Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 7 VG 1175/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 3756/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.05.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i. V. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der im Jahre 1964 geborene Kläger beantragte am 15.01.2004 beim damaligen Versorgungsamt H. die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG.
Nach Durchführung von Ermittlungen stellte das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R.-N.-Kreis mit Bescheid vom 19.07.2005 fest, dass der Kläger am 29.04.2000 Opfer einer Gewalttat i. S. des OEG geworden ist und erkannte als Folgen der Schädigung "operierte Nasenbein- und Orbitabodenfraktur rechts; rezidivierende, mehrfach operierte Pansinusitiden (Nasennebenhöhlenentzündung) beidseits" an. Die daneben durch die Schädigung erlittene Contusio bulbi sei inzwischen folgenlos abgeheilt. Durch die Schädigungsfolgen werde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade um wenigstens 25 vom Hundert (v. H.) nicht erreicht, so dass dem Kläger eine Rente nicht zustehe. Allerdings bestehe Anspruch auf Heilbehandlung ab dem 01.01.2004.
Den vom Kläger mit dem Ziel einer Rentengewährung nach einer MdE um wenigstens 25 v. H. eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006 zurück.
Am 07.04.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgte. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten (Beiziehung einer Kopie der Patientenkartei der verstorbenen Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. und Einholung der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. Sch. vom 10.03.2007) wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 11.05.2007 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen für die begehrte Rente seien nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger am 29.04.2000 schwerwiegende Verletzungen mit langwierigen Folgen erlitten. Indes komme es für die Beurteilung der MdE auf den Zustand ab Januar 2004, dem Monat der Antragstellung, an. Ab dieser Zeit seien in den hausärztlichen Befundunterlagen lediglich für den 01.03.2004 Beschwerden vermerkt, die in Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis gebracht werden könnten. Erst im September 2006 habe sich der Kläger nochmals wegen rezidivierender Nebenhöhleninfekte in fachärztlicher Behandlung bei Dr. Sch. befunden. Die danach - wenn überhaupt - nur noch sehr seltenen akuten Exacerbationen der Nebenhöhlenentzündung rechtfertigten in Übereinstimmung mit der Einschätzung u. a. von Dr. Sch. eine MdE um allenfalls 20 v. H. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 22.06.2007 zugestellt.
Am 23.07.2007, einem Montag, hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er das am 07.06.2006 an seine Prozessbevollmächtigten übersandte Schreiben von Dr. K. vorgelegt. Darin ist im wesentlichen ausgeführt, beim Kläger liege verletzungsbedingt eine chronisch-rezidivierende Sinusitis vor, die aufgrund der jeweils raschen und adäquaten Therapie bislang keinen schweren, sondern einen mittelschweren Verlauf genommen habe und die Anerkennung einer MdE um mindestens 25 v. H. rechtfertige. Ergänzend hat er - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - vorgetragen, er habe sich auch nach Antragstellung im Januar 2004 wegen permanenter und schwerwiegender Beschwerden im Bereich der Nasennebenhöhlen in hausärztlicher Behandlung bei Dr. K. befunden, was aber offensichtlich nur unzureichend dokumentiert worden sei.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. das schriftliche Sachverständigengutachten vom 11.08.2008 erstattet. Darin ist ausgeführt, beim Kläger lägen schädigungsbedingte rezidivierende Nasennebenhöhlenkomplikationen mit Gefahr der aufsteigenden Infektionen zu den Meningen bzw. zum Hirn, Geruchsempfindungsstörungen mäßigen Grades, seit Jahren bestehende polypoide Schleimhauthyperplasien der Nasennebenhöhlen, dauerhafte Hyperplasien der Nasenhaupthöhlen, rezidivierende Infraorbitalisneuralgien und eine behinderte Nasenatmung vor. Die MdE betrage 30 v. H.
In der daraufhin vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 04.09.2008 heißt es, wesentliche Änderungen der Schädigungsfolgen seien durch das Gutachten nicht belegt.
Der Kläger hat in Bezug auf die Schädigungsfolgen vorgetragen, er habe sich im März 2007 bei Dr. Sch. und am 01.03.2008 in der Notambulanz der Uniklinik/Kopfklinik H. vorgestellt. Vom 03.03 bis 07.03.2008 habe er sich stationär in der der Uniklinik/Kopfklinik H. aufgehalten; anschließend sei er dort ambulant weiterbehandelt worden. Im April 2008 sei in der Uniklinik/HNO-Klinik H. ein Knochenszintigramm durchgeführt worden. Im Zeitraum von April bis Juli 2008 sei er von Dr. K.-Sch. untersucht worden. Im August 2008 habe er sich in der Notaufnahme einer Klinik in S. und im Juni 2009 bei seinem Hausarzt J. vorgestellt. Die Reduzierung seiner Arztbesuche wegen der Schädigungsfolgen sei auf ein Abklingen der Beschwerden im Anschluss an die Verabreichung von Schmerzmitteln, Cortison und Antibiotika wegen der Entzündung seines Beinstumpfs zurückzuführen.
