Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4657/09 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Größe der Vertreterversammlung wird auch bei fusionierenden Berufsgenossenschaften durch § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VII abschließend auf 60 Mitglieder festgelegt. § 222 Abs. 3 SGB VII kommt keine verdrängende Wirkung zu. Lediglich bis zum Zeitpunkt der nächsten Sozialversicherungswahlen erlaubt § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII eine größere Mitgliederzahl.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Im Streit steht die Genehmigungsfähigkeit von § 56 der von den Vertreterversammlungen der Bergbau-Berufsgenossenschaft, der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft, der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft, der Papiermacher-Berufsgenossenschaft und der Zucker-Berufsgenossenschaft am 14. Oktober 2008 beschlossenen Satzung.
Gemäß § 222 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), eingeführt durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Modernisierungsgesetz [UVMG]) vom 18. Oktober 2008 - BGBl I 2008, S. 2130), war die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften bis zum 31. Dezember 2009 auf neun zu reduzieren.
Dieser gesetzlichen Vorgabe folgend haben die Bergbau-Berufsgenossenschaft, die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft, die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, die Lederindustrie-Berufsgenossenschaft, die Papiermacher-Berufsgenossenschaft und die Zucker-Berufsgenossenschaft, jeweils vertreten durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlungen am 14. Oktober 2008, einen Vereinigungsvertrag geschlossen und die Fusion der Berufsgenossenschaften zum 1. Januar 2010 beschlossen. In § 3 des Vertrags wurde als Bezeichnung der daraus entstehenden neuen Berufsgenossenschaft die Bezeichnung der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die "Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie" mit Sitz in H. bestimmt.
In der am gleichen Tag beschlossenen Satzung der Klägerin wird in § 8 Abs. 1 bestimmt, dass sich die Vertreterversammlung aus je 38 Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen setzt und dabei auf §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verwiesen. § 56 der Satzung bestimmt, dass sich bis zum Ablauf der elften Wahlperiode der ehrenamtlichen Organe die Vertreterversammlung aus je 38 Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen setzt.
Dabei setzt sich nach § 4 des Vereinigungsvertrags die Vertreterversammlung wie folgt zusammen:
Berufsgenossenschaft Mitglieder in der Vertreterversammlung Mitglieder im Vorstand Chemie 38 16 Bergbau 10 6 Steinbruch 10 6 Lederindustrie 10 6 Papiermacher 6 4 Zucker 2 2
Mit Bescheid vom 15. September 2009 genehmigte das Bundesversicherungsamt die Satzung u.a. mit folgender Maßgabe: "In § 56 wird "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" ersetzt durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich nach § 8 Abs. 1 der Satzung die Vertreterversammlung dauerhaft aus je 38 Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammensetzen solle. Diese Regelung sei nicht genehmigungsfähig, da eine Vertreterversammlung mit 76 Mitgliedern die nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zulässige Höchstzahl von 60 Mitgliedern überschreite. Allerdings könne im Genehmigungsverfahren durch die Genehmigungsbehörde nicht selbst die Höchstzahl begrenzt werden, da dies in die Selbstverwaltungsautonomie der Satzungsgeber eingreifen würde. Ohne die Regelung des § 8 Abs. 1 der Satzung verfüge die Klägerin jedoch über keine Regelung mehr, die die Größe der zukünftigen Vertreterversammlung regle. Lediglich vor dem Hintergrund, dass in § 56 der Satzung eine Übergangsregelung mit der Maßgabe der Begrenzung auf die laufende 10. Wahlperiode getroffen werde, sei die Handlungsfähigkeit der neuen Berufsgenossenschaft gesichert und habe die Fusion genehmigt werden können. Nach der Fusion sei es zwingende Aufgabe der neuen Vertreterversammlung der Klägerin, ab Beginn der 11. Wahlperiode die Größe der Vertreterversammlung in der Satzung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften neu festzulegen.
Gegen den ihr am 16. September 2009 zugestellten Bescheid hat die Berufsgenossenschaft Chemie, eine der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin, am 12. Oktober 2009 Klage zum Landessozialgericht erhoben.
Die Klägerin beantragt, die im Genehmigungsbescheid vom 15. September 2009 enthaltene Auflage "in § 56 "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" zu ersetzen durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode" aufzuheben und § 56 der Satzung zu genehmigen.
Sie führt zur Begründung aus, die durchgeführte Fusion müsse vor dem Hintergrund einer sehr heterogenen Struktur der Fusionspartner betrachtet werden. Die Heterogenität beziehe sich nicht nur auf die Unternehmensstruktur, sondern auch auf die Größe, Versichertenzahl, Altlastenproblematik und den Leistungs- und Entschädigungsbereich. Nach schwierigen Verhandlungen sei demnach die Größe der Vertreterversammlung auf 76 Mitglieder, die des Vorstands auf 40 Mitglieder festgesetzt worden. Nur mit dieser Mindestgröße erscheine es den Gremien der fusionierenden Berufsgenossenschaften denkbar, dass der kleinsten fusionierenden Berufsgenossenschaft, der Zucker-Berufsgenossenschaft, eine Vertretung in den Gremien der Klägerin überhaupt mit je einem Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ermöglicht werde, gleichzeitig ein gewisser Proporz hinsichtlich der Bedeutung der größeren Fusionspartner gewahrt sowie eine Vertretung zumindest der wesentlichen Branchen erreicht und eine ordnungsgemäße Begleitung der auf Jahre hinaus notwendigen getrennten Mittelbewirtschaftung gewährleistet werde. Man stütze sich dabei auf die Regelung des § 222 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII); § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei auf die Fusionssituation der Klägerin nicht unmittelbar anzuwenden, jedenfalls unter dem Rechtsgedanken der §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 119 Abs. 4 SGB und § 222 Abs. 3 SGB VII dahingehend auszulegen, dass zumindest für die Wahlperiode von 2011 bis 2017 die im aktuellen Satzungsentwurf vorgesehene Überschreitung der Größe der Vertreterversammlung zugelassen werde. Die Klägerin hat das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. B. und Wiss. Mitarbeiter S., erstellt im Januar 2010, zur Frage "Kann die Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) bis zum Ablauf der 11. Sozialwahlperiode im Jahr 2017 aus 76 Mitgliedern bestehen" vorgelegt. Darin kommen die Autoren zusammenfassend zum Schluss, dass § 222 Abs. 3 SGB VII jedenfalls bei umfangreichen Zusammenschlüssen eine Lücke schließe, die die §§ 118, 119 SGB VII hinsichtlich der Größe der Vertretersammlungen offen ließen und damit auch bis 2017 eine Größe der Vertreterversammlung von 76 Mitgliedern rechtfertige. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus: Die Übergangsregelung des § 56 der Satzung sei zu Recht gemäß §§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i.V.m. § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, §§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII auf die zehnte Wahlperiode begrenzt worden. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB IV begrenze die Höchstzahl der Mitglieder der Vertreterversammlung auf 60. Eine gesetzliche Ausnahmeregelung sei nicht vorhanden. § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, der auch für gewerbliche Berufsgenossenschaften greife, erlaube eine Ausnahme nur bis zum Ablauf der 10. Wahlperiode. § 222 Abs. 3 SGB VII nehme dem gegenüber keinerlei Bezug auf die zulässige Höchstzahl der Mitglieder in den Selbstverwaltungsorganen. Den durchaus erkannten Schwierigkeiten bei der Zusammenführung unterschiedlicher Branchen sei im Rahmen des rechtlich Zulässigen bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass die Zahl von 40 Vorstandsmitgliedern genehmigt worden sei, obwohl die Klägerin von der Versichertenzahl her eher zu den kleineren bis mittelgroßen Berufsgenossenschaften zähle und sich im Übrigen, was die Heterogenität ihrer Strukturen anbelange, nicht wesentlich von den übrigen fusionierten Berufsgenossenschaften unterscheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die das Landessozialgericht gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 SGG als Gericht erster Instanz zu entscheiden hat, ist zulässig.
