Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 4451/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2047/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 und der Bescheid der Beklagten vom 13.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 aufgehoben.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der 1953 geborene Kläger wendet sich gegen den von der Beklagten verfügten Entzug einer ihm gewährten Rente.
Für den seit 24.01.1983 als Sattler berufstätig gewesenen Kläger erfolgte am 24.07.1992 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Daraufhin holte die Beklagte unter anderem die Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 13.05.1993, 19.11.1993 und 21.03.1994 sowie das Gutachten des Lungenarztes Dr. T. vom 23.08.1993 und des Lungenarztes Dr. D. vom 27.03.1997 ein. Mit Bescheid vom 12.08.1997 anerkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) eine durch berufliche Einflüsse verschlimmerte unspezifische bronchiale Überempfindlichkeit und lehnte einen Anspruch auf Rente ab, da die Erkrankung keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zur Folge habe. Nachdem die Beklagte den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.1997 zurückgewiesen hatte, erhob der nunmehr seit 07.01.1998 beruflich als Kommissionierer eingesetzte Kläger am 22.01.1998 hiergegen Klage zum Sozialgericht Reutlingen.
Das Sozialgericht erhob die Gutachten des Internisten, Arbeitsmediziners und Pneumologen Prof. Dr. S. vom 15.09.1998 und des Allergologen Dr. K. vom 30.09.1998. Prof. Dr. S. führte aus, es liege eine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung vor. Es sei eine deutliche bronchiale Hyperreagibilität festzustellen. Der Kläger sei nach dessen Angaben auf die regelmäßige Anwendung atemwegswirksamer Medikamente angewiesen. Für diese bronchiale Hyperreagibilität sei die Sensibilisierung gegen Anhydride und Isocyanate wesentlich ursächlich. Es lägen die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nrn. 1315 und 4301 der Anlage zur BKV vor. Die MdE betrage 20 vom Hundert (v. H.). Dr. K. führte aus, die Sensibilisierungen auf Anhydride und Isocyanate seien mit Wahrscheinlichkeit berufsspezifisch. Die Kriterien zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 1315 und 4301 der Anlage zur BKV seien erfüllt.
Nachdem der Kläger ab 01.12.1999 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kommissionierer seinen Kontakt zu Isocyanaten beendet hatte, ließ die Beklagte den Kläger erneut durch Prof. Dr. S. untersuchen und begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 07.12.2000 aus, eine obstruktive Atemwegserkrankung habe sowohl mit als auch ohne atemwirksame Medikamente nicht objektiviert werden können. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 02.03.2001 führte Prof. Dr. S. aus, dem Kläger seien auf Grund seiner deutlichen bronchialen Hyperreagibilität zahlreiche Arbeitsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen. Die durch die Berufskrankheiten nach Nrn. 1315 und 4301 bedingte MdE betrage 20 v. H. Das hierauf beruhende Anerkenntnis der Beklagten vom 26.03.2001, eine Berufskrankheit nach Nr. 1315 der Anlage zur BKV anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. ab 01.12.1999 zu gewähren, nahm der Kläger unter dem 26.04.2001 zur Erledigung des Rechtsstreits an. Mit Bescheid vom 28.05.2001 anerkannte die Beklagte als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1315 der Anlage zur BKV eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit und bewilligte Rente als vorläufige Entschädigung ab 01.12.1999 nach einer MdE um 20 v. H. Den hiergegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2002 zurück.
Zur Entscheidung über die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit holte die Beklagte das Gutachten des Dr. H., Chefarzt der Abteilung Pneumologie/Allergologie/Schlafmedizin der A.-Sch.-Klinik in K., vom 06.10.2002 ein. Der Gutachter diagnostizierte auf der Grundlage der am 16.09.2002 durchgeführten Untersuchungen auf lungenärztlichem Fachgebiet ein gemischt-förmiges Asthma bronchiale, eine schwergradige chronische Rhinitis sowie eine deformierende Bronchitis. Er führte aus, eine obstruktive Ventilationsstörung außerhalb von Provokationsbedingungen lasse sich nicht nachweisen, auch nach körperlicher Belastung trete aktuell eine Atemwegsobstruktion nicht ein. Die restriktive Ventilationsstörung habe keine pulmonale Ursache und sei nicht durch die Berufskrankheit zu erklären. Hinsichtlich der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung lägen weiterhin entschädigungspflichtige Erkrankungsfolgen vor, auch wenn aktuell eine manifeste Atemwegsobstruktion nicht feststellbar sei. Denn es bestehe offensichtlich ein hoher Medikamentenbedarf, welcher bei der MdE-Schätzung berücksichtigt werden müsse. Auch wenn aktuell keine signifikante bronchial-obstruktive Reaktion bei unspezifischer bronchialer Provokation nachweisbar sei, so zeige sich doch eine leichte Reaktion mit Auslösung einer Atemwiderstandserhöhung. Man könne deshalb sicher sein, dass das Weglassen der medikamentösen Therapie zu einem sofortigen Wiederauftreten der früher nachgewiesenen unspezifischen Hyperreagibilität führen würde. Im Übrigen bestehe weiterhin eine für eine bronchiale Überempfindlichkeit typische klinische Beschwerdesymptomatik, müsse das wiederholte Auftreten einer obstruktiven Ventilationsstörung angenommen werden und sei die Verbreitung der Anhydride und Isozyanate zu berücksichtigen. Zusammenfassend gelangte der Gutachter zu dem Ergebnis, obwohl sich unter der laufenden antientzündlich-antiobstruktiven Therapie eine signifikante Obstruktion oder unspezifische Hyperreagibilität nicht nachweisen lasse, liege eine grenzwertige obstruktive Reaktion auch unter der laufenden Therapie vor, so dass man sicher sein könne, dass ohne medikamentöse Behandlung eine unspezifische Hyperreagibilität, wie auch schon bei den voran gegangenen gutachterlichen Untersuchungen, vorläge. Die MdE betrage 20 v. H. Mit Bescheid vom 28.10.2002 anerkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit und bewilligte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H.