Der Senat hat daraufhin den Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.03 bis 07.03.2008 (Behandlung wegen idiopathischem Hörsturz, Phlegmone des äußeren Ohres und akuter eitriger Otitis media) beigezogen und schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. Sch. vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 (im Anschluss an die letzte sachverständige Zeugenaussage nur noch dreimalige Vorstellung des Klägers ohne erkennbare Veränderungen in Bezug auf eine MdE) sowie des Hausarztes J. vom 26.11.2009 (Behandlung seit Mai 2007 wegen ausgeprägter Wundheilungsstörung am Unterschenkelstumpf rechts nach traumatisch bedingter Vorfußamputation, daneben Behandlungen von Atemwegsinfekten, allergischer Rhinoconjunktivitis, rezidivierenden Schmerzen am Bewegungsapparat, Bluthochdruck sowie Fettstoffwechselstörung) mit Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 ("Klinische Angaben: Phlegmone des äußeren Ohres, Ohrschmerzen seit Dezember 2007 mit stationärer Behandlung auf der HNO vom 01.-08.03.08 [Uniklinik H.], therapieresistente Otitis externa"; am 03.04.2008 Ganzkörperszintigraphie mit Einzelaufnahmen der Kopf-Hals-Region, des Thorax und des Beckens; chronischer Entzündungsprozess im Bereich des rechtsseitigen Gehörganges/Felsenbeins) eingeholt. Die Kopfklink des Universitätsklinikums H. hat am 30.11.2009 fernmündlich mitgeteilt, der Kläger sei im System nur unter der Hals-Nasen-Ohrenklinik erfasst, so dass von der Kopfklink keine Unterlagen übersandt würden.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Rentenberechtigung sei ausreichend nachgewiesen. Im Übrigen seien seine Behandlungen in der Universitätsklinik H. nicht vollständig ermittelt. Auch seien die Ausführungen seines Hausarztes J. nicht vollständig; er habe sich bei diesem seit Mai 2007 mehrmals wegen der streitgegenständlichen Beschwerden vorgestellt und sei zuletzt Ende Juni 2009 krankgeschrieben worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.05.2007 sowie den Bescheid des Landratsamts R.-N.-Kreis vom 19.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 06.03.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Schädigung vom 29.04.2000 Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer MdE um wenigstens 25 v. H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts R.-N.-Kreis vom 19.07.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums St. vom 06.03.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente nach dem OEG i. V. mit dem BVG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 OEG i. V. mit den §§ 30, 31 und 60 BVG für die vom Kläger erstrebte Rente hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil mit Blick auf die bis zum 21.12.2007 (vgl. das Gesetz vom 13.12.2007, BGBl. I 2904) geltende Rechtslage ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen. Eine hier erhebliche Änderung ist durch die Neufassung der genannten Regelungen und insbesondere die Bezeichnung der früheren MdE nunmehr als Grad der Schädigungsfolgen (GdS; vgl. das Gesetz vom 13.12.2007, a. a. O.) nicht eingetreten.
Der Maßstab für die Einschätzung der MdE bzw. nunmehr des GdS bestimmt sich unter Zugrundelegung der vom (nunmehrigen) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zuletzt im Jahr 2008) herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" - AHP - (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 24.04.2008 - B 9 VJ 7/07 B - zit. nach juris) bzw. der seit dem 01.01.2009 geltenden, die AHP ablösenden und mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG - (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -] vom 10.12.2008 [BGBl. I S. 2904; abgedr. im Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008]). Sowohl die AHP als auch die VG enthalten Tabellen mit Anhaltswerten für die Beurteilung der Einzel-MdE bzw. des Einzel-GdS bei verschiedenen körperlichen, geistigen und seelischen Störungen; bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist die MdE bzw. der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen (vgl. zu alledem Nr. 26.1 Abs. 1 und 2 der AHP sowie Teil B Nr. 1. a und b der VG). Dabei sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen (vgl. hierzu Nr. 18 Abs. 4 der AHP sowie Teil A Nr. 2. e der VG).