Dabei kann offen bleiben, ob die angestrebte, bezüglich des § 56 der Satzung einschränkungslose Satzungsgenehmigung als Verwaltungsakt, d.h. als Akt der Rechtsanwendung, oder als Akt der Mitwirkung bei der autonomen Rechtssetzung anzusehen ist (vgl. BSGE 29, 21 ff). Ist die Satzungsgenehmigung ein Verwaltungsakt, dann ist die von der Klägerin erhobene Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Satzungsgenehmigung als Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig; ist die Satzungsgenehmigung hingegen kein Verwaltungsakt, ist der Klägerin nach § 54 Abs. 3 SGG Rechtsschutz zu gewähren. Ausdrücklich zugelassen ist die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG zwar nur für die Klage, die auf die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde gerichtet ist. Die Vorschrift ist jedoch entsprechend anzuwenden, wenn die Aufsichtsbehörde die Vornahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes abgelehnt hat und die betroffene Körperschaft geltend macht, dass auf die Vornahme des Aktes ein Rechtsanspruch besteht (st. Rechtsprechung BSG, vgl. BSGE 29, 21 ff; BSGE 61, 235 ff; 69, 72). Gleiches gilt auch dann, wenn die beantragte Genehmigung mit einer belastenden Teilregelung versehen worden ist und der Selbstverwaltungsträger mit der Aufsichtsklage geltend macht, dass er auf die uneingeschränkte Genehmigung einen Rechtsanspruch hat.
Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der ursprünglich klagenden Berufsgenossenschaft Chemie prozessführungsbefugt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 175 Nr. 1).
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte hat die Satzung der Klägerin zu Recht nur mit der im Streit stehenden Maßgabe genehmigt.
Jeder Versicherungsträger im Sinne des § 29 SGB IV gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde (§ 34 Abs. 1 SGB IV). Die Versicherungsträger unterliegen staatlicher Aufsicht. Sie erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist (§ 87 Abs. 1 SGB IV). Die Aufsicht über die Versicherungsträger, deren Zuständigkeit sich über das Gebiet des Landes hinaus erstreckt (bundesunmittelbare Versicherungsträger), führt das Bundesversicherungsamt (§ 90 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB IV).
Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht, ob allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe überschritten worden sind. Der beaufsichtigten Behörde steht ein gewisser, von der Aufsicht zu beachtender Bewertungsspielraum zu, sofern sich das Handeln oder Unterlassen des Beaufsichtigten im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt ( vgl. z.B. BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr. 3; zuletzt BSG, Urteil vom 18.7.2006 - B 1 A 2/05 R, SozR 4-2400 § 80 Nr. 1 RdNr. 23, jeweils mwN ).
Die Beklagte war berechtigt, die ihm zur Genehmigung vorgelegte Satzung nur mit der Maßgabe zu genehmigen, dass in § 56 "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" ersetzt wird durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode", da § 56 der Satzung in seiner ursprünglichen Fassung nicht mit geltendem Recht, nämlich § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, übereinstimmt und andere Rechtsnormen, die ein Überschreiten auch für die 11. Wahlperiode einräumen könnten, nicht existieren. Offen bleiben konnte deshalb, ob die Satzung schon deshalb nicht genehmigungsfähig war, da die Klägerin in ihrer Satzung nicht nur für die 11. Wahlperiode, sondern in dem vom Beklagten ebenfalls nicht genehmigten § 8 der Satzung auch auf Dauer die Größe der Vertreterversammlung auf je 38 Mitglieder festgelegt hat.
Schon nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 SGB IV ist die Zahl der Vertreter in der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft auf 60 Mitglieder begrenzt. Denn § 43 Abs. 1 SGB IV bestimmt, dass die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane durch die Satzung entsprechend der Größe des Versicherungsträgers bestimmt wird und nur für die folgende Wahlperiode geändert werden kann. Die Vertreterversammlung hat höchstens sechzig Mitglieder; der Verwaltungsrat der in § 35a Abs. 1 (SGB IV) genannten Krankenkassen hat höchstens dreißig Mitglieder. Die Vertreterversammlungen der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung haben jeweils höchstens dreißig Mitglieder (§ 43 Abs. 1 SGB IV).
Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Gesetzesfassung ist eine abweichende Auslegung nicht möglich.
§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV wurde mit Einführung des SGB IV durch Gesetz vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3845 ff) mit Wirkung zum 1. Januar 1977 eingeführt. Bereits in der ursprünglichen Fassung war die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung grundsätzlich auf 60 Mitglieder festgesetzt. Spätere Änderungen des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, insbesondere durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3242), ließen die Höchstzahl der Mitglieder der Vertreterversammlungen mit 60 Personen unberührt, führten jedoch für alle anderen Sozialversicherungszweige - mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung - niedrigere Grenzen für die Mitgliederzahl ein, um die Handlungsfähigkeit der Vertreterversammlungen zu erhöhen (vgl. BR-Drucks 430/04 S. 196 f zum RVOrgG). Anhaltspunkte dafür, dass über die bereits gesetzlich normierte Privilegierung der Berufsgenossenschaften im Hinblick auf die Größe der Vertreterversammlung hinaus eine Erweiterungsoption bestehen sollte, sind aus den jeweiligen Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich.