Vom 04.02.2003 bis zum 25.02.2003 durchlief der Kläger in der Reha-Klinik St. B. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Im dortigen ärztlichen Entlassungsbericht vom 18.03.2003 wurde ausgeführt, lungenfunktionell habe sich eine mittelgradige Vitalkapazitätseinschränkung und eine leichtgradige Ein-Sekunden-Kapazitätsverminderung gezeigt. Die Blutgase hätten sich im Normbereich befunden. Neben der Weitergabe der bereits verordneten Medikation seien mehrmals täglich Inhalationen sowie atem- und krankengymnastische Maßnahmen verordnet worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die den Kläger behandelnde Lungenärztin Dr. S. unter dem 10.07.2003 mit, es erfolge weiterhin eine medikamentöse Therapie wegen der Asthma-Erkrankung. Eine Änderung im gesundheitlichen Zustand habe sich nicht gezeigt. In der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 09.12.2003 wurde ausgeführt, bei dem Arbeitsplatz des Klägers handle es sich um einen solchen mit einer geringen Exposition gegenüber Lösemitteldämpfen. Auf weitere Anfrage der Beklagten teilte Dr. S. unter dem 03.02.2004 mit, die am 04.11.2003 durchgeführte Spirometrie habe eine obstruktive Ventilationsstörung ergeben. Die Broncho-Spasmolytikatherapie werde fortgesetzt. Vom 14.02.2005 bis zum 10.02.2005 wurde der Kläger in der Inneren Klinik des K.-O.-Krankenhauses St. wegen des Verdachts auf eine Lungenembolie bei Dyspnoe stationär behandelt. Die Dyspnoe wurde unter anderem auf die restriktive Ventilationsstörung bei bekanntem Asthma bronchiale zurückgeführt.
Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 ein. Der Gutachter diagnostizierte auf der Grundlage der am 19.04.2005 und 30.06.2005 durchgeführten Untersuchungen auf lungenärztlichem Fachgebiet ein berufsbedingtes Asthma bronchiale, eine schwergradige chronische Rhinitis, eine chronische Bronchitis sowie ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom. Er führte aus, der Kläger habe berichtet, dass sich seine Asthmabeschwerden zwar gebessert hätten, diese jedoch aber unverändert stark seien. Zurückgebildet hätten sich nächtliche Erstickungsanfälle. Aber er leide unverändert unter permanenter, wenn auch wechselnder Belastungsatemnot und unter chronischem Husten mit Auswurf sowie einer Überempfindlichkeit gegenüber chemischen Dämpfen wie von Parfüms, oder gegenüber Witterungseinflüssen wie Kälte, Nebel und Feuchtigkeit. Diese Beschwerden seien ein typischer Ausdruck einer unspezifischen bronchialen Überempfindlichkeit. Der Gutachter führte ferner aus, trotz dieser Beschwerden sei die Lungenfunktion bezüglich des Vorliegens einer Atemwegsobstruktion bei der Erstuntersuchung am 19.04.2005 vollkommen unauffällig gewesen. Es habe sich auch keine belastungsinduzierbare Atemwegsobstruktion gefunden und selbst der unspezifische bronchiale Provokationstest sei absolut negativ gewesen und habe nicht einmal andeutungsweise eine Neigung zur Atemwegsverengung gezeigt. Zumindest unter der laufenden Therapie mit einem inhalativen Kortikoid und Broncho-Spasmolytika sei die Befundlage also absolut normal. Am 30.06.2005 sei der Kläger, nachdem er eine Woche zuvor sämtliche Asthma-Medikamente weggelassen habe, nochmals untersucht worden. Der Kläger habe berichtet, seine Atembeschwerden und sein Husten hätten etwas zugenommen, schwere Luftnotattacken seien aber nicht aufgetreten. Ferner führte der Gutachter aus, die nun vorgenommene Lungenfunktionsprüfung sei ebenso wie die unspezifische Carbachol-Provokation hinsichtlich einer Obstruktion oder unspezifischen Hyperreagibilität absolut unauffällig gewesen. Die allergologische Bestandsaufnahme habe ein im Prinzip ähnliches Bild im Jahr 2002 ergeben. Eine Sensibilisierung gegenüber den früheren Berufsallergenen lasse sich nicht mehr nachweisen. Somit könne man von einer effektiven Allergen- beziehungsweise Schadstoffkarenz bezüglich dieser Stoffe ausgehen. Zusammenfassend führte Dr. H. aus, trotz der ausgeprägten und vom Kläger auch subjektiv beeinträchtigenden entzündlichen Atemwegserkrankung lasse sich eine obstruktive Funktionsbeeinträchtigung der untern Atemwege, also des Bronchialsystems, nicht mehr nachweisen. Die Lungenfunktionsprotokolle der Dr. S. ließen nicht einmal ansatzweise eine Atemwegsobstruktion erkennen, in der Reha-Klinik St. B. habe sich eine obstruktive Ventilationsstörung nicht feststellen lassen und die im K.-O.-Krankenhaus in St. durchgeführte Lungenfunktionsprüfung habe keine Obstruktion ergeben. Ferner sei zu beachten, dass klinisch bei Dr. S., in der Reha-Klinik St. B. und im K.-O.-Krankenhaus in St. eine normale Abhörfunktion der Lunge ohne Obstruktionsgeräusche beschrieben worden sei. Der Gutachter zog hieraus den Schluss, dass sich die obstruktive Atemwegserkrankung unter der jetzigen Schadstoffkarenz vollständig zurückgebildet habe. Die durch die chronische Bronchitis hervorgerufenen Beeinträchtigungen hätten ihre Grundlage keinesfalls nur in der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung, sondern auch in dem früheren Zigarettenrauchen und dem Nachweis einer deformierenden Bronchitis. Dabei handle es sich, ebenso wie bei der chronischen Rhinitis, um ein vom Asthma unabhängiges Krankheitsgeschehen. Des Weiteren führte der Gutachter aus, die Behandlung der Berufskrankheit sei nicht ursächlich für die seit Sommer 2005 beklagten Gelenkschmerzen. Zusammenfassend führte der Gutachter aus, die berufskrankheits-bedingten Krankheitserscheinungen, insbesondere die unspezifische Hyperreagibilität des Bronchialsystems, hätten sich unter Schadstoffkarenz und auch nach vollständigem Absetzen der atemwegswirksamen Medikation, vollständig zurückgebildet. Als Zeitpunkt der wesentlichen Änderung müsse man das Datum der hiesigen gutachterlichen Untersuchung ohne Medikation, also den erstmaligen sicheren Ausschluss eines Weiterbestehens der bronchialen Hyperreagibilität am 30.06.2005, ansetzen. Die berufsbedingte MdE sei jetzt nach rein funktionellen Kriterien mit 0 v. H. anzusetzen. Nehme man die Isocyanat-Allergie mit in die Betrachtungen, sei die berufsbedingte MdE allenfalls mit 10 v. H. zu veranschlagen. Dem Gutachten beigefügt waren die Lungenfunktionsprotokolle der Dr. S. vom 10.06.2003 und 20.10.2003 sowie der Arztbrief der Inneren Klinik des K.-O.-Krankenhauses St. vom 01.03.2005.
Unter dem 23.08.2005 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Rente an. Mit Bescheid vom 13.09.2005 entzog die Beklagte die Rente ab 01.10.2005, da sich die dem Bescheid vom 28.10.2002 zu Grunde liegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten, sich die bronchiale Überempfindlichkeit inzwischen vollständig zurückgebildet habe und eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorliege.
Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, durch Dr. S., die Reha-Klinik St. B. und das K.-O.-Krankenhaus in St. sei eine erhebliche Ventilationsstörung nachgewiesen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung in den Folgen der anerkannten Berufskrankheit sei hinreichend gesichert.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.12.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen.
Das Sozialgericht hörte die Lungenärztin Dr. T., die P.isnachfolgerin der Dr. S., unter dem 06.02.2007 und die Fachärztin für Allgemeinmedizin P., die Hausärztin des Klägers, im März 2007 schriftlich als sachverständige Zeugen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.12.2007 trug der Kläger vor, entgegen der Ausführungen im Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 habe er die Asthma-Medikamente vor der zweiten Untersuchung für eine Woche lang nicht weggelassen. Seine Beschwerden seien derart gravierend gewesen, dass er sich nicht habe leisten können, diese Medikamente wegzulassen. Im Übrigen nehme er auch zur Zeit noch regelmäßig Asthma-Medikamente zu sich.
Sodann holte das Sozialgericht das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung vom 11.01.2008 und der im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 durchgeführten Untersuchungen erstellte Gutachten des Internisten, Lungenarztes und Allergologen Dr. K., Medizinische Klinik für Atemwegserkrankungen und Allergien in W., vom 25.05.2008 ein. Der Sachverständige führte aus, auch im Rahmen der jetzigen gutachterlichen ambulanten und stationären Untersuchungen habe das Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung nicht nachgewiesen werden können. Auch der Methacholin-Provokationstest sei sowohl unter der Medikation im Rahmen der ambulanten Untersuchung wie auch ohne Medikation im Rahmen der stationären Untersuchung negativ gewesen. Auch liege eine Hyperreagibilität nicht vor. Die Einschränkung der Vitalkapazität sei berufsunabhängig. Da im Rahmen des Gutachtens des Dr. H. vom 06.10.2002 unter Medikation keine manifeste Obstruktion und keine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität dokumentiert worden sei und sich auch bei der jetzigen Begutachtung auch ohne Medikation kein Hinweis für eine Obstruktion oder eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ergeben habe, sei eine Änderung in dem Sinne zu konstatieren, dass die fehlende Obstruktion und die fehlende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität jetzt auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werde. Ferner führte der Sachverständige aus, die Einschätzung der MdE mit 20 v. H. in dem Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 begründe sich auf einer Annahme, dass ohne Medikation eine unspezifische Hyperreagibilität vorliege. Dabei sei anzufügen, dass die Lungenfunktionsparameter keinerlei manifeste Obstruktion gezeigt hätten und bei Prüfung der unspezifischen Hyperreagibilität auch kein pathologischer Wert erreicht worden sei. Die Annahme, dass es ohne medikamentöse Behandlung zu einer Zunahme einer unspezifischen Hyperreagibilität komme, sei nicht durch Befunde zu bestätigen. Da nach einwöchigem Absetzen der Medikation im Rahmen der dem Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 zu Grunde liegenden Untersuchungen eine Obstruktion nicht nachgewiesen worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. im Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 nicht gefolgt werden könne und weder für April 2005 noch zum jetzigen Zeitpunkt eine MdE in einem rentenrelevanten Ausmaß vorliege. Dr. K. führte in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 30.09.2008 aus, für die Bewertung der MdE sei eine ausgeprägte bronchiale Hyperreagibilität erforderlich.
Mit Urteil vom 25.02.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es sei eine andauernde Besserung, welche eine Herabsetzung der MdE bedinge, eingetreten. Im Gegensatz zu den dem Bescheid vom 28.10.2002 zu Grunde liegenden Verhältnissen habe eine fehlende Obstruktion und Hyperreagibilität auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werden können, wobei diese Feststellung erstmalig bei der Begutachtung am 19.04.2005 getroffen und durch die Untersuchung am 30.06.2005 und letztlich die am 11.01.2008 und vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 erfolgten Untersuchungen bestätigt worden sei.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 08.04.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 04.05.2009 Berufung eingelegt. Die Isozyanat-Allergie bestehe unstreitig fort. Die Asthma-Episode sei Folge der Berufskrankheit und deswegen Grundlage einer weiteren Rentengewährungspflicht der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.09.2005 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers sei darin zu sehen, dass bei Erlass des Ausgangsbescheides bei dem Kläger eine antientzündlich obstruktive Therapie erforderlich gewesen sei, um eine signifikante Obstruktion zu vermeiden, während es im Rahmen der dem Gutachten vom 27.07.2005 zu Grunde liegenden Untersuchungen einer solchen antientzündlich obstruktiven Therapie nicht mehr bedurft habe und mithin ohne therapeutische Maßnahmen eine signifikante Obstruktion nicht mehr vorgelegen habe. Die Beurteilung des Ausmaßes der bestehenden Erkrankungsfolgen beziehungsweise der MdE habe ohne Berücksichtigung entsprechender Heil- oder Hilfsmittel zu erfolgen. Mithin sei für die Einschätzung des bestehenden Gesundheitszustandes derjenige ohne Medikation zu Grunde zu legen. Beim Kläger sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten, die einen Verzicht auf eine Medikation ermöglicht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Als Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten mit Bescheid vom 13.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 28.10.2002 kommt § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 73 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Betracht.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Bei der Feststellung der MdE ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern (§ 73 Abs. 3 SGB VII).
Reichen die Feststellungen nicht zu dem Nachweis aus, dass eine wesentliche Änderung eingetreten ist, so wirkt sich dies zuungunsten des Versicherungsträger als desjenigen aus, der seine Rentenentziehung rechtlich auf jenen Nachweis stützt (BSG, Urteil vom 17.07.1958 - 5 RKn 34/57).
Während die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regeln, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlass nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen, will dagegen § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zum geltenden Recht stehen. Deshalb müssen, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden. Nur wenn sich bei diesem Vergleich ein für den materiellen Anspruch des Einzelnen erheblicher Unterschied ergibt, haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89).
Ein solcher Unterschied lässt sich im vorliegenden Falle aber nicht feststellen.
Dem Bescheid vom 28.10.2002, mit dem die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit anerkannte und Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. bewilligte, lagen die Verhältnisse zu Grunde, wie sie Dr. H. in seinem auf der Grundlage der am 16.09.2002 durchgeführten Untersuchungen erstellten Gutachten vom 06.10.2002 beschrieben hat. Bereits damals lag eine nachweisbare obstruktive Ventilationsstörung außerhalb von Provokationsbedingungen nicht vor und trat auch nach körperlicher Belastung eine Atemwegsobstruktion nicht ein. Eine unspezifische Hyperreagibilität wurde vom Gutachter verneint.
