Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Gelsenkirchen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
27
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SF 3/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 257/10 B
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Sozialgericht Gelsenkirchen Az.: S 27 SF 3/10 E Beschluss In dem Erinnerungsverfahren Erinnerungsführer gegen Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes NRW, Zweigertstraße 54, 45130 Essen, Gz.: L E 437 - 3685 Erinnerungsgegner In Sachen: S 27 AS 316/09 ER hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Gelsenkirchen am 02.02.2010 durch den Vorsitzenden, Richter Wagenführ, ohne mündliche Verhandlung beschlossen. Auf die Erinnerung der vormaligen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23.10.2009 abgeändert und die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 827,05 EUR festgesetzt. Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Im Streit steht, ob den Erinnerungsführern als ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – ) in Höhe von 250,00 EUR oder nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 125,00 EUR zzgl. einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zustehen.
Gegenstand des dem Erinnerungsverfahren zu Grunde liegenden, am 31.08.2009 anhängig gewordenen Rechtsstreits war das Begehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen vorläufig höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren. Durch gegenüber dem Antragsteller zu 1) verhängten Sanktionen käme es lediglich zu einer Auszahlung von aktuell c.a. EUR pro Monat. Hiervon könne eine vierköpfige Familie nicht leben. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht die volle Miete gezahlt würde, sondern nur ein Teil, da der Antragsteller zu 1) voll sanktioniert worden sei und damit sein Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR wegfalle. Die Antragsgegnerin vertrat die Auffassung, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung unbegründet sei. Zwar sei an die Antragsteller direkt nur ein Betrag von EUR überwiesen worden. Des weiteren seien aber EUR an den Forderungseinzug gezahlt worden. An den Versorger wurden insgesamt EUR für Strom und Heizung gezahlt und weitere EUR an den Vermieter. Zu berücksichtigen sei auch das Kindergeld in Höhe von EUR monatlich. Auch seien Lebensmittelgutscheine angeboten worden. Dieses Angebot sei aber nicht angenommen worden.
Mit Beschluss vom 03.09.2009 wurde den Antragstellern 1), 3) und 4) Prozesskostenhilfe für die Zeit ab dem 31.08.2009 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Erinnerungsführer bewilligt. Mit Beschluss vom 03.09.2009 wurde der Antragstellerin zu 2) für die Zeit ab dem 03.09.2009 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Erinnerungsführer bewilligt.
Im Erörterungstermin vom 08.09.2009 haben die Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden war, dass die Sanktionsbescheide bestandskräftig seien. In dem vorliegenden Verfahren bestünden daher keine Erfolgsaussichten.
Die Erinnerungsführerin haben mit Schreiben vom 11.09.2009 die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 827,05 EUR beantragt und dabei folgende Einzelpositionen angegeben:
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) Zzgl. Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG) 475,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 695,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 132,05 EUR Gesamtsumme 827,05 EUR
Auf Nachfrage des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärten die Erinnerungsführer, die Antragsteller bereits vor Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Antragsgegnerin vertreten zu haben, und zwar in dem Klageverfahren S 27 AS 285/09 sowie in dem Antragsverfahren nach den § 44 SGB X bezüglich eines Sanktionsbescheides.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen am 23.10.2009 auf 487,90 EUR festgesetzt und dabei folgende Einzelpositionen berücksichtigt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 100,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 90,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 410,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 77,90 EUR Gesamtsumme 487,90 EUR
Begründet hat er dies im wesentlichen damit, dass für das in Dauer und Umfang unterdurchschnittliche Verfahren nur unterdurchschnittliche Verfahrensgebühren geltend gemacht werden könnten. Zudem sei zu beachten, dass die Erinnerungsführer die Antragsteller bereits außergerichtlich in einem gleichartigen Sachverhalt vertreten hätten, so dass Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung gelange.
Gegen diese Festsetzung wenden sich die Erinnerungsführer mit ihrer Erinnerung vom 30.10.2009. Es sei im einzelnen dargelegt worden, dass die Antragsteller zwar außergerichtlich bereits zuvor vertreten worden seien, aber nicht in gleichgelagerten Angelegenheiten. Daher könne nicht nachvollzogen werden, warum Nr. 3103 VV RVG vorliegend einschlägig sei. Auch die Herabsetzung auf 100,00 EUR dieser Verfahrensgebühr könne nicht akzeptiert werden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Sanktionsbescheide seien die Antragsteller nicht anwaltlich vertreten gewesen, so dass kein Rechtsmittel eingelegt worden sei. Es konnten dann lediglich die ausführenden Bewilligungsbescheide angegriffen werden. Dem Antragsteller und seinen zahlreichen Brüdern sei die Verfahrensweise nach dem Erörterungstermin in teilweise längeren anwaltlichen Beratungsgesprächen erläutert worden. Zudem hätten die Antragsteller nach dem Erörterungstermin einzeln vorgesprochen, um sich das Ergebnis im einzelnen erläutern zu lassen. Die Auffassung, dass es sich um ein im Hinblick auf die Komplexität und Aufwand um ein unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt habe, sei zurückzuweisen.
