L 6 U 64/06

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6/8 U 20/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 64/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 27. Februar 2006 wird aufgehoben, soweit das Gericht die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide auch zur Zahlung einer Verletztenrente für die Monate März bis September 2002 verurteilt hat. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten in dem Berufungsverfahren darüber, ob der Klägerin über den 28. Februar 2002 hinaus eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. zu gewähren ist.

Die 1982 geborene Klägerin erlitt am 1. August 2000 gegen 16.45 Uhr auf dem Weg von ihrer Arbeitsstelle in S. zu ihrer Unterkunft auf der B 71 einen Verkehrsunfall. Ein ihr entgegenkommender Pkw geriet auf die Fahrbahn der Klägerin und kollidierte mit ihrem Fahrzeug im linken vordern Frontbereich, wobei das Fahrzeug in den Straßengraben gedrückt wurde. Die Klägerin wurde mit dem Rettungstransportwagen in das Kreiskrankenhaus S. gebracht. Der Durchgangsarzt und Oberarzt der Klinik L. stellte eine Platzwunde am Kopf, eine Instabilität des linken Oberschenkels und des linken Knies mit Weichteilverletzung fest. Die Röntgenaufnahmen bildeten eine Oberschenkeltrümmerfraktur II. Grades rechts und eine Oberschenkelschaftfraktur links ab. Als unfallunabhängige krankhafte Veränderungen notierte der Arzt einen Zustand nach vorderer Kreuzbandersatzplastik und Patellafraktur am rechten Knie. Unter dem 3. August 2000 diagnostizierte er darüber hinaus eine Commotio cerebri. Die Oberschenkeltrümmerfraktur rechts sei mit einem Fixateur externe (knieübergreifend) versorgt und dem Oberschenkel links ein Verriegelungsnagel implantiert worden. Am 4. August 2000 erfolgte die Verlegung der Klägerin in das Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus H ...

In dem von der Deutschen Angestellten Krankenkasse eingeholten Vorerkrankungsverzeichnis waren Erkrankungen der Klägerin vom 10. bis 29. Oktober 1999 wegen einer Distorsion und vorderen Kreuzbandruptur des rechten Knies, vom 12. Dezember 1999 bis 8. Mai 2000 wegen einer Verstauchung und Zerrung des Knies und der Beine (Diagnoseschlüssel 844) und am 15. Mai 2000 wegen eines Zustandes nach Patellafraktur vermerkt.

Die Beklagte holte den Bericht der Stationsärztin der M Klinik K. Dipl.-Med. D. vom 2. Oktober 2000 und den Bericht des Ärztlichen Direktors des B Krankenhauses H. Prof. Dr. W. unter Mitwirkung des Unfallchirurgen Dr. W. vom 25. September 2000 über den Aufenthalt der Klägerin vom 4. August 2000 bis 13. September 2000 ein. Prof. Dr. W./Dr. W. berichteten, die mitgebrachten Röntgenaufnahmen zeigten neben der Oberschenkelfraktur rechts eine ausgerissene Interferenzschraube nach vorderer Kreuzbandersatzplastik sowie zwei Zugschrauben bei verheilter Patellafraktur. Sie hätten den Fixateur externe am 17. August 2000 rechts demontiert, die ausgebrochene Interferenzschraube entfernt und den rechten Oberschenkel mit einem Kondylenfixateur interne versorgt.

Unter dem 13. Oktober 2000 berichtete Dr. W., der Seitenbandapparat und das hintere Kreuzband seien komplett stabil. Das vordere Kreuzband sei allenfalls erstgradig gelockert. Es sei von dem Erhalt der Kreuzbandplastik auszugehen. Unter dem 13. November 2000 teilte er der Beklagten mit, beide Beine seien unauffällig; rechts bestehe noch ein deutliches Muskeldefizit gegenüber links.

In dem Bericht vom 13. November 2000 führte der Facharzt für Orthopädie der Median Klinik K., Dr. F., aus, das rechte Knie sei unauffällig bei einer leichten Valgusstellung und etwas deformierten Konturen sowie einer leichten Kapselschwellung. Die Beweglichkeit sei deutlich eingeschränkt bei relativ hartem Bewegungsanschlag ohne Krepitation. Der Kapselbandapparat sei ausreichend fest. Die Umfangsmaße des rechten Beines seien gegenüber links deutlich vermindert.

Der Unfallchirurg Dr. K. berichtete über die Vorstellung der Klägerin bei ihm am 15. November 2000, die nach dem Unfall gefertigten Röntgenbilder der Patella rechts zeigten eine deutliche Stufe bei Zustand nach Osteosynthese. Auf den von ihm vor dem Unfall gefertigten Röntgenbildern sei demgegenüber die Patellarückfläche glatt ohne jegliche Stufenbildung abgebildet. Es müsse daher von einer erneuten Fraktur der Patella ausgegangen werden.

Unter dem 9. Januar 2001 teilte der Unfallchirurg Dr. P. vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus H. mit, bei der Klägerin sei noch ein deutliches Muskeldefizit rechts gegenüber links erkennbar. Der Bandapparat sei stabil. Unter dem 17. Januar 2001 berichtete Dr. W., es bestehe im rechten Knie noch eine erst- bis zweitgradige vordere Instabilität nach vorderer Kreuzbandplastik mit festem Anschlag. Die Plastik sei möglicherweise in Folge der Fraktur etwas ausgelockert.

Die Beklagte erhielt den pathologischen Befund der Kreuzbandfasern vom 16. Oktober 1999 sowie die Operationsberichte vom 13. Dezember 1999 zur Kreuzbandruptur rechts und vom 6. Januar 2000 zur Patellafraktur rechts. In dem Operationsbericht vom 13. Dezember 1999 hatte Dr. K. ausgeführt, er habe die Kreuzbandplastik mit jeweils einer Schraube am Oberschenkel und am Unterschenkel befestigt. Das Kniegelenk sei ohne Anstoßen in dem Notch zu strecken und zu beugen gewesen. Bei der Beugung sei die Spannung gleichmäßig gut gewesen.

