Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 45 AL 1836/04
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 AL 11/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin ¼ ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Widerspruchsverfahren und das Klageverfahren erster Instanz zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung.
Die 1950 geborene Klägerin war vom 1. Juni 1970 bis einschließlich 31. Dezember 2002 – zuletzt als Filialleiterin – bei der Firma S. GmbH beschäftigt. Von Januar 2003 bis zum 14. Oktober 2003 war die Klägerin arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab dem 15. Oktober 2003 war die Klägerin bei der Firma "H. GmbH & Co. KG" als Verkäuferin beschäftigt.
Wegen der Arbeitsaufnahme hob die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 ab dem 15. Oktober 2003 auf. Auf der Rückseite des Bescheides heißt es unter der Überschrift "Wichtige Hinweise":
"Ab dem 1.7.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z. B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres künftigen Leistungsanspruches führen kann."
Die Klägerin erhielt am 17. August 2004 persönlich von ihrem Arbeitgeber eine schriftliche Kündigung zum 30. September 2004 ausgehändigt. Am 22. September 2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 mit, ihr Arbeitslosengeldanspruch mindere sich gemäß § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) um 1500 EUR wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung. Sodann bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2004 Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von 755 EUR wöchentlich und minderte die Leistung um insgesamt 1500 EUR, wobei sie den wöchentlichen Leistungssatz von 252 EUR um 126 EUR kürzte.
Mit ihrem Widerspruch vom 20. Oktober 2004 führte die Klägerin aus, der Arbeitgeber habe ihr suggeriert, er werde aus der Kündigung keine Rechte herleiten. Er habe sie vertröstet und hingehalten. Die Vorschrift des § 37b SGB III sei ihr nicht bekannt gewesen, auch habe der Arbeitgeber sie nicht darauf hingewiesen, dass sie sich unmittelbar nach Erhalt des Kündigungsschreibens arbeitslos melden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung hieß es u. a., die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich am 18. August 2004 arbeitsuchend zu melden und habe dies erst am 22. September 2004 getan.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. November 2004 Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und weiter ausgeführt, sie sei aufgrund der Zusage des Arbeitgebers, aus der Kündigung keine Rechte herleiten zu wollen, völlig überrascht gewesen, als ihr am 21. September 2004 mitgeteilt worden sei, man wolle nun doch an der Kündigung festhalten. Bereits am nächsten Tag habe sie sich dann arbeitslos gemeldet. Ihr Verhalten sei daher keinesfalls schuldhaft, zumal sie von der Vorschrift des § 37 b SGB III keine Kenntnis gehabt habe.
Während des Klagverfahrens hat die Beklagte am 26. April 2006 zwei weitere Bescheide erlassen. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte festgestellt, dass die Meldung der Klägerin um 30 Tage zu spät erfolgt sei und der Minderungsbetrag 1100 EUR betrage. Des Weiteren hat die Beklagte einen Änderungsbescheid erlassen, mit welchem sie erneut Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von 755 EUR wöchentlich bewilligte, die Leistung jedoch um insgesamt 1100 EUR minderte, wobei sie den wöchentlichen Leistungssatz von 252 EUR um 126 EUR kürzte.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Februar 2007 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und der Gegenstandsbescheide verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 ohne Minderung zu bewilligen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Klägerin habe nicht schuldhaft gehandelt, denn ihr sei die Unkenntnis der Meldepflicht subjektiv nicht vorwerfbar. Der Hinweis auf dem Aufhebungsbescheid erfülle nicht die Voraussetzungen einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung und sei grundsätzlich nicht geeignet, der Klägerin dies im Sinne einer fahrlässigen Unkenntnis der Meldevorschriften subjektiv zuzurechnen.
