L 6 SB 4530/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 5202/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4530/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.08.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin erstrebt die Ausstellung eines unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweises und wendet sich gegen die Ablehnung ihres vom Beklagten zugleich als Antrag auf Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) ausgelegten Begehrens.

In Ausführung des im vorangegangenen Klageverfahren - S 8 SB 425/07 - vor dem Sozialgericht Karlsruhe abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Anerkenntnisses des Beklagten vom 22.11.2007 stellte das Landratsamt bei der 1952 geborenen Klägerin zuletzt mit Bescheid vom 25.01.2008 einen GdB von 50 seit dem 23.08.2006 wegen der Funktionsbeeinträchtigungen seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom (Teil-GdB 30), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB 10) und Entleerungsstörung der Harnblase (Teil-GdB 30) fest; zugleich wurde der Klägerin ein bis Januar 2011 gültiger Schwerbehindertenausweis ausgestellt. Dem lag die vom Sozialgericht Karlsruhe im genannten Verfahren eingeholte schriftliche sachverständige Zeugenaussage des Urologen Dr. Sch. vom 14.07.2007 zu Grunde, in der eine organisch bedingte Harnblasenerkrankung bejaht und als mögliche Ursache eine medial zentrierte Bandscheibenprotrusion in Höhe L 4/5 bzw. eine mögliche Nervenwurzelirritation L 5/S 1 angeführt worden war. Aufgrund dieser ärztlichen Einschätzung hatte Dr. K. in seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 19.11.2007 die zuvor mit einem Teil-GdB von 10 in die Gesamtbeurteilung eingestellte Entleerungsstörung der Harnblase mit einem Teil-GdB von 30 bewertet und die Erhöhung des Gesamt-GdB von 30 auf 50 vorgeschlagen; gleichzeitig hatte er wegen möglicher Besserung der anerkannten Beeinträchtigungen eine Nachprüfung im Januar 2010 empfohlen.

Mit am 20.05.2008 eingegangenem Schreiben vom 19.05.2008 wandte sich die Klägerin schriftlich unter dem Betreff "Anfrage wegen Verlängerung meines zur Heilbewährung ausgestellten Schwerbehindertenausweises (bis 01.2011)" an das Landratsamt und machte geltend, sie wolle aus gesundheitlichen Gründen Altersteilzeit beantragen, wofür aber "eine unbefristete Anerkennung oder die Verlängerung des Ausweises bis zum 18.08.2015" erforderlich sei. Ihre zwischenzeitlich über 10 Jahre andauernde Schmerzproblematik habe sich zu keinem Zeitpunkt positiv verändert, sondern in Schüben immer zu einer weiteren Verschlechterung geführt. Hierzu legte sie Schreiben des Orthopäden Dr. Sch. vom 11.04.2008 (chronisch progrediente Erkrankungsbilder, Verbesserung von orthopädischer Seite nicht zu erwarten; Schwerbehinderung als unbefristet einzustufen), des Urologen Dr. Sch. vom 28.04.2008 (ausgeprägte Pollakisurie mit teilweise viertelstündlichem Toilettengang bei bisher nicht genau geklärter Ursache und daher nicht realisierbarem kurativem Therapieansatz, bisher auch kein ausreichendes Ansprechen auf symptomatische Behandlungsversuche, auf absehbare Zeit wohl keine Verbesserung des Zustandes zu erwarten; Schwerbehinderung wohl als unbefristet einzustufen), des Allgemeinmediziners B. vom 15.05.2008 (Fibromyalgiesyndrom mit Migräne, Schmerzen in der Muskulatur, an der Wirbelsäule und an den Gelenken bei besonders belastender Blasenstörung, für die Zukunft kaum Verbesserung zu erwarten; Schwerbehindertenausweis als unbefristet einzustufen) und des Diplom-Psychologen K. vom 17.05.2008 (gravierende psychische Problematik mit einer Vielzahl von Beschwerden im somatischen und psychischen Bereich bei psychisch im Vordergrund stehenden massiven Überforderungs- und Insuffizienzgefühlen mit Angstentwicklung und gravierendem Mangel an Entspannungs- und Regenerationsmöglichkeiten, im Rahmen der Behandlung lediglich Linderung der Beschwerden, auch zukünftig keine relevanten Verbesserungen zu erwarten; Schwerbehinderung der Klägerin aus psychotherapeutischer Sicht als unbefristet anzusehen).

