Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 13 SB 6716/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4591/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.06.2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1947 geborene, derzeit als Lehrerin berufstätige Klägerin begehrt eine Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB).
Das ehemalige Versorgungsamt stellte, nachdem Dr. L. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2003 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen und Ohrgeräusch (Teil-GdB 20), einen Bluthochdruck und einen kombinierten Herzklappenfehler (Teil-GdB 20) sowie eine seelische Störung (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 30 eingeschätzt hatte, mit Bescheid vom 04.04.2003 den GdB der Klägerin mit 30 ab 02.01.2003 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg, nachdem Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.10.2003 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung festgehalten hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2004 zurück.
Am 17.06.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 10.06.2005 und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K.-R. vom 02.03.2005 die Neufeststellung ihres GdB. Ebenfalls aktenkundig wurde der Arztbrief der Klinik W. in B. vom 16.05.2005. Sodann holte die Versorgungsverwaltung den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. V. vom 02.06.2005 ein. Dr. G. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.06.2005 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 20), einen kombinierten Herzklappenfehler und einen Bluthochdruck (Teil-GdB 10) sowie eine seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden und Ohrgeräusche (Teil-GdB 30) und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Das zuständig gewordene Landratsamt B. stellte mit Bescheid vom 22.06.2005 unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 den GdB der Klägerin mit 40 ab 17.06.2005 fest.
Hiergegen legte die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigung der Dr. K.-R. vom 08.07.2005 Widerspruch ein. Dr. K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.09.2005 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Das Regierungspräsidium wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 24.10.2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart.
Das Sozialgericht hörte zunächst Dr. P., Dr. K.-R. und Dr. V. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. P. führte unter dem 04.01.2006 aus, der Schwerpunkt liege in dem seelischen Leiden und den vorwiegend daraus resultierenden somatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Tinnitus, arterielle Hypertonie, Rückenschmerzen und rezidivierende Infekte der oberen Atemwege und legte den Arztbrief des Facharztes für Kardiologie und Innere Medizin Hahn vom 07.07.2005 vor. Dr. K.-R. beschrieb unter dem 10.03.2006 eine teils mit Panikattacken verknüpfte chronifizierte Erschöpfungsdepression bei perfektionistischer Persönlichkeitsstruktur, eine chronische Schlafstörung, eine somatoforme Schmerzstörung mit Spannungs- und Rückenschmerzen, einen labilen arteriellen Hochdruck sowie einen beidseitigen Tinnitus und legte den Arztbrief der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. J. vom 19.01.2006 vor. Dr. V. beschrieb unter dem 13.03.2006 eine Skoliose, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose mit teils deutlicher Minderung der Zwischenwirbelräume und Foramenstenose, einen Tinnitus, ein cervicocephales Syndrom, eine Schleimbeutelentzündung beider Schultergelenke, eine Polyarthrose beider Hände sowie eine Varikosis. Dr. W. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.04.2006 aus, es ergäben sich keine Gesichtspunkte für eine Höherbewertung des GdB der Klägerin. Die Klägerin legte die Bescheinigung des Dr. V. vom 20.09.2006 vor.
Das Sozialgericht holte von Amts wegen das psychiatrisch/psychoanalytische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Hensel vom 04.12.2006 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, eine Angststörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Somatisierungsstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, abhängigen und selbstunsicheren Zügen. Dabei handle es sich um stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der diesbezügliche GdB betrage 40. Die festgestellten organischen Leiden dürften auf Grund der mit ihnen verbundenen Einschränkungen, die mit den psychosomatischen Einschränkungen eng verwoben seien, nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen, da das Ausmaß der Behinderung nicht größer werde. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.05.2007 aus, unabhängig von der Bewertung der psychischen Störung mit einem Teil-GdB von 30 oder 40 werde durch die zusätzlich vorliegende leichte Funktionsbeeinträchtigung des Halte- und Bewegungsapparates mit einem Teil-GdB von 20 die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht. Zum einen seien die somatoforme Schmerzkomponente und die organisch bedingte Schmerzkomponente nur schwerlich voneinander zu trennen. Zum anderen seien von orthopädischer Seite keine höhergradigen objektivierbaren Funktionseinschränkungen beschrieben.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 14.06.2007 die Klage ab. Die vom Beklagten getroffene Einstufung des Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenproblematik sei nicht zu beanstanden. Auch im übrigen orthopädischen Bereich lägen keine GdB-relevanten Einschränkungen vor. Der vom Sachverständigen mit einem Teil-GdB von 40 für den psychischen und psychosomatischen Bereich zu Grunde gelegte Wert sei nachvollziehbar begründet und decke sich mit dem geschilderten Beschwerdebild. Die psychovegetativen Begleiterscheinungen des Tinnitus und der Innenohrschwerhörigkeit seien im Rahmen des psychiatrisch bedingten Teil-GdB einzuordnen. Auf internistischem Fachgebiet lägen keine GdB-relevanten Funktionseinschränkungen vor. Der Gesamt-GdB betrage 40. Im Mittelpunkt der Beschwerden stehe das Funktionssystem Gehirn samt Psyche. Da eine Trennung der Schmerzen nicht möglich sei, habe eine Doppelberücksichtigung durch eine weitere Erhöhung zu unterbleiben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 10.09.2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 19.09.2007 Berufung eingelegt. Auf psychiatrischem Fachgebiet lägen insgesamt schwere Störungen mit mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen Teil-GdB von mindestens 50 bedingten, vor. Die Auswirkungen des Tinnitus wie verstärke Stressintoleranz, Blutdrucksteigerung, Herzklopfen, Zunahme der Spannungskopfschmerzen und Zunahme der Depressionen sowie die Innenohrschwerhörigkeit überschnitten sich nicht gänzlich mit den psychischen Störungen. Ferner lägen erhebliche auf orthopädischem Gebiet liegende Behinderungen vor, die eine Erhöhung des Gesamt-GdB rechtfertigten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.06.2007 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamts B. vom 22.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 07.10.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihren GdB mit 50 seit 17.06.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine wesentliche Verschlimmerung im Gesundheitszustand der Klägerin, die zu einer Anhebung des GdB auf wenigstens 50 führen könnte, sei nicht nachgewiesen.