Deshalb war die Klägerin schon nach § 43 Abs. 1 SGB IV nicht befugt, in ihrer Satzung die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung über die laufende Wahlperiode hinaus auf über 60 Mitglieder festzulegen.
Gesetzliche Regelungen, die ein Abweichen davon gestatten würden, existieren nicht. Insbesondere bilden weder §§ 118, 119 SGB VII noch § 222 Abs. 3 SGB VII dafür eine Rechtsgrundlage.
§ 118 SGB VII gibt den Berufsgenossenschaften die Möglichkeit, sich durch Beschluss ihrer Vertreterversammlungen zu einer Berufsgenossenschaft zu vereinigen. Die Vorschrift enthält zahlreiche Vorschriften, die für eine konkret bestimmte Zeit von der gesetzlichen Grundregelung abweichende Regelungen erlauben, z.B. in § 118 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 4 SGB VII zu den Vereinbarungen über die Gefahrtarif- und Beitragsgestaltung, nach Abs. 1 Satz 5 für weitere Tätigkeiten der bisherigen Geschäftsführer und ihrer Stellvertreter und deren Zuständigkeit. Keine Übergangsregelung findet sich für die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung.
§ 119 SGB VII, der laut der gesetzlichen Überschrift für die Vereinigung landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaften durch Verordnung gilt, sieht in Abs. 4 Satz 1 folgende Regelung vor: "Bis zu den nächsten allgemeinen Wahlen in der Sozialversicherung richtet sich die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der auf Grund des Ersten Abschnittes des Fünften Kapitels dieses Gesetzes vereinigten oder neu gebildeten Berufsgenossenschaften nach der Summe der Zahl der Mitglieder, die in den Satzungen der aufgelösten Berufsgenossenschaften bestimmt worden ist; § 43 Abs. 1 Satz 2 des Vierten Buches ist nicht anzuwenden."
Unabhängig von der Frage, ob § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII auch für die Vereinigung von nicht-landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Geltung besitzt, kann auch aufgrund dieser Vorschrift ein Überschreiten der Zahl von 60 Mitgliedern in der Vertreterversammlung nicht genehmigt werden. Denn § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII erlaubt nur für den Zeitraum bis zu den nächsten Sozialwahlen (ausgehend vom Zeitpunkt der Vereinigung der Berufsgenossenschaften) ein Abweichen von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VII und damit nur bis zum Ablauf der - laufenden - 10. Wahlperiode (und nicht, wie von der Klägerin begehrt und in der Satzung vorgesehen) bis zum Ablauf der 11. Wahlperiode.
Auch § 222 Abs. 3 SGB VII rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Danach ist bei den Fusionen gewerblicher Berufsgenossenschaften eine angemessene Vertretung der Interessen der in den bisherigen gewerblichen Berufsgenossenschaften vertretenen Branchen sowie eine ortsnahe Betreuung der Versicherten und Unternehmen sicherzustellen.
§ 222 SGB VII wurde mit Wirkung vom 5. November 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. Oktober 2008 (BGBl I S. 2130) eingefügt. Gesetzgeberisches Ziel der Fusionen soll unter anderem eine Verschlankung der Strukturen sowie die Einsparung von Verwaltungs- und Verfahrenskosten (BT- Drucks 16/9788 S. 21) sein.
In der Begründung zur Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung (BR-Drucks 113/08 S. 98) ist zu § 222 SGB VII u.a. ausgeführt, dass die erstrebte angemessene Vertretung der bisherigen Branchen in der neuen, fusionierten Berufsgenossenschaft zum einen durch die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane zu gewährleisten sei, aber auch unter Berücksichtigung des § 118 Abs. 1 Satz 5 SGB VII, wonach die übergangsweise Tätigkeit der bisherigen Geschäftsführer und Stellvertreter in den neuen Berufsgenossenschaften für eine Übergangszeit abweichend geregelt werden könne. Des Weiteren ist ausgeführt: "Schließlich wird dieses Ziel auch durch die bestehende Regelung des § 119 Abs. 4 SGB VII, der auf sämtliche Fusionstatbestände der §§ 116 ff Anwendung findet, erfüllt. Hiernach richtet sich die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane des neuen Trägers nach der Summe der Mitglieder, die in den Satzungen der fusionierten Träger vorgesehen war".
Was den Verweis in der Gesetzesbegründung zu § 222 SGB VII auf § 119 Abs. 4 SGB VII betrifft, wird auf das zur Wortlautauslegung Ausgeführte verwiesen. Welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass in der Gesetzesbegründung der aus Sicht der Klägerin entscheidende 2. Halbsatz des § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, der den Verweis auf § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV beinhaltet, nicht zitiert wird, musste deshalb nicht entschieden werden.
Der Senat teilt allerdings auch nicht die im Gutachten von Prof. Dr. B. vertretene Auffassung, wonach § 222 Abs. 3 SGB VII die Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verdränge (§ 1 Abs. 3 SGB IV).
§ 222 Abs. 3 SGB VII ist als allgemeiner Programmsatz anzusehen, der den fusionierenden Berufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbefugnisse aufgibt, aber auch einräumt, für eine angemessene Vertretung der Interessen in der fusionierten Berufsgenossenschaft zu sorgen. Der Gesetzesbegründung kann entnommen werden, dass es der Gesetzgeber in die Hoheit der Berufsgenossenschaften stellen wollte zu entscheiden, wie diese Vorgabe umgesetzt wird. Er hat dazu in der Gesetzesbegründung (s. oben) mehrere, aus seiner Sicht für die Verwirklichung des Ziels geeignete Instrumente aufgezeigt, ohne diese zu gewichten. Es soll nach dem gesetzgeberischen Willen somit im Rahmen der Selbstverwaltungsbefugnisse aus dem bestehenden Regelungsinstrumentarium das gewählt werden, was sich aus Sicht der verantwortlichen Organe in der jeweiligen Situation - einzeln oder in Kombination - als günstig erweist. Die gesetzliche Vorgabe einer angemessenen Vertretung ist daher durch die Organe auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Sie verlangt keineswegs, dass ein rechnerischer Proporz entsprechend der bisherigen Größen der fusionierenden Berufsgenossenschaften hergestellt wird oder alle, auch die kleinste, Berufsgenossenschaft, für eine Übergangszeit oder auf Dauer mit einem eigenen Vertreter in der Vertreterversammlung vertreten ist. Denkbar wäre genauso, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hatte, auch die Vertretung mehrerer - ehemaliger - Berufsgenossenschaften durch gemeinsame Vertreter oder die Reduzierung der Vertreter der - ehemalig - größten Einzel-Berufsgenossenschaft in der Vertreterversammlung.