Unter dem 27. Juli 2001 teilte Dr. P. der Beklagten mit, der Bandapparat der Kniegelenke sei beiderseits stabil. Die Umfangmessung ergebe eine Muskelweichteilminderung des linken Oberschenkels von ein bis zwei Zentimeter gegenüber rechts.

Unter dem 27. August 2001 berichteten Prof. Dr. W. und Dr. K., sie hätten am 26. Juli 2001 den Marknagel aus dem linken Oberschenkel entfernt sowie eine Re-Osteosynthese durchgeführt. Die Kniegelenke seien beidseits frei beweglich, am rechten Oberschenkel liege eine Muskelweichteilminderung gegenüber links vor. Unter dem 21. September 2001 führte Prof. Dr. W. in seiner unfallchirurgischen Stellungnahme aus, die Patellafraktur sei verheilt. Die Narben an den Oberschenkeln und am rechten Knie seien reizlos. Die Patellaverschieblichkeit sei rechts etwas eingeschränkt. Bei wiederholten Bewegungen des rechten Kniegelenkes bestünden leichte Reibegeräusche. Die rechte Patella sei gering verbreitert. Beide Hüftgelenke seien frei beweglich. Das rechte Kniegelenk könne voll gestreckt und bis 125 Grad - links bis 140 Grad - gebeugt werden. Der Bandapparat sei stabil. Die Umfangsmessung ergebe eine Muskelweichteilminderung des rechten Oberschenkels gegenüber links von 2 cm, der rechten Wadenmuskulatur gegenüber links von 0,5 cm bei einer Umfangsvermehrung an der Kniescheibe rechts von 1 cm. Die Beinlänge sei seitengleich. Die Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenks zeigten die ehemalige Patellafraktur mit zwei Schrauben osteosynthetisch versorgt. Man erkenne im Bereich der Femurkondyle und des Tibiakopfes Inbusschrauben nach vorderer Kreuzbandersatzplastik. Die Kondylengelenkflächen zeigten keine Stufenbildung, der Gelenkspalt sei normal weit. Auf der seitlichen Aufnahme sei die ventrale Schraube mit leichter Abknickung bei einer geringen Stufenbildung und Beginn der Retropatellararthrose sowie Arthrose auch der lateralen Femurkondylenfläche zu erkennen.

Die Beklagte beauftragte den Direktor der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie des Unfallkrankenhauses B. Prof. Dr. E. mit der Erstattung des ersten Rentengutachtens vom 10. Januar 2002 nach Untersuchung der Klägerin am 8. Januar 2002, der ausführte, das rechte Hüftgelenk sei in der Beweglichkeit diskret in der Beugung eingeschränkt (Streckung/Beugung rechts 15/0/120, links 15/0/125), im Übrigen beidseits frei beweglich. Das Kniegelenk rechts weise gegenüber links ein diskretes Streck- und Beugedefizit auf (Streckung/Beugung rechts 0/0/130, links 5/0/140). Der rechte Oberschenkel sei gegenüber links zwischen 1 und 1,5 cm umfangsvermindert und am rechten Knie um 2,5 cm umfangsvermehrt. Die Beinlänge links sei bei liegender Messung gegenüber rechts um 1 cm, bei der Messung im Stehen demgegenüber rechts gegenüber links um 1 cm verkürzt. Als Unfallfolgen lägen eine folgenlos abgeheilte Commotio cerebri und Kopfplatzwunde, eine knöchern konsolidierte Oberschenkelschaftfraktur links bei reizlos liegendem Marknagel, eine in geringer Fehlstellung knöchern konsolidierte diacondyläre Femurfraktur rechtsseitig mit Ausbildung einer X-Beinfehlstellung von 10 Grad, die beschriebenen radiologischen Veränderungen mit einliegendem Osteosynthesematerial am Oberschenkelknochen beidseitig, eine diskrete Bewegungseinschränkung am rechten Kniegelenk, Narbenbildungen im Bereich der linken Hüfte und des linken körperfernen Oberschenkels sowie am rechten Kniegelenk, eine leichte Fehlstellung der knöchern konsolidierten Patellafraktur rechts mit Stufenbildung sowie eine Lateralisierung der Kniescheibe rechts nach Ruptur des Retinakulums (bindegewebiges Halteband) vor. Die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 30 v. H. ab 1. Oktober 2001 und 20 v. H. ab 1. Oktober 2002.

In der von der Beklagten eingeholten beratenden Stellungnahme des Arztes für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. L. vom 17. Juni 2002 nach Aktenlage führte dieser aus, als unfallbedingte Gesundheitsschäden seien eine reizlose Narbe nach stattgehabter Kopfplatzwunde, eine geringe Beinverkürzung rechts von ca. einem Zentimeter, eine endgradige Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenks, ein Teil der Umfangvermehrung des rechten Kniegelenks, ein Teil der Reibegeräusche im Kniescheibenoberschenkelgelenk rechts, eine leichte Achsabweichung des rechten kniegelenksnahen Oberschenkelanteils im X-Sinn von ca. 10 Grad, eine leichte Stufenbildung an der Kniescheibenrückfläche rechts, noch liegendes Metall im Bereich des linken und rechten Oberschenkels, umschriebene Weichteilverknöcherungen in unmittelbarer Nachbarschaft des großen Rollhügels links sowie reizlose Narben im Bereich des linken und rechten Oberschenkels verblieben. Ein Teil der endgradigen Beugeeinschränkung des rechten Kniegelenks, ein Teil der Reibegeräusche im Kniescheiben-Oberschenkelgelenk rechts, ein Teil der Umfangvermehrung des rechten Kniegelenks, eine diskrete, muskulär zu kompensierende Lockerung des Kapsel-Bandapparates des rechten Kniegelenkes sowie reizlos liegendes Material im rechten Kniegelenk seien als unfallfremd einzustufen. Ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit am 1. Oktober 2001 betrage die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit unter 20 v. H ...