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Bei Zusammentreffen mehrerer Gesundheitsstörungen ist daher für die Bildung der Gesamt-MdE bzw. des Gesamt-GdS eine Addition von Einzelwerten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82 ff. = SozR 3870 § 3 Nr. 4). In der Regel wird von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzelwert ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung durch die anderen Gesundheitsstörungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur eine Einzel-MdE um 10 v. H. bzw. einen Einzel-GdS von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einer Einzel-MdE um 20 v. H. bzw. einem Einzel-GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 3 und 4 der AHP sowie Teil A Vorbem. Nr. 3. c und d der VG).
In Anwendung dieser Grundsätze erreichen die beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Schädigungsfolgen ab Januar 2004 (dem nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG maßgeblichen Monat der Antragstellung) keine rentenberechtigende MdE um 25 v. H. bzw. keinen rentenberechtigenden GdS von 25.
Grundlage für die Beurteilung der beim Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen sind Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG. Danach ist eine doppelseitige Verengung der Nasengänge mit leichter bis mittelgradiger Atembehinderung mit einer MdE um 10 v. H. bzw. einem GdS von 10, bei starker Atembehinderung mit einer MdE um 20 v. H. bzw. einem GdS von 20 zu bewerten. Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung leichteren Grades (ohne wesentliche Neben- und Folgeerscheinungen) ist mit einer MdE von 0 bis 10 v. H. bzw. einem GdS von 0 bis 10 und eine solche schwereren Grades (ständige erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinungen, Polypenbildung) mit einer MdE von 20 bis 40 v. H. bzw. einem GdS von 20 bis 40 einzustufen.
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Kläger - worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - seit Januar 2004 allenfalls sporadisch wegen mit der Schädigung in Zusammenhang zu bringenden Gesundheitsstörungen in ärztlicher Behandlung befunden hat. Nach der vom Sozialgericht beigezogenen Kopie der Patientenkartei der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. stellte sich der Kläger von Januar 2004 bis Juni 2006 lediglich dreimal, am 13.01.2004 (Überweisung an die HNO-Klinik wegen Zustand nach Orbitafraktur, chronisch-rezidivierend), am 19.01.2004 (beim Fitnesstraining spannte die Haut im Bereich des rechten Jochbogens) und am 16.07.2004 (habe wieder das Gefühl einer Schwellung an der rechten Kieferhöhle, solle sich gleich wieder in Kopfklinik vorstellen) in der hausärztlichen Praxis vor. Am 25.09. und 09.10.2006 befand sich der Kläger dann wegen Nasenbeschwerden infolge einer Erkältung in HNO-ärztlicher Behandlung bei Dr. Sch., wobei diese Beschwerden bei der Kontrolluntersuchung am 26.10.2006 abgeklungen waren; die übrigen Behandlungen des Klägers betrafen nicht schädigungsbedingte Ohrprobleme (vgl. die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. Sch. vom 10.03.2007 an das Sozialgericht und vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 an den Senat). Die Behandlungen bei dem Hausarzt J. ab Mai 2007 bezogen sich im Wesentlichen auf gesundheitliche Probleme wegen einer ausgeprägten Wundheilungsstörung am Unterschenkelstumpf rechts und nur unter anderem auch auf Atemwegsinfekte (vgl. hierzu die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage des genannten Arztes vom 26.11.2009). Der vom Senat beigezogene Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 sowie der vom Hausarzt des Klägers J. vorgelegte Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 geben für eine Behandlung schädigungsbedingter Gesundheitsstörungen nichts her, sondern betreffen Behandlungen und Untersuchungen wegen der bereits von Dr. Sch. angeführten Beschwerden der Ohren.
Eine vom Kläger behauptete unvollständige Dokumentation der Behandlungen seiner Nasenbeschwerden sowohl durch Dr. K. (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Sozialgericht vom 23.01.2007) als auch durch Dr. Sch. (vgl. den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Sozialgericht vom 12.04.2007) und durch Dr. J. (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Senat vom 22.12.2009) ist auszuschließen. Denn zum einen ist die Annahme, nicht nur ein Arzt, sondern sämtliche den Kläger behandelnden niedergelassenen Ärzte könnten gerade die Dokumentation der hier streitgegenständlichen Beschwerden für den maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2004 unterlassen haben, lebensfremd, zumal Dr. Sch. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 ausdrücklich auf die Vollständigkeit des von ihm vorgelegten Auszuges aus der Patientenakte des Klägers hingewiesen hat. Zum anderen ergeben sich - wie ausgeführt und anders als vom Kläger vorgetragen (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten an den Senat vom 16.09.2009) - auch aus den bereits angeführten Berichten des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 und vom 09.04.2008 keinerlei Behandlungen wegen schädigungsbedingter Gesundheitsstörungen. Dabei betreffen die genannten Berichte sämtliche vom Kläger vorgetragenen Untersuchungen und Behandlungen im genannten Universitätsklinikum, nämlich die Untersuchung am 01.03.2008 und die Behandlung vom 03. bis zum 08.03.08 wegen Ohrproblemen (vgl. den Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.03 bis 07.03.2008 sowie die im Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 wiedergegebenen klinischen Angaben des Klägers über Grund und Dauer seiner Behandlung in der Hals-Nasen-Ohrenklinik [01.-08.03.08]) sowie die ebenfalls auf Gesundheitsstörungen an den Ohren bezogene knochenszintigraphische Untersuchung am 03.04.2008 (vgl. auch insoweit den Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008).
Auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens, die Reduzierung seiner Arztbesuche wegen der Schädigungsfolgen sei auf ein Abklingen der Beschwerden im Anschluss an die Verabreichung von Schmerzmitteln, Cortison und Antibiotika wegen der Entzündung seines Beinstumpfs zurückzuführen, ist danach eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung zumal schwereren Grades i. S. von Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG nur unter Berücksichtigung der von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. im gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 11.08.2008 diagnostizierten polypoiden (polypähnlich aussehenden) Schleimhauthyperplasien der Nasennebenhöhlen nebst rezidivierender Infraorbitalisneuralgien des Nervus trigeminus anzunehmen. Eine den unteren Bereich des Bewertungsrahmens (MdE von 20 bis 40 v. H. bzw. GdS 20 bis 40) überschreitende Einstufung der MdE bzw. des GdS lässt sich angesichts der oben angeführten sporadischen Arztbesuche und der dokumentierten - eher geringen - Auswirkungen allerdings nicht rechtfertigen, so dass die MdE bzw. der GdS insoweit mit 20 v. H. bzw. 20 einzustufen ist.
Die von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. im Gutachten vom 11.08.2008 darüber hinaus diagnostizierte (beidseitige) Behinderung der Nasenatmung rechtfertigt bei isolierter Betrachtung in Ermangelung wie auch immer gearteter Anhaltspunkte für eine mehr als leichte Atembehinderung nach Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG lediglich eine MdE um 10 v. H. bzw. einen GdS von 10.
Nachdem mit der Atembehinderung keine wesentliche zusätzliche Beeinträchtigung einhergeht, ergibt sich bei zusammenfassender Bewertung des Funktionssystems "Nase" angesichts der jedenfalls seit dem hier maßgeblichen Monat der Antragstellung im Januar 2004 insgesamt eher leichten Auswirkungen der schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen keine höhere MdE als 20 v. H. bzw. kein höherer Gesamt-GdS als 20. Den abweichenden Einschätzungen von Dr. K. im an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 07.06.2006 (MdE um mindestens 25 v. H.) und Dr. K.-Sch. im Gutachten vom 11.08.2008 (MdE um 30 v. H.) folgt der Senat nicht. Denn diesen liegt jeweils die unzulässige Einbeziehung von vor dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetretenen Komplikationen und (behandlungsbedingt) nicht eingetretenen Risiken zu Grunde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger erstrebt die Gewährung von Beschädigtenrente nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) i. V. mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der im Jahre 1964 geborene Kläger beantragte am 15.01.2004 beim damaligen Versorgungsamt H. die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG.
Nach Durchführung von Ermittlungen stellte das zwischenzeitlich zuständige Landratsamt R.-N.-Kreis mit Bescheid vom 19.07.2005 fest, dass der Kläger am 29.04.2000 Opfer einer Gewalttat i. S. des OEG geworden ist und erkannte als Folgen der Schädigung "operierte Nasenbein- und Orbitabodenfraktur rechts; rezidivierende, mehrfach operierte Pansinusitiden (Nasennebenhöhlenentzündung) beidseits" an. Die daneben durch die Schädigung erlittene Contusio bulbi sei inzwischen folgenlos abgeheilt. Durch die Schädigungsfolgen werde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade um wenigstens 25 vom Hundert (v. H.) nicht erreicht, so dass dem Kläger eine Rente nicht zustehe. Allerdings bestehe Anspruch auf Heilbehandlung ab dem 01.01.2004.
Den vom Kläger mit dem Ziel einer Rentengewährung nach einer MdE um wenigstens 25 v. H. eingelegten Widerspruch wies das Regierungspräsidium St. mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2006 zurück.
