L 5 AS 421/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 1 AS 234/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 421/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
einstweiliger Rechtsschutz-Leistungsanspruch-Glaubhaftmachung-Durchschnittseinkommen-Tilgungszahlungen-Kindergeld
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die Bewilligung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom 1. März bis zum 31. Juli 2009.

Der im Jahr 1956 geborene Antragsteller zu 1) ist mit der Antragstellerin zu 2), die im Jahr 1964 geboren ist, verheiratet. Gemeinsam mit ihrem am 26. November 1984 geborenen Sohn, dem Antragsteller zu 3), und einem älteren Sohn, der wirtschaftlich unabhängig ist, bewohnen sie ein von ihnen selbst ausgebautes Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von ca. 120 m² in Wulkau. Zur Finanzierung des Eigenheims hatten die Antragsteller zu 1) und 2) drei Darlehen aufgenommen, für welche sie monatlich insgesamt 262,03 EUR an Zinsen und Tilgung entrichten. Es handelt sich um ein Darlehen bei der K. St. , für das monatlich bis einschließlich Juli 2009 eine monatliche Rate iHv 170,00 EUR zu zahlen war. Von März bis Juli 2009 entfielen hiervon insgesamt 314,15 EUR (durchschnittlich monatlich 62,83 EUR) auf Zinsen; der Rest waren Tilgungsleistungen. Für ein Darlehen von der Bausparkasse S.H. AG sind monatliche Leistungen iHv 61,36 EUR zu erbringen; im ersten Halbjahr 2009 wurde ein Zinsbetrag von 31,12 EUR (d.h. monatlich 5,19 EUR) ausgewiesen. Für ein weiteres Darlehen bei der S.H. AG sind monatlich 30,67 EUR zu zahlen. Im ersten Halbjahr 2009 betrugen die Zinsen 33,53 EUR, d.h. 5,59 EUR monatlich.

Der Antragsteller zu 1) ist als Heizungsinstallateur vollschichtig beschäftigt und erzielte im Januar 2009 ein Monatsbruttogehalt iHv 1.311,20 EUR. Das daraus resultierende Nettogehalt iHv 960,78 EUR wurde seinem Girokonto am 25. Februar 2009 gutgeschrieben. Im Februar 2009 erzielte er ein Bruttoentgelt iHv 1.192,00 EUR, welches zu einem Nettoauszahlungsbetrag von 883,34 EUR führte. Weiter erhielt der Antragsteller zu 1) für die beiden Söhne ein monatliches Kindergeld iHv von je 164,00 EUR.

Die Antragstellerin zu 2) ist Halterin eines vom Antragsteller zu 1) als Versicherungsnehmer versicherten Kfz Ford Fiesta, für den er im März 2008 einen monatlichen Kfz-Haftpflichtversicherungsbeitrag iHv 11,94 EUR (im Jahr 2010: 11,74 EUR) bezahlte.

Die Antragsteller standen bei der Antragsgegnerin im laufenden Bezug von ergänzenden Grundsicherungsleistungen. Im Monat Oktober 2008 betrug der Gesamtbetrag 71,10 EUR. Mit ihrem Fortzahlungsantrag vom 11. November 2008 legten die Antragsteller den letzten Gehaltsnachweis des Antragstellers zu 1) vor. Danach hatte er im September 2008 ein Bruttoentgelt iHv 1.311,20 EUR erzielt, welches zu einer Nettozahlung iHv 952,06 EUR führte.

Mit Bescheid vom 18. November 2008 bewilligte die Antragsgegnerin im Zeitraum vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. Juni 2009 den Antragstellern monatliche Gesamtleistungen iHv 71,10 EUR (Antragsteller zu 1) 24,41 EUR, zu 2) 24,42 EUR, zu 3) 22,27 EUR), die auch bis einschließlich Januar 2009 ausgezahlt wurden. Gegen den Bescheid haben die Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden worden ist.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2009 forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller auf, Lohnnachweise ab Oktober 2008 vorzulegen. Sie empfahl, einen Wohngeldantrag ab Januar 2009 zu stellen. Vorsorglich habe sie Zahlungen ab Februar 2009 eingestellt.

Ausweislich der daraufhin am 26. Januar 2009 bei der Antragsgegnerin vorgelegten Gehaltsabrechnungen erzielte der Antragsteller zu 1) im Oktober 2008 ein Nettogehalt iHv 1.167,77 EUR, im November 2008 iHv 1.130,53 EUR und im Dezember 2008 iHv 1.228,37 EUR.

Am 5. März 2009 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Stendal (SG) im Wege der einstweiligen Anordnung die Bewilligung von Leistungen für die Monate März bis Juli 2009 beantragt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, ab Februar seien die Leistungen eingestellt worden, weil sie angeblich unregelmäßig Lohnnachweise vorgelegt hätten. Indes wisse die Antragsgegnerin, dass der Antragsteller zu 1) seine Gehaltsabrechnungen jeweils mit zweimonatiger Verzögerung erhalte. Die Abrechnung für Januar 2009 könne erst zum 15. März 2009 übersandt werden. Weiter berücksichtige die Antragsgegnerin fehlerhaft nur die Zinsen für ihre Eigenheimkredite. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien auch die Tilgungsraten zu berücksichtigen. Außerdem hätten sie monatliche Hausnebenkosten iHv 98,46 EUR. Zudem fielen monatlich 99,00 EUR an Heizkosten an. Die Unterkunftskosten betrügen somit insgesamt 459,49 EUR monatlich. Das Einkommen sei nur mit 681,25 EUR anrechenbar. Die Antragsteller zu 1) und 2) hätten daher einen monatlichen Anspruch iHv 236,29 EUR und der Antragsteller zu 3) iHv 218,66 EUR. Das Vorenthalten dieser Beträge bedeute für die Antragsteller eine existenzbedrohende Situation. Als Belege fügten die Antragsteller Unterlagen über Zins- und Tilgungsanteile der Darlehen jeweils für das Jahr 2006 (Kreisparkasse) bzw. 2007 (Bausparkasse) bei.