Gegen das ihr am 1. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 2005 (B 11a/11 AL 81/04 R) aus, die Klägerin könne sich nicht auf eine unverschuldete Unkenntnis der Meldeobliegenheit berufen, da sie durch die Belehrungen im Aufhebungsbescheid unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" informiert gewesen sei. Selbst wenn der Arbeitgeber bereit gewesen sei, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu überdenken, habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, zweifelsfrei von einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgehen zu können. Das lediglich auf einer Hoffnung basierende Nichtstun der Klägerin sei ihr deshalb vorwerfbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Bei der Frage, ob sich der Arbeitnehmer bei der verspäteten Meldung schuldhaft verhalte, sei ein Maßstab anzulegen, der den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werde. Ihr sei aber vom Arbeitgeber zugesichert worden, aus der Kündigung keine Rechte herzuleiten, sie sei daher davon ausgegangen es liege noch keine abschließende Regelung des Arbeitgebers vor.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010 die Zeugen B. und M. vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Auf die Berufung ist das Urteil des Sozialgerichts vom 26. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung der Minderung.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Festsetzung der Minderung im Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2004 und der Bewilligungsbescheid vom 6. Oktober 2004, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Minderung des Anspruchs darstellen (BSG, Urteil vom 18.8.2005 – B 7a/7 AL 80/04 R; Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6). Gegenstand des Verfahrens sind des Weiteren die Bescheide vom 26. April 2006, mit welchen die Beklagte den Minderungsbetrag neu berechnet hat und welche gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
Der Streitgegenstand ist sachlich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt. Das entspricht dem Begehren der Klägerin und ist zulässig (BSG, Urteil vom 18.8. 2005 – B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr. 1).
Die angefochtenen Bescheide haben ihre Rechtsgrundlage in § 140 SGB III i.V.m. § 37b SGB III. Gemäß § 37b S. 1 SGB III in der ab 1. Juli 2003 bis zum 30. Dezember 2005 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden.
Die objektiven Voraussetzungen für eine verspätete Meldung haben vorgelegen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 17. August 2004 mit Ablauf des 30. September 2004; die Klägerin hat die Kündigung auch noch am 17. August 2004, einem Dienstag, erhalten. Die Meldung hätte danach spätestens am 18. August 2004 erfolgen müssen, wobei die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von einer notwendigen Meldung erst am 23. August 2004 (Bescheid vom 5. Oktober 2004) bzw. am 20. August 2004 (Bescheid vom 26. April 2006) ausgegangen ist. Die am 22. September 2004 erfolgte Meldung war aber jedenfalls objektiv verspätet.
Die subjektiven Voraussetzungen liegen ebenfalls vor. Die Klägerin hat ihre Obliegenheit schuldhaft verletzt.
Unverzüglich i.S.d. § 37b S. 1 SGB III bedeutet nach der Rechtsprechung des BSG "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 BGB). Die Obliegenheitsverletzung verlangt auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab. Insoweit ist eine doppelte Verschuldensprüfung erforderlich; diese betrifft zum einen die Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis über die Meldepflicht, zum anderen das vorwerfbare Fehlverhalten für jeden einzelnen Tag der versäumten Arbeitsuchendmeldung (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).
Da die Norm zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht allgemein bekannt war, kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden und die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BSG, Urteil vom 25.5.2005 – B 11a/11 AL 81/04, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 1; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).
Die Klägerin wurde durch den Hinweis in dem Aufhebungsbescheid vom 15. Oktober 2003, den sie nach ihren eigenen Angaben erhalten hat, über ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ausreichend informiert.
