L 4 U 119/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 6 U 10/07
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 4 U 119/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufungen der Kläger zu 1) und 2) werden zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen die Kläger zu 1) und 2) je zur Hälfte. Ansonsten sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Ereignisses vom 26.11.2003 als Arbeitsunfall.

Am 26.11.2003 wollte die Beigeladene gegen 9:00 Uhr das Rollgitter am Eingang ihres Ladengeschäftes im Hause C-straße Nr. 00 öffnen. Der Kläger zu 1) wollte ihr dabei helfen und schob das Rollgitter nach, als es etwa halb geöffnet war. Dabei übersah er, dass die linke Hand der Klägerin sich noch im Gitter befand. Dabei wurde der Mittelfinger der linken Hand der Klägerin eingeklemmt und gequetscht. Da die Haftpflichtversicherung des Klägers zu 1), die Klägerin zu 2), sich gegenüber der Beigeladenen auf die Haftungsbeschränkung nach § 105 Sozialgesetzbuch 7. Buch (SGB VII) berief, wandte sich die Beigeladene an die Beklagte und vertrat die Auffassung, der Kläger sei weder ihr Angestellter noch sei er durch Eingliederung betriebszugehörig. Die Beklagte wies sodann darauf hin, dass die Beigeladene bei ihr mangels freiwilliger Versicherung nicht versichert sei und daher keine Ansprüche nach dem SGB VII begründet seien. Sodann machte die Beigeladene geltend, es komme nicht darauf an, dass sie freiwillig versichert sei. Nach der Vorschrift des § 105 Abs. 2 S. 2 SGB VII könne auch ein nicht versicherter Unternehmer leistungsberechtigt sein. Es werde gebeten dies zu prüfen. Mit Schreiben vom 28.9.2005 teilte die Beklagte mit, § 105 SGB VII komme nicht zur Anwendung. Der Kläger zu 1) sei weder Mitarbeiter der Beigeladenen noch sei er nach § 2 Abs. 2 SGB VII in den Betrieb eingegliedert gewesen. Auf den nochmals vorgebrachten Antrag der Beigeladenen hin lehnte die Beklagte durch den an die Beigeladene gerichteten Bescheid vom 14.12.2005 die Anerkennung des Ereignisses vom 26.11.2003 als Arbeitsunfall ab. Hiergegen legten die Kläger zu 1) und 2) Widerspruch ein und beantragten, sie am Verfahren zu beteiligen.

Daraufhin erteilte die Beklagte unter dem 7.3.2006 einen Bescheid "über Ablehnung einer betrieblichen Eingliederung in den Betrieb der Optiker T GmbH mit Haftungsbeschränkung nach § 105 SGB VII" an den Kläger zu 1). Die Beklagte teilte der Beigeladenen mit, soweit durch den Ablehnungsbescheid an den Kläger zu 1) die Interessen der Beigeladenen berührt würden, bleibe sie am Verfahren beteiligt. Mit Bescheid vom 20.12.2006, gerichtet an den Kläger zu 1) wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 7.3.2006 als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus, der Kläger zu 1) sei kein Mitarbeiter der Optiker T GmbH. Seine unerbetene Hilfe am Unfalltag stelle keine dem Unternehmen zu dienen bestimmte und dem Willen des Unternehmers entsprechende Tätigkeit im Rahmen des § 2 Abs. 2 SGB VII dar. Deshalb sei eine betriebliche Eingliederung des Klägers zu 1) in diesen Betrieb nicht zu erkennen.

Hiergegen richtet sich die am 22.1.2007 erhobene Klage der Kläger zu 1) und 2). Zu deren Begründung haben die Kläger vorgebracht, die Beklagte habe unzulässigerweise auf den Unternehmerwillen nach dem Unfall abgestellt. Dass die unfallbringende Tätigkeit eines Dritten von dem verletzten Unternehmer als unerwünscht bezeichnet werde, sei ohne Bedeutung. Auch der Umstand, dass es sich um eine geringfügige und kurze Hilfeleistung handelte, stehe einer Wie-Beschäftigung nicht entgegen. Der Kläger zu 1) sei Rentner und habe im Geschäft der Beigeladenen mit kleineren Hilfs- und Handwerkerdiensten ausgeholfen ohne dort angestellt zu sein. Deshalb sei er ihr auch zu Hilfe gekommen, als sie nach seinem Eindruck mit dem Hochziehen des Rolltors Probleme hatte.

Die Kläger haben beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 7.3.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2006 festzustellen, dass das Ereignis vom 26.11.2003 ein Versicherungsfall im Sinne des SGB VII ist und dieser in die Zuständigkeit der Beklagten fällt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf die Begründung des angefochtenen Bescheides und des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Die Beigeladene hat die Auffassung vertreten, das Unfallereignis sei kein Versicherungsfall im Sinne des SGB VII.

Durch Urteil vom 1.9.2009 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig, aber nicht begründet. Auch die Klägerin zu 2) habe ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob das Ereignis vom 26.11.2003 ein Versicherungsfall im Sinne des SGB VII sei. Das Ereignis sei indes kein Versicherungsfall im Sinne des SGB VII. Die Beigeladene sei weder als Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 1 Nummer 1 SGB VII tätig noch als Unternehmerin freiwillig bei der Beklagten versichert gewesen. Auch kein anderer Versicherungstatbestand nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII liege vor. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen einer von der Klägerin zu 2) angenommenen Wie-Beschäftigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 SGB VII oder eines Versicherungsschutzes als nicht versicherte Unternehmerin nach § 105 Abs. 2 SGB VII vor. Die zur Verletzung der Beigeladenen führende Handlung des Klägers zu 1) gehe nicht über eine reine Gefälligkeitshandlung hinaus, die nur einen kurzen Augenblick dauerte. Daran ändere es nichts, dass der Kläger zu 1) im Betrieb der Beigeladenen gelegentlich kleinere Hilfs- und Handwerkerdienste verrichtet haben solle.

