L 6 VJ 5615/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 VJ 5546/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VJ 5615/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Bescheid vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2006 insoweit aufgehoben wird, als darin die Bewilligung von Versorgungsleistungen für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2006 aufgehoben und eine Erstattung in Höhe von 2.434 EUR gefordert wurde.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Der Beklagte wendet sich gegen die teilweise Aufhebung eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides durch das Sozialgericht.

Dem im Jahre 1966 geborenen Kläger wurde mit Bescheid des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales F. (Versorgungsamt) vom 27.08.2002 wegen eines Impfschadens Beschädigtenversorgung für die Zeit ab August 1995 bewilligt. Aufgrund dessen wurden noch im Jahre 2002 rückständige Grundrente, Schwerstbeschädigtenzulage und Kleiderverschleißzulage sowie angefallene Zinsen hierauf i. H. v. insgesamt mehr als EUR 57.000 an den Kläger ausbezahlt.

Nach durch Bescheid vom 28.04.2003 dem Grunde nach erfolgter Bewilligung auch von Berufsschadensausgleich ab August 1995 gewährte das Versorgungsamt dem Kläger mit Bescheiden vom 15.05., 16.05., 17.05., 18.05. und 19.05.2003 Berufsschadensausgleich sowie Ausgleichsrente i. H. v. insgesamt mehr als EUR 71.000 und mit weiterem Bescheid vom 17.07.2003 hierauf angefallene Zinsen i. H. v. mehr als EUR 10.000. Dabei wurden im Bescheid vom 19.05.2003 Leistungen rückwirkend ab Januar 2002 und ab März 2003 laufende Leistungen (Grundrente, Schwerstbeschädigtenzulage, Kleiderverschleißzulage, Ausgleichsrente und Berufsschadensausgleich) i. H. v. monatlich insgesamt EUR 1.462 bewilligt. Diese Entscheidung ist mit "Bescheid gem. § 60 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)" überschrieben; weiter heißt es, die laufende Zahlung beginne "06/2003" sowie "03.03 bis 05.03 wird bei der endgültigen Feststellung abgerechnet". Der Berechnung der Ausgleichsrente und des Berufsschadensausgleichs lag dabei jeweils das vom Kläger in seiner Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 12.10.2002 angegebene Einkommen aus der von ihm ab März 1996 bezogenen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sowie einer im September 2002 aufgenommenen geringfügigen Beschäftigung zu Grunde. Die im Erklärungsvordruck darüber hinaus gestellte Frage nach Zinseinkommen hatte der Kläger seinerzeit verneint.

Nachdem der Kläger im Juli 2003 die Beendigung des geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses mitgeteilt hatte, holte das Versorgungsamt eine Verdienstbescheinigung des Arbeitgebers ein und stellte mit Bescheid vom 20.10.2003 die Versorgungsbezüge nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wegen "Wegfall der Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Änderung durch die 12. AnpVO KOV, Änderung des Vergleichseinkommens" für die Zeit ab März 2003 neu fest (EUR 1.466 für März und April, EUR 1.393 für Mai, EUR 1.428 für Juni, EUR 1.573 ab Juli 2003). Auch diese Entscheidung ist mit "Bescheid gem. § 60 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)" überschrieben und enthält den Zusatz, die vorläufig festgesetzten Bezüge würden gem. § 60 a BVG für die Zeit von "03/03 bis 10/03 nachträglich endgültig festgestellt", die laufende Zahlung beginne "11/2003". Mit Bescheid vom 14.11.2005 wurden schließlich die Versorgungsbezüge nach § 48 SGB X ab dem 01.07.2005 auf Grund "der 13. KOV-Anpassungsverordnung 2005 bzw. einer Änderung des Vergleichseinkommens" neu berechnet und nur noch in Höhe von EUR 1.564 gewährt; die Überzahlung in Höhe von EUR 45 habe der Kläger zu erstatten, sie werde zur Tilgung/Aufrechnung einbehalten.

Der Kläger, der große Teile der in den Jahren 2002 und 2003 an ihn entrichteten Nachzahlungen auf mehreren Konten bei der S.-Bank und einem Bausparkonto bei der D. Bausparkasse angelegt hatte, erwirtschaftete hieraus (Brutto-)Kapitalerträge von rund EUR 110 im Jahre 2002, rund EUR 3.000 im Jahre 2003 und mehr als EUR 4.000 in den Folgejahren.