Das BSG hat mittlerweile entschieden, dass Hinweise mit gleichartigem Wortlaut unmissverständlich und inhaltlich zutreffend sind. Der Wortlaut der Belehrung lasse keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen und sei auch in Bezug auf die drohende Rechtsfolge unmissverständlich. Mit der einschränkenden Wortwahl ("in der Regel" und "könne") werde in der Sache berücksichtigt, dass eine Minderung nicht nur objektiv von der verspäteten Arbeitsuchendmeldung, sondern auch subjektiv von einem Verschulden abhängig sei. Mehr könne von einer Belehrung nicht verlangt werden (Urteil vom 28.8.2007 – B 7/a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 6). Das BSG hat damit zu erkennen gegeben, dass es solche Hinweise auch für grundsätzlich geeignet hält, Fahrlässigkeit zu begründen. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Der Aufhebungsbescheid ist am 15. Oktober 2003 und damit nach Auffassung des Senats noch ausreichend zeitnah zur erforderlichen Meldung am 18. August 2004 ergangen. Da die Klägerin vorträgt, die Belehrung gar nicht gelesen zu haben, kommt es auf die Frage, ob sie innerhalb von zehn Monaten in Vergessenheit geriet und geraten darf, jedenfalls nicht an. Die Belehrung über die Meldeobliegenheit befindet sich unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" und ist dadurch auch ausreichend hervorgehoben. Der Abschnitt über die wichtigen Hinweise setzt sich lediglich aus drei Absätzen zusammen und kann daher ohne weiteres vollständig gelesen werden. Ein Obliegenheit, Bescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (BSG, Urteil vom 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 45).
Im Hinblick auf den beruflichen Werdegang der Klägerin und den Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2010 von der Klägerin gewonnen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre, von dem Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 15. Oktober 2003 Kenntnis zu nehmen und seinen Inhalt zu erfassen. Die Klägerin hätte daher wissen müssen, dass sie sich unverzüglich nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend melden musste. Dies hat sie nicht getan.
Für den Senat steht zudem fest, dass der Klägerin die Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch nicht in der Weise zugesichert wurde, dass sie auf die Hinfälligkeit der Kündigung vertrauen durfte. Sie musste zumindest damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis zu dem in der Kündigung genannten Zeitpunkt enden würde.
In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge B. bekundet, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin nach Übergabe der Kündigung an diese auch Gegenstand eines Gespräches mit dem Zeugen M. gewesen sei. Ganz sicher sei weder gegenüber der Klägerin selbst noch gegenüber Herrn M. von einer Rücknahme der Kündigung die Rede gewesen. Nach seinen Unterlagen sei es vielmehr so gewesen, dass er in Aussicht gestellt habe, über die Kündigung noch einmal nachdenken zu wollen, wenn sich die Leistungen der Klägerin besserten, wobei er heute nicht mehr wisse, worin das Leistungsdefizit bestanden habe. Der Zeuge M. hat ausgeführt, ihm sei nicht klar gewesen, dass der Klägerin zum Zeitpunkt seines Gespräches mit Herrn B. die Kündigung bereits ausgehändigt gewesen sei. Er habe Herrn B. gesagt, es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin schlechte Leistungen erbringe. Herr B. habe darauf gesagt, er wolle drei Wochen zuwarten und die Sache noch einmal bedenken. Herr B. habe aber nicht gesagt, er wolle aus der Kündigung keine Rechte herleiten und er selbst habe dies der Klägerin auch so nicht gesagt, sondern nur, dass Herr B. sich die Sache noch einmal überlege und sie hoffen könne, er nehme die Kündigung zurück. Diese Aussagen sind in sich nachvollziehbar, sie geben ein stimmiges Bild der Ereignisse. Insbesondere die Aussage des Zeugen M., der nicht mehr bei der Firma "H." beschäftigt ist und keinerlei, auch kein indirektes, Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte, erschien dem Senat glaubhaft und schlüssig.
Nach diesen Angaben stand keinesfalls fest, und war auch nicht zugesichert worden, dass der Arbeitgeber aus der Kündigung der Klägerin keine Rechte mehr herleiten wollte und dass die Klägerin davon ausgehen konnte, weiterbeschäftigt zu werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6) ist die Obliegenheitsverletzung nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu überprüfen. Es kommt daher auf die Umstände des Einzelfalls an. Im vorliegenden Verfahren sprechen diese gerade nicht dafür, dass die Klägerin auf eine Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses vertrauen durfte.
Da die Klägerin ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gemäß § 37b SGB III verletzt hat, treten die Rechtsfolgen gemäß §§ 140, 198 SGB III ein. Danach mindert sich die Arbeitslosenhilfe, die dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, wenn der Arbeitslose sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.
