L 7 R 3635/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 4900/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3635/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Juli 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung seiner Kosten im Widerspruchsverfahren; vorrangig steht die Zulässigkeit der Klage im Streit.

Mit Schriftsatz vom 19. März 2008 stellte Rentenberater E., der spätere Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren, bei der Beklagten für den Kläger Antrag auf Gewährung von Altersrente bei Vollendung des 60. Lebensjahres "in allen denkbaren Varianten". Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 führte diese aus, der Kläger habe einen Altersrentenantrag für schwerbehinderte Menschen gestellt; ein Schwerbehindertenausweis liege noch nicht vor. Somit seien die Anspruchsvoraussetzungen für diese Altersrente nicht erfüllt. Erst mit Eingang eines Schwerbehindertenausweises könnten die Anspruchsvoraussetzungen der Altersrente erneut geprüft werden. Hiergegen legte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch ein (Schriftsatz vom 20. Mai 2008). Die Beklagte habe mit "Bescheid" vom 14. Mai 2008 die Rente zu Unrecht abgelehnt; ein Bescheid des Landratsamtes Emmendingen über die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft wurde beigelegt. Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab dem 1. Februar 2008. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger "fristwahrend" Widerspruch ein. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. Mai 2008 begehrte er die Erstattung der Kosten für das durch den Widerspruch vom 20. Mai 2008 eingeleitete Widerspruchsverfahren in Höhe von insgesamt EUR 1.570,80; wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 401/403 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2008 wurde eine auf den 2. Oktober 2007 datierte Vollmacht vorgelegt, die zur Vertretung bis auf Widerruf berechtige. Sie umfasse das Verhandeln, die Abgabe und Entgegennahme von Erklärungen, Bescheiden und sonstigen Rechtsmitteln, sowie die Einsichtnahme in Akten und Gutachten. Weiter heißt es: "Die Vollmacht insbesondere: zur Prozessführung einschl. der Befugnis zur Erhebung und Zurücknahme von Klagen und Abschlüssen von Vergleichen nach vorheriger Absprache, zur Vertretung in sonstigen Verfahren und bei außergerichtlichen Verhandlungen aller Art. Die Vollmacht gilt für alle Instanzen und erstreckt sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art."

Mit Bescheid vom 6. Juni 2008 lehnte die Beklagte die Erstattung der Kosten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2008 zurück.

Hiergegen ist durch den Rentenberater für den Kläger am 6. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg erhoben worden mit dem Begehren, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2008 zur Erstattung von Widerspruchskosten in Höhe von EUR 1.570,80 an den Kläger zu verurteilen. Wegen des genauen Inhaltes der Klageschrift wird auf Bl. 1/3 der Akten des SG Bezug genommen. Da der Klageschrift eine Vollmacht nicht beigefügt war, hat das SG eine solche am 10. Oktober 2008 beim Rentenberater angefordert. Mit Schreiben vom 25. Februar 2009 hat es die Beteiligten auf seine Absicht hingewiesen, den Rechtsstreit durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben. Unter dem 12. Mai 2009 ist der Rentenberater an die Vorlage einer Prozessvollmacht erinnert worden. Mit Schreiben vom 19. Juni 2009 hat das SG ihn darauf hingewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen werde, wenn nicht bis zum 10. Juli 2009 die Vollmacht vorliege. Hierauf hat er nicht reagiert.

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2009 hat das SG die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Klägervertreter sei als Rentenberater zwar grundsätzlich berechtigt, als Bevollmächtigter vor dem SG aufzutreten. Allerdings müsse er seine Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachweisen, die zu den Gerichtsakten einzureichen sei. Da es sich bei dem Klägervertreter nicht um einen Rechtsanwalt handle, sei der Mangel der fehlenden Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen. Mangels Vollmachtsvorlage sei die Klage unzulässig.

Gegen diesen, dem Rentenberater am 17. Juli 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 11. August 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt und die bereits im Widerspruchsverfahren vorgelegte Vollmacht vom 2. Oktober 2007 in Fotokopie zu den Akten gereicht. Zur Begründung hat er vorgetragen, entsprechende Vollmacht sei bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden. Diese gelte nach ihrem Wortlaut für alle Instanzen und erstrecke sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art. Es sei unverständlich, weshalb seit neuestem unnötiger Schriftwechsel um Vollmachten geführt werde. Dies sei wohl der Arbeitsbelastung der erstinstanzlichen Gerichte geschuldet. Es könne jedoch nicht angehen, dass eine Vollmacht, die absolute Rechtswirkung habe und nicht widerrufen worden sei, nicht Beachtung finde. Andernfalls sei er als Bevollmächtigter "aus Servicegründen" gezwungen, Hunderte von Euro an Porto im Jahr für die Versendung von Vollmachten auszugeben. Darüber hinaus sei die Begründung des Gerichts unzutreffend; es bestehe überhaupt kein Unterschied zwischen Anwälten und Nichtanwälten, was die Bevollmächtigung angehe. Der Bevollmächtigte des Klägers sei Rechtsanwälten durch die Zulassung als Rentenberater gleichgestellt. Genau dieser Umstand sei vom SG nicht beachtet worden. Es sei nicht ersichtlich, warum hier offensichtlich bei bestehender Lücke im Gesetz keine analoge Anwendung vorgenommen worden sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 15. Juli 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2008 zu verurteilen, ihm Widerspruchskosten im Rahmen des § 63 SGB X in Höhe von EUR 1.570,80 zu erstatten, die Angelegenheit im Rahmen des § 159 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes an das Sozialgericht zurückzuverweisen sowie die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Verfahrensakten des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich beide Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)). Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Bevollmächtigung des Klägervertreters für das Berufungsverfahren wurde durch Vorlage einer Vollmacht nachgewiesen. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen. Die Bevollmächtigung des Klägervertreters für die Klageerhebung war bis zum Abschluss des Klageverfahrens nicht nachgewiesen. Die Klage wurde nicht durch den Kläger selbst, sondern in seinem Namen durch einen Rentenberater eingelegt. Die Zulässigkeit der Vertretung und deren Nachweis richtet sich für die am 6. Oktober 2008 erhobene Klage nach § 73 SGG in der ab 1. Juli 2008 geltenden Fassung durch Artikel 12 Nr. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840, 2853). Als Rentenberater darf der Bevollmächtigte des Klägers nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG grundsätzlich in Verfahren vor dem Sozialgericht für diesen auftreten.