In dem Entlassungsbericht des Chefarztes des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. Abteilung für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie Privatdozent (PD) Dr. J. vom 26. August 2002 berichtete dieser, bei der Aufnahme 25. Juli 2002 habe keine wesentliche Atrophie der Ober- und Unterschenkelmuskulatur vorgelegen. Bei der passiven Bewegung des rechten Kniegelenkes sei eine deutliche retropatellare Krepitation zu vernehmen. Das Zohlen-Zeichen sei positiv. Die Stabilitätsprüfung habe eine vordere Schublade I. bis II. Grades rechts bei stabilem Seitenbandapparat ergeben. Die Arthroskopie des rechten Kniegelenkes habe ausgeprägte Knorpelschäden im Bereich des femoropatellaren Gleitlagers sowie retropatellar bis III. Grades gezeigt. Die Kreuzbandplastik sei etwas elongiert, jedoch insgesamt fest verankert.

Nach dem weiteren Befundbericht von Dr. K. vom 13. September 2002 sei die Muskulatur der Klägerin im Bereich des rechten Ober- und Unterschenkels am 12. September 2002 noch deutlich geschwächt gewesen. Die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes habe in Extension/Flexion bei 0/0/135 Grad mit Überbeugeschmerz gelegen.

Die Klägerin überließ der Beklagten das für die C Versicherung erstellte Gutachten der Unfallchirurgen Dres. G. und J vom B Unfallkrankenhaus H. vom 15. Oktober 2002, die am 1. Oktober 2002 eine erstgradige Schublade am rechten Knie der Klägerin festgestellt und eine deutliche Umfangsminderung des rechten Oberschenkels von bis zu 4,5 cm gegenüber links gemessen hatten.

Unter dem 7. Mai 2003 berichtete PD Dr. J. über den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15. April 2003 bis 22. April 2003. Das linke Kniegelenk habe eine relativ laxe seitliche Stabilität sowie eine leichte vordere Schublade gezeigt. Am rechten Knie sei eine deutliche Krepitation bei der Bewegung der Patella zu vernehmen gewesen bei stabilem Seitenband und deutlicher vorderer Schublade. Beigefügt war der Operationsbericht von dem Arzt im Praktikum S vom 16. April 2003 über die Entfernung des Marknagels aus dem rechten Oberschenkel.

Unter dem 16. Mai 2003 berichtete Dr. K., die Beweglichkeit des linken Hüftgelenkes habe am 13. Mai 2003 bei Extension/Flexion 10/0/150 Grad, die Innen- und Außenrotation 45/0/40 Grad betragen. Das linke Kniegelenk sei mit 5/0/135 Grad beweglich gewesen.

Die Beklagte beauftragte PD Dr. J. unter Mitwirkung von Dr. J. mit der Erstattung des Gutachtens vom 6. Juni 2003 nach Untersuchung der Klägerin am 28. Mai 2003, die darin ausführten, das rechte Bein zeige eine leicht vermehrte valgische X-Beinstellung. Die Konturen des rechten Kniegelenks seien verändert mit einer verbreiterten Kniescheibe. Am rechten Kniegelenk lasse sich eine erst- bis zweitgradige vordere Schublade auslösen beim Lachman-Test ebenso wie beim vorderen Schubladentest. Eine hintere Schubladenstellung sei nicht vorhanden. Die Seitenbänder seien stabil. Das Pivot-Shift-Zeichen rechts sei schwach positiv. Auffällig sei eine erhebliche retropatellare Krepitation am rechten Knie. Hierbei würden auch Beschwerden angegeben. Die retropatellare Verschieblichkeit rechts sei gegenüber der linken Seite eingeschränkt. Die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes sei bei der Beugung gegenüber der linken Seite endgradig bewegungsgemindert. Das linke Kniegelenk zeige bandstabile Verhältnisse und sei frei beweglich. Der Anschlag des vorderen Kreuzbandes beim vorderen Schubladentest sei fest im Gegensatz zum rechten Knie mit weicherem Anschlag. Die Muskelmantelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels betrage bis zu 4 cm. Die Hüftgelenke seien frei, die Kniegelenke bei Extension/Flexion mit 0/0/135 rechts und 0/0/145 links beweglich. Die Klägerin habe sich bei dem Unfall eine Patellafraktur rechts sowie mit hoher Wahrscheinlichkeit eine weitestgehende Zerreißung des Kreuzbandtransplantates zugezogen. Die vor dem Unfall am 25. April 2000 gefertigten Röntgenbilder des rechten Kniegelenks bildeten eine in anatomischer Stellung knöchern verheilte Patellafraktur ab. Die Röntgenaufnahme des rechten Knies nach dem Unfall vom 4. August 2000 zeigten demgegenüber eine deutliche Patellamehrfragmentfraktur mit Gelenkstufenbildung sowie eine einliegende, deutlich verbogene Schraube. Nach Vergleich der Röntgenaufnahmen vom 25. April 2000 und 4. August 2000 unter Berücksichtigung der während der Arthroskopie am 26. Juli 2002 festgestellten Schädigung des vorderen Kreuzbandtransplantates sei es sehr wahrscheinlich, dass das vordere Kreuzbandtransplantat beim Arbeitsunfall zumindest subtotal gerissen sei. Das Notch-Dach, in dem der femorale Knochenblock des Kreuzbandtransplantates fest verankert gewesen sei, sei durch die Unfallwucht nach hinten und oben weggerissen worden. Die Interferenzschrauben, die die Knochenblöcke zusätzlich hielten, seien weiterhin fest im Knochen verankert. Der sehnige Anteil des Kreuzbandtransplantates sei über die Dehnungsfähigkeit hinaus um über 3 cm auseinandergezogen worden. Die verbliebenen Kreuzbandfasern hätten eine stabilisierende Restfunktion, so dass am rechten Kniegelenk lediglich eine erst- bis zweitgradige Instabilität verblieben sei, die muskulär kompensierbar sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit liege vom 1. Oktober 2001 bis 16. September 2002 um 40 v. H. und ab dem 20. September 2002 um 30 v. H ...