Der Senat hat von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. H., Leitender Arzt am Orthopädischen Forschungsinstitut S., vom 03.01.2008 eingeholt. Der Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30, die Fingerpolyarthrose mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsstörungen der Schultergelenke mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Unter Berücksichtigung des Teil-GdB von 30 für die seelische Störung, funktionellen Organbeschwerden und Ohrgeräusche sowie des Teil-GdB von 10 für den kombinierten Herzklappenfehler und den Bluthochdruck betrage der Gesamt-GdB 40. Wenn man die Angaben der Klägerin im Rahmen der Funktions-, Hobby- und Sozialanamnese berücksichtige und diesbezüglich augenscheinliche Einschränkungen zu Einschränkungen, wie sie in Bezug auf Geschlecht und Lebensalter als normal zu gelten hätten, in Relation setzte, so seien die seelischen und körperlichen Einschränkungen zusammen mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet.
Hierzu hat die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigungen des Dr. P. vom 30.01.2008 und der Dr. K.-R. vom 02.02.2008 ausgeführt, es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, dass von einer vollständigen Überschneidung der psychiatrischen und orthopädischen Behinderungen ausgegangen werde.
Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Diplom-Psychologe, Neuropsychologe und Psychotherapeut K. hat in seinem auf Anraten des Dr. L. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten testpsychologischen Zusatzgutachten vom 19.09.2008 ausgeführt, bei der Klägerin liege eine rasche Erschöpfbarkeit mit mnestischen und konzentrativen Schwächen vor. Aktenkundig seien vielfach zum Teil auch schwer ausgeprägte depressive Episoden. Die durch ihn erhobenen Befunde ließen dies als nachvollziehbar erscheinen, wenngleich aktuell keine Depression oder erhöhte Depressivität habe gefunden werden können. Vielmehr ließen insbesondere berufliche Belastungen, verbunden mit einer Abnahme der Leistungsfähigkeit, Gefühlen der Insuffizienz und einer Zunahme der Diskrepanz zwischen Leistungsvermögen und Leistungsanspruch das Auftreten depressiver Reaktionen wahrscheinlich erscheinen. Bei den Untersuchungen hätten sich Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen, die als leicht bis mittelgradig beurteilt werden könnten, gefunden. Der von der Klägerin beklagte Tinnitus beidseits sei als schwer zu bewerten. Psychopathologische Auffälligkeiten hätten sich nicht gefunden. Unter Berücksichtigung der neuropsychologischen Befunde und der durch den Tinnitus ausgelösten psychischen Belastung sei der GdB mit 30 einzuschätzen. Beigefügt war der Arztbrief der Klinik W. in B. vom 18.04.2008. Zu einer Erstellung des Hauptgutachtens ist es wegen des Todes des Dr. L. nicht mehr gekommen.
Dr. R. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.02.2009 ausgeführt, in der Zusammenschau der im testpsychologischen Zusatzgutachten dargestellten Befunde sei von Schwankungen im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen. Bei einem längeren Leidensverlauf sei bei der Bemessung des GdB von einem Durchschnittswert auszugehen. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.03.2009 hat Dr. R. ausgeführt, den Tei-GdB-Bewertungen des Dr. H. könne nicht gefolgt werden. Eine schwere funktionelle Auswirkung im Bereich der Wirbelsäule sei nicht hinreichend dokumentiert. Im Bereich der Schultergelenke hätten sich keine offenkundigen Bewegungseinschränkungen gefunden. Die Fingergelenke seien mäßiggradig verplumpt und der Faustschluss sei nicht beeinträchtigt. Ein Teil-GdB von 20 hierfür sei nicht nachvollziehbar, da selbst die Versteifung eines Handgelenks oder beider Daumengelenke und des Mittelhandwurzelgelenks nur mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten wäre. Dr. H. könne nur insoweit gefolgt werden, als dieser den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt habe, da die somatoforme und die organisch-bedingte Schmerzkomponente nur schwerlich voneinander zu trennen seien.