Der Klägerin ist es darüber hinaus selbst für die Größe von 76 Mitgliedern ihrer Vertreterversammlung nicht gelungen, ein rechnerisches Gleichgewicht herzustellen. Vergleicht man z.B. die Mitgliedsbetriebe der ehemaligen Bergbau-BG und der Steinbruch-BG (247 bzw. 5.074) sowie deren versicherte Vollarbeiter (66.892 bzw. 128.696) oder deren Lohnsummen (rund 2.828 Mio. gegenüber 3.875 Mio. EUR), ist schon anhand dieser erheblichen Unterschiede (und damit des erheblichen Gewichtsunterschieds in der fusionierten BG) nicht zwingend, dass für beide Berufsgenossenschaften jeweils 10 Mitglieder in der Vertreterversammlung und 6 Mitglieder im Vorstand vorgesehen sind. Auch mit Blick auf die Größenunterschiede der fusionierenden Chemie-BG und Zucker-BG als jeweils größte und kleinste BG, ist eine rein rechnerische Gewichtung weder durchgeführt noch vorgenommen worden. Daher hatte die Klägerin offensichtlich selbst andere Gewichtungen vorgenommen, die es offenbar erlaubten, von der rechnerischen Gewichtung abzuweichen. Anhaltspunkte dafür, warum die dahinter stehenden Überlegungen nicht auch eine Reduzierung der Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung auf 60 Mitglieder erlauben sollten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen oder in ihrer Satzung geregelt, wie nach Ablauf der 11. Wahlperiode die Vertreterversammlung zusammen gesetzt sein soll. Offenbar bestehende Schwierigkeiten, zu einer konsensualen Einigung zu kommen, werden nur in die Zukunft verschoben, was gerade § 222 Abs. 3 SGB VII zu wider läuft und keinen rechtlichen Grund für eine Ausdehnung der Übergangsfrist liefert.
Ob sich § 222 Abs. 3 SGB VII, wie im Rechtsgutachten behauptet, vorwiegend auf die Vertreterversammlung beschränkt, kann offen bleiben, obwohl der Senat daran - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - erhebliche Zweifel hat. Denn die Zusammensetzung der übrigen Organe steht hier nicht im Streit.
Soweit der Gutachter darüber hinaus versucht, § 222 Abs. 3 SGB VII und § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu setzen, überzeugt dies ebenfalls nicht.
Schon seinem Wortlaut nach gibt § 222 Abs. 3 SGB VII dafür keine Handhabe, denn die Vorschrift spricht nur von einer "angemessenen" Vertretung, ohne Anhaltspunkte für die vom Gutachter daraus hergeleitete Befugnis der Selbstverwaltungsorgane, für eine längere als die im Gesetz genannte Übergangszeit von den gesetzlichen Regelungen zur Größe der Vertretungsorgane abzuweichen. Ein Ermessen, das in atypischen Einzelfällen ein Abweichen erlaube, ist weder aus dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik ableitbar. Darüber hinaus würde sich die Frage stellen, ein derartiges Abweichen als rechtlich zulässig unterstellt, ob tatsächlich von einem atypischen Ausnahmefall bei der Fusion der ursprünglichen Berufsgenossenschaften zur Klägerin auszugehen ist. Denn auch andere Berufsgenossenschaften hatten beim Fusionsprozess erhebliche Größenunterschiede der fusionierenden Berufsgenossenschaften zu verkraften.
Nimmt man beispielhaft die Berufsgenossenschaft Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse (BGETM), die zum 1. Januar 2008 aus der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik sowie der Berufsgenossenschaft für Textil und Bekleidung fusioniert ist, ist auch deren rein zahlenmäßige Vergleichbarkeit sehr gering.
Auch dieser Berufsgenossenschaft ist es gelungen, nach Ablauf der laufenden Wahlperiode mit einer Größe der Vertreterversammlung von 84 Mitgliedern die Zahl der Mitglieder ab der 11. Wahlperiode auf 60 Personen zu begrenzen. Gleiches gilt für die vom Beklagten als weiteres Beispiel aufgeführte Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.
Darüber hinaus überzeugt die Auslegung des § 222 Abs. 3 SGB VII durch den Gutachter auch deshalb nicht, weil der Begriff "angemessene Vertretung" in zeitlicher Hinsicht ausgelegt wird, wonach dadurch nämlich nicht nur eine Überschreitung der Grenze des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gerechtfertigt werde, sondern auch, dass dies gerade bis zum Ablauf der 11. Wahlperiode gelten soll. Warum allerdings die Begrenzung gerade auf die übernächte Wahlperiode und nicht z.B. auf die 12. oder 13. Wahlperiode gelegt wird, wird nicht ausgeführt. Allein das Argument, bis dahin seien die fusionierten Berufsgenossenschaften so zusammen gewachsen, dass dann eine Begrenzung auf 60 Mitglieder möglich werde, überzeugt nicht. Denn die angemessene Vertretung muss auch im Rahmen der 60 Mitglieder umfassenden Vertreterversammlung gesichert sein; davon enthebt § 222 Abs. 3 weder für die laufende noch zukünftige Wahlperioden. Nicht zuletzt zeigt gerade die fehlende Regelung der Größe der Vertreterversammlung nach der 11. Wahlperiode in der Satzung der Klägerin, dass allein auf die Hoffnung eines "Zusammenwachsens" eine Regelung nicht gestützt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere schon wegen des eindeutigen Wortlautes des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht die von Klägerseite vorgebrachte grundsätzliche Bedeutung des Verhältnisses von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und § 222 Abs. 3 SGB VII.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Im Streit steht die Genehmigungsfähigkeit von § 56 der von den Vertreterversammlungen der Bergbau-Berufsgenossenschaft, der Steinbruchs-Berufsgenossenschaft, der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft, der Papiermacher-Berufsgenossenschaft und der Zucker-Berufsgenossenschaft am 14. Oktober 2008 beschlossenen Satzung.
Gemäß § 222 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), eingeführt durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungs-Modernisierungsgesetz [UVMG]) vom 18. Oktober 2008 - BGBl I 2008, S. 2130), war die Zahl der gewerblichen Berufsgenossenschaften bis zum 31. Dezember 2009 auf neun zu reduzieren.