Die Beklagte holte die beratende Stellungnahme von dem Arzt für Chirurgie Dr. K. vom 5. August 2003 ein, der ausführte, mit der Befunderhebung im ersten Rentengutachten vom 8. Januar 2002 stehe die Annahme, das vordere Kreuzbandtransplantat sei beim Arbeitsunfall gerissen, nicht in Einklang. Bei korrekter Untersuchung am 8. Januar 2002 könne eine Ruptur der vorderen Kreuzbandplastik ausgeschlossen werden. Ein frisch eingetretener Kreuzbandschaden am Unfalltag sei aus den damaligen Befunden nicht zu erkennen. Ausgehend von der Schwere der Primärverletzung erscheine eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. unter Berücksichtigung von Anpassungs- und Gewöhnungsproblemen für einen Zeitraum von sechs Monaten empfehlenswert. Beziehe man die Instabilität des rechten Kniegelenkes als Arbeitsunfallfolge ein, betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst 30 v. H. und ab dem 28. Mai 2003 um 20 v. H.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 erkannte die Beklagte den Unfall vom 1. August 2000 als Arbeitsunfall mit den Folgen nach operativ versorgtem, in Fehlstellung knöchern fest verheiltem Oberschenkelbruch und in Fehlstellung knöchern fest verheiltem verschobenem Kniescheibenbruch am rechten Bein mit folgenden Gesundheitsschäden an: Belastungsminderung, ein Teil der verbliebenen Gangbehinderung, anteilige Minderung der Muskelbemantelung des Ober- und Unterschenkels, röntgenologisch nachweisbare umformende Veränderungen an der Kniescheibenrückfläche. Der operativ versorgte knöchern fest verheilte Bruch des linken Oberschenkelschaftes sei ohne funktionelle Einschränkungen verheilt. Als Folgen des Arbeitsunfalls würden nicht anerkannt: mit einer Bandplastik versorgter Riss des vorderen Kreuzbandes im rechten Kniegelenk, anteilige Muskelminderung des rechten Ober- und Unterschenkels sowie muskulär kompensierte Instabilität des rechten Kniegelenkes und ein Teil der Gangbehinderung sowie die Kniescheibenfehlform vom Typ Wiberg II – III links. Vom 1. Oktober 2001 bis 28. Februar 2002 bewilligte sie der Klägerin eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Widerspruchausschuss der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2004 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Zerreißung des Kreuzbandtransplantates sei nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Aus den medizinischen Unterlagen bis Juli 2002 gehe nicht hervor, dass es bei dem Unfall zu einer Schädigung des Kreuzbandtransplantates gekommen sei. Vielmehr werde in sämtlichen Befundberichten von einer diskreten vorderen Schublade bzw. von einem festen Bandapparat des rechten Kniegelenkes berichtet. Eine Schädigung der Kreuzbandplastik sei auch nicht mit der Befunderhebung am 8. Januar 2002 zum Ersten Rentengutachten in Einklang zu bringen. Ausgehend von der Schwere der Primärverletzung und unter Berücksichtigung von Anpassungs- und Gewöhnungsproblemen begründeten die vorliegenden Unfallfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. vom 1. Oktober 2001 bis 28. Februar 2002. Über den 28. Februar 2002 hinaus sei die Erwerbsfähigkeit infolge des Arbeitsunfalls um weniger als ein Fünftel gemindert.

Mit der am 24. März 2004 vor dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren, ab 1. Oktober 2001 eine höhere Verletztenrente zu erhalten, weiter verfolgt.

