vgl. BT-Drucks 16/688 S. 14). Daher kann zur Auslegung von § 22 Abs. 5 SGB II grundsätzlich auf Literatur und Rechtsprechung zu § 34 SGB XII und zu der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Vorgängervorschrift § 15a BSHG zurückgegriffen werden (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 28 B 269/07 AS -, Rdn. 8, zit. nach juris).

Die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II kommt von vornherein allerdings nur dann in Betracht, wenn damit langfristig der Erhalt der Wohnung gesichert werden kann. Dies kann insbesondere dann nicht mehr der Fall sein, wenn bereits eine wirksame Vermieterkündigung ausgesprochen worden ist und ein Räumungstitel vorliegt (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.2007 - L 8 AS 4481/07 ER-B -, Rn. 11, zit. nach juris). Die Begleichung der Mietrückstände führt in einem solchen Fall nämlich nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von 2 Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete befriedigt wird (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Ob ausnahmsweise die Schuldenübernahme trotz eines rechtskräftigen Räumungstitels gerechtfertigt sein kann, wenn der Vermieter sich für diesen Fall bereit erklärt, einen neuen Mietvertrag abzuschließen (so LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.02.2010 - L 5 AS 2/10 B ER -, zit. nach juris) oder - wie hier - sich bereit erklärt hat, auf die Vollstreckung aus dem Vergleich vom 19.07.2007 zu verzichten, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Vorliegend kann der mit § 22 Abs. 5 SGB II verfolgte Gesetzeszweck nämlich schon deshalb nicht mehr erreicht werden, weil die Klägerin bereits am 26.02.2008 aus der betreffenden Wohnung ausgezogen ist.

Die Übernahme von Schulden ist im Rahmen des § 22 Abs. 5 SGB II auch nur dann gerechtfertigt, wenn eine der drohenden Obdachlosigkeit vergleichbare Notlage vom Leistungsberechtigten nicht selbst beseitigt werden kann; dabei sind Selbsthilfemöglichkeiten des Leistungsberechtigten, seine wirtschaftliche Situation und seine Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.11.2007 - L 20 B 1361/07 AS ER -, Rdn. 21, zit. nach juris.). Die Übernahme der (vormaligen) Mietschulden ist demnach hier nicht gerechtfertigt, da die Klägerin ihre seinerzeit prekäre Lage durch Tilgung der Verbindlichkeiten und nachfolgendem Umzug in eine (kostengünstigere) Wohnung selbst beseitigt hat.

Im Übrigen fehlt es an dem weiteren Tatbestandsmerkmal des § 22 Abs. 5 SGB II, dem Vorliegen von "Schulden" aus dem Mietverhältnis mit dem Siedlungswerk, da die Klägerin diese -offensichtlich nach Erhalt ausstehender Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Ehemannes und damit ohne Aufnahme weiterer Verbindlichkeiten - bereits vor ihrem Auszug vollständig beglichen hat.

Der Argumentation der Beklagten, dass die begehrte darlehensweise Übernahme der Schulden aus dem Mietverhältnis mit dem Siedlungswerk auch daran scheitere, dass die seinerzeitigen Kosten der Unterkunft ohnehin unangemessen hoch gewesen seien (insbesondere nach dem Auszug des Sohnes der Klägerin im Mai 2007) und eine Leistung nach § 22 Abs. 5 SGB II zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft grundsätzlich nicht gerechtfertigt sei, muss hier angesichts des Auszugs der Klägerin am 26.02.2008 und der vorherigen vollständigen Mietschuldentilgung nicht mehr weiter nachgegangen werden. Der Einwand der Beklagten dürfte allerdings grundsätzlich beachtlich sein, da - mit Blick auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II - ein langfristiger Erhalt unangemessen teurer Wohnungen nicht erwünscht ist und nur dann, wenn aufgrund des örtlichen Wohnungsmarktes die Möglichkeit der Kostensenkung durch Umzug nicht besteht, die laufenden Aufwendungen dauerhaft und in Konsequenz dazu auch die Mietschulden zu übernehmen sind (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.10.2007 - L 8 AS 4481/07 ER-B -, Rdn. 13 m.w.N.).

Eine Verpflichtung der Beklagten, die (früheren) Schulden der Klägerin aus dem Mietverhältnis mit dem Siedlungswerk darlehensweise zu übernehmen, ergibt sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass die Beklagte der Klägerin - wofür aber keine Anhaltspunkte ersichtlich sind - für Zeiträume in der Vergangenheit nicht ausreichende Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligt haben könnte und aufgrund dessen Mietschulden bei der Klägerin aufgelaufen wären (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.04.2007 - L 8 AS 412/07 ER-B -). Denn die zugrunde liegenden Bewilligungsbescheide der Beklagten sind bestandskräftig geworden.

Auch § 23 Abs. 1 S. 1 SGB II - wonach der Grundsicherungsträger, wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen noch auf andere Weise gedeckt werden kann, bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder als Geldleistung erbringt und dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehen gewährt - scheidet als Grundlage des klägerischen Anspruches schon deshalb aus, weil vorliegend Schulden aus einem Miet- oder Eigentumsverhältnis im Streit stehen, deren Übernahme seitens des Grundsicherungsträgers in § 22 Abs. 5 SGB II spezialgesetzlich geregelt ist (Bayerisches LSG, Urteil vom 13.09.2007 - L 11 AS 177/07 -, Rdn. 18 m.w.N., zit. nach juris).

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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