Der festgelegte Umfang der Minderung ist nicht zu beanstanden. Nach § 140 S. 2 Nr. 1 und S. 3 SGB III beträgt die Minderung bei einem Bemessungsentgelt über 700 Euro (hier: 755 Euro) 50 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung, begrenzt auf den Betrag, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Klägerin hätte sich am 18. August 2004 melden müssen, hat dies aber erst am 22. September 2004 getan. Dieser Zeitraum umfasst 35 Kalendertage, davon entfallen 10 Tage auf Wochenenden, so dass 25 Tage verbleiben, in denen das Arbeitsamt dienstbereit war. Die Beklagte hat ihrer Berechnung indes zu Gunsten der Klägerin lediglich 22 Tage zu Grunde gelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache unter Berücksichtigung des durch die Bescheide vom 26. April 2006 in erster Instanz abgegebenen Teilanerkenntnisses der Beklagten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen eine Minderung des Arbeitslosengeldes wegen verspäteter Meldung.
Die 1950 geborene Klägerin war vom 1. Juni 1970 bis einschließlich 31. Dezember 2002 – zuletzt als Filialleiterin – bei der Firma S. GmbH beschäftigt. Von Januar 2003 bis zum 14. Oktober 2003 war die Klägerin arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Ab dem 15. Oktober 2003 war die Klägerin bei der Firma "H. GmbH & Co. KG" als Verkäuferin beschäftigt.
Wegen der Arbeitsaufnahme hob die Beklagte die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 15. Oktober 2003 ab dem 15. Oktober 2003 auf. Auf der Rückseite des Bescheides heißt es unter der Überschrift "Wichtige Hinweise":
"Ab dem 1.7.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung des Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z. B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss eines Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres künftigen Leistungsanspruches führen kann."
Die Klägerin erhielt am 17. August 2004 persönlich von ihrem Arbeitgeber eine schriftliche Kündigung zum 30. September 2004 ausgehändigt. Am 22. September 2004 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit Bescheid vom 5. Oktober 2004 mit, ihr Arbeitslosengeldanspruch mindere sich gemäß § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) um 1500 EUR wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung. Sodann bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 6. Oktober 2004 Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von 755 EUR wöchentlich und minderte die Leistung um insgesamt 1500 EUR, wobei sie den wöchentlichen Leistungssatz von 252 EUR um 126 EUR kürzte.
Mit ihrem Widerspruch vom 20. Oktober 2004 führte die Klägerin aus, der Arbeitgeber habe ihr suggeriert, er werde aus der Kündigung keine Rechte herleiten. Er habe sie vertröstet und hingehalten. Die Vorschrift des § 37b SGB III sei ihr nicht bekannt gewesen, auch habe der Arbeitgeber sie nicht darauf hingewiesen, dass sie sich unmittelbar nach Erhalt des Kündigungsschreibens arbeitslos melden müsse.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung hieß es u. a., die Klägerin sei verpflichtet gewesen, sich am 18. August 2004 arbeitsuchend zu melden und habe dies erst am 22. September 2004 getan.
Hiergegen hat die Klägerin am 17. November 2004 Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und weiter ausgeführt, sie sei aufgrund der Zusage des Arbeitgebers, aus der Kündigung keine Rechte herleiten zu wollen, völlig überrascht gewesen, als ihr am 21. September 2004 mitgeteilt worden sei, man wolle nun doch an der Kündigung festhalten. Bereits am nächsten Tag habe sie sich dann arbeitslos gemeldet. Ihr Verhalten sei daher keinesfalls schuldhaft, zumal sie von der Vorschrift des § 37 b SGB III keine Kenntnis gehabt habe.
