L 11 R 4558/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 552/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4558/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Landessozialgericht Baden-Württemberg

L 11 R 4558/09

S 4 R 552/09 SG M.

Im Namen des Volkes Urteil

Der 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2010 für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 10. September 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1952 in C. geborene Kläger ist gelernter Baumaschinist und war nach seinem Umzug nach M. nach den Aufzeichnungen der Agentur für Arbeit M. vom 1. Juli 1990 bis 30. Juni 1996 als Produktionshelfer im Bereich Chemie und vom 1. Januar 2002 bis 15. Juli 2002 als Produktionsfachkraft Chemie versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Januar 2005 bezieht der Kläger Arbeitslosengeld II.

Auf Aufforderung des Job-Centers M. beantragte der Kläger am 16. Juli 2008 die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung mit der Begründung, seit August 2006 wegen starker Schmerzen in der Wirbelsäule, einem LWS-Syndrom, Verspannungen und Verkrampfungen in den Füßen und Beinen und Gehstörungen keine Tätigkeiten mehr verrichten zu können. Zuletzt sei er als Chemiearbeiter beschäftigt gewesen.

Die Beklagte zog das Gutachten nach Aktenlage des Dr. A., Agentur für Arbeit M., vom 19. März 2007 und das Gutachten nach Untersuchung des Dr. P., Agentur für Arbeit M., vom 21. März 2008 bei und holte das orthopädische und sozialmedizinische Gutachten des Dr. S.-F. vom 7. Oktober 2008 ein. Sämtliche Gutachter kamen zum Ergebnis, der Kläger könne jedenfalls noch eine leichte Tätigkeit unter Beachtung gewisser qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Gesundheitszustand habe sich in den letzten Jahren verschlechtert. Er sei mittlerweile auf fremde Hilfe angewiesen. Er habe täglich Schmerzen und Probleme beim Aufstehen, Waschen und Anziehen. Die Füße seien so taub, dass er nicht zehn Minuten stehen könne, ohne sich festzuhalten. Nach ca zwei Stunden lege er sich zur Entlastung hin. Die täglichen Schmerzen seien auch ein psychisches Problem für ihn.

Nach sozialmedizinischer Stellungnahme des Dr. G. vom 7. November 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2009 zurück. Der Sozialmedizinische Dienst habe sämtliche Unterlagen überprüft und komme nach Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass dem Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in überwiegend sitzender, gelegentlich stehender, gelegentlich gehender Arbeitsposition, ohne Nachtschicht, ohne häufiges Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg, ohne häufiges Klettern oder Steigen, ohne Arbeiten auf unebenem Grund und ohne Zwangshaltung mindestens sechs Stunden täglich zumutbar seien. Volle bzw teilweise Erwerbsminderung liege daher nicht vor. Der Kläger sei auch nicht berufsunfähig. Der bisherige Beruf sei der eines Produktionshelfers. Dieser sei dem Leitberuf des ungelernten Arbeiters zuzuordnen. Deshalb müsse sich der Kläger auf sämtliche ungelernten Tätigkeiten verweisen lassen. Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit sei angesichts der Vielzahl der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorhandenen angelernten und ungelernten Tätigkeiten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht erforderlich.

Hiergegen hat der Kläger am 24. Februar 2009 Klage zum Sozialgericht M. (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, mit seiner tatsächlichen gesundheitlichen Verfassung sei die Entscheidung der Beklagten nicht vereinbar. Er leide unter permanenten Schmerzen und quäle sich seit ca drei Jahrzehnten mit gleichbleibend und immer schlimmer werdenden Symptomen. Da er immer öfter auf fremde Hilfe angewiesen sei, könne er nicht mehr arbeiten.

Das SG hat Befundberichte des Orthopäden Dr. L. vom 4. Mai 2009 und des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 07. Mai 2009 sowie das neurologisch-psychiatrische Gutachten des Dr. N. vom 13. Juli 2009 eingeholt.

Nach Auffassung des Dr. L. resultieren aus den orthopädischen Gesundheitsstörungen keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Dr. K., bei dem der Kläger seit August 2007 in Behandlung ist, hingegen hat den Kläger nicht mehr für in der Lage erachtet, täglich mindestens sechs Stunden einer leichten körperlichen Tätigkeit nachzugehen. Denn die vorliegende chronische Schmerzsymptomatik sei nicht nur auf organische Ursachen, sondern auch auf eine überlagernde psychische Beeinträchtigung zurückzuführen.