Der Diplom-Psychologe, Neuropsychologe und psychologische Psychotherapeut K. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 11.05.2009 ausgeführt, zum Zeitpunkt der Begutachtung seien Befunde erhoben worden, die seines Erachtens eine Einschätzung des Teil-GdB mit 30 rechtfertigten. Da die entsprechenden Untersuchungen zu einem Zeitpunkt stattgefunden hätten, zu dem die Klägerin weitgehend erholt und unbelastet erschienen sei, handle es sich hierbei um eine Mindesteinschätzung.
Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG das nervenärztliche Gutachten des Nervenarztes und Psychotherapeuten Prof. Dr. R. vom 26.08.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat eine chronische Neurasthenie mit fluktuierenden depressiven Episoden und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die Störungen, die auf der Basis einer anhaltenden akzentuierten Erschöpfung und extremen psychischen und physischen Ermüdbarkeit aufträten und eine Mehrzahl von psychischen Funktionen wesentlich beeinträchtigten, führten bei der Klägerin, die in ihrem Beruf als Lehrerin affektiv und intellektuell dauernd in Anspruch genommen sei, zu einer ernsten beruflichen Behinderung und einer nur noch mittelgradigen sozialen Anpassung. Die psychiatrischen Funktionsstörungen verursachten durch die Intensität und ihre Verlaufsdauer einen mittelschweren bis schweren Grad der Behinderung. Die Störungen der verschiedenen Teilfunktionen sowie die somatoforme Schmerzsymptomatik seien miteinander so eng verzahnt, dass man von einem Gesamt-GdB von 50 ausgehen müsse.
Hierzu hat Dr. M. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2010 ausgeführt, der Einstufung mit einem Gesamt-GdB von 50 könne nicht gefolgt werden. Die seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden und Ohrgeräuschen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei mit einem Teil-GdB von 30 angemessen eingestuft. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom und Fingerpolyarthrose entspreche einem Teil-GdB von 20. Zwischen den Funktionseinschränkungen ergäben sich erhebliche Überschneidungen. Die Klägerin sei verständlicher Weise durch ihr fortgeschrittenes Lebensalter weniger den anstrengenden beruflichen Anforderungen gewachsen. Dies könne nicht als zunehmende GdB-relevante Funktionseinschränkung gewertet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40.
Zu Recht hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 07.10.2005 eine Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 nur insoweit vorgenommen, als er den GdB mit 40 festgestellt hat.
Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Behinderung liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Änderung des Gesundheitszustands zu einer Änderung des GdB um wenigstens 10 führt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, Nr. 19 Abs. 1, S. 24; VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, Nr. 19 Abs. 3, S. 25; VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, Nr. 19 Abs. 4, S. 26; VG Teil A Nr. 3 d ee).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt kein höherer GdB als 40 vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7, S. 27 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40, schweren Störungen (beispielsweise schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Die Klägerin leidet auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen an einem Erschöpfungssyndrom und einer somatoformen Schmerzstörung, verbunden mit einer rezidivierenden depressiven Störung und einer Angststörung. Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich dabei um stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Dass es sich bei dem seelischen Leiden der Klägerin noch nicht um schwere Störungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten handelt, ergibt sich für den Senat vor allem daraus, dass die Klägerin noch in der Lage ist, ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin mit einem Wochenumfang von 25 Stunden nachzugehen. Ferner ergibt sich daraus, dass die Klägerin ausweislich ihrer gegenüber Dr. H. gemachten Angaben ein- bis zweimal wöchentlich Nordic Walking betreibt sowie zwei- bis dreimal wöchentlich Fitnessübungen in einem Fitnessstudio oder im Rahmen eines Gruppen-Zirkeltrainings durchführt, dass die Klägerin über den Schulalltag hinaus über ausreichend Außenkontakte verfügt und daher nicht von einem sozialen Rückzug auszugehen ist. Entscheidend sind für die Beurteilung des GdB nicht die einzelnen Diagnosen, sondern die sich aus dem seelischen Leiden ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen. Eine schwere Einschränkung, die Funktionen im täglichen Leben weiter auszuführen, sieht der Senat aber nicht. Die vom Facharzt für Psychiatrie Hensel in seinem Gutachten vom 04.12.2006 getroffene Beurteilung des GdB mit 40 hat sich durch das Zusatzgutachten des Diplom-Psychologen, Neuropsychologen und Psychotherapeuten K. vom 19.09.2008 bestätigt. Er ist bei der Klägerin von einer raschen Erschöpfbarkeit mit mnestischen und konzentrativen Schwächen ohne aktuelle Depressivität ausgegangen. Die Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen hat er als leicht bis mittelgradig beurteilt. Psychopathologische Auffälligkeiten hat er nicht gefunden. Eine höhere GdB-Beurteilung ergibt sich nach Ansicht des Senats nicht aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 26.08.2009. Er hat keine Funktionsbeeinträchtingungen beschrieben, die die Annahme einer schweren seelischen Störung rechtfertigen.