Auf entsprechende Anforderung übersandte der Kläger, der bereits im von ihm am 12.10.2002 ausgefüllten Erklärungsvordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie in den nachfolgenden Bescheiden vom 15.05., 16.05., 17.05., 18.05., 19.05. und 20.10.2003 sowie vom 14.11.2005 auf seine Pflicht zur Anzeige u. a. von Änderungen der Einkommensverhältnisse hingewiesen worden war, eine am 22.06.2006 beim Versorgungsamt eingegangene aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Darin gab er Zinseinkommen von jährlich EUR 2.048 an. Zum Nachweis legte er seine Konten bei der S.-Bank betreffende Zinsauskünfte von 2001 bis 2005 vor.

Nach Anhörung des Klägers hob das Versorgungsamt mit Bescheid vom 09.08.2006 den Bewilligungsbescheid vom 19.05.2003 "sowie alle Folgebescheide" mit Wirkung ab dem 01.01.2003 insoweit auf, als die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen bei der Berechnung der Ausgleichsrente nicht berücksichtigt worden seien, setzte die Versorgungsbezüge neu fest (EUR 1.394 für Januar 2003, EUR 1.366 für Februar 2003, EUR 1.397 für März und April 2003, EUR 1.324 für Mai 2003, 1.300,59 EUR für Juni 2003, EUR 1.505 für Juli bis Dezember 2003, 1.519 für Januar bis Dezember 2004, 1.526 für Januar bis Juni 2005, EUR 1.517 für Juli bis Dezember 2005 und EUR 1.514 ab Januar 2006) und forderte vom Kläger die Erstattung von Leistungen i. H. v. EUR 2.434. Zum Zwecke der Tilgung/Aufrechnung werde monatlich ein Betrag von EUR 610 einbehalten. Zur Begründung wurde ausgeführt, die vom Kläger im Rahmen der Einkommensüberprüfung am 22.06.2006 erstmals mitgeteilten Zinseinnahmen überschritten ab 2003 den jährlichen Freibetrag von EUR 307. Angesichts dieser wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse seien die einkommensabhängigen Versorgungsbezüge nach § 48 SGB X neu festzustellen. Für die Vergangenheit seien die fehlerhaften Bescheide gleichfalls zwingend aufzuheben, da der Kläger der ihm bekannten Pflicht, jede für die Leistung erhebliche Änderung unverzüglich mitzuteilen, nicht nachgekommen sei und dadurch die erforderliche Sorgfalt in schwerem Maße verletzt habe. Für eine Ermessensausübung zu seinen Gunsten verbleibe daher kein Gestaltungsspielraum. Die überzahlten Leistungen seien nach § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Die Festsetzung der Versorgungsbezüge ab dem 01.01.2006 erfolge gem. § 60 a BVG vorläufig; die endgültige Feststellung werde nachträglich ergehen.

Den vom Kläger mit der Begründung, die Zinseinkünfte resultierten aus der Nachzahlung der Ausgleichsrente und könnten daher nicht zur Kürzung dieser Rente führen, erhobenen Widerspruch wies das Versorgungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2006 unter Bezugnahme auf die Ausgangsentscheidung zurück.

Am 09.11.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage. Im Verlaufe des Verfahrens legte er Kontoauszüge seines Bausparkontos bei der D. Bausparkasse vor.