Während des Klagverfahrens hat die Beklagte am 26. April 2006 zwei weitere Bescheide erlassen. Mit dem einen Bescheid hat die Beklagte festgestellt, dass die Meldung der Klägerin um 30 Tage zu spät erfolgt sei und der Minderungsbetrag 1100 EUR betrage. Des Weiteren hat die Beklagte einen Änderungsbescheid erlassen, mit welchem sie erneut Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgeltes in Höhe von 755 EUR wöchentlich bewilligte, die Leistung jedoch um insgesamt 1100 EUR minderte, wobei sie den wöchentlichen Leistungssatz von 252 EUR um 126 EUR kürzte.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Februar 2007 der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide und der Gegenstandsbescheide verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld ab dem 1. Oktober 2004 ohne Minderung zu bewilligen. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, die Klägerin habe nicht schuldhaft gehandelt, denn ihr sei die Unkenntnis der Meldepflicht subjektiv nicht vorwerfbar. Der Hinweis auf dem Aufhebungsbescheid erfülle nicht die Voraussetzungen einer wirksamen Rechtsfolgenbelehrung und sei grundsätzlich nicht geeignet, der Klägerin dies im Sinne einer fahrlässigen Unkenntnis der Meldevorschriften subjektiv zuzurechnen.
Gegen das ihr am 1. März 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. März 2007 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 25. Mai 2005 (B 11a/11 AL 81/04 R) aus, die Klägerin könne sich nicht auf eine unverschuldete Unkenntnis der Meldeobliegenheit berufen, da sie durch die Belehrungen im Aufhebungsbescheid unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" informiert gewesen sei. Selbst wenn der Arbeitgeber bereit gewesen sei, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu überdenken, habe für die Klägerin kein Anlass bestanden, zweifelsfrei von einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ausgehen zu können. Das lediglich auf einer Hoffnung basierende Nichtstun der Klägerin sei ihr deshalb vorwerfbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich auf ihr bisheriges Vorbringen. Bei der Frage, ob sich der Arbeitnehmer bei der verspäteten Meldung schuldhaft verhalte, sei ein Maßstab anzulegen, der den Besonderheiten des Einzelfalles gerecht werde. Ihr sei aber vom Arbeitgeber zugesichert worden, aus der Kündigung keine Rechte herzuleiten, sie sei daher davon ausgegangen es liege noch keine abschließende Regelung des Arbeitgebers vor.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010 die Zeugen B. und M. vernommen. Wegen der Einzelheiten ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Auf die Berufung ist das Urteil des Sozialgerichts vom 26. Februar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Bewilligung höherer Arbeitslosenhilfe ohne Berücksichtigung der Minderung.
Gegenstand des Rechtsstreits sind die Festsetzung der Minderung im Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2004 und der Bewilligungsbescheid vom 6. Oktober 2004, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Minderung des Anspruchs darstellen (BSG, Urteil vom 18.8.2005 – B 7a/7 AL 80/04 R; Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 – B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6). Gegenstand des Verfahrens sind des Weiteren die Bescheide vom 26. April 2006, mit welchen die Beklagte den Minderungsbetrag neu berechnet hat und welche gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sind.
Der Streitgegenstand ist sachlich auf die Anfechtung der Minderung selbst beschränkt. Das entspricht dem Begehren der Klägerin und ist zulässig (BSG, Urteil vom 18.8. 2005 – B 7a AL 4/05 R - SozR 4-1500 § 95 Nr. 1).
Die angefochtenen Bescheide haben ihre Rechtsgrundlage in § 140 SGB III i.V.m. § 37b SGB III. Gemäß § 37b S. 1 SGB III in der ab 1. Juli 2003 bis zum 30. Dezember 2005 geltenden Fassung sind Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit zu melden.
Die objektiven Voraussetzungen für eine verspätete Meldung haben vorgelegen. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete aufgrund der arbeitgeberseitigen Kündigung vom 17. August 2004 mit Ablauf des 30. September 2004; die Klägerin hat die Kündigung auch noch am 17. August 2004, einem Dienstag, erhalten. Die Meldung hätte danach spätestens am 18. August 2004 erfolgen müssen, wobei die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von einer notwendigen Meldung erst am 23. August 2004 (Bescheid vom 5. Oktober 2004) bzw. am 20. August 2004 (Bescheid vom 26. April 2006) ausgegangen ist. Die am 22. September 2004 erfolgte Meldung war aber jedenfalls objektiv verspätet.
Die subjektiven Voraussetzungen liegen ebenfalls vor. Die Klägerin hat ihre Obliegenheit schuldhaft verletzt.
Unverzüglich i.S.d. § 37b S. 1 SGB III bedeutet nach der Rechtsprechung des BSG "ohne schuldhaftes Zögern" (vgl. § 121 BGB). Die Obliegenheitsverletzung verlangt auf Seiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab. Insoweit ist eine doppelte Verschuldensprüfung erforderlich; diese betrifft zum einen die Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis über die Meldepflicht, zum anderen das vorwerfbare Fehlverhalten für jeden einzelnen Tag der versäumten Arbeitsuchendmeldung (BSG, Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).
Da die Norm zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht allgemein bekannt war, kommt es auf die subjektive Kenntnis bzw. das Kennenmüssen des Arbeitsuchenden und die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BSG, Urteil vom 25.5.2005 – B 11a/11 AL 81/04, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 1; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6).
Die Klägerin wurde durch den Hinweis in dem Aufhebungsbescheid vom 15. Oktober 2003, den sie nach ihren eigenen Angaben erhalten hat, über ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ausreichend informiert.
Das BSG hat mittlerweile entschieden, dass Hinweise mit gleichartigem Wortlaut unmissverständlich und inhaltlich zutreffend sind. Der Wortlaut der Belehrung lasse keine Zweifelsfragen bezüglich des geforderten Meldezeitpunkts aufkommen und sei auch in Bezug auf die drohende Rechtsfolge unmissverständlich. Mit der einschränkenden Wortwahl ("in der Regel" und "könne") werde in der Sache berücksichtigt, dass eine Minderung nicht nur objektiv von der verspäteten Arbeitsuchendmeldung, sondern auch subjektiv von einem Verschulden abhängig sei. Mehr könne von einer Belehrung nicht verlangt werden (Urteil vom 28.8.2007 – B 7/a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/06 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 6). Das BSG hat damit zu erkennen gegeben, dass es solche Hinweise auch für grundsätzlich geeignet hält, Fahrlässigkeit zu begründen. Dem schließt sich der erkennende Senat an.
Der Aufhebungsbescheid ist am 15. Oktober 2003 und damit nach Auffassung des Senats noch ausreichend zeitnah zur erforderlichen Meldung am 18. August 2004 ergangen. Da die Klägerin vorträgt, die Belehrung gar nicht gelesen zu haben, kommt es auf die Frage, ob sie innerhalb von zehn Monaten in Vergessenheit geriet und geraten darf, jedenfalls nicht an. Die Belehrung über die Meldeobliegenheit befindet sich unter der Überschrift "Wichtige Hinweise" und ist dadurch auch ausreichend hervorgehoben. Der Abschnitt über die wichtigen Hinweise setzt sich lediglich aus drei Absätzen zusammen und kann daher ohne weiteres vollständig gelesen werden. Ein Obliegenheit, Bescheide zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen, besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist (BSG, Urteil vom 8.2.2001 - B 11 AL 21/00 R, SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 45).
Im Hinblick auf den beruflichen Werdegang der Klägerin und den Eindruck, den der Senat in der mündlichen Verhandlung am 29. April 2010 von der Klägerin gewonnen hat, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund ihrer individuellen Fähigkeiten nicht in der Lage gewesen wäre, von dem Hinweis im Aufhebungsbescheid vom 15. Oktober 2003 Kenntnis zu nehmen und seinen Inhalt zu erfassen. Die Klägerin hätte daher wissen müssen, dass sie sich unverzüglich nach Erhalt der Kündigung arbeitsuchend melden musste. Dies hat sie nicht getan.
Für den Senat steht zudem fest, dass der Klägerin die Fortführung des Arbeitsverhältnisses auch nicht in der Weise zugesichert wurde, dass sie auf die Hinfälligkeit der Kündigung vertrauen durfte. Sie musste zumindest damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis zu dem in der Kündigung genannten Zeitpunkt enden würde.