In der vom Landratsamt daraufhin eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 20.06.2008 wird der mit Bescheid vom 25.01.2008 festgestellte Gesamt-GdB sowie die dem zu Grunde liegende Einschätzung der Teil-GdB-Werte für die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen auf der Grundlage der von der Klägerin neu vorgelegten Unterlagen bestätigt und ausgeführt, eine Nachprüfung sei im Januar 2010 erforderlich, da eine Besserung "bei Pos. 1.1" (seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden, Fibromyalgiesyndrom, chronisches Schmerzsyndrom) "und 1.3" (Entleerungsstörung der Harnblase) durchaus möglich sei.

Mit Bescheid vom 23.06.2008 lehnte das Landratsamt den Antrag der Klägerin auf Neufeststellung des GdB nach § 69 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) i.V.m. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ab, da die Voraussetzungen für eine höhere Bewertung des GdB nicht vorlägen. Im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, eine Verlängerung des Ausweises über den 31.01.2011 hinaus sei nicht möglich, da im Jahr 2010 eine Überprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse vorgesehen sei.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin im Wesentlichen aus, einen Antrag auf Neufeststellung des GdB habe sie nicht gestellt, so dass der einen solchen Antrag ablehnende Bescheid aufzuheben sei. Hinsichtlich ihres tatsächlich gestellten Antrages auf Erteilung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises sei nicht klar, ob im Bescheid überhaupt eine Entscheidung habe getroffen werden sollen. Insoweit werde auch lediglich die Frage der Verlängerung, nicht aber die Ausstellung eines unbefristeten Ausweises aufgegriffen. Ein solcher unbefristeter Ausweis sei ihr aber nach §§ 69, 70 SGB IX i. V. mit § 6 Abs. 2 S. 2 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwVO) auszustellen. Das setze voraus, dass eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen seien, nicht zu erwarten sei. Diese Voraussetzung sei ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen von Dr. Sch. und Dr. Sch. sowie des Allgemeinmediziners B. und des Diplom-Psychologen K. erfüllt.

In der vom Regierungspräsidium S. eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Sch. vom 04.10.2008 heißt es, in Anbetracht der Situation der festgestellten Störungen sei eine Besserung insbesondere im Hinblick auf den Teil-GdB 1.3 (Entleerungsstörung der Harnblase) nicht a priori auszuschließen, so dass eine Nachprüfung als sinnvoll zu erachten sei und sich keine Abhilfemöglichkeit ergebe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.10.2008 wies das Regierungspräsidium St. den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist ausgeführt, nach der SchwbAwVO sei die Gültigkeit des Schwerbehindertenausweises für die Dauer von längstens fünf Jahren vom Monat der Ausstellung an zu befristen. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 S. 2 SchwbAwVO sei der Behörde Ermessen eröffnet, bei dessen Ausübung neben den persönlichen Verhältnissen und dem Grad des Vertrauensschutzes auch die der Verwaltung obliegende Pflicht der gesetzestreuen Ausführung rechtlicher Vorschriften und das Gebot der Gleichbehandlung miteinander übereinstimmender Sachverhalte zu berücksichtigen sei. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung "Entleerungsstörung der Harnblase" sei nach Feststellung des ärztlichen Sachverständigen eine Besserung des Zustandes nicht auszuschließen. Unter diesen Umständen könne unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes von einer Nachprüfung von Amts wegen nicht abgesehen werden.

Am 27.11.2008 erhob die Klägerin beim Sozialgericht Karlsruhe Klage.

Das Sozialgericht holte schriftliche sachverständige Zeugenaussagen der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 27.01.2009 (Behandlung seit Mai 2008, Neurasthenie mit starker Erschöpfungssymptomatik, schwere depressive Episode mit Konzentrationsstörungen, Ein- und Durchschlafstörungen, Zukunftsängsten und Selbstwertdefizit, somatoforme autonome Funktionsstörung mit Schmerzen am gesamten Körper sowie Migräneattacken, völliger sozialer Rückzug mit nach ihren Angaben erforderlichem Toilettenbesuch alle 5 bis 10 Minuten; ohne Änderung der beruflichen Situation Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten), von Dr. Sch. vom "12.07.2007" (letztmalige Vorstellung am 16.01.2009; Bestätigung der Angaben und Einschätzung im Arztbrief vom 11.04.2008) sowie von Dr. Sch. vom 17.02.2009 (keine Veränderung der Blasenentleerungsstörung seit 2006 bei zusätzlich aufgetretener Dranginkontinenz; wohl bestehende Innervationsstörung bei bislang nicht feststellbarer Ursache, daher kein kurativer Therapieansatz) ein.