Dr. N. hat schließlich ausgeführt, beim Kläger liege eine Polyneuropathie, eine Peronaeusläsion links, ein degeneratives Lendenwirbel- und Halswirbelsäulensyndrom und eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion vor. Leichte körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von bis zu fünf Kilogramm überwiegend im Sitzen, mit gelegentlichem Gehen und Stehen, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw ohne Arbeiten, die mit einer erhöhten Gang- und Standsicherheit verbunden seien, seien dem Kläger ca acht Stunden pro Tag möglich.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG, gestützt auf das Gutachten des Dr. N., die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. September 2009 abgewiesen. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Denn er sei noch in der Lage, leichte körperliche Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht durch die Aussage des sachverständigen Zeugen Dr. K ... Denn Dr. N. habe bei der Untersuchung aufgezeigt, dass sich die depressive Stimmungslage unter Einfluss einer antidepressiven medikamentösen Therapie deutlich gebessert habe. Bezüglich der Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet habe die Aussage des behandelnden Orthopäden Dr. L. keine neuen Erkenntnisse gebracht. Denn dieser gehe ebenfalls davon aus, dass die vorhandenen Gesundheitsstörungen einer mindestens sechsstündigen leichten körperlichen Arbeit nicht entgegen stünden.

Mit der dagegen am 5. Oktober 2009 eingelegten Berufung macht der Kläger geltend, seit September 2006 habe er fast 60 Krankmeldungen gesammelt. Deshalb habe das Job-Center M. ihn zur Rentenantragstellung aufgefordert. In der ehemaligen DDR habe er veraltete russische ungefederte Baumaschinen bedient. Deshalb sei er wegen massiver Wirbelschmerzen seit ca 27 Jahren in Behandlung. Seit Sommer 2006 habe sich sein Gesundheitszustand verschlechtert. Schon beim Aufstehen verspüre er Schmerzen in der Wirbelsäule, in beiden Knien, den Füßen und Taubheit bis in die Zehen und habe Verspannungen und Krämpfe. Er könne sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Durch den unsicheren Gang sei er schon viele Male zu Fall gekommen. Über die Jahre hätten sich auch Schlaf- und Gleichgewichtsstörungen eingestellt. Körper und Psyche spielten nicht mehr mit. Auch seine beiden gescheiterten Ehen werde er nicht verkraften. Die Zeit bis zur Rentengewährung könne er nur mit Alkohol verbringen. Studierte Mediziner könnten sich nicht in die Lage chronisch Dauerkranker versetzen. Bei den Gutachten handele es sich um Gefälligkeitsgutachten, die falsch begründet seien. Er verweise ausdrücklich auf seine bisherigen Schriftsätze.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts M. vom 10. September 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 1. Juli 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat Informationen über den Beruf der Produktionsfachkraft Chemie aus dem Internet beigezogen (http://berufenet.arbeitsagentur.de).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, denn er hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung des Art 1 Nr 10 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (BGBl I 2000, 1827) und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007 (BGBl I, 554). Denn gemäß § 300 Abs 1 SGB VI sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden gemäß § 302b SGB VI keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs 2 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bzw gemäß § 43 Abs 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (jeweils Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (jeweils Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (jeweils Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGBVI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs 3 SGBVI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Zur Überzeugung des Senats steht nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweiserhebungen im Gerichtsverfahren sowie unter Berücksichtigung der von der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen fest, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert ist. Denn er ist noch in der Lage, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf die Gutachten des Orthopäden Dr. S.-F. vom 7. Oktober 2008 und des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 13. Juli 2009 sowie auf das Gutachten Dr. P ... Die Gutachter haben nachvollziehbar nach Untersuchung des Klägers und unter Auswertung der orthopädischen und nervenärztlichen Befunde dargelegt, dass die Gesundheitsstörungen des Klägers nur zu qualitativen, nicht aber zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen. Der Kläger kann noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes überwiegend im Sitzen, mit gelegentlichem Gehen und Stehen, mit Heben und Tragen von Lasten bis zu 5 kg, ohne häufiges Treppensteigen, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten bzw ohne Arbeiten, die mit einer erhöhten Gang- und Standsicherheit verbunden sind, mindestens sechs Stunden täglich verrichten und ist damit weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Auf orthopädischem Fachgebiet liegen beim Kläger folgende Erkrankungen vor: ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei geringgradiger S-förmiger thorako-lumbaler Kyphoskoliosierung, deutlichen spondylotischen und osteochondrotischen Veränderungen im Bereich der beiden präsacralen Segmente bei zusätzlichem Vorliegen einer alten LWK 2 Deckplattenimpressionsfraktur mit geringer Funktionseinschränkung; ein rezidivierendes Cervikalsyndrom bei mittelgradiger Spondylose und Osteochondrose C 5/6 ohne wesentliche Funktionseinschränkung; ein mäßiggradige Coxarthrose links, beginnende Coxarthrose rechts ohne wesentliche Funktionseinschränkung (M 16.9) und eine beginnende Gonarthrose beidseits ohne wesentliche Funktionseinschränkung.

Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Orthopäden Dr. S.-F. vom 7. Oktober 2008. Der Gutachter hat den Kläger untersucht und die von ihm erhobenen Befunde ausführlich geschildert. Das Gutachten ist überzeugend und in sich schlüssig. Auf nervenärztlichem Fachgebiet bestehen nach dem vom SG eingeholten Gutachten des Dr. N. eine sensomotorisch gemischte, axonal betonte Polyneuropathie, eine Peronaeusläsion links mit Fußheberparese links und eine Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion. Auch das Gutachten des Dr. N. ist widerspruchsfrei und überzeugend.

Im Vordergrund stehen die dem orthopädischen und neurologischen Fachgebiet zuzuordnenden lumbalen Beschwerden mit Ausstrahlungen vor allem in das linke, teilweise auch in das rechte Bein und die seit dem Jahr 2006 bestehende Schwäche der Fuß- und Zehenhebermuskulatur links. Dr. N. hat als klinische Zeichen der Polyneuropathie distal symmetrische Sensibilitätsstörungen an den Füßen, ausgefallene Achillessehnenreflexe beidseits, ein erloschenes Vibrationsempfinden und die Schwäche der Fuß- und Zehenhebermuskulatur der linken unteren Extremität festgestellt. Die Diagnose der Polyneuropathie und der Schädigung des Nervus peronaeus hat Dr. N. elektroneurographisch objektivieren können. Durch die Schwäche der Fuß- und Zehenhebermuskulatur besteht ein angedeuteter Steppergang, wobei die Gang- und Standversuche in der Untersuchung bei Dr. N. etwas aggraviert bzw demonstrativ imponierten. In unbeobachteten Momenten waren die Bewegungsabläufe wie Aufstehen, Hinsetzen, An- und Ausziehen und Hinlegen auf die Untersuchungsliege und der Gang flüssig und unauffällig. Bei der Untersuchung durch Dr. S.-F. hat sich eine frei bewegliche Halswirbelsäule, eine freie Beweglichkeit beider Hüftgelenke sowie eine nahezu frei bewegliche Rumpfwirbelsäule gezeigt. Im Bereich der Kniegelenke hat sich beidseits ein deutliches retropatellares Reiben und Knirschen beim Durchbewegen mit Druckschmerzhaftigkeit über dem inneren Gelenkspalt gefunden. Wesentliche Funktionsstörungen resultieren aus der freien bzw lediglich endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit der Gelenke daher nicht. Das vom Kläger beklagte Schmerzsyndrom lumbal sowie der unteren Extremitäten ist mit dem in der Akte dokumentierten Bandscheibenvorfall L4/L5 mit Wurzelkompression sowie den Folgen der Polyneuropathie zu erklären. Abgesehen von der Sensibilitätsstörung sowie der Fuß- und Zehenheberparese links bestehen jedoch keine weiteren neurologischen Ausfallerscheinungen und keine radikulären Symptome. An den oberen Extremitäten konnte Dr. N. auch neurologisch keine pathologischen Befunde, insbesondere keine Nervenwurzelkompressionssymptomatik, erheben. Aufgrund der orthopädischen und neurologischen Gesundheitsstörungen muss der Kläger daher schwere und mittelschwere Tätigkeiten meiden und einen gelegentlichen Haltungswechsel sicherstellen. Arbeiten, die eine erhöhte Stand- und Trittsicherheit erfordern, wie zB auf Leitern und Gerüsten, sind zudem wegen der Polyneuropathie und der damit verbundenen verminderten Gang- und Standsicherheit und der Fußheberparese nicht mehr möglich. Damit ergeben sich qualitative, aber keine quantitativen Leistungseinschränkungen. Dies haben die beiden Sachverständigen nachvollziehbar dargelegt und gut begründet. Der Senat schließt sich deren Bewertungen an.