Der als Vertreter der Staatskasse angehörte Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen beantragt, die Festsetzung vom 23.10.2009 abzuändern und die Vergütung auf 544,43 EUR festzusetzen und die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen. Es liege hinsichtlich der Verfahrensgebühr zwar kein Durchschnittsfall vor, welcher den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigen würde. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller sei aber als überdurchschnittlich einzustufen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller seien jedoch unterdurchschnittlich. Die Verfahrensgebühr sei daher auf 125,00 EUR festzusetzen, die Erhöhungsgebühr entsprechend anzupassen. Zu beachten sei, dass die von den Erinnerungsführern angesprochenen Besprechungen nach dem Ende des Erörterungstermins nicht mehr von der Prozesskostenhilfe umfasst gewesen seien. Anzuwenden sei in dem vorliegenden Fall auf Grund der vorprozessualen Tätigkeit der Erinnerungsführer für die Antragsteller nicht Nr. 3102 VV RVG sondern Nr. 3103 VV RVG.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung teilweise abgeholfen und 544,43 EUR festgesetzt. Hierbei hat er folgende Einzelpositionen berücksichtigt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 125,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 112,50 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 475,50 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 86,93 EUR Gesamtsumme 544,43 EUR
Der darüber hinausgehenden Erinnerung hat er nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Prozesskostenhilfebeihefts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist die Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR als angemessen und billig anzusehen; Nr. 3103 VV RVG findet vorliegend keine Anwendung. Die geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 225,00 EUR für die Vertretung von insgesamt 4 Antragstellern entsprechend festzusetzen.
Die gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 RVG erfolgte Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung kann im Wege der Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG überprüft werden. Über die Erinnerung entscheidet das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Diese Ersterinnerung ist weder an eine Form noch an eine Frist gebunden, § 56 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 7 S. 1 und i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG e contrario. Diese Vorschriften sind insofern lex speciales zu § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der die Kostenfestsetzung allein im Verhältnis der Beteiligten zueinander betrifft, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Staatskasse über die Höhe der im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, für die anwaltliche Tätigkeit Rahmengebühren. Diese Rahmengebühren bestimmt der Anwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dritter in diesem Sinne ist auch die Staatskasse. Entspricht die Bestimmung der Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt nicht der Billigkeit, ist sie richterlich zu korrigieren (Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 16.08.2006 – L 10 B 7/06 SB). Dabei sind die vom Gesetzgeber vorgegebenen festen Anhaltspunkte (Mindest-, Mittel- und Höchstgebühr) sowie der in Rechtsprechung und Literatur akzeptierte Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu berücksichtigen; d.h. nur eine Bestimmung des Rechtsanwalts, die um 20 % oder mehr von der als billig erscheinenden Gebühr abweicht, ist unbillig (LSG NRW a. a. O.). Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen, wobei es sich hierbei um ein weiteres Bemessungskriterium, und nicht um einen eigenen Gebührentatbestand handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R).
Da es um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) geht, ist das Verfahren nach § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei und nach § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG sind keine Kosten nach dem Gerichtskostengesetz zu erheben, so dass vorliegend Rahmengebühren für die anwaltliche Tätigkeit anfallen.
1.
Die Verfahrensgebühr, für welche 250,00 EUR in Ansatz zu bringen ist, richtet sich entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten und dem Erinnerungsgegner nicht nach Nr. 3103 VV RVG, sondern nach Nr. 3102 VV RVG.
Zum Teil wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in den Fällen, in welchen der Prozessbevollmächtigte bereits im Antragsverfahren bzw. Vorverfahren / Widerspruchsverfahren tätig geworden ist, er im Rahmen eines Eilverfahrens lediglich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG geltend machen könne. Dies wird zum einen damit begründet, dass auf Grund der durch die vorausgegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse der Anwalt im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand habe. Antrags-, Vorverfahren und das anschließende gerichtliche Verfahren würden aufeinander aufbauen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.08.2007 – L 20 B 91/07 AS; Beschluss vom 03.12.2007 – L 20 B 66/07 AY; Beschluss vom 29.01.2008 – L 1 B 35/07 AS; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18.01.2007 – L 15 B 224/06 AS KO).
In der Rechtsprechung wird auch die Auffassung vertreten, dass im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86 b SGG für die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG Anwendung findet, auch wenn der Rechtsanwalt bereits zuvor Antrags- oder Widerspruchsverfahren für den Antragsteller tätig war. Dies wird zum einen damit begründet, dass wichtiger Bestandteil eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens auch der Nachweis der Eilbedürftigkeit, z.B. des Anordnungsgrundes, sei, welcher typischerweise im Verwaltungsverfahren keinerlei Rolle spiele (vgl. SG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.2005 – S 10 SF 52/05). Auch der Wortlaut des Nr. 3103 VV RVG spreche gegen eine Anwendung dieser Vorschrift im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, da die Tätigkeit im Verwaltungs- oder Vorverfahren der Tätigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorausgehe. Mit "vorausgehe" i.S.d. Nr. 3103 VV RVG sei nur gemeint, dass die vorausgehende Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren münde. Antrags- bzw. Widerspruchsverfahren würden aber nur im gerichtlichen Hauptsacheverfahren, nicht im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz münden, für welches sie auch keinerlei zwingende Voraussetzung seien (vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 18.04.2007 – S 25 SF 34/06). Die Nichtanwendbarkeit des Nr. 3103 VV RVG in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz wird auch damit begründet, dass es sich bei der Hauptsache und dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz um verschiedene Streitgegenstände handeln würde und somit die Voraussetzungen für die Anwendung nach Nr. 3103 VV RVG nicht gegeben seien (vgl. SG Frankfurt, Beschluss vom 31.07.2006 – S 20 SF 8/06 AY; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.11.2009 – S 27 AS 230/08 ER; Beschluss vom 22.01.2010 – S 27 SF 4/10 ER; so wohl auch Müller-Rabe in: Gerold / Schmidt, RVG, Kommentar, 18. Aufl. 2008, Nr. 3103 VV RVG, Rdz. 4 m.w.N.).
Der Auffassung, welche in den Verfahren nach § 86 b SGG die Nr. 3102 VV RVG zur Anwendung gelangen lässt, ist zuzustimmen. Soweit von der Gegenauffassung auf die Synergieeffekte der bereits außergerichtlichen Tätigkeit für den Antragsteller hingewiesen wird, so liegen diese allenfalls im Bereich der Kenntnis des Mandanten und der grundlegenden Rechtsproblem im Bereich des eventuell bestehenden Anspruchs des Antragstellers. Unberücksichtigt lässt diese Ansicht, dass in den Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung neben dem Anordnungsanspruch – welcher dem Anspruch in der Hauptsache entspricht – auch der Anordnungsgrund darzulegen ist und auf Grund der lediglich summarischen Prüfung im Rahmen dieser Verfahren sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. All dies spielt in dem reinen Hauptsacheverfahren keinerlei Rolle. Auch einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 86 b Abs. 1 SGG auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beinhalten im Rahmen der Prüfung neben der Rechtswidrigkeit etwaiger Verwaltungsakte auch die Prüfung, – falls der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ungewiss ist – wie schwer das Aussetzungsinteresse des Antragstellers im Hinblick auf die Schwere der Verwaltungsmaßnahme oder die Frage der Rückgängigmachung zu gewichten ist. Auch dies spielt im "normalen" Hauptsacheverfahren keinerlei Rolle. Für die Anwendung von Nr. 3102 VV RVG spricht zur Überzeugung des Gerichts auch das Vorliegen verschiedener Streitgegenstände, vgl. § 17 Nr. 1 und Nr. 4 RVG. Insbesondere ist ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen der Untätigkeitsklage auch bei bereits entfalteter vorgerichtlichter Tätigkeit nicht erkennbar. Denn hier findet nach einhelliger Auffassung nicht Nr. 3103 VV RVG Anwendung, sondern Nr. 3102 VV RVG. Begründet wird dies damit, dass es sich um einen gegenüber dem Hauptsacheverfahren anderen, eingeschränkten Streitgegenstand handeln würde, daher finde Nr. 3102 VV RVG Anwendung (vgl. beispielsweise LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008 – L 19 B 24/08 AS). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass auch dieses Verfahren nach § 88 SGG voraussetzt, dass bereits ein Antrag gestellt worden ist bzw. ein Widerspruchsverfahren eingeleitet wurde. Auch in diesen Fällen hat der Rechtsanwalt im Falle einer entsprechenden Vorbefassung entsprechende Kenntnisse bereits erworben, auch wenn es auf diese nur in Bezug auf die Fristen des § 88 SGG ankommt. Es ist aber nicht erkennbar, warum in den Fällen des § 88 SGG – in denen der Streitgegenstand ebenfalls ein anderer ist – Nr. 3102 VV RVG Anwendung finden soll, in den Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen schon nach der gesetzlichen Wertung in § 17 RVG ein anderer Streitgegenstand vorliegt, dann aber wiederum Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung gelangen soll. Nicht berücksichtigt wird hierbei auch, dass in den Fällen, in welchen Wertgebühren in Ansatz zu bringen sind, sich eine solche Differenzierung nicht findet. War der Anwalt dort in der Hauptsache tätigt, so wird die dort verdiente Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV nur auf die Vergütung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Gegenstandes angerechnet, also wegen der Hauptsache, nicht aber auf die Verfahrensgebühr eines einstweiligen Anordnungsverfahrens (vgl. hierzu Anmerkung Norbert Schneider zu: SG Aurich, Beschluss vom 09.05.2006 – S 25 SF 20/05 AS in AGS 2006, S. 445 bis 447).
Die Sache ist entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten und des Erinnerungsgegners bei wertender Betrachtung der oben genannten Kriterien als durchschnittlich einzustufen, so dass für die Verfahrensgebühr auch die Mittelgebühr zur Anwendung gelangt (vgl. auch zum Verhältnis zwischen Mittel- und Schwellengebühr BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R).
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller waren aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II unterdurchschnittlich. Dieser Aspekt allein rechtfertigt jedoch nicht eine Unterschreitung der Mittelgebühr, da in Konstellationen wie der vorliegenden in aller Regel angespannte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen werden und der beigeordnete Rechtsanwalt bei anderer Betrachtungsweise nicht die Gebühr erhalten könnte, die bei Vorliegen der weiteren Bemessungskriterien gerechtfertigt wäre (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2008 – L 1 B 35/07).
Die Frage der richtigen Berechnung des den Antragstellern auszuzahlenden Betrages war für diese auch von überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Denn die volle Miete konnte auf Grund der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen von diesen nur dadurch aufgebracht werden, dass die nicht sanktionierten Antragstellern teile der Regelleistung hierfür nutzten, um Mietrückstände zu vermeiden, obwohl diese keinerlei Fehlverhalten zu verantworten hatten. Dies machte immerhin einen Betrag von EUR aus, welchen die Antragsteller zu 2), 3) und 4) aufbringen mussten, mithin pro Person EUR.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit waren im Rahmen des Verfahrens als leicht unterdurchschnittlich einzustufen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Dauer des Eilverfahrens und den gesamten Umfang. Dem Erinnerungsgegner ist insoweit zuzustimmen, als die von den Erinnerungsführern angesprochenen Besprechungen nach dem Erörterungstermin zwecks Erläuterung des Ergebnisses mit den Brüdern bzw. die Einzelgespräche mit den Antragstellern nicht erhöhend Berücksichtigung finden können, da diese erst nach Abschluss des Verfahrens erfolgten, die Tätigkeit somit nicht mehr von der Prozesskostenhilfe erfasst wird. Die zugrunde liegende rechtliche Problematik ist jedoch als durchschnittlich zu werten, da es vorliegend insbesondere um die Frage ging, ob bei bestandskräftigen Sanktionsbescheiden eine Überprüfung im Rahmen der ausführenden Bewilligungsbescheide möglich ist oder nicht und falls nicht, welche Möglichkeiten den Antragstellern dann noch verbleiben.
Das Haftungsrisiko der Erinnerungsführerin ist als durchschnittlich einzustufen. Die zu erwartende Haftung ist auf einen überschaubaren und Beträge – für die Erinnerungsführer und deren Vermögensschadenshaftpflichtversicherung – beschränkt. Es ist daher von einem durchschnittlichen Haftungsrisiko der Erinnerungsführer auszugehen.
Auf Grund der durchzuführenden Gesamtabwägung dieser Kriterien erscheint es als billig und angemessen, als Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR (Mittelgebühr) festzusetzen.
2.
Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 ist entsprechend auf gerundet 225,00 EUR festzusetzen (je weitere Person 30 % - bei drei weiteren Personen (4 Antragsteller) somit 3 x 30 % von 250,00 EUR (vgl. Müller-Rabe in: Gerold / Schmidt, RVG, Kommentar, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 VV Rdz. 241).
3.
Damit ergibt sich folgende Berechnung der festzusetzenden Gebühren in Höhe von insgesamt 827,05 EUR:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 250,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 225,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 695,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 132,05 EUR Gesamtsumme 827,05 EUR
4.
Die Beschwerde war zulassen, da die Rechtssache aus Sicht des Gerichts grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG. Die Frage, ob die Verfahrensgebühr in Verfahren beim Sozialgericht, in welchem Rahmengebühren anfallen, bei außergerichtlicher Vorbefassung des Prozessbevollmächtigten eines Antragstellers im Antrags- oder Widerspruchsverfahren im Rahmen eines gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach Nr. 3102 VV RVG oder Nr. 3103 VV RVG zu bemessen ist, ist aus Sicht der Kammer in der Rechtsprechung selbst aber auch in der Kommentierung trotz der Rechtsprechung des LSG NRW und des Bayerischen Landessozialgerichts weiter umstritten.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
Gründe:
I.
Im Streit steht, ob den Erinnerungsführern als ehemaligen Prozessbevollmächtigten der Antragsteller im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe die aus der Staatskasse zu zahlende Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz – RVG – ) in Höhe von 250,00 EUR oder nach Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 125,00 EUR zzgl. einer Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG zustehen.
Gegenstand des dem Erinnerungsverfahren zu Grunde liegenden, am 31.08.2009 anhängig gewordenen Rechtsstreits war das Begehren der Antragsteller, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen vorläufig höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) zu gewähren. Durch gegenüber dem Antragsteller zu 1) verhängten Sanktionen käme es lediglich zu einer Auszahlung von aktuell c.a. EUR pro Monat. Hiervon könne eine vierköpfige Familie nicht leben. Zu berücksichtigen sei auch, dass nicht die volle Miete gezahlt würde, sondern nur ein Teil, da der Antragsteller zu 1) voll sanktioniert worden sei und damit sein Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR wegfalle. Die Antragsgegnerin vertrat die Auffassung, dass der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung unbegründet sei. Zwar sei an die Antragsteller direkt nur ein Betrag von EUR überwiesen worden. Des weiteren seien aber EUR an den Forderungseinzug gezahlt worden. An den Versorger wurden insgesamt EUR für Strom und Heizung gezahlt und weitere EUR an den Vermieter. Zu berücksichtigen sei auch das Kindergeld in Höhe von EUR monatlich. Auch seien Lebensmittelgutscheine angeboten worden. Dieses Angebot sei aber nicht angenommen worden.
Mit Beschluss vom 03.09.2009 wurde den Antragstellern 1), 3) und 4) Prozesskostenhilfe für die Zeit ab dem 31.08.2009 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Erinnerungsführer bewilligt. Mit Beschluss vom 03.09.2009 wurde der Antragstellerin zu 2) für die Zeit ab dem 03.09.2009 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung der Erinnerungsführer bewilligt.
Im Erörterungstermin vom 08.09.2009 haben die Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt, nachdem vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden war, dass die Sanktionsbescheide bestandskräftig seien. In dem vorliegenden Verfahren bestünden daher keine Erfolgsaussichten.
Die Erinnerungsführerin haben mit Schreiben vom 11.09.2009 die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 827,05 EUR beantragt und dabei folgende Einzelpositionen angegeben:
Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV RVG) Zzgl. Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG) 475,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 695,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 132,05 EUR Gesamtsumme 827,05 EUR
Auf Nachfrage des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärten die Erinnerungsführer, die Antragsteller bereits vor Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber der Antragsgegnerin vertreten zu haben, und zwar in dem Klageverfahren S 27 AS 285/09 sowie in dem Antragsverfahren nach den § 44 SGB X bezüglich eines Sanktionsbescheides.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen am 23.10.2009 auf 487,90 EUR festgesetzt und dabei folgende Einzelpositionen berücksichtigt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 100,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 90,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 410,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 77,90 EUR Gesamtsumme 487,90 EUR
Begründet hat er dies im wesentlichen damit, dass für das in Dauer und Umfang unterdurchschnittliche Verfahren nur unterdurchschnittliche Verfahrensgebühren geltend gemacht werden könnten. Zudem sei zu beachten, dass die Erinnerungsführer die Antragsteller bereits außergerichtlich in einem gleichartigen Sachverhalt vertreten hätten, so dass Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung gelange.
Gegen diese Festsetzung wenden sich die Erinnerungsführer mit ihrer Erinnerung vom 30.10.2009. Es sei im einzelnen dargelegt worden, dass die Antragsteller zwar außergerichtlich bereits zuvor vertreten worden seien, aber nicht in gleichgelagerten Angelegenheiten. Daher könne nicht nachvollzogen werden, warum Nr. 3103 VV RVG vorliegend einschlägig sei. Auch die Herabsetzung auf 100,00 EUR dieser Verfahrensgebühr könne nicht akzeptiert werden. Zum Zeitpunkt des Erlasses der Sanktionsbescheide seien die Antragsteller nicht anwaltlich vertreten gewesen, so dass kein Rechtsmittel eingelegt worden sei. Es konnten dann lediglich die ausführenden Bewilligungsbescheide angegriffen werden. Dem Antragsteller und seinen zahlreichen Brüdern sei die Verfahrensweise nach dem Erörterungstermin in teilweise längeren anwaltlichen Beratungsgesprächen erläutert worden. Zudem hätten die Antragsteller nach dem Erörterungstermin einzeln vorgesprochen, um sich das Ergebnis im einzelnen erläutern zu lassen. Die Auffassung, dass es sich um ein im Hinblick auf die Komplexität und Aufwand um ein unterdurchschnittliches Verfahren gehandelt habe, sei zurückzuweisen.
Der als Vertreter der Staatskasse angehörte Bezirksrevisor für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen beantragt, die Festsetzung vom 23.10.2009 abzuändern und die Vergütung auf 544,43 EUR festzusetzen und die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen. Es liege hinsichtlich der Verfahrensgebühr zwar kein Durchschnittsfall vor, welcher den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigen würde. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Antragsteller sei aber als überdurchschnittlich einzustufen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsteller seien jedoch unterdurchschnittlich. Die Verfahrensgebühr sei daher auf 125,00 EUR festzusetzen, die Erhöhungsgebühr entsprechend anzupassen. Zu beachten sei, dass die von den Erinnerungsführern angesprochenen Besprechungen nach dem Ende des Erörterungstermins nicht mehr von der Prozesskostenhilfe umfasst gewesen seien. Anzuwenden sei in dem vorliegenden Fall auf Grund der vorprozessualen Tätigkeit der Erinnerungsführer für die Antragsteller nicht Nr. 3102 VV RVG sondern Nr. 3103 VV RVG.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung teilweise abgeholfen und 544,43 EUR festgesetzt. Hierbei hat er folgende Einzelpositionen berücksichtigt:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 125,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 112,50 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 475,50 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 86,93 EUR Gesamtsumme 544,43 EUR
Der darüber hinausgehenden Erinnerung hat er nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Prozesskostenhilfebeihefts Bezug genommen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist die Mittelgebühr in Höhe von 250,00 EUR als angemessen und billig anzusehen; Nr. 3103 VV RVG findet vorliegend keine Anwendung. Die geltend gemachte Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 225,00 EUR für die Vertretung von insgesamt 4 Antragstellern entsprechend festzusetzen.
Die gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 RVG erfolgte Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung kann im Wege der Erinnerung gemäß § 56 Abs. 1 S. 1 RVG überprüft werden. Über die Erinnerung entscheidet das Gericht des Rechtszuges, bei dem die Festsetzung erfolgt ist, durch Beschluss. Diese Ersterinnerung ist weder an eine Form noch an eine Frist gebunden, § 56 Abs. 2 S. 1 Halbsatz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 7 S. 1 und i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG e contrario. Diese Vorschriften sind insofern lex speciales zu § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der die Kostenfestsetzung allein im Verhältnis der Beteiligten zueinander betrifft, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten und der Staatskasse über die Höhe der im Rahmen bewilligter Prozesskostenhilfe von der Staatskasse zu gewährenden Gebühren und Auslagen.
Gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, für die anwaltliche Tätigkeit Rahmengebühren. Diese Rahmengebühren bestimmt der Anwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen, § 14 Abs. 1 S. 1 RVG. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Dritter in diesem Sinne ist auch die Staatskasse. Entspricht die Bestimmung der Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt nicht der Billigkeit, ist sie richterlich zu korrigieren (Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen (NRW), Beschluss vom 16.08.2006 – L 10 B 7/06 SB). Dabei sind die vom Gesetzgeber vorgegebenen festen Anhaltspunkte (Mindest-, Mittel- und Höchstgebühr) sowie der in Rechtsprechung und Literatur akzeptierte Toleranzrahmen von bis zu 20 % zu berücksichtigen; d.h. nur eine Bestimmung des Rechtsanwalts, die um 20 % oder mehr von der als billig erscheinenden Gebühr abweicht, ist unbillig (LSG NRW a. a. O.). Im Rahmen der Billigkeitsprüfung sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit objektive Kriterien. Zu diesen treten die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse als subjektive Kriterien hinzu. Darüber hinaus ist nach § 14 Abs. 1 S. 3 RVG bei Verfahren, auf die Betragsrahmengebühren anzuwenden sind, ein besonderes Haftungsrisiko zu berücksichtigen, wobei es sich hierbei um ein weiteres Bemessungskriterium, und nicht um einen eigenen Gebührentatbestand handelt (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R).
Da es um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) geht, ist das Verfahren nach § 183 S. 1 SGG gerichtskostenfrei und nach § 197 a Abs. 1 S. 1 SGG sind keine Kosten nach dem Gerichtskostengesetz zu erheben, so dass vorliegend Rahmengebühren für die anwaltliche Tätigkeit anfallen.
1.
Die Verfahrensgebühr, für welche 250,00 EUR in Ansatz zu bringen ist, richtet sich entgegen der Auffassung des Urkundsbeamten und dem Erinnerungsgegner nicht nach Nr. 3103 VV RVG, sondern nach Nr. 3102 VV RVG.
Zum Teil wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass in den Fällen, in welchen der Prozessbevollmächtigte bereits im Antragsverfahren bzw. Vorverfahren / Widerspruchsverfahren tätig geworden ist, er im Rahmen eines Eilverfahrens lediglich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103, 3102 VV RVG geltend machen könne. Dies wird zum einen damit begründet, dass auf Grund der durch die vorausgegangene Tätigkeit im Verwaltungsverfahren erworbenen Sach- und Rechtskenntnisse der Anwalt im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren einen geringeren Aufwand habe. Antrags-, Vorverfahren und das anschließende gerichtliche Verfahren würden aufeinander aufbauen (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 09.08.2007 – L 20 B 91/07 AS; Beschluss vom 03.12.2007 – L 20 B 66/07 AY; Beschluss vom 29.01.2008 – L 1 B 35/07 AS; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18.01.2007 – L 15 B 224/06 AS KO).
In der Rechtsprechung wird auch die Auffassung vertreten, dass im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach § 86 b SGG für die Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG Anwendung findet, auch wenn der Rechtsanwalt bereits zuvor Antrags- oder Widerspruchsverfahren für den Antragsteller tätig war. Dies wird zum einen damit begründet, dass wichtiger Bestandteil eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens auch der Nachweis der Eilbedürftigkeit, z.B. des Anordnungsgrundes, sei, welcher typischerweise im Verwaltungsverfahren keinerlei Rolle spiele (vgl. SG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.2005 – S 10 SF 52/05). Auch der Wortlaut des Nr. 3103 VV RVG spreche gegen eine Anwendung dieser Vorschrift im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, da die Tätigkeit im Verwaltungs- oder Vorverfahren der Tätigkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorausgehe. Mit "vorausgehe" i.S.d. Nr. 3103 VV RVG sei nur gemeint, dass die vorausgehende Tätigkeit in dem gerichtlichen Verfahren münde. Antrags- bzw. Widerspruchsverfahren würden aber nur im gerichtlichen Hauptsacheverfahren, nicht im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz münden, für welches sie auch keinerlei zwingende Voraussetzung seien (vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 18.04.2007 – S 25 SF 34/06). Die Nichtanwendbarkeit des Nr. 3103 VV RVG in Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz wird auch damit begründet, dass es sich bei der Hauptsache und dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz um verschiedene Streitgegenstände handeln würde und somit die Voraussetzungen für die Anwendung nach Nr. 3103 VV RVG nicht gegeben seien (vgl. SG Frankfurt, Beschluss vom 31.07.2006 – S 20 SF 8/06 AY; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12.11.2009 – S 27 AS 230/08 ER; Beschluss vom 22.01.2010 – S 27 SF 4/10 ER; so wohl auch Müller-Rabe in: Gerold / Schmidt, RVG, Kommentar, 18. Aufl. 2008, Nr. 3103 VV RVG, Rdz. 4 m.w.N.).
Der Auffassung, welche in den Verfahren nach § 86 b SGG die Nr. 3102 VV RVG zur Anwendung gelangen lässt, ist zuzustimmen. Soweit von der Gegenauffassung auf die Synergieeffekte der bereits außergerichtlichen Tätigkeit für den Antragsteller hingewiesen wird, so liegen diese allenfalls im Bereich der Kenntnis des Mandanten und der grundlegenden Rechtsproblem im Bereich des eventuell bestehenden Anspruchs des Antragstellers. Unberücksichtigt lässt diese Ansicht, dass in den Verfahren nach § 86 b Abs. 2 SGG auf Erlass einer einstweiligen Anordnung neben dem Anordnungsanspruch – welcher dem Anspruch in der Hauptsache entspricht – auch der Anordnungsgrund darzulegen ist und auf Grund der lediglich summarischen Prüfung im Rahmen dieser Verfahren sind sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. All dies spielt in dem reinen Hauptsacheverfahren keinerlei Rolle. Auch einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 86 b Abs. 1 SGG auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung beinhalten im Rahmen der Prüfung neben der Rechtswidrigkeit etwaiger Verwaltungsakte auch die Prüfung, – falls der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ungewiss ist – wie schwer das Aussetzungsinteresse des Antragstellers im Hinblick auf die Schwere der Verwaltungsmaßnahme oder die Frage der Rückgängigmachung zu gewichten ist. Auch dies spielt im "normalen" Hauptsacheverfahren keinerlei Rolle. Für die Anwendung von Nr. 3102 VV RVG spricht zur Überzeugung des Gerichts auch das Vorliegen verschiedener Streitgegenstände, vgl. § 17 Nr. 1 und Nr. 4 RVG. Insbesondere ist ein wesentlicher Unterschied zu den Fällen der Untätigkeitsklage auch bei bereits entfalteter vorgerichtlichter Tätigkeit nicht erkennbar. Denn hier findet nach einhelliger Auffassung nicht Nr. 3103 VV RVG Anwendung, sondern Nr. 3102 VV RVG. Begründet wird dies damit, dass es sich um einen gegenüber dem Hauptsacheverfahren anderen, eingeschränkten Streitgegenstand handeln würde, daher finde Nr. 3102 VV RVG Anwendung (vgl. beispielsweise LSG NRW, Beschluss vom 05.05.2008 – L 19 B 24/08 AS). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass auch dieses Verfahren nach § 88 SGG voraussetzt, dass bereits ein Antrag gestellt worden ist bzw. ein Widerspruchsverfahren eingeleitet wurde. Auch in diesen Fällen hat der Rechtsanwalt im Falle einer entsprechenden Vorbefassung entsprechende Kenntnisse bereits erworben, auch wenn es auf diese nur in Bezug auf die Fristen des § 88 SGG ankommt. Es ist aber nicht erkennbar, warum in den Fällen des § 88 SGG – in denen der Streitgegenstand ebenfalls ein anderer ist – Nr. 3102 VV RVG Anwendung finden soll, in den Fällen des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen schon nach der gesetzlichen Wertung in § 17 RVG ein anderer Streitgegenstand vorliegt, dann aber wiederum Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung gelangen soll. Nicht berücksichtigt wird hierbei auch, dass in den Fällen, in welchen Wertgebühren in Ansatz zu bringen sind, sich eine solche Differenzierung nicht findet. War der Anwalt dort in der Hauptsache tätigt, so wird die dort verdiente Geschäftsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV nur auf die Vergütung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Gegenstandes angerechnet, also wegen der Hauptsache, nicht aber auf die Verfahrensgebühr eines einstweiligen Anordnungsverfahrens (vgl. hierzu Anmerkung Norbert Schneider zu: SG Aurich, Beschluss vom 09.05.2006 – S 25 SF 20/05 AS in AGS 2006, S. 445 bis 447).
Die Sache ist entgegen der Ansicht des Urkundsbeamten und des Erinnerungsgegners bei wertender Betrachtung der oben genannten Kriterien als durchschnittlich einzustufen, so dass für die Verfahrensgebühr auch die Mittelgebühr zur Anwendung gelangt (vgl. auch zum Verhältnis zwischen Mittel- und Schwellengebühr BSG, Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R).
Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller waren aufgrund des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II unterdurchschnittlich. Dieser Aspekt allein rechtfertigt jedoch nicht eine Unterschreitung der Mittelgebühr, da in Konstellationen wie der vorliegenden in aller Regel angespannte wirtschaftliche Verhältnisse vorliegen werden und der beigeordnete Rechtsanwalt bei anderer Betrachtungsweise nicht die Gebühr erhalten könnte, die bei Vorliegen der weiteren Bemessungskriterien gerechtfertigt wäre (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2008 – L 1 B 35/07).
Die Frage der richtigen Berechnung des den Antragstellern auszuzahlenden Betrages war für diese auch von überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Bedeutung. Denn die volle Miete konnte auf Grund der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen von diesen nur dadurch aufgebracht werden, dass die nicht sanktionierten Antragstellern teile der Regelleistung hierfür nutzten, um Mietrückstände zu vermeiden, obwohl diese keinerlei Fehlverhalten zu verantworten hatten. Dies machte immerhin einen Betrag von EUR aus, welchen die Antragsteller zu 2), 3) und 4) aufbringen mussten, mithin pro Person EUR.
Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit waren im Rahmen des Verfahrens als leicht unterdurchschnittlich einzustufen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Dauer des Eilverfahrens und den gesamten Umfang. Dem Erinnerungsgegner ist insoweit zuzustimmen, als die von den Erinnerungsführern angesprochenen Besprechungen nach dem Erörterungstermin zwecks Erläuterung des Ergebnisses mit den Brüdern bzw. die Einzelgespräche mit den Antragstellern nicht erhöhend Berücksichtigung finden können, da diese erst nach Abschluss des Verfahrens erfolgten, die Tätigkeit somit nicht mehr von der Prozesskostenhilfe erfasst wird. Die zugrunde liegende rechtliche Problematik ist jedoch als durchschnittlich zu werten, da es vorliegend insbesondere um die Frage ging, ob bei bestandskräftigen Sanktionsbescheiden eine Überprüfung im Rahmen der ausführenden Bewilligungsbescheide möglich ist oder nicht und falls nicht, welche Möglichkeiten den Antragstellern dann noch verbleiben.
Das Haftungsrisiko der Erinnerungsführerin ist als durchschnittlich einzustufen. Die zu erwartende Haftung ist auf einen überschaubaren und Beträge – für die Erinnerungsführer und deren Vermögensschadenshaftpflichtversicherung – beschränkt. Es ist daher von einem durchschnittlichen Haftungsrisiko der Erinnerungsführer auszugehen.
Auf Grund der durchzuführenden Gesamtabwägung dieser Kriterien erscheint es als billig und angemessen, als Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG einen Betrag in Höhe von 250,00 EUR (Mittelgebühr) festzusetzen.
2.
Die Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 ist entsprechend auf gerundet 225,00 EUR festzusetzen (je weitere Person 30 % - bei drei weiteren Personen (4 Antragsteller) somit 3 x 30 % von 250,00 EUR (vgl. Müller-Rabe in: Gerold / Schmidt, RVG, Kommentar, 18. Aufl. 2008, Nr. 1008 VV Rdz. 241).
3.
Damit ergibt sich folgende Berechnung der festzusetzenden Gebühren in Höhe von insgesamt 827,05 EUR:
Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG) 250,00 EUR Gebührenerhöhung (Nr. 1008 VV RVG) 225,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG) 200,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Zwischensumme 695,00 EUR Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 132,05 EUR Gesamtsumme 827,05 EUR
4.
Die Beschwerde war zulassen, da die Rechtssache aus Sicht des Gerichts grundsätzliche Bedeutung hat, §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG. Die Frage, ob die Verfahrensgebühr in Verfahren beim Sozialgericht, in welchem Rahmengebühren anfallen, bei außergerichtlicher Vorbefassung des Prozessbevollmächtigten eines Antragstellers im Antrags- oder Widerspruchsverfahren im Rahmen eines gerichtlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nach Nr. 3102 VV RVG oder Nr. 3103 VV RVG zu bemessen ist, ist aus Sicht der Kammer in der Rechtsprechung selbst aber auch in der Kommentierung trotz der Rechtsprechung des LSG NRW und des Bayerischen Landessozialgerichts weiter umstritten.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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