Die Klägerin trug ergänzend vor, im Widerspruchsbescheid fehle eine Begründung für die Zurückweisung des Widerspruchs auch betreffend die Ablehnung eines nicht gestellten Antrages auf Neufeststellung des GdB. Eine Korrektur des Ausgangsbescheides sei weder erfolgt noch ohne dessen Aufhebung möglich. Nachdem mit einer gesundheitlichen Besserung nicht mehr zu rechnen sei, stehe die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises nicht im Ermessen der Behörde, sondern sei ein solcher Ausweis auszustellen. Selbst dann, wenn ein Ermessensspielraum verbleibe, sei die getroffene Entscheidung fehlerhaft. Zum einen sei kein Ermessen ausgeübt worden. Zum anderen sei insbesondere der Grund, weshalb sie einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis benötige, nicht in die Ermessenserwägungen einbezogen worden. Schließlich sei die Entscheidung bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände unverhältnismäßig. Sofern man für die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises das Vorliegen eines atypischen Sonderfalls fordere, sei diese Voraussetzung erfüllt, da sie mit Blick auf die erstrebte Altersteilzeitregelung gegenüber ihrem Dienstherrn nicht nur ihre Schwerbehinderung, sondern auch nachweisen müsse, dass eine wesentliche Änderung nicht zu erwarten sei.

Der Beklagte trug vor, der Widerspruchsbescheid habe die Auslegung des Begehrens der Klägerin als Antrag auf Neufeststellung korrigiert. Ein Rechtsanspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises bestehe nicht, da dem Ausweis nur deklaratorische Wirkung zukomme.

Mit Urteil vom 28.08.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung ist unter Darstellung der rechtlichen Grundlagen für die Feststellung des GdB sowie für die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises ausgeführt, die Klägerin sei durch die im Ausgangsbescheid erfolgte Ablehnung eines Neufeststellungsantrages nicht beschwert. Denn der Beklagte habe nicht zu ihrem Nachteil in ihre Rechtsposition eingegriffen. Darüber hinaus habe der Beklagte das Antragsschreiben der Klägerin, in dem diese auf eine schrittweise Verschlechterung ihrer Schmerzproblematik hingewiesen habe, aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers auch als Verschlimmerungsantrag werten und verbescheiden können. Hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Schwerbehindertenausweises habe der Beklagte bereits im Ausgangsbescheid - wenn auch erst im Anschluss an die Rechtsbehelfsbelehrung - eine Entscheidung getroffen und den Antrag auf Erteilung eines unbefristeten Ausweises abgelehnt. Diese Entscheidung sei nicht zu beanstanden. Zum einen komme dem Ausweis keine materiell-rechtliche, sondern lediglich eine deklaratorische Wirkung zu. Zum anderen sei auch eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin nicht von vornherein ausgeschlossen. Denn diese hänge von verschiedenen Faktoren ab. Auch seien dem Gericht Fälle bekannt in denen bei vergleichbaren Gesundheitsstörungen, insbesondere in Bezug auf eine Fibromyalgieerkrankung und urologische Erkrankungen, auch bei längerem Krankheitsverlauf Besserungen des Gesundheitszustandes eingetreten seien. Im Übrigen sei auch der Dienstherr der Klägerin an die Statusfeststellung im Bescheid des Beklagten vom 25.01.2008 gebunden. Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 02.09.2009 zugestellt.