Der Teil-GdB von 40 für das seelische Leiden der Klägerin erfährt keine Erhöhung wegen der Begleiterscheinungen des Tinnitus. Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet liegt bei der Klägerin ausweislich des Arzttbriefs der Dr. J. vom 19.01.2006 neben der leichten und daher nicht GdB-relevanten Innenohrschwerhörigkeit ein Tinnitus vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.3, S. 37 beträgt für Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10, mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen der GdB 20, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägte depressive Störungen) der GdB 30 bis 40 und mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mindestens 50. Nach Ansicht des Senats liegt bei der Klägerin - wie oben dargelegt - eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und mithin ein GdB von 40 vor. Dabei ist zu beachten, dass die Begleiterscheinungen des Tinnitus völlig in dem für den für das seelische Leiden vergebenen Teil-GdB von 40 aufgehen und daher nicht zu einer Erhöhung dieses Teil-GdB führen können.
Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9, S. 90 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen im Bereich der Wirbelsäule nach dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008 funktionelle Störungen in Form von Blockierungen und Verspannungen der Rumpfmuskulatur sowie radiologisch fortgeschrittene strukturelle Verschleißerscheinungen in allen Wirbelsäulenabschnitten vor. Dabei handelt es sich nach Überzeugung des Senats aber nur um geringe und noch nicht um mittelgradige oder gar schwere funktionelle Auswirkungen. So hat Dr. H. in Bezug auf die Beweglichkeitsprüfung angegeben, dass sich im Bereich der Halswirbelsäule bei Spontanbewegungen während der Anamnese sowie des An- und Auskleidevorgangs keine offenkundigen Bewegungseinschränkungen gezeigt haben und überhaupt eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit beziehungsweise eine Fixierung bei Komplexbewegungen wie beispielsweise beim Hinsetzen, Aufstehen oder Auskleiden nicht aufgefallen ist.
Im Bereich der Schultergelenke liegen keine GdB-relevanten Funktionsstörungen vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.13, S. 93 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei einer Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der GdB 10 sowie bei einer Armhebung nur bis zu 90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der GdB 20. Nach dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008 ist bei der Klägerin die Schultergelenksbeweglichkeit nicht eingeschränkt. Mithin liegt im Bereich der Schultern der Klägerin kein GdB vor.
Auch bedingt die Fingerpolyarthrose der Klägerin keinen GdB. So ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008, dass ein kräftiger Faustschluss möglich ist, die Klägerin mit allen Langfingerkuppen die jeweilige Daumenspitze erreichen kann und Komplexbewegungen wie beispielsweise Faust-, Spitz- und Schlüsselgriffe der Hände ausführbar sind.
Die Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet wie die arterielle Hypertonie und die rezidivierenden Infekte der oberen Atemwege bedingen ebenfalls keinen GdB. So hat der Senat keine Anhaltspunkte, von einer nach den VG, Teil B, Nr. 9.3, S. 51 einen GdB von mindestens 20 bedingenden mittelschweren Form der Hypertonie mit Organbeteiligung oder einer dauerhaften Einschränkung der Atemfunktion auszugehen.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte (Teil-GdB 40 für die seelische Störung mit Tinnitus und Teil-GdB 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule) kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Der Senat stützt sich bei der Beurteilung des Gesamt-GdB auf die schlüssigen und gut nachvollziehbaren Beurteilungen des Facharzt für Psychiatrie Hensel in seinem Gutachten vom 04.12.2006 und des Dr. H. in seinem Gutachten vom 03.01.2008. Beide Gutachter haben dargelegt, warum das Ausmaß der seelisch bedingten Funktionsbehinderung durch die somatischen Erkrankungen nicht erhöht wird.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die 1947 geborene, derzeit als Lehrerin berufstätige Klägerin begehrt eine Neufeststellung ihres Grades der Behinderung (GdB).
Das ehemalige Versorgungsamt stellte, nachdem Dr. L. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 31.03.2003 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit degenerativen Veränderungen und Ohrgeräusch (Teil-GdB 20), einen Bluthochdruck und einen kombinierten Herzklappenfehler (Teil-GdB 20) sowie eine seelische Störung (Teil-GdB 10) berücksichtigt und den Gesamt-GdB mit 30 eingeschätzt hatte, mit Bescheid vom 04.04.2003 den GdB der Klägerin mit 30 ab 02.01.2003 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg, nachdem Dr. K. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.10.2003 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung festgehalten hatte, mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2004 zurück.
Am 17.06.2005 beantragte die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 10.06.2005 und der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. K.-R. vom 02.03.2005 die Neufeststellung ihres GdB. Ebenfalls aktenkundig wurde der Arztbrief der Klinik W. in B. vom 16.05.2005. Sodann holte die Versorgungsverwaltung den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. V. vom 02.06.2005 ein. Dr. G. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.06.2005 als Behinderungen eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, ein Schulter-Arm-Syndrom und eine Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 20), einen kombinierten Herzklappenfehler und einen Bluthochdruck (Teil-GdB 10) sowie eine seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden und Ohrgeräusche (Teil-GdB 30) und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Das zuständig gewordene Landratsamt B. stellte mit Bescheid vom 22.06.2005 unter Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 den GdB der Klägerin mit 40 ab 17.06.2005 fest.
