L 3 AS 5779/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 2239/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 5779/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf Bewilligung eines Sprachkurses durch die Beklagte hat.

Der 1972 geborene italienische Kläger bezieht von der Beklagten laufend Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Ausweislich der Beratungsvermerke der Beklagten stellte Rechtsanwalt G. mit Schreiben vom 27.03.2007 bei dieser den Antrag, dem Kläger einen Sprachkurs zu bewilligen. Bei einer Vorsprache des Klägers am 20.04.2007 wurde diesem mitgeteilt, er habe Grundkenntnisse in der deutschen Sprache, so dass eine Sprachförderung von Seiten der Agentur nicht möglich sei. Seine Deutschkenntnisse stünden einer Arbeitsaufnahme z.B. im Helferbereich nicht entgegen. Der Kläger sei jedoch der Meinung, er habe ein Recht darauf, als Psychologe zu arbeiten und die Beklagte sei verpflichtet, die hierfür nötigen Deutschkurse zu fördern.

Am 13.07.2007 stellte der Kläger erneut den Antrag auf Förderung eines Deutschkurses. Zur Begründung gab er an, dieser sei dringend notwendig, um seine beruflichen Chancen im Bereich der Psychologie zu verbessern.

Mit Bescheid vom 12.02.2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab mit der Begründung, die Förderung der Sprachkompetenz sei im Regelfall eine Angelegenheit, die bei EU-Ausländern über die Kontaktstelle für ausländische Mitbürger (KAM) gegebenenfalls zu fördern wäre.

Den hiergegen am 10.03.2008 mit der Begründung eingelegten Widerspruch, im Rahmen der Programmierung der neuen ESF-Förderperiode (2007 bis 2013) sei eine modifizierte Fortsetzung der berufsbezogenen Sprachkurse geplant, wonach der förderbare Personenkreis auf Personen mit Migrationshintergrund und Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeweitet werden solle, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2008, auf den Bezug genommen wird, zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 23.06.2008 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben. Zur Begründung hatte er angegeben, er sei diplomierter Psychologe, könne aufgrund seiner nicht ausreichenden Deutschkenntnisse jedoch keinen Arbeitsplatz im Bereich seines Diploms finden. Aufgrund seiner fehlenden Sprachkenntnisse habe er auch im Jahr 2005 seine Doktorarbeit zur Erlangung des Doktorgrades der Humanbiologie abbrechen müssen.

Mit Gerichtsbescheid vom 08.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe zu Recht die Kostenübernahme für einen Sprachkurs abgelehnt, da eine derartige Förderung nach den Vorschriften des SGB II nicht vorgesehen sei. Insbesondere bestehe kein Anspruch auf Förderung eines Sprachkurses gemäß § 3 Abs. 1 SGB II, wonach Leistungen zur Eingliederung in Arbeit erbracht werden könnten, soweit sie zur Vermeidung oder Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich seien. Beim Kläger sei die Teilnahme an einem Sprachkurs zur Eingliederung in Arbeit nicht erforderlich. Er verfüge über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, die es ihm ermöglichten, in Deutschland einer Berufstätigkeit nachzugehen. So sei er bereits bis Februar 2007 als Versandarbeiter beschäftigt gewesen. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache ergäben sich auch aus dem umfangreichen Schriftverkehr des Klägers mit der Beklagten und dem Gericht. Es bestehe auch kein Anspruch auf Förderung eines Sprachkurses gemäß § 16 SGB II. Auch ein Anspruch auf Gewährung eines Integrationskurses nach §§ 43 ff. Aufenthaltsgesetz, für dessen Durchführung das Bundesamt für Migration zuständig sei, komme von vornherein nicht in Betracht. Denn Ziel dieses Sprachkurses sei die Vermittlung eines Wortschatzes, der zum Sprechen und Schreiben im Alltag benötigt werde, wozu Kontakte zu Behörden, Gespräche mit Nachbarn und Arbeitskollegen, das Schreiben von Briefen und das Ausfüllen von Formularen gehörten. Diese Zielsetzung entspreche jedoch von vornherein nicht dem vom Kläger geltend gemachten Klagebegehren. Dieser strebe die Vermittlung von Sprachkenntnissen zur Verbesserung seiner Vermittlungschancen als Psychologe bzw. zur Anfertigung einer Doktorarbeit an. Dies übersteige bei weitem die in einem Integrationssprachkurs vermittelten Kenntnisse. Deshalb sei auch kein anderer Leistungsträger beizuladen.