Mithin lagen nach Ansicht des Senats im Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine Atemwegsobstruktion oder eine unspezifische Hyperreagibilität nicht vor. Der Nachweis einer Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers kann mithin nicht geführt werden. Der Senat stützt sich dabei auch auf die schlüssigen Ausführungen des Dr. K. in seinem auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung vom 11.01.2008 und der im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 durchgeführten Untersuchungen erstellten Gutachten vom 25.05.2008. Zwar hat Dr. K. ausgeführt, da im Rahmen des Gutachtens des Dr. H. vom 06.10.2002 unter Medikation keine manifeste Obstruktion und keine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität dokumentiert worden sei und sich auch bei der jetzigen Begutachtung auch ohne Medikation kein Hinweis für eine Obstruktion oder eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ergeben habe, sei eine Änderung in dem Sinne zu konstatieren, dass die fehlende Obstruktion und die fehlende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität jetzt auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werde. Dass hieraus nicht auf eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers geschlossen werden kann, ergibt sich daraus, dass Dr. K. zu Recht dargelegt hat, dass sich die von Dr. H. in seinem Gutachten vom 06.10.2002 vorgenommene Einschätzung der MdE mit 20 v. H. lediglich auf einer durch keine Befunde bestätigten Annahme gründet, ohne Medikation liege eine unspezifische Hyperreagibilität vor. Hieraus hat Dr. K. konsequent den Schluss gezogen, dass der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. im Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 nicht gefolgt werden kann, also bereits damals eine MdE in einem rentenrelevanten Ausmaß nicht vorgelegen hat.
Dass die damalige bloße Vermutung des Dr. H., ohne medikamentöse Behandlung komme es zu einer Zunahme einer unspezifischen Hyperreagibilität, eine rentenrelevante Funktionsbeeinträchtigung nicht rechtfertigt, ergibt sich nach Ansicht des Senats daraus, dass es für die Einschätzung der MdE nicht darauf ankommt, ob der Versicherte bestimmte Medikamente tatsächlich einnimmt, sondern darauf, ob objektiv erhobene Befunde die Notwendigkeit einer solchen Medikamenteneinnahme erfordern. Die im Gutachten vom 06.10.2002 dargelegten Untersuchungsergebnisse des Dr. H. rechtfertigen aber die Erforderlichkeit einer berufskrankheits-bedingten Medikamenteneinnahme gerade nicht. Um eine solche Erforderlichkeit darzulegen, hätte Dr. H. im Rahmen seiner damaligen Untersuchungen eine Kontrolluntersuchung nach vorheriger Absetzung der Medikamente durchführen müssen. Nur wenn sich bei einer solchen Kontrolluntersuchung eine Atemwegsobstruktion oder unspezifische Hyperreagibilität gezeigt hätte, hätte der damalige Gesundheitszustand des Klägers mit einer MdE um 20 v. H. beurteilt werden dürfen. Da aber eine solche Kontrolluntersuchung unterblieben war, musste sich Dr. H. bei seiner MdE-Schätzung damit begnügen, von einem "offensichtlich bestehenden hohen Medikamentenbedarf" auszugehen. Im Übrigen hat sich bereits durch die dem Gutachten des Dr. Smidt vom 07.12.2000 zu Grunde liegenden Untersuchungen eine obstruktive Atemwegserkrankung sowohl mit als auch ohne atemwegswirksame Medikamente nicht objektivieren lassen. Auch die von Dr. H. ins Feld geführte leichte Reaktion mit Auslösung einer Atemwiderstandserhöhung bei unspezifischer bronchialer Provokation und die für eine bronchiale Überempfindlichkeit typische klinische Beschwerdesymptomatik stützt nicht die damalige von Dr. H. vorgenommene MdE-Einschätzung. Denn der Kläger hat in den gutachtlichen Untersuchungen am 16.09.2002 einerseits sowie am 19.04.2005 und 30.06.2005 andererseits eine in etwa gleich bleibende Beschwerdesymptomatik bei fortdauernder Medikamenteneinnahme vorgetragen.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.07.2005 zwar zu Recht ausgeführt hat, dass sich die berufskrankheits-bedingten Krankheitserscheinungen, insbesondere die unspezifische Hyperreagibilität des Bronchialsystems, "zurückgebildet" haben. Ihm ist aber darin zu widersprechen, dass man als Zeitpunkt der wesentlichen Änderung das Datum der Untersuchung vom 30.06.2005 ohne Medikation, also den erstmaligen sicheren Ausschluss eines Weiterbestehens der bronchialen Hyperreagibilität, ansetzen müsse. Denn das Ergebnis dieser Untersuchung beweist nur, dass am 30.06.2005 - unterstellt, der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich atemwirksame Medikamente abgesetzt - auch ohne Medikation keine obstruktive Atemwegserkrankung oder unspezifische Hyperreagibilität vorlag, nicht aber, dass dies bei der Untersuchung am 16.09.2002 noch nicht der Fall war.
Eine seit der Rentenbewilligung eingetretene wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist mithin nicht nachweisbar, was vorliegend zu Lasten der Beklagten geht. Vielmehr war die Rentenbewilligung von Anfang an rechtswidrig. Die Beklagte hat sich aber in ihrem Rentenentziehungsbescheid auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt und eine rechtsgebundene Entscheidung erlassen. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 45 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte nach dieser Bestimmung eine Ermessensentscheidung hätte erlassen müssen (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89). Die verfügte Rentenentziehung war somit rechtswidrig.
Nach alledem war der Bescheid vom 13.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 ebenso wie das die hiergegen erhobene Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 aufzuheben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Der 1953 geborene Kläger wendet sich gegen den von der Beklagten verfügten Entzug einer ihm gewährten Rente.
Für den seit 24.01.1983 als Sattler berufstätig gewesenen Kläger erfolgte am 24.07.1992 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Daraufhin holte die Beklagte unter anderem die Stellungnahmen ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 13.05.1993, 19.11.1993 und 21.03.1994 sowie das Gutachten des Lungenarztes Dr. T. vom 23.08.1993 und des Lungenarztes Dr. D. vom 27.03.1997 ein. Mit Bescheid vom 12.08.1997 anerkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit Nr. 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) eine durch berufliche Einflüsse verschlimmerte unspezifische bronchiale Überempfindlichkeit und lehnte einen Anspruch auf Rente ab, da die Erkrankung keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) zur Folge habe. Nachdem die Beklagte den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.1997 zurückgewiesen hatte, erhob der nunmehr seit 07.01.1998 beruflich als Kommissionierer eingesetzte Kläger am 22.01.1998 hiergegen Klage zum Sozialgericht Reutlingen.