Gegen das am 7.9.2009 zugestellte Urteil haben die Kläger zu 1) und 2) am 7.10.2009 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung führen sie aus, die Differenzierung im sozialgerichtlichen Urteil zwischen geringfügig kurzer Hilfeleistung und ganz geringfügiger Handreichung sei gekünstelt und willkürlich.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 1. 9. 2009 zu ändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 7.3.2006 in der Fassung des Widerspruchs- bescheides vom 20.12.2006 festzustellen, dass das Ereignis vom 26.11.2003 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag; sie schließt sich der Rechtsauffassung der Beklagten an.

Die Beklagte und die Beigeladene machen geltend, das angefochtene Urteil entspreche der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Die dort statuierte Bagatellgrenze sei weder gekünstelt noch willkürlich. Außerdem habe die schadenstiftende Handlung des Klägers zu 1) weder dem tatsächlichen noch unter objektiven Gesichtspunkten dem mutmaßlichen Willen der Beigeladenen entsprochen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger zu 1) klargestellt, seine Lebensgefährtin sei damals wie heute im Ladengeschäft der Beigeladenen beschäftigt. Er selbst habe dort keine Tätigkeiten verrichtet. Er habe lediglich auf Bitten seiner Lebensgefährtin dort einmal eine oder zwei Glühbirnen ausgewechselt. Er habe jedoch keine Tätigkeiten im Auftrag der Beigeladenen und gegen Entgelt dort verrichtet. Am Unfalltag habe er seine Lebensgefährtin zum Ladengeschäft gebracht. Als sie dort eintrafen habe er gesehen, dass die Beigeladene versuchte, von innen das Rolltor zu öffnen. Er sei dann hinzugetreten und habe von außen her mitgeholfen, das Rolltor nach oben zu ziehen. Dabei habe er nicht bemerkt, dass die Beigeladene sich den Finger eingeklemmt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen sind zulässig, aber unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Unfallereignis vom 26.11.2003 ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als Arbeitsunfall anzuerkennen. Das Unfallereignis steht nicht im inneren Zusammenhang mit einer nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII versicherten Tätigkeit der Beigeladenen. Wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, war sie zum Unfallzeitpunkt weder als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII noch als freiwillig versicherte Unternehmerin tätig.

Die Beigeladene war auch nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 2 SGB VII einer Versicherten gleichgestellt und das Unfallereignis ist auch nicht unter diesem Gesichtspunkt als Arbeitsunfall anzuerkennen. Nach dieser Vorschrift würde die Beigeladene als nicht versicherte Unternehmerin wie ein Versicherter, der einen Versicherungsfall erlitten hat, behandelt, wenn der Kläger zu 1) durch eine betriebliche Tätigkeit den Versicherungsfall, das heißt, einen Arbeitsunfall verursacht hätte. Diese Voraussetzungen liegen indes nicht vor mit der Folge, dass der Unfall vom 26.11.2003 nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen ist. Denn der Kläger zu 1) hat den Unfall der Beigeladenen nicht durch eine betriebliche Tätigkeit verursacht. Er war bei der zum Unfall führenden Betätigung nicht im Betrieb der Beigeladenen wie ein Beschäftigter gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig.

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII sind Personen versichert, die wie Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Versicherte tätig werden. Dies setzt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 27.06.2000, B 2 U 44/00 B, HVBG-INFO 2000, 2316 mit weiteren Nachweisen) voraus, dass eine ernstliche, einem fremden Unternehmen dienende, dem Willen des Unternehmer entsprechende Tätigkeit vorliegt, die ungeachtet des Beweggrundes des Tätigwerdens ihrer Art nach sonst von einer Person verrichtet werden könnte, welche in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit muss nicht vorliegen. Auch bei Freundschafts- oder Gefälligkeitsdiensten entfällt der Versicherungsschutz grundsätzlich nicht. Die Verrichtung muss jedoch einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungs-verhältnisses der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bezeichneten Art ähneln. Dies ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu beurteilen, unter denen sich die Tätigkeit vollzieht. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Verrichtung reicht dabei nicht aus. Ansonsten wäre jede noch so vorübergehende und noch so geringfügige Tätigkeit versichert und fast jeder Unfall bei jedweder Tätigkeit wäre ein versicherter Arbeitsunfall. Dies widerspräche jedoch Sinn und Zweck der Norm und ihrer Entstehungsgeschichte (BSG a.a.O.).

Die zum Unfall führende Betätigung ähnelt nicht einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses. Aufgrund der Angaben des Klägers zu 1) im Termin zur mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, dass er quasi im Vorübergehen eine Handlung vorgenommen hat, die nur einen kurzen Augenblick dauerte und quasi im Handumdrehen beendet war. Würde diese Betätigung als arbeitnehmerähnlich eingestuft, so würde jede noch so geringfügig Handreichung als arbeitnehmerähnliches Handeln eingeordnet und der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung konturenlos ausufernd ausgelegt. Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil bereits zutreffend herausgearbeitet. Aufgrund der Darlegungen des Klägers zu 1), wonach er ansonsten keine Hilfs- und Handwerkerdienste im Auftrag der Beigeladenen verrichtet hatte, kommt auch nicht in Betracht, dass die zum Unfall führende Betätigung in eine irgendwie geartete Tätigkeit für das Unternehmen der Beigeladenen eingebettet war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 194 SGG

Anlass, die Revision nach § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved