S 22 AL 1150/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 AL 1150/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 verurteilt, dem Kläger für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 10. September 2008 weitere außergerichtliche Kosten in Höhe von 333,20 Euro zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anfall einer Erledigungsgebühr im Widerspruchsverfahren.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe für eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogistik ab August 2008. Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 10. September 2008 monatlich 58,00 Euro. Nachdem die Mutter des Klägers Angaben über ihr Einkommen vorlegte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Oktober 2008 sodann Leistungen in Höhe von monatlich 10 Euro nach Neuberechnung unter Anrechnung von (weiterem) Einkommen.

Der Kläger erhob Widerspruch, der mit Schriftsatz vom 12. Januar 2009 begründet wurde mit geringeren Unterhaltszahlungen als von der Beklagten angenommen und geringerer Nettovergütung des Klägers selbst. Nach einem Telefonvermerk in der Verwaltungsakte forderte die Beklagte den Bevollmächtigten des Klägers daraufhin auf, eine eidesstattliche Versicherung des Klägers und dessen Kontoauszüge vorzulegen. Daraufhin übermittelte der Bevollmächtigte des Klägers am 13. Januar 2009 unter anderem eine Versicherung des Klägers an Eides statt und weitere Nachweise sowie eine weitere Begründung des geltend gemachten Anspruchs auf höhere Berufsausbildungsbeihilfe vor.

Mit Änderungsbescheid vom 15. Januar 2009 gewährte die Beklagte höhere Berufsausbildungsbeihilfe, nach § 72 SGB III sei die Leistung gleichwohl zu gewähren, da glaubhaft sei, dass die Mutter den erforderlichen Unterhalt nicht leiste. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2009 wies die Beklagte den weitergehenden Widerspruch (bzgl. der Höhe des angerechneten Einkommens des Klägers) als unbegründet zurück und erklärte sich zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten bereit.

Der Bevollmächtigte des Klägers erklärte unter dem 4. Februar 2009 den Widerspruch insgesamt für erledigt und beantragte die Übernahme seiner Vergütung in Höhe von 642,60 Euro (240 Euro Geschäftsgebühr, 280 Euro Erledigungsgebühr, 20 Euro Pauschale für Post und Telekommunikationsdienstleistungen und Umsatzsteuer.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2009 setzte die Beklagte die Höhe der zu erstattenden Kosten des Widerspruchsverfahrens auf 309,40 Euro fest. Eine Vergütung der Erledigungsgebühr sei nicht anzuerkennen. Diese setze voraus, dass der Rechtsanwalt an der Erledigung in einem Umfang mitgewirkt habe, die über das hinausgehe, was von ihm allgemein im Rahmen seiner Bevollmächtigung zu erwarten sei. Die Begründung des Rechtsmittels und die bloße Erledigungserklärung seien nicht ausreichend.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob hiergegen Widerspruch. Er habe nicht nur den Widerspruch begründet, sondern auch die genaue Einkommens- und Vermögenssituation des in rechtlichen und geschäftlichen Angelegenheiten völlig unerfahrenen Klägers zu eruieren gehabt, u.a. sei die Erläuterung der Bedeutung einer eidesstattlichen Versicherung und der Abfassung Gegenstand der Tätigkeit gewesen. Er weise darauf hin, dass er sich um eine moderate Gebührenberechnung bemüht habe, in der sicheren Annahme, eine Erledigungsgebühr verdient zu haben, habe er nur die Schwellengebühr bei der Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht, obwohl deren Überschreitung angesichts des Umfangs der Tätigkeit ohne weiteres möglich gewesen wäre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2009 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Vorlage der Widerspruchsbegründung und das Nachreichen erforderlicher Belege seien Verfahrenshandlungen des Bevollmächtigten, die mit der Geschäftsgebühr abgegolten seien. Es handele sich insoweit um Mitwirkungshandlungen im Verwaltungsverfahren, die dem Kläger obliegen würden.

Die Klage ist am 18. März 2009 beim Sozialgericht Berlin eingegangen. Der Bevollmächtigte des Klägers macht u. a. geltend, der Ansatz einer Erledigungsgebühr sei gerechtfertigt, wenn der Rechtsanwalt die Beweismittel neu beschaffe(n lasse) und diese das Vorverfahren erledigen würden.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt schriftsätzlich, den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Bescheides vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten seiner anwaltlichen Vertretung auch hinsichtlich der Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG i.V.m. §§ 2, 13, 14 RVG zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Klage anzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt der Verwaltungsakte und die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten verwiesen, die der Kammer bei ihrer Entscheidung vorgelegen haben.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht durfte mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Erstattung weiterer Kosten des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 10. September 2008 in tenorierter Höhe. Der insoweit angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. März 2009 ist nicht rechtmäßig und war dahingehend abzuändern.

Zwischen den Beteiligten besteht Übereinstimmung dahingehend, dass die Beklagte die Kosten des Widerspruchsverfahrens vollumfänglich erstattet und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren als notwendig anerkannt. Die dahingehenden Verwaltungsakte der Beklagten sind bestandskräftig und in diesem Verfahren nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.

Zu den erstattungsfähigen Kosten des Vorverfahrens gehören insbesondere die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwaltes. Diese bestimmen sich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG). In Verfahren vor dem Sozialgericht, in denen das Gerichtskostengesetz nicht anzuwenden ist, entstehen Rahmengebühren, § 3 RVG. Nach § 14 RVG bestimmt der Rechtanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisses des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ein besonderes Haftungsrisiko des Rechtsanwaltes kann bei der Bemessung herangezogen werden. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, so ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Ausgangspunkt bei der Ermittlung der Gebühren ist grundsätzlich der Mittelwert der Rahmengebühr. Die Mittelgebühr ist billige Gebühr in Fällen, in denen sämtliche zu berücksichtigende Umstände durchschnittlicher Art sind (hierzu Madert in Gerold/Schmidt/ v.Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., § 14 RVG Rdz. 10).

Zur Überzeugung der Kammer ist vorliegend, was zutreffend zwischen den Beteiligten allein streitig ist, eine Erledigungsgebühr für das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 28. Oktober 2008 in Höhe der beantragten Mittelgebühr erstattungsfähig.

Nach Nr. 1005 VV RVG sind bei Einigung oder Erledigung in sozialgerichtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG) Gebühren zwischen 40,00 bis 520,00 Euro möglich. Die Mittelgebühr beträgt 280 Euro.

In der Rechtssprechung anerkannt ist, dass dieser Gebührentatbestand eine besondere Mitwirkung des Anwaltes an der Erledigung voraussetzt (so auch z.B. Bundessozialgericht, Urteil vom 21. März 2007, Az. B 11a AL 53/06 R, Fundstelle juris). Es muss mithin eine über die durch die Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsmittels hinausgehende Mitwirkung des Bevollmächtigten gegeben sein. Diese Mitwirkung des Bevollmächtigten des Klägers liegt zur Überzeugung der Kammer vorliegend darin, dass er eine eidesstattliche Versicherung zu den Unterhaltszahlungen/ Einkommensverhältnissen des Klägers beigebracht hat, die nach einem Aktenvermerk in der Verwaltungsakte offenbar auch die Beklagte für erforderlich gehalten hat. Die Nachweisführung über die Einkommenssituation durch Vorlagen von Kontounterlagen obliegt zwar grundsätzlich dem Kläger im Rahmen seiner Mitwirkungsverpflichtung (§ 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch). Die Abfassung einer eidesstattlichen Versicherung geht aber über das vom Kläger im Rahmen der Mitwirkung zu Erbringende hinaus. Wenn der Kläger insoweit anwaltlichen Beistand in Anspruch nimmt, obliegen dem Bevollmächtigten besondere Belehrungs- und Beratungspflichten, die aus der besonderen Rechtsnatur einer eidesstattlichen Versicherung resultieren. Diese über die Begründung des Widerspruchs – auch haftungsrechtlich - hinausgehende Tätigkeit hat der Kläger seinem Bevollmächtigten zu vergüten und, wenn die Beklagte insoweit die anwaltliche Inanspruchnahme veranlasst, auch entsprechend zu erstatten.

Die Gebührenhöhe orientiert der Bevollmächtigte des Klägers wie bei der Verfahrensgebühr, die vorliegend jedoch infolge spezieller Regelung auf die Schwellengebühr begrenzt ist, an der Mittelgebühr. Dies ist auch aus Sicht der Kammer nicht unbillig.

Es ergibt sich mithin folgende Berechnung: Verfahrensgebühr 240,00 Euro Erledigungsgebühr 280,00 Euro Auslagenpauschale 20,00 Euro Umsatzsteuer 102,60 Euro Gesamt: 642,60 Euro (bereits anerkannt) -309,40 Euro Differenz: 330,20 Euro

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht 750,00 Euro nicht. Soweit die Berufung nicht von Gesetzes wegen zulässig ist gemäß § 144 Abs. 1 SGG, war sie hier auch nicht zuzulassen nach § 144 Abs. 2 SGG. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch weicht sie von einer obergerichtlichen Entscheidung ab.
Rechtskraft
Aus
Saved