Mit Urteil vom 19.10.2007 hob das Sozialgericht den Bescheid des Versorgungsamts vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2006 insoweit auf, als darin der Bescheid vom 19.05.2003 auch für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2006 aufgehoben und ein Betrag von EUR 2.434 zurückgefordert wurde; im Übrigen wies es die Klage ab. Allerdings sei eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Zum einen seien die vom Kläger erwirtschafteten Zinseinkünfte trotz des Umstandes zu berücksichtigen, dass sie aus der Anlage von nachgezahlten Versorgungsleistungen resultierten, da ein Ausnahmetatbestand i. S. der Verordnung über die Einkommensfeststellung nach dem Bundesversorgungsgesetz (AusglVO) nicht vorliege und die Zinseinkünfte auch allein der wirtschaftlichen Betätigung des Klägers entsprängen. Zum anderen sei die Änderung auch nachträglich eingetreten, da dem Kläger Zinseinkünfte in einer den Freibetrag von EUR 307 überschreitenden Höhe erst am 30.06.2003 und damit nach Bekanntgabe des Bescheides vom 19.05.2003 zugeflossen seien. Indes habe das Versorgungsamt den Bescheid vom 19.05.2003 nur mit Wirkung für die Zukunft rechtsfehlerfrei aufgehoben. Zwar seien die Tatbestandsvoraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X erfüllt und solle danach eine Aufhebung des Bescheides vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an erfolgen. Jedoch liege ein atypischer Fall vor, der die Aufhebungsentscheidung für die Vergangenheit in das Ermessen der zuständigen Behörde stelle. Denn der zuständigen Behörde sei bekannt gewesen, dass sie dem an einer Hirnschädigung leidenden Kläger innerhalb eines Jahres eine für dessen Verhältnisse große Geldsumme zur Verfügung gestellt habe; daher habe es nahegelegen, den Kläger nicht nur formularmäßig auf die Pflicht zur Mitteilung von Einkommensveränderungen, sondern ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass auch Zinseinkünfte aus der Anlage dieses Betrages als Kapitaleinkünfte anzusehen seien. Eine danach erforderliche Ermessensentscheidung habe das Versorgungsamt aber nicht getroffen. Diese Entscheidung wurde dem Beklagten am 02.11.2007 zugestellt.

Am 27.11.2007 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, ein atypischer Fall liege nicht vor, so dass hinsichtlich der teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit kein behördliches Ermessen bestanden habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19.10.2007 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Freiburg sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, jedoch mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe zurückzuweisen.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Bescheid des Versorgungsamts vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2006 insoweit aufgehoben, als mit diesen Behördenentscheidungen die Bewilligung von Versorgungsleistungen für die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2006 aufgehoben und ein Betrag von EUR 2.434 zurückgefordert wurde. Dieser Entscheidungsumfang, der sich insbesondere aus dem erstinstanzlichen Urteilstenor ergibt, ist mit der Berufungsentscheidung - unter Verzicht auf den im Urteil des Sozialgerichts enthaltenen Hinweis auf die mit den angegriffenen Bescheiden (hinsichtlich des Zeitraums vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2006 lediglich u. a.) erfolgte Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 19.05.2003 - klarzustellen (§ 138 SGG; vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Rdnrn.3 und 4 zu § 138).

Zutreffend sind das Versorgungsamt und das Sozialgericht davon ausgegangen, dass die dem Kläger bezogen auf den allein noch streitigen Zeitraum vom 01.01.2003 bis zum 31.08.2006 gewährten Versorgungsleistungen nicht nur im Sinne des § 60 a Abs. 1 Satz 2 BVG vorläufig festgesetzt waren und es daher für eine Berichtigung der Leistungsfestsetzung einer Durchbrechung der Bindungswirkung der Leistungsbewilligung bedarf. Soweit die Bewilligungsentscheidungen vom 19.05.2003 und vom 20.10.2006 mit "Bescheid gem. § 60 a des Bundesversorgungsgesetzes (BVG)" überschrieben waren, ergibt sich hieraus allein noch keine lediglich vorläufige Festsetzung. Denn § 60 a BVG regelt nicht nur die vorläufige, sondern zugleich die - auch unmittelbar - endgültige Festsetzung von Versorgungsbezügen. Der Hinweis im Bescheid vom 19.05.2003, "03.03 bis 05.03 wird bei der endgültigen Feststellung abgerechnet", ließe zwar in Bezug auf diesen Zeitraum die Annahme einer lediglich vorläufigen Festsetzung zu. Indes wurden die Versorgungsbezüge jedenfalls durch den Bescheid vom 20.10.2003 für die Zeit "03/03 bis 10/03 nachträglich endgültig festgestellt". Auch gibt die Mitteilung des Beginns der laufenden Zahlung im Bescheid vom 20.10.2003 ("11/03") für eine vorläufige Leistungsgewährung nichts her. Schließlich enthält der Bescheid vom 14.11.2005 keinerlei Hinweis auf eine lediglich vorläufige Leistungsbewilligung.