Das Sozialgericht hat den Arzt für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. S. mit der Erstattung des Gutachtens vom 16. August 2004 nach Untersuchung der Klägerin am 5. August 2004 beauftragt, der ausgeführt hat, sämtliche Narben seien reizlos, teilweise etwas verbreitert und gut verschieblich. Das rechte Bein zeige eine X-Achsabweichung von ca. 10 Grad im Kniegelenk. Die Hüftgelenke seien im Liegen beidseits in allen Ebenen aktiv frei beweglich, ebenso das linke Kniegelenk. Die Beweglichkeit des rechten Kniegelenkes sei im Seitenvergleich beim Strecken um 5 Grad und beim Beugen um 20 Grad bei jeweils straffem Anschlag eingeschränkt. Die rechte Kniescheibe sei im Vergleich zur linken etwas geringer verschieblich. Rechts werde ein Kniescheibenandruck- und -verschiebeschmerz und ein positives Zohlensches Zeichen angegeben. Beim Durchbewegen der Kniegelenke spüre man rechts ein deutliches feines Bewegungsreiben. Rechts bestehe eine deutliche Kapselbandlockerung in vorderer Richtung und am Innenseitenband. Diese könnten bei der Anspannung der Muskulatur kompensiert werden. Das rechte Bein sei nach verschiedenen Messmethoden bis zu 1 cm kürzer als das linke, wobei die Asymmetrie des Beckens zu berücksichtigen sei. Die Muskulatur des rechten Beines sei gegenüber links deutlich mit einer Umfangsdifferenz bis zu 4 cm in Oberschenkelmitte verschmächtigt. Unfallfolgen seien eine X-Achsabweichung im rechten Bein oberhalb des Kniegelenkes, ein deutlicher verletzungsbedingter Verschleiß vor allem des äußeren Abschnittes des rechten Kniegelenkes, ein deutlicher verletzungsbedingter Verschleiß der rechten Kniescheibengelenkfläche, die aus der X-Achsabweichung des rechten Beines resultierende relative Verkürzung des rechten Beines, das deutliche Bewegungsreiben im rechten Kniegelenk, die leichte Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes mit Streckdefizit von ca. 5 Grad und Minderung der Beugefähigkeit um ca. 20 Grad im Seitenvergleich, die Operationsnarben am rechten Bein, der weit überwiegende Anteil der deutlichen Muskelminderung des rechten Beines mit einer Seitendifferenz bis zu 4 cm am rechten Oberschenkel, die Operationsnarben am linken Bein, der überwiegende Anteil der röntgenologischen Veränderungen am rechten Kniegelenk und seiner Umgebung und die röntgenologischen Veränderungen am linken Oberschenkel. Die muskulär kompensierbare deutliche Kapsel-Bandlockerung des rechten Kniegelenkes in vorderer Richtung und am Innenseitenband sei mittelbare Folge des Arbeitsunfalls. Die am gebrochenen Oberschenkelrollenmassiv einliegende Interferenzschraube habe innerhalb der Bruchzone gelegen. Im rechten Kniegelenk sei es infolge des Trümmerbruches des Oberschenkelrollenmassivs zu einem stetig zunehmenden Verschleiß des rechten Kniegelenkes gekommen. Die Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes sei im Zusammenhang mit dem verletzungsbedingten Verschleiß des rechten Kniegelenks als mittelbare Folge des Arbeitsunfalls zu erklären. Durch den Unfall sei es zu einer wesentlichen Verschlimmerung des Zustandes nach Zusammenhangstrennung des vorderen Kreuzbandes gekommen. Der Verschleiß der Kniescheibenrückfläche am rechten Bein erkläre sich ebenfalls weit überwiegend als Folge des Arbeitsunfalls. Der Arbeitsunfall sei wesentlich verantwortlich für die vorübergehende Schonung des rechten Beines. Mit fortschreitendem zeitlichen Abstand zu dem Unfall sei es zur zunehmenden Muskelverschmächtigung im rechten Bein gekommen, so dass diese wesentlich auf den Unfall zurückzuführen sei. Unter Heranziehung der anerkannten Erfahrungswerte und unter Berücksichtigung der erforderlichen Anpassung und Gewöhnung an den Unfallfolgezustand nach den gravierenden Verletzungen beider Beine, einer zunehmenden Kapselbandlockerung des rechten Kniegelenkes und der zunehmenden Insuffizienz der vorderen Kreuzbandplastik sowie der erheblichen Muskelminderung am rechten Oberschenkel sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit seit dem 1. Oktober 2001 um 20 v. H. auszugehen.

Das Sozialgericht hat den Operationsbericht des B Unfallkrankenhauses H. vom 26. Juli 2002 eingeholt und den Sachverständigen Dr. S. um eine ergänzende Stellungnahme unter Einbeziehung dieses OP-Berichtes gebeten, die dieser unter dem 15. März 2005 abgegeben hat. Dr. S. hat darin ausgeführt, auch nach Kenntnis des Operationsberichtes gehe er von einer unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit ab 1. Oktober 2001 um 20 v. H. aus. Das Sozialgericht Stendal hat mit Urteil vom 27. Februar 2006 den Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab dem 1. März 2002 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. auf unbestimmte Zeit zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es lägen die von dem Sachverständigen Dr. S. dargelegten Unfallfolgen vor. Zwar sei die Erstbeweglichkeit des rechten Kniegelenkes mit 0/0/120 Grad mit einer MdE um 10 v. H. zu bewerten. Zusätzlich seien jedoch eine Beinverkürzung von 1 bis 2 cm, eine Valgusfehlstellung sowie die Anpassung und Gewöhnung an den Unfallfolgezustand zu berücksichtigen. Danach bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab Oktober 2001 um 20 v. H.

Gegen das am 13. April 2006 zugegangene Urteil hat die Beklagte am 11. Mai 2006 Berufung bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, gemessen an den Erfahrungswerten lasse sich aufgrund der Unfallfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit ab dem 1. März 2002 in rentenberechtigendem Grad nicht begründen. Die Muskelminderung des rechten Oberschenkels, der Beckenschiefstand, die Beinverkürzung und die X-Abweichung des rechten Beines sowie die arthrotischen Veränderungen im Bereich des Kniegelenkes wirkten sich bei der Klägerin nicht in relevantem Maße funktionsmindernd aus. Nach den unfallmedizinischen Erfahrungswerten bedinge eine Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenkes bei der Streckung um 5 Grad keine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grade - auch nicht bei einer muskulär kompensierten Knieinstabilität ersten bis zweiten Grades. Diese Instabilität des rechten Kniegelenkes sei aber nicht auf den Arbeitsunfall zurückzuführen. Erstmals nach ca. drei Jahren nach dem Unfall sei eine zunehmende Kapselbandlockerung des rechten Kniegelenkes in den Befunden beschrieben. Die Beklagte hat den Durchgangsarztbericht von Dr. P. vom 6. Juli 2009 beigefügt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 27. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Zur Begründung beruft sie sich auf die Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Stendal sowie auf das Gutachten von Dr. S ... Sie hat ergänzend vorgetragen, die unfallbedingten Verletzungen und Beeinträchtigungen seien in relevantem Maße funktionsmindernd. Infolge des Arbeitsunfalls könne sie ihren erlernten Beruf als Vermessungstechnikerin nicht bzw. nicht mehr wettbewerbsfähig ausüben, weil sie regelmäßig längere Wegstrecken, zum Teil auf unebenem Gelände, nicht mehr zurücklegen könne. Sie hat das ärztliche Attest von Dr. K. vom 5. Mai 2003 vorgelegt, der darin einen Dauerschaden mit rezidivierend und vermehrt auftretenden Schmerzen in beiden Beinen bestätigt.

Das Landessozialgericht hat den Befundbericht von Dr. S. vom 10. Juni 2009 eingeholt. Es hat ferner den Facharzt für Orthopädie Dr. S. mit der Erstattung des Gutachtens vom 6. September 2009 nach Untersuchung der Klägerin am 2. September 2009 beauftragt. Dieser hat ausgeführt, bei dem Unfall sei es zu einer zweitgradigen offenen Oberschenkelfraktur rechts sowie einer Oberschenkelfraktur links gekommen. Auch der erneute Kniescheibenbruch sei ausschließlich auf den Frontalzusammenstoß zurückzuführen. Dieser Bruch sei mit dem Unfallmechanismus eindeutig zu erklären. Bei einem Frontalzusammenstoß komme es in der Regel zu einem Anstoßen der Kniegelenke an die Verkleidung und damit zur Stauchung der Oberschenkel mit Fraktur, aber auch häufig zu einem Kniescheibenbruch und zu einer massiven Stauchung des Knorpels an der Kniescheibenrückfläche. Dadurch lasse sich die Ausbildung der schweren Arthrose an der Kniescheibenrückfläche erklären. Außerdem zeige sich bei der Untersuchung eine Instabilität des rechten Kniegelenkes. Ob diese Instabilität rechts auf eine 1999 erlittene vordere Kreuzbandruptur, die mit Kreuzbandplastik ersetzt worden sei oder auf den Unfall vom 1. August 2000 zurückzuführen sei, sei letztendlich nicht endgültig zu klären. Allerdings sei eine so starke Traumatisierung des Kniegelenkes, wie sie bei diesem Frontalzusammenstoß aufgetreten sei, in der Lage, zu einer Insuffizienz und Teilruptur der vorderen Kreuzbandplastik zu führen. Die heute geklagte glaubhafte Beschwerdesymptomatik in beiden Beinen, rechts mehr als links, insbesondere im rechten Kniegelenk, sei allein auf den Unfall zurückzuführen. Durch die Gelenkbeteiligung sei es bereits zur Ausbildung ausgeprägter degenerativer Veränderungen, vor allem an der Kniescheibenrückfläche, aber auch im Bereich des äußeren Kniegelenkkompartements gekommen. Die festgestellten Gesundheitsstörungen, insbesondere das Schonhinken, die X-Beinstellung, die Beinverkürzung und die Muskelminderung rechts, die Druckschmerzhaftigkeit, die Schwellung des rechten Kniegelenkes, die Bewegungseinschränkung und die Instabilität des rechten Kniegelenkes seien auf den Frontalzusammenstoß zurückzuführen. Eine Instabilität des Kniebandapparates, unvollständig muskulär kompensiert, begründe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Somit sei im Falle der Klägerin ab dem 1. März 2002 von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H auszugehen.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten mit dem Aktenzeichen in drei Bänden vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, soweit das Sozialgericht die Beklagte verurteilt hat, an die Klägerin für den Zeitraum von März bis September 2002 eine Verletztenrente zu zahlen. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. In dem im Berufungsverfahren noch streitigen Umfang verletzt der Bescheid der Beklagten vom 16. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2004 die Klägerin in ihren Rechten aus §§ 157, 54 Abs. 2 SGG, soweit die Beklagte den Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik rechts mit einer Knieinstabilität und Muskelminderung nicht als Arbeitsunfallfolge anerkannt und ab Oktober 2002 keine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. bewilligt hat.

Neben der Höhe der Verletztenrente ab März 2002 ist im Berufungsverfahren auch die Anerkennung der Knieinstabilität und Muskelminderung als Arbeitsunfallfolge Streitgegenstand, soweit sie auf den Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik rechts zurückgeht. Darüber hat das Sozialgericht insoweit entschieden, als es auf die Anfechtungsklage die Ablehnung der Feststellung der Kniegelenksinstabilität mit aufgehoben hat. Zwar folgt dies nicht unmittelbar zwingend aus dem Wortlaut des Ausspruchs, wonach das Sozialgericht den Bescheid insoweit abgeändert hat, als es die Beklagte zur Zahlung einer Verletztenrente verurteilt hat. Der Urteilsbegründung ist jedoch zu entnehmen, dass die Einbeziehung der Instabilität für den zugesprochenen Anspruch auf Verletztenrente tragend ist, weil insoweit ausdrücklich die dahin gehenden Einschätzungen Dr. S.s wiedergegeben und als überzeugende Grundlage des Anspruchs benannt werden. Darüber konnte das Gericht auch nach dem Anliegen der Klägerin entscheiden. Dies ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin, die sich zur Begründung der Klage auf die Ausführungen von PD Dr. J. im Gutachten vom 6. Juni 2003 bezogen hat. PD Dr. J. hat seiner Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit neben den von der Beklagten anerkannten Unfallfolgen auch den Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik rechts und die hierauf beruhende Knieinstabilität sowie Muskelminderung als Unfallfolgen zu Grunde gelegt. Der Klägerin geht es daher auch um die Einbeziehung dieser Gesundheitsstörungen in die Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte Anspruch auf eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn ihre Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dabei wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit durch eine abstrakte Bemessung des Unfallschadens bewertet und beruht auf freier richterlicher Beweiswürdigung unter Berücksichtigung der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung etablierten allgemeinen Erfahrungssätze aus der Rechtsprechung und dem einschlägigen Schrifttum (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 31/02 R - Breithaupt 2003, 565 ff.; Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1). Voraussetzung der hier geltend gemachten Ansprüche ist demnach einerseits, dass zwischen dem Unfallereignis und einer nachgewiesenen Gesundheitsstörung entweder direkt oder vermittelt durch den Gesundheitserstschaden ein Ursachenzusammenhang nach § 8 Abs. 1 SGB VII besteht, und dass andererseits durch arbeitsunfallbedingten Gesundheitsstörungen die Minderung der Erwerbsfähigkeit einen Grad um mindestens 20 v. H. erreicht (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 ff.; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).

Ausgehend hiervon kann die Klägerin von der Beklagten ab 1. Oktober 2002 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. beanspruchen. Der Senat folgt hier den überzeugenden Ausführungen des Gutachters PD Dr. J. und der Sachverständigen Dr. S. und Dr. S ... Die nach dem 1. Oktober 2002 verbliebenen unfallbedingten Gesundheitsstörungen (dazu unter 1.) bedingen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. (dazu unter 2.).

1. Vollbeweislich gesichert sind die von der Beklagten mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 anerkannten Unfallfolgen, die Prof. Dr. E. in seinem ersten Rentengutachten vom 10. Januar 2002 im Einzelnen beschrieben hat. Als weitere Gesundheitsschäden sind der Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik rechts sowie die Instabilität des rechten Kniegelenks vollbeweislich gesichert. Den Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik haben die Ärzte des Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhauses H. anlässlich der Arthroskopie am 26. Juli 2002 festgestellt. Dabei hat es sich nicht um eine vollständige Ruptur, sondern nur um eine Teilruptur der Kreuzbandplastik gehandelt. Denn einige Fasern waren noch intakt, die bei Anspannung der Muskeln noch eine Reststabilität des rechten Kniegelenks gewährleistet haben. Dies hat PD Dr. J. in seinem Gutachten vom 6. Juni 2003 beschrieben. Das rechte Kniegelenk zeigte sich bei der Arthroskopie auch erst- bis zweitgradig instabil. Die Instabilität hat auch bei der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. bestanden. Eine Muskelminderung des rechten Beines lag demgegenüber bei der Arthroskopie noch nicht vor. PD Dr. J. hat bei der stationären Aufnahme der Klägerin am 25. Juli 2002 das rechte Bein ohne wesentliche Atrophie beschrieben. Erstmals nach dem stationären Aufenthalt der Klägerin hat Dr. K. am 12. September 2002 eine Atrophie des rechten Beines gegenüber des linken festgestellt, ohne jedoch den Umfang der Muskelminderung näher darzulegen. Bei der Untersuchung am 1. Oktober 2002 hat Dr. J. eine Muskelminderung des rechten Beines gegenüber dem linken von bis zu 4,5 cm festgestellt. Hieran hat sich auch bei späteren Untersuchungen nichts Wesentliches geändert. So hat die Muskelminderung rechts gegenüber links bei der Untersuchung durch PD Dr. J. am 28. Mai 2003 noch bis zu 4 cm und bei der Untersuchung durch Dr. S. am 2. September 2009 bis zu 5 cm betragen.

Für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der vorliegenden Gesundheitsstörungen gilt der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Sie liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller Umstände mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann. Die bloße Möglichkeit einer Verursachung genügt dagegen nicht.

Über die mit Bescheid vom 16. Oktober 2003 als Unfallfolgen anerkannten Gesundheitsschäden hinaus sind auch der der Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik, die Knieinstabilität und die Muskelminderung hinreichend wahrscheinlich ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen.

Die Art und Schwere des Verkehrsunfalls vom 1. August 2000 spricht dafür, dass hierbei auch die vordere Kreuzbandplastik teilweise gerissen ist. Das Fahrzeug des Unfallgegners ist frontal auf die linke Seite des Fahrzeugs der Klägerin aufgetroffen und hat das Fahrzeug in den Graben gedrückt. Bei einem solchen Frontalzusammenstoß wirken sehr starke Kräfte. Nachweislich und nach der bestandskräftigen Feststellung der Beklagten hat sich die Klägerin bei diesem Verkehrsunfall eine Patellafraktur rechts zugezogen. Kreuzbänder reißen in aller Regel bei einer direkten Einwirkung auf das Knie, zumeist von vorn auf den Schienbeinkopf, so z. B. beim Eindringen der Fahrgastzelle bei einem Verkehrsunfall in ein Fahrzeug (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Abschnitt 8.10.4.2.2, S. 611). Einen entsprechenden Unfallmechanismus, bei dem der Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik mit hoher Wahrscheinlichkeit eingetreten ist, hat PD Dr. J. nachvollziehbar beschrieben. Bei der Wucht des Aufpralls des Knies auf die Fahrgastzelle wurde das Notchdach nach hinten und oben gerissen. Da die Verankerung der Kreuzbandplastik mit den Interferenzschrauben am Knochenblock vollständig intakt war, wird die erhebliche physische Kraft zu einer Überdehnung der Kreuzbandplastik und schließlich zu einem Teilriss, wie sie PD Dr. J. beschrieben hat, geführt haben.

Welche Kräfte bei dem Unfall auf das rechte Kniegelenk der Klägerin eingewirkt haben, lässt sich an den Röntgenbildern des rechten Kniegelenks vom 4. August 2000 erkennen. Dort wird eine gebogene Schraube ohne Kopf abgebildet. PD Dr. J. hat darauf hingewiesen, dass die Röntgenaufnahmen vom 25. April 2000, die vor dem Unfall gefertigt wurden, diese Schraube noch gerade abgebildet haben.

Auf einen Vorschaden kann der Teilriss der vorderen Kreuzbandplastik nicht ursächlich zurück geführt werden. Denn ein solcher ist nicht nachgewiesen. Dem Arbeitsunfall war zwar eine Ruptur des Kreuzbandes der Klägerin im Dezember 1999 sowie eine Fraktur der Patella zum Jahreswechsel 1999/2000 durch einen Sturz der Klägerin auf das rechte Knie vorausgegangen. Der Operationsbericht von Dr. K. vom 13. Dezember 1999 weist aber keine Besonderheiten auf, die eine fehlerhafte Versorgung mit einer Kreuzbandplastik erkennen lassen. Danach hat Dr. K. die Kreuzbandplastik mit jeweils einer Schraube am Oberschenkel und am Unterschenkel befestigt. Beim Strecken und Beugen des Kniegelenks stoße die Kreuzbandplastik nicht im Notch an. Bei der Beugung sei die Spannung gleichmäßig gut gewesen. Der Operationsbericht vom 6. Januar 2000 lässt auch nicht erkennen, dass der Sturz der Klägerin auf das rechte Knie zu einem Teilriss der Kreuzbandplastik geführt hat. Bei diesem Sturz werden auch nicht annähernd so erhebliche physische Kräfte auf die Kreuzbandplastik gewirkt haben, wie es bei dem Frontalzusammenstoß der Fall gewesen sein wird. Schließlich ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Kreuzbandplastik bereits knapp drei Jahre nach der Implantation aufgrund Materialermüdung rissig und bei alltäglichen Verrichtungen reißen wird.