Am 07.04.2006 erhob der Kläger beim Sozialgericht Mannheim Klage, mit der er sein Rentenbegehren weiterverfolgte. Nach Durchführung weiterer Ermittlungen bei den behandelnden Ärzten (Beiziehung einer Kopie der Patientenkartei der verstorbenen Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. und Einholung der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Hals-Nasen-Ohren-Arztes Dr. Sch. vom 10.03.2007) wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 11.05.2007 ab. Zur Begründung ist ausgeführt, die Voraussetzungen für die begehrte Rente seien nicht erfüllt. Zwar habe der Kläger am 29.04.2000 schwerwiegende Verletzungen mit langwierigen Folgen erlitten. Indes komme es für die Beurteilung der MdE auf den Zustand ab Januar 2004, dem Monat der Antragstellung, an. Ab dieser Zeit seien in den hausärztlichen Befundunterlagen lediglich für den 01.03.2004 Beschwerden vermerkt, die in Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis gebracht werden könnten. Erst im September 2006 habe sich der Kläger nochmals wegen rezidivierender Nebenhöhleninfekte in fachärztlicher Behandlung bei Dr. Sch. befunden. Die danach - wenn überhaupt - nur noch sehr seltenen akuten Exacerbationen der Nebenhöhlenentzündung rechtfertigten in Übereinstimmung mit der Einschätzung u. a. von Dr. Sch. eine MdE um allenfalls 20 v. H. Diese Entscheidung wurde dem Kläger am 22.06.2007 zugestellt.
Am 23.07.2007, einem Montag, hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er das am 07.06.2006 an seine Prozessbevollmächtigten übersandte Schreiben von Dr. K. vorgelegt. Darin ist im wesentlichen ausgeführt, beim Kläger liege verletzungsbedingt eine chronisch-rezidivierende Sinusitis vor, die aufgrund der jeweils raschen und adäquaten Therapie bislang keinen schweren, sondern einen mittelschweren Verlauf genommen habe und die Anerkennung einer MdE um mindestens 25 v. H. rechtfertige. Ergänzend hat er - wie bereits im erstinstanzlichen Verfahren - vorgetragen, er habe sich auch nach Antragstellung im Januar 2004 wegen permanenter und schwerwiegender Beschwerden im Bereich der Nasennebenhöhlen in hausärztlicher Behandlung bei Dr. K. befunden, was aber offensichtlich nur unzureichend dokumentiert worden sei.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat die Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. das schriftliche Sachverständigengutachten vom 11.08.2008 erstattet. Darin ist ausgeführt, beim Kläger lägen schädigungsbedingte rezidivierende Nasennebenhöhlenkomplikationen mit Gefahr der aufsteigenden Infektionen zu den Meningen bzw. zum Hirn, Geruchsempfindungsstörungen mäßigen Grades, seit Jahren bestehende polypoide Schleimhauthyperplasien der Nasennebenhöhlen, dauerhafte Hyperplasien der Nasenhaupthöhlen, rezidivierende Infraorbitalisneuralgien und eine behinderte Nasenatmung vor. Die MdE betrage 30 v. H.
In der daraufhin vom Beklagten vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 04.09.2008 heißt es, wesentliche Änderungen der Schädigungsfolgen seien durch das Gutachten nicht belegt.
Der Kläger hat in Bezug auf die Schädigungsfolgen vorgetragen, er habe sich im März 2007 bei Dr. Sch. und am 01.03.2008 in der Notambulanz der Uniklinik/Kopfklinik H. vorgestellt. Vom 03.03 bis 07.03.2008 habe er sich stationär in der der Uniklinik/Kopfklinik H. aufgehalten; anschließend sei er dort ambulant weiterbehandelt worden. Im April 2008 sei in der Uniklinik/HNO-Klinik H. ein Knochenszintigramm durchgeführt worden. Im Zeitraum von April bis Juli 2008 sei er von Dr. K.-Sch. untersucht worden. Im August 2008 habe er sich in der Notaufnahme einer Klinik in S. und im Juni 2009 bei seinem Hausarzt J. vorgestellt. Die Reduzierung seiner Arztbesuche wegen der Schädigungsfolgen sei auf ein Abklingen der Beschwerden im Anschluss an die Verabreichung von Schmerzmitteln, Cortison und Antibiotika wegen der Entzündung seines Beinstumpfs zurückzuführen.