Dieser gesetzlichen Vorgabe folgend haben die Bergbau-Berufsgenossenschaft, die Steinbruchs-Berufsgenossenschaft, die Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie, die Lederindustrie-Berufsgenossenschaft, die Papiermacher-Berufsgenossenschaft und die Zucker-Berufsgenossenschaft, jeweils vertreten durch die Vorsitzenden der Vertreterversammlungen am 14. Oktober 2008, einen Vereinigungsvertrag geschlossen und die Fusion der Berufsgenossenschaften zum 1. Januar 2010 beschlossen. In § 3 des Vertrags wurde als Bezeichnung der daraus entstehenden neuen Berufsgenossenschaft die Bezeichnung der Klägerin des vorliegenden Verfahrens, die "Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie" mit Sitz in H. bestimmt.
In der am gleichen Tag beschlossenen Satzung der Klägerin wird in § 8 Abs. 1 bestimmt, dass sich die Vertreterversammlung aus je 38 Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen setzt und dabei auf §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 44 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) verwiesen. § 56 der Satzung bestimmt, dass sich bis zum Ablauf der elften Wahlperiode der ehrenamtlichen Organe die Vertreterversammlung aus je 38 Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeber zusammen setzt.
Dabei setzt sich nach § 4 des Vereinigungsvertrags die Vertreterversammlung wie folgt zusammen:
Berufsgenossenschaft Mitglieder in der Vertreterversammlung Mitglieder im Vorstand Chemie 38 16 Bergbau 10 6 Steinbruch 10 6 Lederindustrie 10 6 Papiermacher 6 4 Zucker 2 2
Mit Bescheid vom 15. September 2009 genehmigte das Bundesversicherungsamt die Satzung u.a. mit folgender Maßgabe: "In § 56 wird "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" ersetzt durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode". Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich nach § 8 Abs. 1 der Satzung die Vertreterversammlung dauerhaft aus je 38 Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber zusammensetzen solle. Diese Regelung sei nicht genehmigungsfähig, da eine Vertreterversammlung mit 76 Mitgliedern die nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV zulässige Höchstzahl von 60 Mitgliedern überschreite. Allerdings könne im Genehmigungsverfahren durch die Genehmigungsbehörde nicht selbst die Höchstzahl begrenzt werden, da dies in die Selbstverwaltungsautonomie der Satzungsgeber eingreifen würde. Ohne die Regelung des § 8 Abs. 1 der Satzung verfüge die Klägerin jedoch über keine Regelung mehr, die die Größe der zukünftigen Vertreterversammlung regle. Lediglich vor dem Hintergrund, dass in § 56 der Satzung eine Übergangsregelung mit der Maßgabe der Begrenzung auf die laufende 10. Wahlperiode getroffen werde, sei die Handlungsfähigkeit der neuen Berufsgenossenschaft gesichert und habe die Fusion genehmigt werden können. Nach der Fusion sei es zwingende Aufgabe der neuen Vertreterversammlung der Klägerin, ab Beginn der 11. Wahlperiode die Größe der Vertreterversammlung in der Satzung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften neu festzulegen.
Gegen den ihr am 16. September 2009 zugestellten Bescheid hat die Berufsgenossenschaft Chemie, eine der Rechtsvorgängerinnen der Klägerin, am 12. Oktober 2009 Klage zum Landessozialgericht erhoben.
Die Klägerin beantragt, die im Genehmigungsbescheid vom 15. September 2009 enthaltene Auflage "in § 56 "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" zu ersetzen durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode" aufzuheben und § 56 der Satzung zu genehmigen.
Sie führt zur Begründung aus, die durchgeführte Fusion müsse vor dem Hintergrund einer sehr heterogenen Struktur der Fusionspartner betrachtet werden. Die Heterogenität beziehe sich nicht nur auf die Unternehmensstruktur, sondern auch auf die Größe, Versichertenzahl, Altlastenproblematik und den Leistungs- und Entschädigungsbereich. Nach schwierigen Verhandlungen sei demnach die Größe der Vertreterversammlung auf 76 Mitglieder, die des Vorstands auf 40 Mitglieder festgesetzt worden. Nur mit dieser Mindestgröße erscheine es den Gremien der fusionierenden Berufsgenossenschaften denkbar, dass der kleinsten fusionierenden Berufsgenossenschaft, der Zucker-Berufsgenossenschaft, eine Vertretung in den Gremien der Klägerin überhaupt mit je einem Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ermöglicht werde, gleichzeitig ein gewisser Proporz hinsichtlich der Bedeutung der größeren Fusionspartner gewahrt sowie eine Vertretung zumindest der wesentlichen Branchen erreicht und eine ordnungsgemäße Begleitung der auf Jahre hinaus notwendigen getrennten Mittelbewirtschaftung gewährleistet werde. Man stütze sich dabei auf die Regelung des § 222 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII); § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV sei auf die Fusionssituation der Klägerin nicht unmittelbar anzuwenden, jedenfalls unter dem Rechtsgedanken der §§ 118 Abs. 1 Satz 4, 119 Abs. 4 SGB und § 222 Abs. 3 SGB VII dahingehend auszulegen, dass zumindest für die Wahlperiode von 2011 bis 2017 die im aktuellen Satzungsentwurf vorgesehene Überschreitung der Größe der Vertreterversammlung zugelassen werde. Die Klägerin hat das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten von Prof. Dr. B. und Wiss. Mitarbeiter S., erstellt im Januar 2010, zur Frage "Kann die Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) bis zum Ablauf der 11. Sozialwahlperiode im Jahr 2017 aus 76 Mitgliedern bestehen" vorgelegt. Darin kommen die Autoren zusammenfassend zum Schluss, dass § 222 Abs. 3 SGB VII jedenfalls bei umfangreichen Zusammenschlüssen eine Lücke schließe, die die §§ 118, 119 SGB VII hinsichtlich der Größe der Vertretersammlungen offen ließen und damit auch bis 2017 eine Größe der Vertreterversammlung von 76 Mitgliedern rechtfertige. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den Inhalt des Gutachtens verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus: Die Übergangsregelung des § 56 der Satzung sei zu Recht gemäß §§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB IV i.V.m. § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB VII, §§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII auf die zehnte Wahlperiode begrenzt worden. § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB IV begrenze die Höchstzahl der Mitglieder der Vertreterversammlung auf 60. Eine gesetzliche Ausnahmeregelung sei nicht vorhanden. § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, der auch für gewerbliche Berufsgenossenschaften greife, erlaube eine Ausnahme nur bis zum Ablauf der 10. Wahlperiode. § 222 Abs. 3 SGB VII nehme dem gegenüber keinerlei Bezug auf die zulässige Höchstzahl der Mitglieder in den Selbstverwaltungsorganen. Den durchaus erkannten Schwierigkeiten bei der Zusammenführung unterschiedlicher Branchen sei im Rahmen des rechtlich Zulässigen bereits dadurch Rechnung getragen worden, dass die Zahl von 40 Vorstandsmitgliedern genehmigt worden sei, obwohl die Klägerin von der Versichertenzahl her eher zu den kleineren bis mittelgroßen Berufsgenossenschaften zähle und sich im Übrigen, was die Heterogenität ihrer Strukturen anbelange, nicht wesentlich von den übrigen fusionierten Berufsgenossenschaften unterscheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage, über die das Landessozialgericht gemäß § 29 Abs. 2 Satz 1 SGG als Gericht erster Instanz zu entscheiden hat, ist zulässig.