Der Senat hat auch keine Zweifel, dass die Instabilität des rechten Kniegelenks mittelbare Folge des Arbeitsunfalls ist. Eine zum Teil gerissene Kreuzbandplastik kann nicht mehr die erforderliche Stabilität des Kniegelenks gewährleisten, wie es bei einer unbeschädigten Kreuzbandplastik der Fall ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass das rechte Kniegelenk noch bei der Untersuchung am 8. Januar 2002 zur Fertigung des ersten Rentengutachtens vom 10. Januar 2002 stabil war. Die verbliebenen Kreuzbandfasern hatten - worauf PD Dr. J. hingewiesen hat - eine stabilisierende Restfunktion. Auch ist die Instabilität muskulär kompensierbar. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Prof. Dr. E. keine Instabilität des Kniegelenks festgestellt hat. Zudem hatte Dr. W. bereits wenige Monate nach dem Verkehrsunfall im November 2000 ein gelockertes vorderes Kreuzband vorgefunden. Der Senat vermag daher der Ansicht von Dr. K., der Teilriss als Arbeitsunfallfolge sei nicht mit dem Befund eines stabilen rechten Knies vom 8. Januar 2002 überein zu bringen, nicht zu folgen.

Die Muskelminderung des rechten Beines ist Folge des Teilrisses der Kreuzbandplastik und der damit verbundenen Instabilität des rechten Knies und ein Zeichen dafür, dass die Klägerin ihr rechtes Bein nicht mehr vollständig belastet.

2. Die unfallbedingten Gesundheitsschäden der Klägerin begründen ab dem 1. Oktober 2002 einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... Der Senat folgt hier der Einschätzung von Dr. S ... Dies entspricht auch den Erfahrungswerten aus den MdE-Tabellen.

Die bei der Klägerin nach dem 1. März 2002 verbliebene Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke führt zu keinem rentenberechtigenden Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Nach den Erfahrungswerten ist bei einer Bewegungseinschränkung des Hüftgelenkes von 0/10/90 Grad von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v. H. auszugehen (vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, Unfallbegutachtung, 11. Auflage, S. 168; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschnitt 8.8.3.3, S. 581). Eine derartige Bewegungseinschränkung hat bei der Klägerin in den Hüftgelenken nach dem 1. März 2002 nicht vorgelegen. So war das rechte Hüftgelenk bei der Untersuchung am 8. Januar 2002 mit 15/0/120 gegenüber links mit 15/0/125 Grad nur diskret in der Beugung eingeschränkt. Im Übrigen hat Prof. Dr. E. die Beweglichkeit der Hüftgelenke als frei beschrieben. Die von Prof. Dr. E. gemessenen Werte haben sich bei den späteren Untersuchungen nicht verschlechtert. So haben PD Dr. J. 0/0/135 Grad rechts und 0/0/145 Grad links bei Streckung und Beugung, Dr. S. beidseits 30/0/140 und Dr. S. beidseits 20/0/130 Grad beidseits gemessen. Ferner war das Hüftgelenk bei den Untersuchungen im Übrigen frei beweglich. Die diskrete Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke der Klägerin führt daher zu keiner messbaren Minderung der Erwerbsfähigkeit.

Auch die Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks, die bei der Untersuchung am 8. Januar 2002 durch Prof. Dr. E. bei 0/5/120 gelegen hat, rechtfertigt für sich allein nach den Erfahrungswerten keine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H ... So hat die Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks bei der Untersuchung durch Prof. Dr. E. bei 0/5/120 Grad gelegen. PD Dr. J. hat 0/0/135 Grad, Dr. S. 0/5/120 Grad und Dr. S. 0/3/110 Grad gemessen. Nach den Erfahrungswerten liegt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H. bei einer Restbeweglichkeit des Kniegelenks von 0/0/90 Grad (nach Schönberger/Mehrtens/Valentin nur um 15 v.H.) und 10 v. H. bei einer Restbeweglichkeit von 0/0/120 Grad vor (vgl. Mehrhoff/Meindl/Muhr, a.a.O., S. 169; Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Abschnitt 8.10.11, S. 654). Danach hat die Minderung der Erwerbsfähigkeit zu keinem Zeitpunkt höher als 10 v. H. gelegen.

Allerdings vermag die Klägerin infolge der unfallbedingten Gesundheitsstörungen seit Oktober 2002 ihr rechtes Bein nicht mehr vollständig zu belasten. Diese Minderbelastung des rechten Beines ist durch den Befundbericht von Dr. K. vom 13. September 2002 belegt. Dr. K. hat am 12. September 2002 eine Atrophie des rechten Beines beschrieben, allerdings ohne konkrete Umfangszahlen zu nennen. Spätestens seit der Untersuchung durch PD Dr. J. am 1. Oktober 2002 ist jedoch die Muskelminderung mit bis zu 4 cm nachgewiesen, die sich auch in den späteren Untersuchungen nicht verringert hat. Am 1. Oktober 2002 hat PD Dr. J. auch eine Instabilität des rechten Kniegelenks beschrieben. Die Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenks, die erhebliche Muskelminderung des rechten Beines und die Knieinstabilität rechtfertigen die von Dr. S. getroffene Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v. H.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Da die Klägerin im Berufungsverfahren weit überwiegend obsiegt hat, ist es gerechtfertigt, dass die Beklagte ihr die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang zu erstatten hat.

Die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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