Der Senat hat daraufhin den Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.03 bis 07.03.2008 (Behandlung wegen idiopathischem Hörsturz, Phlegmone des äußeren Ohres und akuter eitriger Otitis media) beigezogen und schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von Dr. Sch. vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 (im Anschluss an die letzte sachverständige Zeugenaussage nur noch dreimalige Vorstellung des Klägers ohne erkennbare Veränderungen in Bezug auf eine MdE) sowie des Hausarztes J. vom 26.11.2009 (Behandlung seit Mai 2007 wegen ausgeprägter Wundheilungsstörung am Unterschenkelstumpf rechts nach traumatisch bedingter Vorfußamputation, daneben Behandlungen von Atemwegsinfekten, allergischer Rhinoconjunktivitis, rezidivierenden Schmerzen am Bewegungsapparat, Bluthochdruck sowie Fettstoffwechselstörung) mit Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 ("Klinische Angaben: Phlegmone des äußeren Ohres, Ohrschmerzen seit Dezember 2007 mit stationärer Behandlung auf der HNO vom 01.-08.03.08 [Uniklinik H.], therapieresistente Otitis externa"; am 03.04.2008 Ganzkörperszintigraphie mit Einzelaufnahmen der Kopf-Hals-Region, des Thorax und des Beckens; chronischer Entzündungsprozess im Bereich des rechtsseitigen Gehörganges/Felsenbeins) eingeholt. Die Kopfklink des Universitätsklinikums H. hat am 30.11.2009 fernmündlich mitgeteilt, der Kläger sei im System nur unter der Hals-Nasen-Ohrenklinik erfasst, so dass von der Kopfklink keine Unterlagen übersandt würden.
Der Kläger ist der Auffassung, seine Rentenberechtigung sei ausreichend nachgewiesen. Im Übrigen seien seine Behandlungen in der Universitätsklinik H. nicht vollständig ermittelt. Auch seien die Ausführungen seines Hausarztes J. nicht vollständig; er habe sich bei diesem seit Mai 2007 mehrmals wegen der streitgegenständlichen Beschwerden vorgestellt und sei zuletzt Ende Juni 2009 krankgeschrieben worden.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 11.05.2007 sowie den Bescheid des Landratsamts R.-N.-Kreis vom 19.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums St. vom 06.03.2006 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen der Folgen der Schädigung vom 29.04.2000 Beschädigtenrente nach dem OEG nach einer MdE um wenigstens 25 v. H. zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats und des Sozialgerichts Mannheim sowie die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts R.-N.-Kreis vom 19.07.2005 und der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums St. vom 06.03.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten. Denn er hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beschädigtenrente nach dem OEG i. V. mit dem BVG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 1 OEG i. V. mit den §§ 30, 31 und 60 BVG für die vom Kläger erstrebte Rente hat das Sozialgericht im angegriffenen Urteil mit Blick auf die bis zum 21.12.2007 (vgl. das Gesetz vom 13.12.2007, BGBl. I 2904) geltende Rechtslage ausführlich und zutreffend dargelegt; hierauf wird verwiesen. Eine hier erhebliche Änderung ist durch die Neufassung der genannten Regelungen und insbesondere die Bezeichnung der früheren MdE nunmehr als Grad der Schädigungsfolgen (GdS; vgl. das Gesetz vom 13.12.2007, a. a. O.) nicht eingetreten.
Der Maßstab für die Einschätzung der MdE bzw. nunmehr des GdS bestimmt sich unter Zugrundelegung der vom (nunmehrigen) Bundesministerium für Arbeit und Soziales (zuletzt im Jahr 2008) herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" - AHP - (vgl. hierzu BSG, Beschluss vom 24.04.2008 - B 9 VJ 7/07 B - zit. nach juris) bzw. der seit dem 01.01.2009 geltenden, die AHP ablösenden und mit dem Rang einer Rechtsverordnung ausgestatteten Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG - (Anlage zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes [Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV -] vom 10.12.2008 [BGBl. I S. 2904; abgedr. im Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15.12.2008]). Sowohl die AHP als auch die VG enthalten Tabellen mit Anhaltswerten für die Beurteilung der Einzel-MdE bzw. des Einzel-GdS bei verschiedenen körperlichen, geistigen und seelischen Störungen; bei Gesundheitsstörungen, die in der Tabelle nicht aufgeführt sind, ist die MdE bzw. der GdS in Analogie zu vergleichbaren Gesundheitsstörungen zu beurteilen (vgl. zu alledem Nr. 26.1 Abs. 1 und 2 der AHP sowie Teil B Nr. 1. a und b der VG). Dabei sollen im Allgemeinen die folgenden Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden: Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz- Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut einschließlich blutbildendes Gewebe und Immunsystem; innere Sekretion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf. Die sehr wenigen in der Tabelle noch enthaltenen Fünfergrade sind alle auf ganz eng umschriebene Gesundheitsstörungen bezogen, die selten allein und sehr selten genau in dieser Form und Ausprägung vorliegen (vgl. hierzu Nr. 18 Abs. 4 der AHP sowie Teil A Nr. 2. e der VG).