Dabei kann offen bleiben, ob die angestrebte, bezüglich des § 56 der Satzung einschränkungslose Satzungsgenehmigung als Verwaltungsakt, d.h. als Akt der Rechtsanwendung, oder als Akt der Mitwirkung bei der autonomen Rechtssetzung anzusehen ist (vgl. BSGE 29, 21 ff). Ist die Satzungsgenehmigung ein Verwaltungsakt, dann ist die von der Klägerin erhobene Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Erteilung der Satzungsgenehmigung als Verpflichtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG zulässig; ist die Satzungsgenehmigung hingegen kein Verwaltungsakt, ist der Klägerin nach § 54 Abs. 3 SGG Rechtsschutz zu gewähren. Ausdrücklich zugelassen ist die Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG zwar nur für die Klage, die auf die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde gerichtet ist. Die Vorschrift ist jedoch entsprechend anzuwenden, wenn die Aufsichtsbehörde die Vornahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes abgelehnt hat und die betroffene Körperschaft geltend macht, dass auf die Vornahme des Aktes ein Rechtsanspruch besteht (st. Rechtsprechung BSG, vgl. BSGE 29, 21 ff; BSGE 61, 235 ff; 69, 72). Gleiches gilt auch dann, wenn die beantragte Genehmigung mit einer belastenden Teilregelung versehen worden ist und der Selbstverwaltungsträger mit der Aufsichtsklage geltend macht, dass er auf die uneingeschränkte Genehmigung einen Rechtsanspruch hat.
Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der ursprünglich klagenden Berufsgenossenschaft Chemie prozessführungsbefugt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 175 Nr. 1).
Die Klage ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte hat die Satzung der Klägerin zu Recht nur mit der im Streit stehenden Maßgabe genehmigt.
Jeder Versicherungsträger im Sinne des § 29 SGB IV gibt sich eine Satzung. Sie bedarf der Genehmigung der nach den besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige zuständigen Behörde (§ 34 Abs. 1 SGB IV). Die Versicherungsträger unterliegen staatlicher Aufsicht. Sie erstreckt sich auf die Beachtung von Gesetz und sonstigem Recht, das für die Versicherungsträger maßgebend ist (§ 87 Abs. 1 SGB IV). Die Aufsicht über die Versicherungsträger, deren Zuständigkeit sich über das Gebiet des Landes hinaus erstreckt (bundesunmittelbare Versicherungsträger), führt das Bundesversicherungsamt (§ 90 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz SGB IV).
Prüfungsmaßstab der Aufsichtsbehörde ist nach dem Grundsatz der maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht, ob allgemein anerkannte Bewertungsmaßstäbe überschritten worden sind. Der beaufsichtigten Behörde steht ein gewisser, von der Aufsicht zu beachtender Bewertungsspielraum zu, sofern sich das Handeln oder Unterlassen des Beaufsichtigten im Bereich des rechtlich noch Vertretbaren bewegt ( vgl. z.B. BSGE 94, 221 = SozR 4-2400 § 89 Nr. 3; zuletzt BSG, Urteil vom 18.7.2006 - B 1 A 2/05 R, SozR 4-2400 § 80 Nr. 1 RdNr. 23, jeweils mwN ).
Die Beklagte war berechtigt, die ihm zur Genehmigung vorgelegte Satzung nur mit der Maßgabe zu genehmigen, dass in § 56 "Bis zum Ablauf der elften Wahlperiode" ersetzt wird durch "Bis zum Ablauf der zehnten Wahlperiode", da § 56 der Satzung in seiner ursprünglichen Fassung nicht mit geltendem Recht, nämlich § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, übereinstimmt und andere Rechtsnormen, die ein Überschreiten auch für die 11. Wahlperiode einräumen könnten, nicht existieren. Offen bleiben konnte deshalb, ob die Satzung schon deshalb nicht genehmigungsfähig war, da die Klägerin in ihrer Satzung nicht nur für die 11. Wahlperiode, sondern in dem vom Beklagten ebenfalls nicht genehmigten § 8 der Satzung auch auf Dauer die Größe der Vertreterversammlung auf je 38 Mitglieder festgelegt hat.
Schon nach dem Wortlaut des § 43 Abs. 1 SGB IV ist die Zahl der Vertreter in der Vertreterversammlung der Berufsgenossenschaft auf 60 Mitglieder begrenzt. Denn § 43 Abs. 1 SGB IV bestimmt, dass die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane durch die Satzung entsprechend der Größe des Versicherungsträgers bestimmt wird und nur für die folgende Wahlperiode geändert werden kann. Die Vertreterversammlung hat höchstens sechzig Mitglieder; der Verwaltungsrat der in § 35a Abs. 1 (SGB IV) genannten Krankenkassen hat höchstens dreißig Mitglieder. Die Vertreterversammlungen der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung haben jeweils höchstens dreißig Mitglieder (§ 43 Abs. 1 SGB IV).
Auch unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der maßgeblichen Gesetzesfassung ist eine abweichende Auslegung nicht möglich.
§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV wurde mit Einführung des SGB IV durch Gesetz vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 1976, 3845 ff) mit Wirkung zum 1. Januar 1977 eingeführt. Bereits in der ursprünglichen Fassung war die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung grundsätzlich auf 60 Mitglieder festgesetzt. Spätere Änderungen des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, insbesondere durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3242), ließen die Höchstzahl der Mitglieder der Vertreterversammlungen mit 60 Personen unberührt, führten jedoch für alle anderen Sozialversicherungszweige - mit Ausnahme der gesetzlichen Unfallversicherung - niedrigere Grenzen für die Mitgliederzahl ein, um die Handlungsfähigkeit der Vertreterversammlungen zu erhöhen (vgl. BR-Drucks 430/04 S. 196 f zum RVOrgG). Anhaltspunkte dafür, dass über die bereits gesetzlich normierte Privilegierung der Berufsgenossenschaften im Hinblick auf die Größe der Vertreterversammlung hinaus eine Erweiterungsoption bestehen sollte, sind aus den jeweiligen Gesetzesmaterialien nicht ersichtlich.