Am 02.10.2009 hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren. Ergänzend trägt sie vor, ihr beim Beklagten angebrachter Antrag lasse sich auch aus Sicht eines objektiven Empfängers ausschließlich so verstehen, dass sie einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis wünsche. Auch der Beklagte habe in der Klageerwiderung gegenüber dem Sozialgericht zum Ausdruck gebracht, dass er ihren Antrag im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens nicht mehr als Antrag auf Neufeststellung ausgelegt habe. Durch die Ablehnung des von ihr nicht gestellten Antrages sei sie auch beschwert. Zwar sei ihr zwischenzeitlich von ihrem Dienstherrn Altersteilzeit gewährt worden, obschon sie nicht im Besitz eines hierfür regelmäßig geforderten unbefristeten Schwerbehindertenausweises sei. Jedoch sei nicht auszuschließen, dass der Dienstherr diese von der üblichen Praxis abweichende Entscheidung wieder rückgängig mache, so dass sie weiterhin ein Interesse an der Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises habe. Dass auch in ihrem Fall mit einer Besserung des Gesundheitszustandes zu rechnen sei, ergebe sich aus den Ausführungen des Sozialgerichts zu ihm bekannt gewordenen Fallgestaltungen nicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 28.08.2009 sowie den Bescheid vom 23.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr einen unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweis auszustellen, hilfsweise über ihren Antrag auf Ausstellung eines unbefristet gültigen Schwerbehindertenausweises unter Beachtung der Rechtsauffasssung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor, der Antrag der Klägerin sei seinerzeit zu Recht als Neufeststellungsantrag ausgelegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten des Senats, die Akten des Sozialgerichts Karlsruhe - S 8 SB 425/07 und S 1 SB 5202/08 - sowie die beigezogenen Schwerbehindertenakten des Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Landratsamts Karlsruhe vom 23.06.2008 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 24.10.2008 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Soweit sich die Klägerin gegen den einen Neufeststellungsantrag ablehnenden Entscheidungsausspruch im Bescheid vom 23.06.2008 wendet, hat bereits das Sozialgericht im angegriffenen Urteil zutreffend dargelegt, dass das Antragsschreiben der Klägerin aus der maßgeblichen Sicht des Empfängers (auch) als Neufeststellungsantrag gewertet und verbeschieden werden durfte; auf diese Ausführungen wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Insoweit ist insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Auslegung des von der Klägerin mit dem am 20.05.2008 eingereichten Schreiben verfolgten Ziels bereits mit Blick auf die unverbindliche Wortwahl der "Anfrage wegen Verlängerung meines zur Heilbewährung ausgestellten Schwerbehindertenausweises (bis 01.2011)" erforderlich war. Angesichts des schon im angegriffenen Urteil angeführten Hinweises der Klägerin auf eine schrittweise Verschlechterung ihrer Schmerzproblematik, der zugleich vorgelegten Schreiben des Orthopäden Dr. Sch. vom 11.04.2008, des Urologen Dr. Sch. vom 28.04.2008, des Allgemeinmediziners B. vom 15.05.2008 und des Diplom-Psychologen K. vom 17.05.2008 sowie des Umstandes, dass eine Erhöhung des GdB möglicherweise geeignet gewesen wäre, die erstrebte Verlängerung des Schwerbehindertenausweises zu tragen, ist das Landratsamt im Rahmen der Auslegung des mit dem Schreiben vom 19.05.2008 verfolgten Begehrens zutreffend und zu Gunsten der Klägerin von einem Neufeststellungsantrag i. S. des § 48 SGB X ausgegangen. Zwar hat die Klägerin im Widerspruchsverfahren mitgeteilt, sie habe keinen Erhöhungsantrag stellen wollen. Indes ist der angeführte Antrag damit nicht gleichsam rückwirkend entfallen.

Hat das Landratsamt mithin durch Bescheid vom 23.06.2008 zu Recht über einen Neufeststellungsantrag der Klägerin entschieden, so war und ist der in Rede stehende Entscheidungsausspruch auch nicht auf die hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe bzw. Rechtsmittel aufzuheben. Denn nachdem das Verfahren nach § 48 SGB X nicht antragsabhängig ist, ist die eine Neufeststellung ablehnende Entscheidung nicht nach ihrem Erlass rechtswidrig geworden.

2. Hinsichtlich der von der Klägerin erstrebten Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises nebst Aufhebung der insoweit ergangenen behördlichen Entscheidungen gilt im Ergebnis nichts anderes.