Hiergegen legte die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigung der Dr. K.-R. vom 08.07.2005 Widerspruch ein. Dr. K. hielt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 02.09.2005 an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Das Regierungspräsidium wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2005 zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 24.10.2005 Klage zum Sozialgericht Stuttgart.
Das Sozialgericht hörte zunächst Dr. P., Dr. K.-R. und Dr. V. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. P. führte unter dem 04.01.2006 aus, der Schwerpunkt liege in dem seelischen Leiden und den vorwiegend daraus resultierenden somatischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Tinnitus, arterielle Hypertonie, Rückenschmerzen und rezidivierende Infekte der oberen Atemwege und legte den Arztbrief des Facharztes für Kardiologie und Innere Medizin Hahn vom 07.07.2005 vor. Dr. K.-R. beschrieb unter dem 10.03.2006 eine teils mit Panikattacken verknüpfte chronifizierte Erschöpfungsdepression bei perfektionistischer Persönlichkeitsstruktur, eine chronische Schlafstörung, eine somatoforme Schmerzstörung mit Spannungs- und Rückenschmerzen, einen labilen arteriellen Hochdruck sowie einen beidseitigen Tinnitus und legte den Arztbrief der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin Dr. J. vom 19.01.2006 vor. Dr. V. beschrieb unter dem 13.03.2006 eine Skoliose, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom bei Osteochondrose mit teils deutlicher Minderung der Zwischenwirbelräume und Foramenstenose, einen Tinnitus, ein cervicocephales Syndrom, eine Schleimbeutelentzündung beider Schultergelenke, eine Polyarthrose beider Hände sowie eine Varikosis. Dr. W. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 27.04.2006 aus, es ergäben sich keine Gesichtspunkte für eine Höherbewertung des GdB der Klägerin. Die Klägerin legte die Bescheinigung des Dr. V. vom 20.09.2006 vor.
Das Sozialgericht holte von Amts wegen das psychiatrisch/psychoanalytische Gutachten des Facharztes für Psychiatrie Hensel vom 04.12.2006 ein. Der Sachverständige diagnostizierte eine rezidivierende depressive Störung, eine Angststörung, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Somatisierungsstörung sowie eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, abhängigen und selbstunsicheren Zügen. Dabei handle es sich um stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der diesbezügliche GdB betrage 40. Die festgestellten organischen Leiden dürften auf Grund der mit ihnen verbundenen Einschränkungen, die mit den psychosomatischen Einschränkungen eng verwoben seien, nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen, da das Ausmaß der Behinderung nicht größer werde. Dr. G. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.05.2007 aus, unabhängig von der Bewertung der psychischen Störung mit einem Teil-GdB von 30 oder 40 werde durch die zusätzlich vorliegende leichte Funktionsbeeinträchtigung des Halte- und Bewegungsapparates mit einem Teil-GdB von 20 die Schwerbehinderteneigenschaft nicht erreicht. Zum einen seien die somatoforme Schmerzkomponente und die organisch bedingte Schmerzkomponente nur schwerlich voneinander zu trennen. Zum anderen seien von orthopädischer Seite keine höhergradigen objektivierbaren Funktionseinschränkungen beschrieben.
Das Sozialgericht wies mit Urteil vom 14.06.2007 die Klage ab. Die vom Beklagten getroffene Einstufung des Teil-GdB von 20 für die Wirbelsäulenproblematik sei nicht zu beanstanden. Auch im übrigen orthopädischen Bereich lägen keine GdB-relevanten Einschränkungen vor. Der vom Sachverständigen mit einem Teil-GdB von 40 für den psychischen und psychosomatischen Bereich zu Grunde gelegte Wert sei nachvollziehbar begründet und decke sich mit dem geschilderten Beschwerdebild. Die psychovegetativen Begleiterscheinungen des Tinnitus und der Innenohrschwerhörigkeit seien im Rahmen des psychiatrisch bedingten Teil-GdB einzuordnen. Auf internistischem Fachgebiet lägen keine GdB-relevanten Funktionseinschränkungen vor. Der Gesamt-GdB betrage 40. Im Mittelpunkt der Beschwerden stehe das Funktionssystem Gehirn samt Psyche. Da eine Trennung der Schmerzen nicht möglich sei, habe eine Doppelberücksichtigung durch eine weitere Erhöhung zu unterbleiben.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 10.09.2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Klägerin am 19.09.2007 Berufung eingelegt. Auf psychiatrischem Fachgebiet lägen insgesamt schwere Störungen mit mindestens mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die einen Teil-GdB von mindestens 50 bedingten, vor. Die Auswirkungen des Tinnitus wie verstärke Stressintoleranz, Blutdrucksteigerung, Herzklopfen, Zunahme der Spannungskopfschmerzen und Zunahme der Depressionen sowie die Innenohrschwerhörigkeit überschnitten sich nicht gänzlich mit den psychischen Störungen. Ferner lägen erhebliche auf orthopädischem Gebiet liegende Behinderungen vor, die eine Erhöhung des Gesamt-GdB rechtfertigten.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14.06.2007 aufzuheben, den Bescheid des Landratsamts B. vom 22.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 07.10.2005 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihren GdB mit 50 seit 17.06.2005 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine wesentliche Verschlimmerung im Gesundheitszustand der Klägerin, die zu einer Anhebung des GdB auf wenigstens 50 führen könnte, sei nicht nachgewiesen.