Gegen den am 09.12.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger noch am selben Tag Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, der von ihm beauftragte Rechtsanwalt G. habe mit Schreiben vom 27.03.2007 bei der Beklagten einen Sprachkurs beantragt, der jedoch abgelehnt worden sei. Es sei deshalb auch zu klären, ob im März 2007 ein Anspruch auf einen Sprachkurs bestanden habe.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 08. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für einen Sprachkurs nach den Vorschriften des SGB II zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass sich ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten für einen Sprachkurs weder aus § 3 SGB II noch aus § 16 SGB II ergibt. Der Senat nimmt insoweit auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich eine andere Beurteilung auch nicht unter Zugrundelegung des durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl. I S. 2917) neu gefassten, zum 01.01.2009 in Kraft getretenen § 3 Abs. 2 b SGB II ergibt. Danach hat die Agentur für Arbeit darauf hinzuwirken, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige, die nicht über deutsche Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügen und die

1. zur Teilnahme an einem Integrationskurs nach § 44 des Aufenthaltsgesetzes berechtigt sind, 2. nach § 44 a des Aufenthaltsgesetzes verpflichtet werden können oder 3. einen Anspruch nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Bundesvertriebenengesetzes haben,

an einem Integrationskurs nach § 43 des Aufenthaltsgesetzes teilnehmen, sofern sie nicht unmittelbar in eine Ausbildung oder Arbeit vermittelt werden können und ihnen eine Teilnahme an einem Integrationskurs daneben nicht zumutbar ist. Eine Verpflichtung zur Teilnahme ist in die Eingliederungsvereinbarung als vorrangige Maßnahme aufzunehmen.

In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/10810 S. 45) wird hierzu ausgeführt, ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache seien eine wesentliche, zum Teil die entscheidende Voraussetzung zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Aus diesem Grund sollten die Träger darauf hinwirken, dass die in der Vorschrift aufgeführten Personen, die nicht über deutsche Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 verfügten, unverzüglich einen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) durchgeführten und für sie geeigneten Sprachkurs besuchten, wenn eine unmittelbare Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht möglich sei. Mit der Regelung werde keine neue Grundlage für die Verpflichtung zur Teilnahme an einem Integrationskurs geschaffen, es handele sich vielmehr um die programmatische Aufforderung an die Träger, bei den in der Regelung genannten Personen auf die Teilnahme an einem für ihre berufliche Perspektive geeigneten Sprachkurs hinzuwirken, in denen Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben werden könnten. Maßnahmen mit berufsbezogener Sprachförderung anstelle eines Integrationskurses würden durch die Neuregelung nicht ausgeschlossen. Hierfür komme u.a. die berufsbezogene Sprachförderung des BAMF (ESF-BAMF-Programm) in Betracht.

Eine entsprechende Sprachförderung strebt der Kläger jedoch nicht an. Der Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachen enthält sechs Niveaustufen. Sprachkenntnisse der Niveaustufe B 1 werden danach wie folgt umschrieben: "Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und wenn es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben."

Demgegenüber strebt der Kläger einen Sprachkurs zur Fortsetzung bzw. zum Abschluss seines Hochschulstudiums bzw. zur Ablegung der Dissertation an. Diese entspricht jedoch nicht mehr der Niveaustufe B 1, sondern den Niveaustufen B 2 (deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang Stufe 1 (DSH-1) bzw. der Niveaustufe C 1 (deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang Stufe 2 (DSH 2). Eine Förderung zur Erlangung dieser Sprach-Qualifikation fällt nicht in die Zuständigkeit der Beklagten.

Das SG hat zutreffend auch keine Beiladung eines anderen Leistungsträgers vorgenommen. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen (§ 75 Abs. 2 SGG).

Das für die Durchführung von Integrations- und Sprachkursen nach dem Aufenthaltsgesetz zuständige Bundesamt für Migration ist weder ein anderer Versicherungsträger noch ein Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder ein Träger der Sozialhilfe. Zuständig für die Sozialleistungen sind gemäß § 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) die in den §§ 18 bis 29 SGB I genannten Körperschaften, Anstalten und Behörden (Leistungsträger). Hierbei ist das Bundesamt für Migration nicht aufgeführt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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