In der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge B. bekundet, dass die Weiterbeschäftigung der Klägerin nach Übergabe der Kündigung an diese auch Gegenstand eines Gespräches mit dem Zeugen M. gewesen sei. Ganz sicher sei weder gegenüber der Klägerin selbst noch gegenüber Herrn M. von einer Rücknahme der Kündigung die Rede gewesen. Nach seinen Unterlagen sei es vielmehr so gewesen, dass er in Aussicht gestellt habe, über die Kündigung noch einmal nachdenken zu wollen, wenn sich die Leistungen der Klägerin besserten, wobei er heute nicht mehr wisse, worin das Leistungsdefizit bestanden habe. Der Zeuge M. hat ausgeführt, ihm sei nicht klar gewesen, dass der Klägerin zum Zeitpunkt seines Gespräches mit Herrn B. die Kündigung bereits ausgehändigt gewesen sei. Er habe Herrn B. gesagt, es sei nicht zutreffend, dass die Klägerin schlechte Leistungen erbringe. Herr B. habe darauf gesagt, er wolle drei Wochen zuwarten und die Sache noch einmal bedenken. Herr B. habe aber nicht gesagt, er wolle aus der Kündigung keine Rechte herleiten und er selbst habe dies der Klägerin auch so nicht gesagt, sondern nur, dass Herr B. sich die Sache noch einmal überlege und sie hoffen könne, er nehme die Kündigung zurück. Diese Aussagen sind in sich nachvollziehbar, sie geben ein stimmiges Bild der Ereignisse. Insbesondere die Aussage des Zeugen M., der nicht mehr bei der Firma "H." beschäftigt ist und keinerlei, auch kein indirektes, Interesse am Ausgang des Verfahrens hatte, erschien dem Senat glaubhaft und schlüssig.
Nach diesen Angaben stand keinesfalls fest, und war auch nicht zugesichert worden, dass der Arbeitgeber aus der Kündigung der Klägerin keine Rechte mehr herleiten wollte und dass die Klägerin davon ausgehen konnte, weiterbeschäftigt zu werden.
Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 20.10.2005 – B 7a AL 50/05 R, SozR 4 - 4300 § 37b Nr. 2; Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 56/06 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 5; Urteil vom 17.10.2007 – B 11a/7a AL 72/6 R, SozR 4 - 4300 § 140 Nr. 6) ist die Obliegenheitsverletzung nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu überprüfen. Es kommt daher auf die Umstände des Einzelfalls an. Im vorliegenden Verfahren sprechen diese gerade nicht dafür, dass die Klägerin auf eine Fortführung ihres Arbeitsverhältnisses vertrauen durfte.
Da die Klägerin ihre Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gemäß § 37b SGB III verletzt hat, treten die Rechtsfolgen gemäß §§ 140, 198 SGB III ein. Danach mindert sich die Arbeitslosenhilfe, die dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruches zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist, wenn der Arbeitslose sich entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet hat.
Der festgelegte Umfang der Minderung ist nicht zu beanstanden. Nach § 140 S. 2 Nr. 1 und S. 3 SGB III beträgt die Minderung bei einem Bemessungsentgelt über 700 Euro (hier: 755 Euro) 50 Euro für jeden Tag der verspäteten Meldung, begrenzt auf den Betrag, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet. Die Klägerin hätte sich am 18. August 2004 melden müssen, hat dies aber erst am 22. September 2004 getan. Dieser Zeitraum umfasst 35 Kalendertage, davon entfallen 10 Tage auf Wochenenden, so dass 25 Tage verbleiben, in denen das Arbeitsamt dienstbereit war. Die Beklagte hat ihrer Berechnung indes zu Gunsten der Klägerin lediglich 22 Tage zu Grunde gelegt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache unter Berücksichtigung des durch die Bescheide vom 26. April 2006 in erster Instanz abgegebenen Teilanerkenntnisses der Beklagten.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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