Der Senat hat von Amts wegen das orthopädische Gutachten des Dr. H., Leitender Arzt am Orthopädischen Forschungsinstitut S., vom 03.01.2008 eingeholt. Der Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, die Funktionsbehinderungen der Wirbelsäule seien mit einem Teil-GdB von 30, die Fingerpolyarthrose mit einem Teil-GdB von 20 und die Funktionsstörungen der Schultergelenke mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Unter Berücksichtigung des Teil-GdB von 30 für die seelische Störung, funktionellen Organbeschwerden und Ohrgeräusche sowie des Teil-GdB von 10 für den kombinierten Herzklappenfehler und den Bluthochdruck betrage der Gesamt-GdB 40. Wenn man die Angaben der Klägerin im Rahmen der Funktions-, Hobby- und Sozialanamnese berücksichtige und diesbezüglich augenscheinliche Einschränkungen zu Einschränkungen, wie sie in Bezug auf Geschlecht und Lebensalter als normal zu gelten hätten, in Relation setzte, so seien die seelischen und körperlichen Einschränkungen zusammen mit einem GdB von 40 ausreichend bewertet.
Hierzu hat die Klägerin unter Vorlage der Bescheinigungen des Dr. P. vom 30.01.2008 und der Dr. K.-R. vom 02.02.2008 ausgeführt, es sei überhaupt nicht nachvollziehbar, dass von einer vollständigen Überschneidung der psychiatrischen und orthopädischen Behinderungen ausgegangen werde.
Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) den Neurologen und Psychiater Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Diplom-Psychologe, Neuropsychologe und Psychotherapeut K. hat in seinem auf Anraten des Dr. L. und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG eingeholten testpsychologischen Zusatzgutachten vom 19.09.2008 ausgeführt, bei der Klägerin liege eine rasche Erschöpfbarkeit mit mnestischen und konzentrativen Schwächen vor. Aktenkundig seien vielfach zum Teil auch schwer ausgeprägte depressive Episoden. Die durch ihn erhobenen Befunde ließen dies als nachvollziehbar erscheinen, wenngleich aktuell keine Depression oder erhöhte Depressivität habe gefunden werden können. Vielmehr ließen insbesondere berufliche Belastungen, verbunden mit einer Abnahme der Leistungsfähigkeit, Gefühlen der Insuffizienz und einer Zunahme der Diskrepanz zwischen Leistungsvermögen und Leistungsanspruch das Auftreten depressiver Reaktionen wahrscheinlich erscheinen. Bei den Untersuchungen hätten sich Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen, die als leicht bis mittelgradig beurteilt werden könnten, gefunden. Der von der Klägerin beklagte Tinnitus beidseits sei als schwer zu bewerten. Psychopathologische Auffälligkeiten hätten sich nicht gefunden. Unter Berücksichtigung der neuropsychologischen Befunde und der durch den Tinnitus ausgelösten psychischen Belastung sei der GdB mit 30 einzuschätzen. Beigefügt war der Arztbrief der Klinik W. in B. vom 18.04.2008. Zu einer Erstellung des Hauptgutachtens ist es wegen des Todes des Dr. L. nicht mehr gekommen.
Dr. R. hat in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.02.2009 ausgeführt, in der Zusammenschau der im testpsychologischen Zusatzgutachten dargestellten Befunde sei von Schwankungen im Gesundheitszustand der Klägerin auszugehen. Bei einem längeren Leidensverlauf sei bei der Bemessung des GdB von einem Durchschnittswert auszugehen. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 05.03.2009 hat Dr. R. ausgeführt, den Tei-GdB-Bewertungen des Dr. H. könne nicht gefolgt werden. Eine schwere funktionelle Auswirkung im Bereich der Wirbelsäule sei nicht hinreichend dokumentiert. Im Bereich der Schultergelenke hätten sich keine offenkundigen Bewegungseinschränkungen gefunden. Die Fingergelenke seien mäßiggradig verplumpt und der Faustschluss sei nicht beeinträchtigt. Ein Teil-GdB von 20 hierfür sei nicht nachvollziehbar, da selbst die Versteifung eines Handgelenks oder beider Daumengelenke und des Mittelhandwurzelgelenks nur mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten wäre. Dr. H. könne nur insoweit gefolgt werden, als dieser den Gesamt-GdB mit 40 eingeschätzt habe, da die somatoforme und die organisch-bedingte Schmerzkomponente nur schwerlich voneinander zu trennen seien.