Das Sozialgericht erhob die Gutachten des Internisten, Arbeitsmediziners und Pneumologen Prof. Dr. S. vom 15.09.1998 und des Allergologen Dr. K. vom 30.09.1998. Prof. Dr. S. führte aus, es liege eine durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung vor. Es sei eine deutliche bronchiale Hyperreagibilität festzustellen. Der Kläger sei nach dessen Angaben auf die regelmäßige Anwendung atemwegswirksamer Medikamente angewiesen. Für diese bronchiale Hyperreagibilität sei die Sensibilisierung gegen Anhydride und Isocyanate wesentlich ursächlich. Es lägen die Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nrn. 1315 und 4301 der Anlage zur BKV vor. Die MdE betrage 20 vom Hundert (v. H.). Dr. K. führte aus, die Sensibilisierungen auf Anhydride und Isocyanate seien mit Wahrscheinlichkeit berufsspezifisch. Die Kriterien zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nrn. 1315 und 4301 der Anlage zur BKV seien erfüllt.
Nachdem der Kläger ab 01.12.1999 im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kommissionierer seinen Kontakt zu Isocyanaten beendet hatte, ließ die Beklagte den Kläger erneut durch Prof. Dr. S. untersuchen und begutachten. Dieser führte in seinem Gutachten vom 07.12.2000 aus, eine obstruktive Atemwegserkrankung habe sowohl mit als auch ohne atemwirksame Medikamente nicht objektiviert werden können. In seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 02.03.2001 führte Prof. Dr. S. aus, dem Kläger seien auf Grund seiner deutlichen bronchialen Hyperreagibilität zahlreiche Arbeitsplätze des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen. Die durch die Berufskrankheiten nach Nrn. 1315 und 4301 bedingte MdE betrage 20 v. H. Das hierauf beruhende Anerkenntnis der Beklagten vom 26.03.2001, eine Berufskrankheit nach Nr. 1315 der Anlage zur BKV anzuerkennen und Verletztenrente nach einer MdE um 20 v. H. ab 01.12.1999 zu gewähren, nahm der Kläger unter dem 26.04.2001 zur Erledigung des Rechtsstreits an. Mit Bescheid vom 28.05.2001 anerkannte die Beklagte als Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 1315 der Anlage zur BKV eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit und bewilligte Rente als vorläufige Entschädigung ab 01.12.1999 nach einer MdE um 20 v. H. Den hiergegen ohne Begründung eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2002 zurück.
Zur Entscheidung über die Gewährung von Rente auf unbestimmte Zeit holte die Beklagte das Gutachten des Dr. H., Chefarzt der Abteilung Pneumologie/Allergologie/Schlafmedizin der A.-Sch.-Klinik in K., vom 06.10.2002 ein. Der Gutachter diagnostizierte auf der Grundlage der am 16.09.2002 durchgeführten Untersuchungen auf lungenärztlichem Fachgebiet ein gemischt-förmiges Asthma bronchiale, eine schwergradige chronische Rhinitis sowie eine deformierende Bronchitis. Er führte aus, eine obstruktive Ventilationsstörung außerhalb von Provokationsbedingungen lasse sich nicht nachweisen, auch nach körperlicher Belastung trete aktuell eine Atemwegsobstruktion nicht ein. Die restriktive Ventilationsstörung habe keine pulmonale Ursache und sei nicht durch die Berufskrankheit zu erklären. Hinsichtlich der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung lägen weiterhin entschädigungspflichtige Erkrankungsfolgen vor, auch wenn aktuell eine manifeste Atemwegsobstruktion nicht feststellbar sei. Denn es bestehe offensichtlich ein hoher Medikamentenbedarf, welcher bei der MdE-Schätzung berücksichtigt werden müsse. Auch wenn aktuell keine signifikante bronchial-obstruktive Reaktion bei unspezifischer bronchialer Provokation nachweisbar sei, so zeige sich doch eine leichte Reaktion mit Auslösung einer Atemwiderstandserhöhung. Man könne deshalb sicher sein, dass das Weglassen der medikamentösen Therapie zu einem sofortigen Wiederauftreten der früher nachgewiesenen unspezifischen Hyperreagibilität führen würde. Im Übrigen bestehe weiterhin eine für eine bronchiale Überempfindlichkeit typische klinische Beschwerdesymptomatik, müsse das wiederholte Auftreten einer obstruktiven Ventilationsstörung angenommen werden und sei die Verbreitung der Anhydride und Isozyanate zu berücksichtigen. Zusammenfassend gelangte der Gutachter zu dem Ergebnis, obwohl sich unter der laufenden antientzündlich-antiobstruktiven Therapie eine signifikante Obstruktion oder unspezifische Hyperreagibilität nicht nachweisen lasse, liege eine grenzwertige obstruktive Reaktion auch unter der laufenden Therapie vor, so dass man sicher sein könne, dass ohne medikamentöse Behandlung eine unspezifische Hyperreagibilität, wie auch schon bei den voran gegangenen gutachterlichen Untersuchungen, vorläge. Die MdE betrage 20 v. H. Mit Bescheid vom 28.10.2002 anerkannte die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit und bewilligte Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H.
Vom 04.02.2003 bis zum 25.02.2003 durchlief der Kläger in der Reha-Klinik St. B. eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme. Im dortigen ärztlichen Entlassungsbericht vom 18.03.2003 wurde ausgeführt, lungenfunktionell habe sich eine mittelgradige Vitalkapazitätseinschränkung und eine leichtgradige Ein-Sekunden-Kapazitätsverminderung gezeigt. Die Blutgase hätten sich im Normbereich befunden. Neben der Weitergabe der bereits verordneten Medikation seien mehrmals täglich Inhalationen sowie atem- und krankengymnastische Maßnahmen verordnet worden. Auf Anfrage der Beklagten teilte die den Kläger behandelnde Lungenärztin Dr. S. unter dem 10.07.2003 mit, es erfolge weiterhin eine medikamentöse Therapie wegen der Asthma-Erkrankung. Eine Änderung im gesundheitlichen Zustand habe sich nicht gezeigt. In der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes vom 09.12.2003 wurde ausgeführt, bei dem Arbeitsplatz des Klägers handle es sich um einen solchen mit einer geringen Exposition gegenüber Lösemitteldämpfen. Auf weitere Anfrage der Beklagten teilte Dr. S. unter dem 03.02.2004 mit, die am 04.11.2003 durchgeführte Spirometrie habe eine obstruktive Ventilationsstörung ergeben. Die Broncho-Spasmolytikatherapie werde fortgesetzt. Vom 14.02.2005 bis zum 10.02.2005 wurde der Kläger in der Inneren Klinik des K.-O.-Krankenhauses St. wegen des Verdachts auf eine Lungenembolie bei Dyspnoe stationär behandelt. Die Dyspnoe wurde unter anderem auf die restriktive Ventilationsstörung bei bekanntem Asthma bronchiale zurückgeführt.