Die Gesamtbehinderung eines Menschen lässt sich rechnerisch nicht ermitteln. Bei Zusammentreffen mehrerer Gesundheitsstörungen ist daher für die Bildung der Gesamt-MdE bzw. des Gesamt-GdS eine Addition von Einzelwerten grundsätzlich unzulässig. Auch andere Rechenmethoden sind ungeeignet (vgl. BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82 ff. = SozR 3870 § 3 Nr. 4). In der Regel wird von der Funktionsbeeinträchtigung mit dem höchsten Einzelwert ausgegangen und sodann geprüft, ob und inwieweit das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung durch die anderen Gesundheitsstörungen größer wird. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur eine Einzel-MdE um 10 v. H. bzw. einen Einzel-GdS von 10 bedingen, führen dabei in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einer Einzel-MdE um 20 v. H. bzw. einem Einzel-GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. Nr. 19 Abs. 3 und 4 der AHP sowie Teil A Vorbem. Nr. 3. c und d der VG).
In Anwendung dieser Grundsätze erreichen die beim Kläger bestehenden gesundheitlichen Schädigungsfolgen ab Januar 2004 (dem nach § 60 Abs. 1 Satz 1 BVG maßgeblichen Monat der Antragstellung) keine rentenberechtigende MdE um 25 v. H. bzw. keinen rentenberechtigenden GdS von 25.
Grundlage für die Beurteilung der beim Kläger vorliegenden Schädigungsfolgen sind Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG. Danach ist eine doppelseitige Verengung der Nasengänge mit leichter bis mittelgradiger Atembehinderung mit einer MdE um 10 v. H. bzw. einem GdS von 10, bei starker Atembehinderung mit einer MdE um 20 v. H. bzw. einem GdS von 20 zu bewerten. Eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung leichteren Grades (ohne wesentliche Neben- und Folgeerscheinungen) ist mit einer MdE von 0 bis 10 v. H. bzw. einem GdS von 0 bis 10 und eine solche schwereren Grades (ständige erhebliche Eiterabsonderung, Trigeminusreizerscheinungen, Polypenbildung) mit einer MdE von 20 bis 40 v. H. bzw. einem GdS von 20 bis 40 einzustufen.
Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich der Kläger - worauf bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat - seit Januar 2004 allenfalls sporadisch wegen mit der Schädigung in Zusammenhang zu bringenden Gesundheitsstörungen in ärztlicher Behandlung befunden hat. Nach der vom Sozialgericht beigezogenen Kopie der Patientenkartei der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. stellte sich der Kläger von Januar 2004 bis Juni 2006 lediglich dreimal, am 13.01.2004 (Überweisung an die HNO-Klinik wegen Zustand nach Orbitafraktur, chronisch-rezidivierend), am 19.01.2004 (beim Fitnesstraining spannte die Haut im Bereich des rechten Jochbogens) und am 16.07.2004 (habe wieder das Gefühl einer Schwellung an der rechten Kieferhöhle, solle sich gleich wieder in Kopfklinik vorstellen) in der hausärztlichen Praxis vor. Am 25.09. und 09.10.2006 befand sich der Kläger dann wegen Nasenbeschwerden infolge einer Erkältung in HNO-ärztlicher Behandlung bei Dr. Sch., wobei diese Beschwerden bei der Kontrolluntersuchung am 26.10.2006 abgeklungen waren; die übrigen Behandlungen des Klägers betrafen nicht schädigungsbedingte Ohrprobleme (vgl. die schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen von Dr. Sch. vom 10.03.2007 an das Sozialgericht und vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 an den Senat). Die Behandlungen bei dem Hausarzt J. ab Mai 2007 bezogen sich im Wesentlichen auf gesundheitliche Probleme wegen einer ausgeprägten Wundheilungsstörung am Unterschenkelstumpf rechts und nur unter anderem auch auf Atemwegsinfekte (vgl. hierzu die vom Senat eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage des genannten Arztes vom 26.11.2009). Der vom Senat beigezogene Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 sowie der vom Hausarzt des Klägers J. vorgelegte Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 geben für eine Behandlung schädigungsbedingter Gesundheitsstörungen nichts her, sondern betreffen Behandlungen und Untersuchungen wegen der bereits von Dr. Sch. angeführten Beschwerden der Ohren.