Der Diplom-Psychologe, Neuropsychologe und psychologische Psychotherapeut K. hat in seiner ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 11.05.2009 ausgeführt, zum Zeitpunkt der Begutachtung seien Befunde erhoben worden, die seines Erachtens eine Einschätzung des Teil-GdB mit 30 rechtfertigten. Da die entsprechenden Untersuchungen zu einem Zeitpunkt stattgefunden hätten, zu dem die Klägerin weitgehend erholt und unbelastet erschienen sei, handle es sich hierbei um eine Mindesteinschätzung.
Sodann hat der Senat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG das nervenärztliche Gutachten des Nervenarztes und Psychotherapeuten Prof. Dr. R. vom 26.08.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat eine chronische Neurasthenie mit fluktuierenden depressiven Episoden und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Die Störungen, die auf der Basis einer anhaltenden akzentuierten Erschöpfung und extremen psychischen und physischen Ermüdbarkeit aufträten und eine Mehrzahl von psychischen Funktionen wesentlich beeinträchtigten, führten bei der Klägerin, die in ihrem Beruf als Lehrerin affektiv und intellektuell dauernd in Anspruch genommen sei, zu einer ernsten beruflichen Behinderung und einer nur noch mittelgradigen sozialen Anpassung. Die psychiatrischen Funktionsstörungen verursachten durch die Intensität und ihre Verlaufsdauer einen mittelschweren bis schweren Grad der Behinderung. Die Störungen der verschiedenen Teilfunktionen sowie die somatoforme Schmerzsymptomatik seien miteinander so eng verzahnt, dass man von einem Gesamt-GdB von 50 ausgehen müsse.
Hierzu hat Dr. M. in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 03.01.2010 ausgeführt, der Einstufung mit einem Gesamt-GdB von 50 könne nicht gefolgt werden. Die seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden und Ohrgeräuschen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sei mit einem Teil-GdB von 30 angemessen eingestuft. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Schulter-Arm-Syndrom und Fingerpolyarthrose entspreche einem Teil-GdB von 20. Zwischen den Funktionseinschränkungen ergäben sich erhebliche Überschneidungen. Die Klägerin sei verständlicher Weise durch ihr fortgeschrittenes Lebensalter weniger den anstrengenden beruflichen Anforderungen gewachsen. Dies könne nicht als zunehmende GdB-relevante Funktionseinschränkung gewertet werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40.
Zu Recht hat der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides 07.10.2005 eine Aufhebung des Bescheides vom 04.04.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2004 nur insoweit vorgenommen, als er den GdB mit 40 festgestellt hat.
Rechtsgrundlage für eine Aufhebung von Verwaltungsakten wegen einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).
Eine wesentliche Änderung im Ausmaß der Behinderung liegt nur vor, wenn eine dauerhafte Änderung des Gesundheitszustands zu einer Änderung des GdB um wenigstens 10 führt.
Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, den GdB aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.
Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91 - BSGE 72, 285; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R - BSGE 190, 205; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89 - BSG SozR 3-3870 § 4 Nr. 1) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB und weiterer gesundheitlicher Merkmale, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen sind. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (AHP, Nr. 19 Abs. 1, S. 24; VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77 - BSGE 48, 82; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95 - SozR 3-3870 § 4 Nr. 19). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AHP, Nr. 19 Abs. 3, S. 25; VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP, Nr. 19 Abs. 4, S. 26; VG Teil A Nr. 3 d ee).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht.
Auf psychiatrischem Fachgebiet liegt kein höherer GdB als 40 vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7, S. 27 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen oder Folgen psychischer Traumen bei leichteren psychovegetativen oder psychischen Störungen der GdB 0 bis 20, stärker behindernden Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (beispielsweise ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40, schweren Störungen (beispielsweise schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 sowie mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100. Die Klägerin leidet auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen an einem Erschöpfungssyndrom und einer somatoformen Schmerzstörung, verbunden mit einer rezidivierenden depressiven Störung und einer Angststörung. Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich dabei um stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Dass es sich bei dem seelischen Leiden der Klägerin noch nicht um schwere Störungen mit sozialen Anpassungsschwierigkeiten handelt, ergibt sich für den Senat vor allem daraus, dass die Klägerin noch in der Lage ist, ihrer beruflichen Tätigkeit als Lehrerin mit einem Wochenumfang von 25 Stunden nachzugehen. Ferner ergibt sich daraus, dass die Klägerin ausweislich ihrer gegenüber Dr. H. gemachten Angaben ein- bis zweimal wöchentlich Nordic Walking betreibt sowie zwei- bis dreimal wöchentlich Fitnessübungen in einem Fitnessstudio oder im Rahmen eines Gruppen-Zirkeltrainings durchführt, dass die Klägerin über den Schulalltag hinaus über ausreichend Außenkontakte verfügt und daher nicht von einem sozialen Rückzug auszugehen ist. Entscheidend sind für die Beurteilung des GdB nicht die einzelnen Diagnosen, sondern die sich aus dem seelischen Leiden ergebenden Funktionsbeeinträchtigungen. Eine schwere Einschränkung, die Funktionen im täglichen Leben weiter auszuführen, sieht der Senat aber nicht. Die vom Facharzt für Psychiatrie Hensel in seinem Gutachten vom 04.12.2006 getroffene Beurteilung des GdB mit 40 hat sich durch das Zusatzgutachten des Diplom-Psychologen, Neuropsychologen und Psychotherapeuten K. vom 19.09.2008 bestätigt. Er ist bei der Klägerin von einer raschen Erschöpfbarkeit mit mnestischen und konzentrativen Schwächen ohne aktuelle Depressivität ausgegangen. Die Beeinträchtigungen kognitiver Funktionen hat er als leicht bis mittelgradig beurteilt. Psychopathologische Auffälligkeiten hat er nicht gefunden. Eine höhere GdB-Beurteilung ergibt sich nach Ansicht des Senats nicht aus dem Gutachten des Prof. Dr. R. vom 26.08.2009. Er hat keine Funktionsbeeinträchtingungen beschrieben, die die Annahme einer schweren seelischen Störung rechtfertigen.