Deshalb war die Klägerin schon nach § 43 Abs. 1 SGB IV nicht befugt, in ihrer Satzung die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung über die laufende Wahlperiode hinaus auf über 60 Mitglieder festzulegen.
Gesetzliche Regelungen, die ein Abweichen davon gestatten würden, existieren nicht. Insbesondere bilden weder §§ 118, 119 SGB VII noch § 222 Abs. 3 SGB VII dafür eine Rechtsgrundlage.
§ 118 SGB VII gibt den Berufsgenossenschaften die Möglichkeit, sich durch Beschluss ihrer Vertreterversammlungen zu einer Berufsgenossenschaft zu vereinigen. Die Vorschrift enthält zahlreiche Vorschriften, die für eine konkret bestimmte Zeit von der gesetzlichen Grundregelung abweichende Regelungen erlauben, z.B. in § 118 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. Abs. 4 SGB VII zu den Vereinbarungen über die Gefahrtarif- und Beitragsgestaltung, nach Abs. 1 Satz 5 für weitere Tätigkeiten der bisherigen Geschäftsführer und ihrer Stellvertreter und deren Zuständigkeit. Keine Übergangsregelung findet sich für die Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung.
§ 119 SGB VII, der laut der gesetzlichen Überschrift für die Vereinigung landwirtschaftlicher Berufsgenossenschaften durch Verordnung gilt, sieht in Abs. 4 Satz 1 folgende Regelung vor: "Bis zu den nächsten allgemeinen Wahlen in der Sozialversicherung richtet sich die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane der auf Grund des Ersten Abschnittes des Fünften Kapitels dieses Gesetzes vereinigten oder neu gebildeten Berufsgenossenschaften nach der Summe der Zahl der Mitglieder, die in den Satzungen der aufgelösten Berufsgenossenschaften bestimmt worden ist; § 43 Abs. 1 Satz 2 des Vierten Buches ist nicht anzuwenden."
Unabhängig von der Frage, ob § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII auch für die Vereinigung von nicht-landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften Geltung besitzt, kann auch aufgrund dieser Vorschrift ein Überschreiten der Zahl von 60 Mitgliedern in der Vertreterversammlung nicht genehmigt werden. Denn § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII erlaubt nur für den Zeitraum bis zu den nächsten Sozialwahlen (ausgehend vom Zeitpunkt der Vereinigung der Berufsgenossenschaften) ein Abweichen von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VII und damit nur bis zum Ablauf der - laufenden - 10. Wahlperiode (und nicht, wie von der Klägerin begehrt und in der Satzung vorgesehen) bis zum Ablauf der 11. Wahlperiode.
Auch § 222 Abs. 3 SGB VII rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Danach ist bei den Fusionen gewerblicher Berufsgenossenschaften eine angemessene Vertretung der Interessen der in den bisherigen gewerblichen Berufsgenossenschaften vertretenen Branchen sowie eine ortsnahe Betreuung der Versicherten und Unternehmen sicherzustellen.
§ 222 SGB VII wurde mit Wirkung vom 5. November 2008 durch das Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Unfallversicherung vom 30. Oktober 2008 (BGBl I S. 2130) eingefügt. Gesetzgeberisches Ziel der Fusionen soll unter anderem eine Verschlankung der Strukturen sowie die Einsparung von Verwaltungs- und Verfahrenskosten (BT- Drucks 16/9788 S. 21) sein.
In der Begründung zur Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung (BR-Drucks 113/08 S. 98) ist zu § 222 SGB VII u.a. ausgeführt, dass die erstrebte angemessene Vertretung der bisherigen Branchen in der neuen, fusionierten Berufsgenossenschaft zum einen durch die Zusammensetzung der Selbstverwaltungsorgane zu gewährleisten sei, aber auch unter Berücksichtigung des § 118 Abs. 1 Satz 5 SGB VII, wonach die übergangsweise Tätigkeit der bisherigen Geschäftsführer und Stellvertreter in den neuen Berufsgenossenschaften für eine Übergangszeit abweichend geregelt werden könne. Des Weiteren ist ausgeführt: "Schließlich wird dieses Ziel auch durch die bestehende Regelung des § 119 Abs. 4 SGB VII, der auf sämtliche Fusionstatbestände der §§ 116 ff Anwendung findet, erfüllt. Hiernach richtet sich die Zahl der Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane des neuen Trägers nach der Summe der Mitglieder, die in den Satzungen der fusionierten Träger vorgesehen war".
Was den Verweis in der Gesetzesbegründung zu § 222 SGB VII auf § 119 Abs. 4 SGB VII betrifft, wird auf das zur Wortlautauslegung Ausgeführte verwiesen. Welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass in der Gesetzesbegründung der aus Sicht der Klägerin entscheidende 2. Halbsatz des § 119 Abs. 4 Satz 1 SGB VII, der den Verweis auf § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV beinhaltet, nicht zitiert wird, musste deshalb nicht entschieden werden.
Der Senat teilt allerdings auch nicht die im Gutachten von Prof. Dr. B. vertretene Auffassung, wonach § 222 Abs. 3 SGB VII die Regelung des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV verdränge (§ 1 Abs. 3 SGB IV).
§ 222 Abs. 3 SGB VII ist als allgemeiner Programmsatz anzusehen, der den fusionierenden Berufsgenossenschaften im Rahmen ihrer Selbstverwaltungsbefugnisse aufgibt, aber auch einräumt, für eine angemessene Vertretung der Interessen in der fusionierten Berufsgenossenschaft zu sorgen. Der Gesetzesbegründung kann entnommen werden, dass es der Gesetzgeber in die Hoheit der Berufsgenossenschaften stellen wollte zu entscheiden, wie diese Vorgabe umgesetzt wird. Er hat dazu in der Gesetzesbegründung (s. oben) mehrere, aus seiner Sicht für die Verwirklichung des Ziels geeignete Instrumente aufgezeigt, ohne diese zu gewichten. Es soll nach dem gesetzgeberischen Willen somit im Rahmen der Selbstverwaltungsbefugnisse aus dem bestehenden Regelungsinstrumentarium das gewählt werden, was sich aus Sicht der verantwortlichen Organe in der jeweiligen Situation - einzeln oder in Kombination - als günstig erweist. Die gesetzliche Vorgabe einer angemessenen Vertretung ist daher durch die Organe auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Sie verlangt keineswegs, dass ein rechnerischer Proporz entsprechend der bisherigen Größen der fusionierenden Berufsgenossenschaften hergestellt wird oder alle, auch die kleinste, Berufsgenossenschaft, für eine Übergangszeit oder auf Dauer mit einem eigenen Vertreter in der Vertreterversammlung vertreten ist. Denkbar wäre genauso, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hatte, auch die Vertretung mehrerer - ehemaliger - Berufsgenossenschaften durch gemeinsame Vertreter oder die Reduzierung der Vertreter der - ehemalig - größten Einzel-Berufsgenossenschaft in der Vertreterversammlung.