Sodann holte die Beklagte das Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 ein. Der Gutachter diagnostizierte auf der Grundlage der am 19.04.2005 und 30.06.2005 durchgeführten Untersuchungen auf lungenärztlichem Fachgebiet ein berufsbedingtes Asthma bronchiale, eine schwergradige chronische Rhinitis, eine chronische Bronchitis sowie ein obstruktives Schlaf-Apnoe-Syndrom. Er führte aus, der Kläger habe berichtet, dass sich seine Asthmabeschwerden zwar gebessert hätten, diese jedoch aber unverändert stark seien. Zurückgebildet hätten sich nächtliche Erstickungsanfälle. Aber er leide unverändert unter permanenter, wenn auch wechselnder Belastungsatemnot und unter chronischem Husten mit Auswurf sowie einer Überempfindlichkeit gegenüber chemischen Dämpfen wie von Parfüms, oder gegenüber Witterungseinflüssen wie Kälte, Nebel und Feuchtigkeit. Diese Beschwerden seien ein typischer Ausdruck einer unspezifischen bronchialen Überempfindlichkeit. Der Gutachter führte ferner aus, trotz dieser Beschwerden sei die Lungenfunktion bezüglich des Vorliegens einer Atemwegsobstruktion bei der Erstuntersuchung am 19.04.2005 vollkommen unauffällig gewesen. Es habe sich auch keine belastungsinduzierbare Atemwegsobstruktion gefunden und selbst der unspezifische bronchiale Provokationstest sei absolut negativ gewesen und habe nicht einmal andeutungsweise eine Neigung zur Atemwegsverengung gezeigt. Zumindest unter der laufenden Therapie mit einem inhalativen Kortikoid und Broncho-Spasmolytika sei die Befundlage also absolut normal. Am 30.06.2005 sei der Kläger, nachdem er eine Woche zuvor sämtliche Asthma-Medikamente weggelassen habe, nochmals untersucht worden. Der Kläger habe berichtet, seine Atembeschwerden und sein Husten hätten etwas zugenommen, schwere Luftnotattacken seien aber nicht aufgetreten. Ferner führte der Gutachter aus, die nun vorgenommene Lungenfunktionsprüfung sei ebenso wie die unspezifische Carbachol-Provokation hinsichtlich einer Obstruktion oder unspezifischen Hyperreagibilität absolut unauffällig gewesen. Die allergologische Bestandsaufnahme habe ein im Prinzip ähnliches Bild im Jahr 2002 ergeben. Eine Sensibilisierung gegenüber den früheren Berufsallergenen lasse sich nicht mehr nachweisen. Somit könne man von einer effektiven Allergen- beziehungsweise Schadstoffkarenz bezüglich dieser Stoffe ausgehen. Zusammenfassend führte Dr. H. aus, trotz der ausgeprägten und vom Kläger auch subjektiv beeinträchtigenden entzündlichen Atemwegserkrankung lasse sich eine obstruktive Funktionsbeeinträchtigung der untern Atemwege, also des Bronchialsystems, nicht mehr nachweisen. Die Lungenfunktionsprotokolle der Dr. S. ließen nicht einmal ansatzweise eine Atemwegsobstruktion erkennen, in der Reha-Klinik St. B. habe sich eine obstruktive Ventilationsstörung nicht feststellen lassen und die im K.-O.-Krankenhaus in St. durchgeführte Lungenfunktionsprüfung habe keine Obstruktion ergeben. Ferner sei zu beachten, dass klinisch bei Dr. S., in der Reha-Klinik St. B. und im K.-O.-Krankenhaus in St. eine normale Abhörfunktion der Lunge ohne Obstruktionsgeräusche beschrieben worden sei. Der Gutachter zog hieraus den Schluss, dass sich die obstruktive Atemwegserkrankung unter der jetzigen Schadstoffkarenz vollständig zurückgebildet habe. Die durch die chronische Bronchitis hervorgerufenen Beeinträchtigungen hätten ihre Grundlage keinesfalls nur in der berufsbedingten obstruktiven Atemwegserkrankung, sondern auch in dem früheren Zigarettenrauchen und dem Nachweis einer deformierenden Bronchitis. Dabei handle es sich, ebenso wie bei der chronischen Rhinitis, um ein vom Asthma unabhängiges Krankheitsgeschehen. Des Weiteren führte der Gutachter aus, die Behandlung der Berufskrankheit sei nicht ursächlich für die seit Sommer 2005 beklagten Gelenkschmerzen. Zusammenfassend führte der Gutachter aus, die berufskrankheits-bedingten Krankheitserscheinungen, insbesondere die unspezifische Hyperreagibilität des Bronchialsystems, hätten sich unter Schadstoffkarenz und auch nach vollständigem Absetzen der atemwegswirksamen Medikation, vollständig zurückgebildet. Als Zeitpunkt der wesentlichen Änderung müsse man das Datum der hiesigen gutachterlichen Untersuchung ohne Medikation, also den erstmaligen sicheren Ausschluss eines Weiterbestehens der bronchialen Hyperreagibilität am 30.06.2005, ansetzen. Die berufsbedingte MdE sei jetzt nach rein funktionellen Kriterien mit 0 v. H. anzusetzen. Nehme man die Isocyanat-Allergie mit in die Betrachtungen, sei die berufsbedingte MdE allenfalls mit 10 v. H. zu veranschlagen. Dem Gutachten beigefügt waren die Lungenfunktionsprotokolle der Dr. S. vom 10.06.2003 und 20.10.2003 sowie der Arztbrief der Inneren Klinik des K.-O.-Krankenhauses St. vom 01.03.2005.
Unter dem 23.08.2005 hörte die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Rente an. Mit Bescheid vom 13.09.2005 entzog die Beklagte die Rente ab 01.10.2005, da sich die dem Bescheid vom 28.10.2002 zu Grunde liegenden Verhältnisse wesentlich geändert hätten, sich die bronchiale Überempfindlichkeit inzwischen vollständig zurückgebildet habe und eine rentenberechtigende MdE nicht mehr vorliege.
Hiergegen legte der Kläger mit der Begründung Widerspruch ein, durch Dr. S., die Reha-Klinik St. B. und das K.-O.-Krankenhaus in St. sei eine erhebliche Ventilationsstörung nachgewiesen worden. Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Besserung in den Folgen der anerkannten Berufskrankheit sei hinreichend gesichert.
Hiergegen erhob der Kläger am 23.12.2005 Klage zum Sozialgericht Reutlingen.