Soweit die Klägerin meint, es fehle an einer Ablehnung ihres entsprechenden Antrages durch den Beklagten, hat bereits das Sozialgericht im angegriffenen Urteil dargelegt, dass und weshalb bereits der Bescheid vom 23.06.2008 eine entsprechende Regelung enthält; hierauf wird verwiesen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Diese behördliche Entscheidung ist auch nicht etwa deshalb fehlerhaft oder unbestimmt, weil (lediglich) die Frage einer "Verlängerung" angesprochen ist. Denn auch bei der von der Klägerin begehrten unbefristeten Gültigkeitsdauer handelte es sich der Sache nach um eine Verlängerung der zunächst befristeten Geltungsdauer des Schwerbehindertenausweises.

Der Klägerin steht aber auch der von ihr geltend gemachte Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises nicht zu. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich aus den insoweit maßgeblichen Regelungen des § 69 Abs. 5 SGB IX i. V. mit § 6 Abs. 2 SchwbAwVO ein subjektiv öffentliches Recht auf Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises ergibt. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelungen sind nicht erfüllt.

So sieht zunächst § 69 Abs. 5 Satz 3 SGB IX vor, dass die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden soll. Demgemäß ist die Gültigkeit des Ausweises nach § 6 Abs. 2 Satz 1 SchwbAwVO für die Dauer von längstens 5 Jahren vom Monat der Ausstellung an zu befristen. Lediglich in den Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, kann gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwVO der Ausweis unbefristet ausgestellt werden. Dabei ist angesichts des in § 69 Abs. 5 Satz 3 SGB IX ("soll") normierten Regel-Ausnahme-Verhältnisses ein Absehen von der Befristung nur in atypischen Sonderfällen möglich. Daher sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwVO nicht bereits dann erfüllt, wenn die Erwartung einer Besserung nicht besteht, also eine Besserung nicht mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird. Denn in diesem Fall wäre das angeführte Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt, da der Versorgungsverwaltung eine Ermessensentscheidung über die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises selbst bei (leicht) überwiegenden Besserungsaussichten eröffnet wäre. Vielmehr bedarf es ebenso wie im Rahmen der - zur befristeten Rentengewährung gleichfalls in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis stehenden (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Rdnr. 6 zu § 102 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB VI]) - unbefristeten Gewährung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI der Prognose, dass eine Besserung unwahrscheinlich ist (vgl. Kasseler Kommentar, a.a.O., Rdnr. 11 zu § 102). Entscheidend ist dabei, ob schwerwiegende medizinische Gründe gegen eine rechtlich relevante Besserungsaussicht sprechen; dies ist nicht der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, das Leistungsvermögen des Betroffenen auf der Grundlage anerkannter Behandlungsmethoden wieder herzustellen (vgl. auch hierzu Kasseler Kommentar, a.a.O., Rdnrn. 12, 13 zu § 102).

In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Beklagten vorliegend bei der Entscheidung über die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises kein Ermessen eröffnet. Denn eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, ist vorliegend möglich. Schlüssig und nachvollziehbar hat Dr. Sch. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 04.10.2008 insoweit auf die mit einem Teil-GdB von 30 bewertete Entleerungsstörung der Harnblase hingewiesen, die erst zur Anerkennung der Schwerbehinderung der Klägerin im vorangegangenen Klageverfahren - S 8 SB 425/07 - vor dem Sozialgericht Karlsruhe geführt hat. Dies gilt insbesondere mit Blick darauf, dass der Urologe Dr. Sch. in seinen schriftlichen sachverständigen Zeugenaussagen vom 14.07.2007 und vom 17.02.2009 sowie in dem von der Klägerin im Rahmen der Antragstellung dem Landratsamt vorgelegten Schreiben vom 28.04.2008 keine sichere Ursache der Harnblasenerkrankung berichten konnte und nur deshalb einen realisierbaren Behandlungsansatz nicht sah. Sofern sich die Ursache klären lässt, was insbesondere angesichts der anerkannten seelischen Störung mit funktionellen Organbeschwerden nicht unwahrscheinlich ist, wäre eine Behandlung und mithin auch eine Besserung möglich. Demgemäß hat Dr. Sch. die Möglichkeit einer Besserung des Zustandes der Klägerin auch nicht verneint, sondern in seinem Schreiben vom 28.04.2008 lediglich ausgeführt, auf absehbare Zeit sei "wohl" keine Verbesserung des Zustandes zu erwarten.

Anlass für weitere Ermittlungen besteht nach alledem nicht, so dass der Senat die von der Klägerin begehrte Einholung eines erneuten Sachverständigengutachtens ablehnt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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