Die Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion führt ebenfalls nicht zu einer zeitlichen Leistungseinschränkung. Bei der Untersuchung durch Dr. N. hat der Kläger über depressive Verstimmungen, eine Tagesmüdigkeit und Antriebslosigkeit sowie Schlafstörungen berichtet. Im psychopathologischen Befund hat Dr. N. bei der Untersuchung zwar ein leichtgradig depressives Beschwerdebild gefunden, jedoch keine Hinweise, die für eine schwerergradige depressive Störung sprechen würden. Denn der Antrieb und die Stimmung sind bei der Untersuchung situationsadäquat unauffällig gewesen. Die Stimmung hat nur streckenweise dysthym niedergeschlagen gewirkt. Hinweise für eine Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen, der Konzentrations- oder Auffassungsgabe oder für Zeichen einer hirnorganischen Wesensveränderung hat Dr. N. nicht gefunden. Deshalb kommt Dr. N. überzeugend zu dem Ergebnis, dass die psychische Störung nicht so ausgeprägt ist, dass dadurch eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit zu begründen wäre. Die von Dr. K. Anfang Mai 2009 beschriebene deutliche depressive Stimmungslage des Klägers mit reduziertem Affekt, starker affektiver Einengung und Fixierung auf die Schmerzsymptomatik und Grübelneigung hat Dr. N. nicht (mehr) finden können und nachvollziehbar auf die seit Juni 2009 von Dr. K. eingeleitete antidepressive medikamentöse Therapie zurückgeführt. Ein länger andauerndes mittelgradiges chronisches depressives Syndrom, welches die Leistungsfähigkeit des Klägers auch zeitlich einschränken könnte, liegt damit nicht vor. Der Beurteilung des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. K. kann somit nicht gefolgt werden. Hierauf hat schon das SG zu Recht hingewiesen.

Aus dem Berufungsvorbringen des Klägers ergeben sich schließlich keine Gründe, die eine zeitliche Leistungseinschränkung begründen könnten. Der Kläger hat im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt, auf seine körperlichen und psychischen Beschwerden im Einzelnen hingewiesen und vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand seit Sommer 2006 verschlechtert habe. Sowohl die einzelnen körperlichen und psychischen Beschwerden wie auch die Verschlechterung des Gesundheitszustandes haben jedoch schon die Gutachter Dr. P., Dr. S.-F. und Dr. N. vollständig berücksichtigt. Insbesondere ist nachgewiesen, dass mit der Polyneuropathie und der Peronaeusläsion eine Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten ist, die jedoch nur zu qualitativen Leistungseinschränkungen führt.

Der noch in Betracht kommende Arbeitsmarkt ist auch nicht verschlossen. Zwar kann der Arbeitsmarkt trotz sechsstündiger Erwerbsfähigkeit als verschlossen gelten. Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte einen entsprechenden Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, also seine Gehfähigkeit eingeschränkt ist. Eine Einschränkung dieses Vermögens gehört nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Erwerbsfähigkeit, da eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich ist und dementsprechend das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität als Teil des versicherten Risikos angesehen wird (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; BSG, Urteil vom 21. März 2006, B 5 RJ 51/04 R, SozR 4-2600 § 43 Nr 8 mwN). Die Gehfähigkeit des Klägers ist jedoch nicht wesentlich eingeschränkt. Gegenüber Dr. S.-F. hat der Kläger selbst erklärt, unter Zuhilfenahme des Stockes noch ca eine Stunde am Stück gehen zu können. Trotz Peronaeusläsion und Polyneuropathie hat des Weiteren Dr. N. einen in unbeobachteten Momenten flüssigen und unauffälligen Gang festgestellt und deshalb keine Beschränkung des Arbeitsweges angenommen. Dieser Beurteilung schließt sich der Senat an.