Das Sozialgericht hörte die Lungenärztin Dr. T., die P.isnachfolgerin der Dr. S., unter dem 06.02.2007 und die Fachärztin für Allgemeinmedizin P., die Hausärztin des Klägers, im März 2007 schriftlich als sachverständige Zeugen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 06.12.2007 trug der Kläger vor, entgegen der Ausführungen im Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 habe er die Asthma-Medikamente vor der zweiten Untersuchung für eine Woche lang nicht weggelassen. Seine Beschwerden seien derart gravierend gewesen, dass er sich nicht habe leisten können, diese Medikamente wegzulassen. Im Übrigen nehme er auch zur Zeit noch regelmäßig Asthma-Medikamente zu sich.
Sodann holte das Sozialgericht das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung vom 11.01.2008 und der im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 durchgeführten Untersuchungen erstellte Gutachten des Internisten, Lungenarztes und Allergologen Dr. K., Medizinische Klinik für Atemwegserkrankungen und Allergien in W., vom 25.05.2008 ein. Der Sachverständige führte aus, auch im Rahmen der jetzigen gutachterlichen ambulanten und stationären Untersuchungen habe das Vorliegen einer obstruktiven Ventilationsstörung nicht nachgewiesen werden können. Auch der Methacholin-Provokationstest sei sowohl unter der Medikation im Rahmen der ambulanten Untersuchung wie auch ohne Medikation im Rahmen der stationären Untersuchung negativ gewesen. Auch liege eine Hyperreagibilität nicht vor. Die Einschränkung der Vitalkapazität sei berufsunabhängig. Da im Rahmen des Gutachtens des Dr. H. vom 06.10.2002 unter Medikation keine manifeste Obstruktion und keine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität dokumentiert worden sei und sich auch bei der jetzigen Begutachtung auch ohne Medikation kein Hinweis für eine Obstruktion oder eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ergeben habe, sei eine Änderung in dem Sinne zu konstatieren, dass die fehlende Obstruktion und die fehlende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität jetzt auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werde. Ferner führte der Sachverständige aus, die Einschätzung der MdE mit 20 v. H. in dem Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 begründe sich auf einer Annahme, dass ohne Medikation eine unspezifische Hyperreagibilität vorliege. Dabei sei anzufügen, dass die Lungenfunktionsparameter keinerlei manifeste Obstruktion gezeigt hätten und bei Prüfung der unspezifischen Hyperreagibilität auch kein pathologischer Wert erreicht worden sei. Die Annahme, dass es ohne medikamentöse Behandlung zu einer Zunahme einer unspezifischen Hyperreagibilität komme, sei nicht durch Befunde zu bestätigen. Da nach einwöchigem Absetzen der Medikation im Rahmen der dem Gutachten des Dr. H. vom 27.07.2005 zu Grunde liegenden Untersuchungen eine Obstruktion nicht nachgewiesen worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. im Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 nicht gefolgt werden könne und weder für April 2005 noch zum jetzigen Zeitpunkt eine MdE in einem rentenrelevanten Ausmaß vorliege. Dr. K. führte in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 30.09.2008 aus, für die Bewertung der MdE sei eine ausgeprägte bronchiale Hyperreagibilität erforderlich.
Mit Urteil vom 25.02.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es sei eine andauernde Besserung, welche eine Herabsetzung der MdE bedinge, eingetreten. Im Gegensatz zu den dem Bescheid vom 28.10.2002 zu Grunde liegenden Verhältnissen habe eine fehlende Obstruktion und Hyperreagibilität auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werden können, wobei diese Feststellung erstmalig bei der Begutachtung am 19.04.2005 getroffen und durch die Untersuchung am 30.06.2005 und letztlich die am 11.01.2008 und vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 erfolgten Untersuchungen bestätigt worden sei.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 08.04.2009 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat der Kläger am 04.05.2009 Berufung eingelegt. Die Isozyanat-Allergie bestehe unstreitig fort. Die Asthma-Episode sei Folge der Berufskrankheit und deswegen Grundlage einer weiteren Rentengewährungspflicht der Beklagten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.09.2005 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers sei darin zu sehen, dass bei Erlass des Ausgangsbescheides bei dem Kläger eine antientzündlich obstruktive Therapie erforderlich gewesen sei, um eine signifikante Obstruktion zu vermeiden, während es im Rahmen der dem Gutachten vom 27.07.2005 zu Grunde liegenden Untersuchungen einer solchen antientzündlich obstruktiven Therapie nicht mehr bedurft habe und mithin ohne therapeutische Maßnahmen eine signifikante Obstruktion nicht mehr vorgelegen habe. Die Beurteilung des Ausmaßes der bestehenden Erkrankungsfolgen beziehungsweise der MdE habe ohne Berücksichtigung entsprechender Heil- oder Hilfsmittel zu erfolgen. Mithin sei für die Einschätzung des bestehenden Gesundheitszustandes derjenige ohne Medikation zu Grunde zu legen. Beim Kläger sei eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten, die einen Verzicht auf eine Medikation ermöglicht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 Abs. 1 SGG zulässige Berufung des Klägers ist begründet.
Als Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten mit Bescheid vom 13.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 vorgenommene Aufhebung des Bescheides vom 28.10.2002 kommt § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 73 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Betracht.
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Bei der Feststellung der MdE ist eine Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X nur wesentlich, wenn sie mehr als 5 v. H. beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern (§ 73 Abs. 3 SGB VII).
Reichen die Feststellungen nicht zu dem Nachweis aus, dass eine wesentliche Änderung eingetreten ist, so wirkt sich dies zuungunsten des Versicherungsträger als desjenigen aus, der seine Rentenentziehung rechtlich auf jenen Nachweis stützt (BSG, Urteil vom 17.07.1958 - 5 RKn 34/57).
Während die Vorschriften der §§ 44 und 45 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regeln, die von Anfang an rechtswidrig sind, also bereits bei ihrem Erlass nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmen, will dagegen § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die zwar zunächst rechtmäßig sind, also der materiellen Rechtslage entsprechen, aber wegen einer nach ihrem Erlass eintretenden Änderung der Sach- oder Rechtslage im Widerspruch zum geltenden Recht stehen. Deshalb müssen, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X in Betracht kommt, allein die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der angeblich eingetretenen Änderung verglichen werden. Nur wenn sich bei diesem Vergleich ein für den materiellen Anspruch des Einzelnen erheblicher Unterschied ergibt, haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89).
Ein solcher Unterschied lässt sich im vorliegenden Falle aber nicht feststellen.