Der Teil-GdB von 40 für das seelische Leiden der Klägerin erfährt keine Erhöhung wegen der Begleiterscheinungen des Tinnitus. Auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet liegt bei der Klägerin ausweislich des Arzttbriefs der Dr. J. vom 19.01.2006 neben der leichten und daher nicht GdB-relevanten Innenohrschwerhörigkeit ein Tinnitus vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.3, S. 37 beträgt für Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10, mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen der GdB 20, mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägte depressive Störungen) der GdB 30 bis 40 und mit schweren psychischen Störungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB mindestens 50. Nach Ansicht des Senats liegt bei der Klägerin - wie oben dargelegt - eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und mithin ein GdB von 40 vor. Dabei ist zu beachten, dass die Begleiterscheinungen des Tinnitus völlig in dem für den für das seelische Leiden vergebenen Teil-GdB von 40 aufgehen und daher nicht zu einer Erhöhung dieses Teil-GdB führen können.
Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ist allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.9, S. 90 beträgt bei Wirbelsäulenschäden ohne Bewegungseinschränkung oder Instabilität der GdB 0, mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 10, mit Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) der GdB 20, mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) der GdB 30 und mit mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten der GdB 30 bis 40. Bei der Klägerin liegen im Bereich der Wirbelsäule nach dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008 funktionelle Störungen in Form von Blockierungen und Verspannungen der Rumpfmuskulatur sowie radiologisch fortgeschrittene strukturelle Verschleißerscheinungen in allen Wirbelsäulenabschnitten vor. Dabei handelt es sich nach Überzeugung des Senats aber nur um geringe und noch nicht um mittelgradige oder gar schwere funktionelle Auswirkungen. So hat Dr. H. in Bezug auf die Beweglichkeitsprüfung angegeben, dass sich im Bereich der Halswirbelsäule bei Spontanbewegungen während der Anamnese sowie des An- und Auskleidevorgangs keine offenkundigen Bewegungseinschränkungen gezeigt haben und überhaupt eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit beziehungsweise eine Fixierung bei Komplexbewegungen wie beispielsweise beim Hinsetzen, Aufstehen oder Auskleiden nicht aufgefallen ist.
Im Bereich der Schultergelenke liegen keine GdB-relevanten Funktionsstörungen vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.13, S. 93 beträgt bei einer Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei einer Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der GdB 10 sowie bei einer Armhebung nur bis zu 90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit der GdB 20. Nach dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008 ist bei der Klägerin die Schultergelenksbeweglichkeit nicht eingeschränkt. Mithin liegt im Bereich der Schultern der Klägerin kein GdB vor.
Auch bedingt die Fingerpolyarthrose der Klägerin keinen GdB. So ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. H. vom 03.01.2008, dass ein kräftiger Faustschluss möglich ist, die Klägerin mit allen Langfingerkuppen die jeweilige Daumenspitze erreichen kann und Komplexbewegungen wie beispielsweise Faust-, Spitz- und Schlüsselgriffe der Hände ausführbar sind.
Die Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet wie die arterielle Hypertonie und die rezidivierenden Infekte der oberen Atemwege bedingen ebenfalls keinen GdB. So hat der Senat keine Anhaltspunkte, von einer nach den VG, Teil B, Nr. 9.3, S. 51 einen GdB von mindestens 20 bedingenden mittelschweren Form der Hypertonie mit Organbeteiligung oder einer dauerhaften Einschränkung der Atemfunktion auszugehen.
Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte (Teil-GdB 40 für die seelische Störung mit Tinnitus und Teil-GdB 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule) kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. Der Senat stützt sich bei der Beurteilung des Gesamt-GdB auf die schlüssigen und gut nachvollziehbaren Beurteilungen des Facharzt für Psychiatrie Hensel in seinem Gutachten vom 04.12.2006 und des Dr. H. in seinem Gutachten vom 03.01.2008. Beide Gutachter haben dargelegt, warum das Ausmaß der seelisch bedingten Funktionsbehinderung durch die somatischen Erkrankungen nicht erhöht wird.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass ein Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung, bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.
Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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