Schließlich hat der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, da er nicht berufsunfähig ist.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben gemäß § 240 Abs 1 SGB VI in den ab 1. Januar 2001 geltenden Fassungen (zuletzt durch Art 1 Nr 61 des RV-Altersgrenzenan-passungsgesetzes) auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind gemäß § 240 Abs 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist gemäß § 240 Abs 2 Satz 3 SGB VI stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist gemäß § 240 Abs 2 Satz 4 SGB VI nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Deshalb besteht ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht bereits dann, wenn der bisherige Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausgeübt werden kann, sondern erst, wenn der Versicherte nicht auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden kann. Das Gesetz verlangt dazu einen zumutbaren beruflichen Abstieg. Um bestimmen zu können, auf welche Berufe der Versicherte verweisbar ist, hat die Rechtsprechung des BSG ein sogenanntes Mehrstufenschema entwickelt, das die Angestellten- und Arbeiterberufe in mehrere, durch unterschiedliche "Leitberufe" charakterisierte Gruppen untergliedert. Hiernach sind sowohl für gewerbliche als auch für Angestellten-Berufe mittlerweile sechs Stufen zu unterscheiden (zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 R 85/09 B, juris). Die erste Stufe bilden dabei ungelernte Berufe, auf der zweiten Stufe folgen Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Angelernte). Grundsätzlich darf im Rahmen des Mehrstufenschemas der Versicherte lediglich auf Tätigkeiten der gleichen oder jeweils nächstniedrigeren Gruppe verwiesen werden (BSG, Urteil vom 24. März 1983, 1 RA 15/82, SozR 2200 § 1246 Nr 107; zuletzt BSG, Beschluss vom 27. August 2009, B 13 RJ 85/09 B, aaO). Dabei zerfällt die Stufe der Angelernten in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich der Stufe sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen, auch betrieblichen Ausbildungs- und Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu vierundzwanzig Monaten zuzuordnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, SozR 3-2200 § 1246 Nr 45). Eine konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist grundsätzlich (Ausnahmen: sog Unüblichkeitsfälle oder Seltenheitsfälle) nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein sog einfacher Angelernter (Stufe 2, aber Ausbildung bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004, B 4 RA 5/04 R, juris). Angelernte des oberen Bereiches können nur auf Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch Qualitätsmerkmale wie zB das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher und betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (BSG, Urteil vom 29. März 1994, 13 RJ 35/93, aaO mwN).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich somit nach der Wertigkeit des Hauptberufs. Dieser bestimmt sich in der Regel nach der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist. Der Kläger ist zwar gelernter Baumaschinist, hat diesen Beruf nach dem Umzug jedoch nicht mehr ausgeübt. Da die Verschlechterung der Gesundheitsstörungen des Klägers erst im Jahr 2006 eingetreten ist, hat sich der Kläger nicht aus gesundheitlichen Gründen vom ursprünglich erlernten Beruf gelöst. Zugrunde zu legen ist daher die letzte versicherungspflichtige Tätigkeit des Klägers, die er im Jahr 2002 im Bereich Chemie ausgeübt hat. Offen bleiben kann, ob der Hauptberuf des Klägers der einer Produktionsfachkraft oder lediglich eines Produktionshelfers ist. Der Kläger selbst bezeichnet die letzte Tätigkeit als die eines Chemiearbeiters, was begrifflich auf die Tätigkeit eines Produktionshelfers hindeutet, der nach den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit lediglich in die Tätigkeit eingewiesen wird und damit einer einfachen Anlerntätigkeit zuzuordnen ist. Hingegen bezeichnet die Agentur für Arbeit den letzten Beruf als den der Produktionsfachkraft. Dieser Beruf wird nach den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit in einem zweijährigen Ausbildungsgang erlernt und erfordert Arbeit mit technischen Geräten, im Labor oder in Werkstätten bzw Produktionshallen. Durch den Umgang mit Chemikalien kann die Arbeit auch bei Rauch, Staub, Gasen und Dämpfen stattfinden. Es bestehen schließlich unregelmäßige Arbeitszeiten durch Wechselschichten. Demgegenüber führen Produktionshelfer im Bereich Chemie nach den Berufsinformationen der Bundesagentur für Arbeit einfachere oder zuarbeitende Tätigkeiten aus und müssen dabei schwere Lasten heben und tragen. Nach den vorliegenden Gutachten muss der Kläger schwere und mittelschwere Tätigkeiten meiden und kann damit den Beruf einer Produktionsfachkraft noch ausüben, nicht aber den Beruf eines Produktionshelfers. Als Produktionshelfer kann der Kläger jedoch auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, während ihm die Tätigkeit einer Produktionsfachkraft noch gesundheitlich zumutbar ist und daher die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht erforderlich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen gemäß § 160 Abs 2 SGG nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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