Dem Bescheid vom 28.10.2002, mit dem die Beklagte als Folgen der Berufskrankheit eine Sensibilisierung gegen Isocyanate sowie eine hierdurch bedingte bronchiale Überempfindlichkeit anerkannte und Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v. H. bewilligte, lagen die Verhältnisse zu Grunde, wie sie Dr. H. in seinem auf der Grundlage der am 16.09.2002 durchgeführten Untersuchungen erstellten Gutachten vom 06.10.2002 beschrieben hat. Bereits damals lag eine nachweisbare obstruktive Ventilationsstörung außerhalb von Provokationsbedingungen nicht vor und trat auch nach körperlicher Belastung eine Atemwegsobstruktion nicht ein. Eine unspezifische Hyperreagibilität wurde vom Gutachter verneint.
Mithin lagen nach Ansicht des Senats im Zeitpunkt der Rentenbewilligung eine Atemwegsobstruktion oder eine unspezifische Hyperreagibilität nicht vor. Der Nachweis einer Besserung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers kann mithin nicht geführt werden. Der Senat stützt sich dabei auch auf die schlüssigen Ausführungen des Dr. K. in seinem auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung vom 11.01.2008 und der im Rahmen des stationären Aufenthalts vom 28.04.2008 bis zum 30.04.2008 durchgeführten Untersuchungen erstellten Gutachten vom 25.05.2008. Zwar hat Dr. K. ausgeführt, da im Rahmen des Gutachtens des Dr. H. vom 06.10.2002 unter Medikation keine manifeste Obstruktion und keine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität dokumentiert worden sei und sich auch bei der jetzigen Begutachtung auch ohne Medikation kein Hinweis für eine Obstruktion oder eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität ergeben habe, sei eine Änderung in dem Sinne zu konstatieren, dass die fehlende Obstruktion und die fehlende unspezifische bronchiale Hyperreagibilität jetzt auch für das medikamentenfreie Intervall nachgewiesen werde. Dass hieraus nicht auf eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers geschlossen werden kann, ergibt sich daraus, dass Dr. K. zu Recht dargelegt hat, dass sich die von Dr. H. in seinem Gutachten vom 06.10.2002 vorgenommene Einschätzung der MdE mit 20 v. H. lediglich auf einer durch keine Befunde bestätigten Annahme gründet, ohne Medikation liege eine unspezifische Hyperreagibilität vor. Hieraus hat Dr. K. konsequent den Schluss gezogen, dass der Einschätzung der MdE mit 20 v. H. im Gutachten des Dr. H. vom 06.10.2002 nicht gefolgt werden kann, also bereits damals eine MdE in einem rentenrelevanten Ausmaß nicht vorgelegen hat.
Dass die damalige bloße Vermutung des Dr. H., ohne medikamentöse Behandlung komme es zu einer Zunahme einer unspezifischen Hyperreagibilität, eine rentenrelevante Funktionsbeeinträchtigung nicht rechtfertigt, ergibt sich nach Ansicht des Senats daraus, dass es für die Einschätzung der MdE nicht darauf ankommt, ob der Versicherte bestimmte Medikamente tatsächlich einnimmt, sondern darauf, ob objektiv erhobene Befunde die Notwendigkeit einer solchen Medikamenteneinnahme erfordern. Die im Gutachten vom 06.10.2002 dargelegten Untersuchungsergebnisse des Dr. H. rechtfertigen aber die Erforderlichkeit einer berufskrankheits-bedingten Medikamenteneinnahme gerade nicht. Um eine solche Erforderlichkeit darzulegen, hätte Dr. H. im Rahmen seiner damaligen Untersuchungen eine Kontrolluntersuchung nach vorheriger Absetzung der Medikamente durchführen müssen. Nur wenn sich bei einer solchen Kontrolluntersuchung eine Atemwegsobstruktion oder unspezifische Hyperreagibilität gezeigt hätte, hätte der damalige Gesundheitszustand des Klägers mit einer MdE um 20 v. H. beurteilt werden dürfen. Da aber eine solche Kontrolluntersuchung unterblieben war, musste sich Dr. H. bei seiner MdE-Schätzung damit begnügen, von einem "offensichtlich bestehenden hohen Medikamentenbedarf" auszugehen. Im Übrigen hat sich bereits durch die dem Gutachten des Dr. Smidt vom 07.12.2000 zu Grunde liegenden Untersuchungen eine obstruktive Atemwegserkrankung sowohl mit als auch ohne atemwegswirksame Medikamente nicht objektivieren lassen. Auch die von Dr. H. ins Feld geführte leichte Reaktion mit Auslösung einer Atemwiderstandserhöhung bei unspezifischer bronchialer Provokation und die für eine bronchiale Überempfindlichkeit typische klinische Beschwerdesymptomatik stützt nicht die damalige von Dr. H. vorgenommene MdE-Einschätzung. Denn der Kläger hat in den gutachtlichen Untersuchungen am 16.09.2002 einerseits sowie am 19.04.2005 und 30.06.2005 andererseits eine in etwa gleich bleibende Beschwerdesymptomatik bei fortdauernder Medikamenteneinnahme vorgetragen.
Zur Klarstellung weist der Senat darauf hin, dass Dr. H. in seinem Gutachten vom 27.07.2005 zwar zu Recht ausgeführt hat, dass sich die berufskrankheits-bedingten Krankheitserscheinungen, insbesondere die unspezifische Hyperreagibilität des Bronchialsystems, "zurückgebildet" haben. Ihm ist aber darin zu widersprechen, dass man als Zeitpunkt der wesentlichen Änderung das Datum der Untersuchung vom 30.06.2005 ohne Medikation, also den erstmaligen sicheren Ausschluss eines Weiterbestehens der bronchialen Hyperreagibilität, ansetzen müsse. Denn das Ergebnis dieser Untersuchung beweist nur, dass am 30.06.2005 - unterstellt, der Kläger hatte zu diesem Zeitpunkt tatsächlich atemwirksame Medikamente abgesetzt - auch ohne Medikation keine obstruktive Atemwegserkrankung oder unspezifische Hyperreagibilität vorlag, nicht aber, dass dies bei der Untersuchung am 16.09.2002 noch nicht der Fall war.
Eine seit der Rentenbewilligung eingetretene wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist mithin nicht nachweisbar, was vorliegend zu Lasten der Beklagten geht. Vielmehr war die Rentenbewilligung von Anfang an rechtswidrig. Die Beklagte hat sich aber in ihrem Rentenentziehungsbescheid auf eine Änderung der Verhältnisse gestützt und eine rechtsgebundene Entscheidung erlassen. Eine Umdeutung in einen Bescheid nach § 45 SGB X kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte nach dieser Bestimmung eine Ermessensentscheidung hätte erlassen müssen (BSG, Urteil vom 03.10.1989 - 10 RKg 7/89). Die verfügte Rentenentziehung war somit rechtswidrig.
Nach alledem war der Bescheid vom 13.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 ebenso wie das die hiergegen erhobene Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.02.2009 aufzuheben.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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