Eine vom Kläger behauptete unvollständige Dokumentation der Behandlungen seiner Nasenbeschwerden sowohl durch Dr. K. (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Sozialgericht vom 23.01.2007) als auch durch Dr. Sch. (vgl. den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Sozialgericht vom 12.04.2007) und durch Dr. J. (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten gegenüber dem Senat vom 22.12.2009) ist auszuschließen. Denn zum einen ist die Annahme, nicht nur ein Arzt, sondern sämtliche den Kläger behandelnden niedergelassenen Ärzte könnten gerade die Dokumentation der hier streitgegenständlichen Beschwerden für den maßgeblichen Zeitraum ab Januar 2004 unterlassen haben, lebensfremd, zumal Dr. Sch. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 05.11.2009 mit Ergänzung vom 19.12.2009 ausdrücklich auf die Vollständigkeit des von ihm vorgelegten Auszuges aus der Patientenakte des Klägers hingewiesen hat. Zum anderen ergeben sich - wie ausgeführt und anders als vom Kläger vorgetragen (vgl. hierzu den Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten an den Senat vom 16.09.2009) - auch aus den bereits angeführten Berichten des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 und vom 09.04.2008 keinerlei Behandlungen wegen schädigungsbedingter Gesundheitsstörungen. Dabei betreffen die genannten Berichte sämtliche vom Kläger vorgetragenen Untersuchungen und Behandlungen im genannten Universitätsklinikum, nämlich die Untersuchung am 01.03.2008 und die Behandlung vom 03. bis zum 08.03.08 wegen Ohrproblemen (vgl. den Bericht der Hals-Nasen-Ohrenklinik des Universitätsklinikums H. vom 07.03.2008 über die stationäre Behandlung des Klägers vom 03.03 bis 07.03.2008 sowie die im Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008 wiedergegebenen klinischen Angaben des Klägers über Grund und Dauer seiner Behandlung in der Hals-Nasen-Ohrenklinik [01.-08.03.08]) sowie die ebenfalls auf Gesundheitsstörungen an den Ohren bezogene knochenszintigraphische Untersuchung am 03.04.2008 (vgl. auch insoweit den Arztbrief der Abteilung Nuklearmedizin des Universitätsklinikums H. vom 09.04.2008).
Auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens, die Reduzierung seiner Arztbesuche wegen der Schädigungsfolgen sei auf ein Abklingen der Beschwerden im Anschluss an die Verabreichung von Schmerzmitteln, Cortison und Antibiotika wegen der Entzündung seines Beinstumpfs zurückzuführen, ist danach eine chronische Nasennebenhöhlenentzündung zumal schwereren Grades i. S. von Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG nur unter Berücksichtigung der von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. im gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 11.08.2008 diagnostizierten polypoiden (polypähnlich aussehenden) Schleimhauthyperplasien der Nasennebenhöhlen nebst rezidivierender Infraorbitalisneuralgien des Nervus trigeminus anzunehmen. Eine den unteren Bereich des Bewertungsrahmens (MdE von 20 bis 40 v. H. bzw. GdS 20 bis 40) überschreitende Einstufung der MdE bzw. des GdS lässt sich angesichts der oben angeführten sporadischen Arztbesuche und der dokumentierten - eher geringen - Auswirkungen allerdings nicht rechtfertigen, so dass die MdE bzw. der GdS insoweit mit 20 v. H. bzw. 20 einzustufen ist.
Die von der Fachärztin für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. K.-Sch. im Gutachten vom 11.08.2008 darüber hinaus diagnostizierte (beidseitige) Behinderung der Nasenatmung rechtfertigt bei isolierter Betrachtung in Ermangelung wie auch immer gearteter Anhaltspunkte für eine mehr als leichte Atembehinderung nach Nr. 26.6 der AHP bzw. Teil B Nr. 6.2 der VG lediglich eine MdE um 10 v. H. bzw. einen GdS von 10.
Nachdem mit der Atembehinderung keine wesentliche zusätzliche Beeinträchtigung einhergeht, ergibt sich bei zusammenfassender Bewertung des Funktionssystems "Nase" angesichts der jedenfalls seit dem hier maßgeblichen Monat der Antragstellung im Januar 2004 insgesamt eher leichten Auswirkungen der schädigungsbedingten Gesundheitsstörungen keine höhere MdE als 20 v. H. bzw. kein höherer Gesamt-GdS als 20. Den abweichenden Einschätzungen von Dr. K. im an die Prozessbevollmächtigten des Klägers gerichteten Schreiben vom 07.06.2006 (MdE um mindestens 25 v. H.) und Dr. K.-Sch. im Gutachten vom 11.08.2008 (MdE um 30 v. H.) folgt der Senat nicht. Denn diesen liegt jeweils die unzulässige Einbeziehung von vor dem hier maßgeblichen Zeitraum eingetretenen Komplikationen und (behandlungsbedingt) nicht eingetretenen Risiken zu Grunde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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