In Ansehung dessen kommen als Rechtsgrundlage der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidungen des Versorgungsamts allein die vom Versorgungsamt und vom Sozialgericht herangezogene Regelung des § 48 SGB X sowie die Rücknahmevorschrift des § 45 SGB X in Betracht. Diese tragen die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligungen jedoch vorliegend nicht:

§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, zwingend die Aufhebung des Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Nr. 1), der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 SGB X in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

Geht man mit dem Sozialgericht - das allerdings im angegriffenen Urteil an anderer Stelle ausgeführt hat, Zinseinkünfte seien auf das Jahr umzulegen und daher nicht nur im jeweiligen Zuflussmonat zu berücksichtigen - davon aus, dass eine wesentliche Änderung der Verhältnisse durch Überschreitung des Freibetrages von EUR 307 am 30.06.2003 und damit nach Bekanntgabe des Bescheides vom 19.05.2003 eingetreten ist, liegt zwar hinsichtlich dieser Behördenentscheidung ein Fall des § 48 Abs. 1 SGB X vor. Allerdings beschränkt sich der den streitigen Zeitraum betreffende Regelungsgehalt dieses Bescheides auf die Zeit vom 01.01.2003 bis zum 28.02.2003, nachdem die Versorgungsbezüge mit Bescheid vom 20.10.2003 für die Zeit ab März 2003 neu festsetzt worden sind. Eine rückwirkende Aufhebung für die Zeit vor dem Eintritt der wesentlichen Änderung (am 30.06.2003) oder gar dem Erlass des Verwaltungsakts (am 19.05.2003) lässt § 48 SGB X aber nicht zu.

Soweit man demgegenüber von einer Änderung der Verhältnisse bereits zum 01.01.2003 - durch Umlegung der Zinseinkünfte auf das Jahr - ausgeht, liegt kein Fall des § 48 SGB X, sondern eine bereits im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrige Leistungsbewilligung vor, deren Aufhebung sich nach § 45 SGB X richtet.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Bescheide vom 20.10.2003 und vom 14.11.2005. Insoweit scheidet eine nachträgliche Änderung der Verhältnisse i. S. des § 48 SGB X von vornherein aus, da dem Kläger - unabhängig von der Frage der Umlegung der Zinseinkünfte auf das Jahr - nach der zutreffenden Feststellung des Sozialgerichts jedenfalls am 30.06.2003 und damit vor Erlass der Bescheide den Freibetrag von EUR 307 überschreitende Zinseinkünfte zugeflossen sind.

Danach kommt für die Durchbrechung der Bindungswirkung der Bescheide vom 19.05.2003, vom 20.10.2003 und vom 14.11.2005 allein noch die Rücknahmevorschrift des § 45 SGB X in Frage.

Nach 45 Abs. 1 SGB darf ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X schließt die Rücknahme aus, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Letzteres ist nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X hingegen nicht berufen, soweit er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). Nur in diesen Fällen, sowie bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen entsprechend § 580 Zivilprozessordnung - ZPO - wird der Verwaltungsakt gemäß § 45 Abs. 4 SGB X mit Wirkung (auch) für die Vergangenheit zurückgenommen, wobei diese Entscheidung im Ermessen der Behörde steht (vgl. BSG, Urteil vom 30.06.1999 - B 2 U 24/98 R - Breithaupt 1999, 957 ff.).

Eine solche Ermessensentscheidung hat das Versorgungsamt aber nicht getroffen. Vielmehr ist es von einer nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X auf der Rechtsfolgenseite gebundenen Entscheidung ausgegangen und liegt damit ein Ermessensausfall vor. Nachdem eine Ermessensreduktion auf Null nicht vorliegt, da insbesondere mit Blick auf das - in der Sache allerdings unzutreffende - Verständnis des Klägers, Zinsen aus einer Nachzahlung von Versorgungsleistungen könnten nicht zu einer Minderung der Versorgungsbezüge führen, nicht jede andere Entscheidung als die erfolgte Rücknahme rechtswidrig wäre, ist die angegriffene Teilaufhebung des Bescheides vom 09.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.10.2006 durch das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend erfolgt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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