Der Klägerin ist es darüber hinaus selbst für die Größe von 76 Mitgliedern ihrer Vertreterversammlung nicht gelungen, ein rechnerisches Gleichgewicht herzustellen. Vergleicht man z.B. die Mitgliedsbetriebe der ehemaligen Bergbau-BG und der Steinbruch-BG (247 bzw. 5.074) sowie deren versicherte Vollarbeiter (66.892 bzw. 128.696) oder deren Lohnsummen (rund 2.828 Mio. gegenüber 3.875 Mio. EUR), ist schon anhand dieser erheblichen Unterschiede (und damit des erheblichen Gewichtsunterschieds in der fusionierten BG) nicht zwingend, dass für beide Berufsgenossenschaften jeweils 10 Mitglieder in der Vertreterversammlung und 6 Mitglieder im Vorstand vorgesehen sind. Auch mit Blick auf die Größenunterschiede der fusionierenden Chemie-BG und Zucker-BG als jeweils größte und kleinste BG, ist eine rein rechnerische Gewichtung weder durchgeführt noch vorgenommen worden. Daher hatte die Klägerin offensichtlich selbst andere Gewichtungen vorgenommen, die es offenbar erlaubten, von der rechnerischen Gewichtung abzuweichen. Anhaltspunkte dafür, warum die dahinter stehenden Überlegungen nicht auch eine Reduzierung der Zahl der Mitglieder der Vertreterversammlung auf 60 Mitglieder erlauben sollten, sind nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen oder in ihrer Satzung geregelt, wie nach Ablauf der 11. Wahlperiode die Vertreterversammlung zusammen gesetzt sein soll. Offenbar bestehende Schwierigkeiten, zu einer konsensualen Einigung zu kommen, werden nur in die Zukunft verschoben, was gerade § 222 Abs. 3 SGB VII zu wider läuft und keinen rechtlichen Grund für eine Ausdehnung der Übergangsfrist liefert.
Ob sich § 222 Abs. 3 SGB VII, wie im Rechtsgutachten behauptet, vorwiegend auf die Vertreterversammlung beschränkt, kann offen bleiben, obwohl der Senat daran - in Übereinstimmung mit dem Beklagten - erhebliche Zweifel hat. Denn die Zusammensetzung der übrigen Organe steht hier nicht im Streit.
Soweit der Gutachter darüber hinaus versucht, § 222 Abs. 3 SGB VII und § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu setzen, überzeugt dies ebenfalls nicht.
Schon seinem Wortlaut nach gibt § 222 Abs. 3 SGB VII dafür keine Handhabe, denn die Vorschrift spricht nur von einer "angemessenen" Vertretung, ohne Anhaltspunkte für die vom Gutachter daraus hergeleitete Befugnis der Selbstverwaltungsorgane, für eine längere als die im Gesetz genannte Übergangszeit von den gesetzlichen Regelungen zur Größe der Vertretungsorgane abzuweichen. Ein Ermessen, das in atypischen Einzelfällen ein Abweichen erlaube, ist weder aus dem Wortlaut noch der Gesetzessystematik ableitbar. Darüber hinaus würde sich die Frage stellen, ein derartiges Abweichen als rechtlich zulässig unterstellt, ob tatsächlich von einem atypischen Ausnahmefall bei der Fusion der ursprünglichen Berufsgenossenschaften zur Klägerin auszugehen ist. Denn auch andere Berufsgenossenschaften hatten beim Fusionsprozess erhebliche Größenunterschiede der fusionierenden Berufsgenossenschaften zu verkraften.
Nimmt man beispielhaft die Berufsgenossenschaft Berufsgenossenschaft Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse (BGETM), die zum 1. Januar 2008 aus der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik sowie der Berufsgenossenschaft für Textil und Bekleidung fusioniert ist, ist auch deren rein zahlenmäßige Vergleichbarkeit sehr gering.
Auch dieser Berufsgenossenschaft ist es gelungen, nach Ablauf der laufenden Wahlperiode mit einer Größe der Vertreterversammlung von 84 Mitgliedern die Zahl der Mitglieder ab der 11. Wahlperiode auf 60 Personen zu begrenzen. Gleiches gilt für die vom Beklagten als weiteres Beispiel aufgeführte Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.
Darüber hinaus überzeugt die Auslegung des § 222 Abs. 3 SGB VII durch den Gutachter auch deshalb nicht, weil der Begriff "angemessene Vertretung" in zeitlicher Hinsicht ausgelegt wird, wonach dadurch nämlich nicht nur eine Überschreitung der Grenze des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV gerechtfertigt werde, sondern auch, dass dies gerade bis zum Ablauf der 11. Wahlperiode gelten soll. Warum allerdings die Begrenzung gerade auf die übernächte Wahlperiode und nicht z.B. auf die 12. oder 13. Wahlperiode gelegt wird, wird nicht ausgeführt. Allein das Argument, bis dahin seien die fusionierten Berufsgenossenschaften so zusammen gewachsen, dass dann eine Begrenzung auf 60 Mitglieder möglich werde, überzeugt nicht. Denn die angemessene Vertretung muss auch im Rahmen der 60 Mitglieder umfassenden Vertreterversammlung gesichert sein; davon enthebt § 222 Abs. 3 weder für die laufende noch zukünftige Wahlperioden. Nicht zuletzt zeigt gerade die fehlende Regelung der Größe der Vertreterversammlung nach der 11. Wahlperiode in der Satzung der Klägerin, dass allein auf die Hoffnung eines "Zusammenwachsens" eine Regelung nicht gestützt werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind, insbesondere schon wegen des eindeutigen Wortlautes des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV nicht die von Klägerseite vorgebrachte grundsätzliche Bedeutung des Verhältnisses von § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB IV und § 222 Abs. 3 SGB VII.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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