Die Vertretungsbefugnis im konkreten gerichtlichen Verfahren für den Kläger, in dessen Namen der Vertreter zu handeln angibt, ergibt sich jedoch aus der vom Kläger zu erteilenden Vollmacht. Nach § 73 Abs. 6 Satz 1 SGG ist die Vollmacht schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Diese gesetzliche Formulierung macht deutlich, dass eine im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren erteilte Vollmacht nicht ausreicht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie nicht zweifelsfrei deutlich macht, dass sie auch im anschließenden Rechtsstreit gelten soll (Bundessozialgericht (BSG) SozR 3-1500 § 73 Nr. 2). Allein das Vorhandensein einer Vollmacht, die wie hier auch "zur Prozessführung einschließlich der Erhebung von Klagen" ermächtigt, genügt nicht (LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 3. November 1999 - L 4 KA 4/99 - (juris)). Anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Bevollmächtigten in Bezug genommenen Wendung, sie gelte für alle Instanzen und erstrecke sich auf Neben- und Folgeverfahren aller Art. Diese Vollmacht ist jedenfalls nicht zu den Gerichtsakten eingereicht worden. In der bloßen Beiziehung der eine Vollmacht enthaltenden Verwaltungsakten durch das Gericht liegt gerade keine Einreichung zu den Gerichtsakten durch den Bevollmächtigten oder Bevollmächtigenden. Es kann offen bleiben, ob anderes gilt, wenn der Bevollmächtigte schriftsätzlich auf eine solche in den Verwaltungsakten enthaltene Vollmacht ausdrücklich Bezug nimmt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 73 Rdnr. 64; Littmann in Hk-SGG, 3. Aufl., § 73 Rdnr. 20; a.A. LSG Schleswig-Holstein a.a.O.). Denn dies hat der Klägervertreter weder in der Klageschrift noch in einem anderen Schriftsatz bis zum Erlass des Gerichtsbescheids getan. Vielmehr ist er auf die Aufforderung zur Vorlage, auf die Erinnerung des Gerichts und selbst auf den ausdrücklichen Hinweis auf die drohende Abweisung der Klage mangels Zulässigkeit wegen Fehlens der Vollmacht untätig geblieben. In einem solchen Fall muss das Gericht trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht von sich aus ermitteln (BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 9). Durch die Erinnerung und den ausdrücklichen Hinweis mit Fristsetzung zur Vorlage hat das SG auch deutlich zu erkennen geben, dass es eine Einreichung im gerichtlichen Verfahren für notwendig hält; es hat damit dem Grundsatz des fairen Verfahrens Genüge getan (vgl. BSG SozR 3-1500 § 73 Nrn. 5 und 9). Da des Weiteren eine Äußerung des Klägers selbst im gerichtlichen Verfahren nicht erfolgte, ist auch eine Heilung des Mangels nicht erfolgt.

Das SG durfte den Mangel der Vollmacht nicht unbeachtet lassen. Dies entspricht der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung des § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG. Danach hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Der Klägervertreter kann sich als Rentenberater nicht auf die für Rechtsanwälte geltende Ausnahme berufen. Er ist kein Rechtsanwalt und einem solchen auch nicht gleichgestellt. Vielmehr differenziert § 73 SGG gerade ausdrücklich zwischen Rechtsanwälten und anderen möglichen Bevollmächtigten. Dies wird bereits in § 73 Abs. 2 SGG deutlich, der die als Vertreter "zugelassenen" Personen und Personengruppen im Einzelnen regelt und gerade zwischen Rechtsanwälten und anderen rechtsberatenden Berufen unterscheidet. Wenn der Gesetzgeber in § 73 Abs. 6 Satz 4 SGG ausdrücklich nur Rechtsanwälte ausnimmt, verbietet sich schon aufgrund des klaren Wortlautes der Regelung die Annahme einer unbewussten Regelungslücke. Daher scheidet eine analoge Anwendung auf die in § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGG genannten Personen und Personengruppen aus. Es besteht keinerlei Anhaltspunkt für die Behauptung des Klägervertreters, der Gesetzgeber habe "die Rentenberater mal wieder vergessen". Vielmehr misst das Gesetz den Rechtsanwälten eine besondere Bedeutung bei.

Das SG hat somit zutreffend die Klage mangels Vollmacht als unzulässig abgewiesen. Die Vorlage der Vollmacht erst im Berufungsverfahren vermag den Mangel im erstinstanzlichen Verfahren nach dessen Abschluss nicht mehr zu heilen (Senatsurteil vom 17. April 2008 - L 7 SO 4887/07 -; BSG SozR 3-1500 § 73 Nr. 9). Eine Entscheidung in der Sache war dem SG daher verwehrt. Eine Zurückverweisung an das SG gem. § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG, wie vom Kläger beantragt, kommt somit nicht in Betracht. Auch ein wesentlicher Verfahrensmangel i.S.d. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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