Für die Monate Februar, März und April 2009 hat die Antragsgegnerin nach Vorlage der Gehaltsbescheinigungen wieder Leistungen iHv insgesamt 71,10 EUR ausgezahlt.

Im Erörterungstermin am 14. Mai 2009 haben die Antragsteller Gehaltsabrechnungen des Antragstellers zu 1) für Januar und Februar 2009 sowie nachfolgend den Zins- und Tilgungsplan für das Sparkassendarlehen vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2009 hat die Antragsgegnerin ausgeführt, es seien lediglich Schuldzinsen in Höhe von 51,72 EUR zu berücksichtigen. Dieser Betrag sei auf der Grundlage der Bescheinigungen für das Jahr 2008 ermittelt worden. Die tatsächliche Höhe der Zinsen im Jahr 2009 sei nicht bekannt. Weiter gehe sie von monatlichen Betriebskosten iHv 106,20 EUR aus. Hinzu kämen noch Heizkosten iHv monatlich 100,83 EUR. Hieraus ergäben sich Gesamtkosten für das Eigenheim iHv 258,75 EUR, von denen 3/4 auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfielen. Es ergebe sich mithin ein Bedarf iHv 1.107,06 EUR (2 x 316 EUR plus 281 EUR plus 194,06 EUR). Das Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1) sei auf anrechenbare 681,25 EUR zu bereinigen. Außerdem erhalte der Antragsteller zu 1) nach Auskunft der Familienkasse das Kindergeld iHv 164,00 EUR für den älteren Sohn, der nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sei. Auch für den Antragsteller zu 3) werde seit 1. März 2009 ein Kindergeld iHv 164,00 EUR bezogen, welches unter Abzug der Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR auf dessen Bedarf anzurechnen sei. Es ergebe sich ein anrechenbares Gesamteinkommen iHv 979,25 EUR. Daraus resultiere ein Leistungsanspruch iHv jeweils 50,00 EUR für den Antragsteller zu 1) und die Antragstellerin zu 2) sowie iHv 27,81 EUR für den Antragsteller zu 3).

Mit Beschluss vom 20. Juli 2009 hat das SG die Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistung im Zeitraum vom 5. März bis zum 31. Juli 2009 unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen verpflichtet; an die Antragsteller zu 1) und zu 2) seien Leistungen iHv jeweils 51,00 EUR monatlich sowie an den Antragsteller zu 3) iHv 46,00 EUR monatlich zu erbringen. Im Übrigen hat es den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Tilgungsleistungen seien nicht bedarfserhöhend zu berücksichtigen. Die vom BSG mit Urteil vom 18. Juni 2008 aufgestellten Voraussetzungen für eine Übernahme von Tilgungsraten lägen nicht vor. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass ohne die Übernahme der Tilgungsleistungen der Verlust des Eigenheims drohe. Der von den Antragstellern geltend gemachte Erhaltungsaufwand sei nur dann berücksichtigungsfähig, wenn er tatsächlich anfalle. Die im Übrigen von ihnen aufgeführten Betriebs- und Heizkosten seien von der Antragsgegnerin sogar mit höheren Beträgen berücksichtigt worden, sodass sich insoweit weitere Ausführungen erübrigten. Zur Anrechnung des Kindergeldes hätten sich die Antragsteller im Verfahren nicht geäußert. Das für den Antragsteller zu 3) gezahlte Kindergeld sei bis einschließlich Mai 2009 nur iHv 154,00 EUR als Einkommen zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus § 1 Abs. 3 Alg II-V. Das Kindergeld, das dem Antragsteller zu 1) für seinen Sohn Martin ausgezahlt werde, sei ebenfalls mit 154,00 EUR als sein Einkommen zu bewerten.

Gegen den ihm am 22. Juli 2009 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 21. August 2009 Beschwerde eingelegt, die sie auf Aufforderung durch den Senat mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 begründet haben. Sie begehren weiterhin höhere Leistungen und führen aus, es seien die vollständigen Darlehensraten iHv 262,03 EUR zu berücksichtigen. Das BSG habe ausgeführt, dass bei den KdU die gesamten Finanzierungskosten, auch die Tilgungsleistungen, in Betracht kämen. Das gelte insbesondere, wenn ohne Übernahme der Tilgungsleistungen der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums drohe. Diese Gefahr bestehe, denn wenn die Antragsteller die vereinbarten Raten nicht zahlten, würden die Banken die Darlehen kündigen und die Zwangsvollstreckung betreiben. Für die Monate Juni und Juli 2009 habe der Antragsteller zu 3) kein Kindergeld mehr erhalten.

Weiter haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 einen Prozesskostenhilfeantrag gestellt. Am 20. Mai 2010 haben sie die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Belege vorgelegt. Weiter haben sie Belege über die Hauslasten (Darlehenszinsen und Nebenkosten) im Jahr 2009 eingereicht. Aus einem beigefügten Schreiben der Familienkasse Magdeburg ergibt sich, dass das Kindergeld für den Sohn Martin ab Januar 2010 weiter an diesen abgezweigt wird. Seit wann dies bereits der Fall ist, ergibt sich nicht.

Die Antragsteller beantragen wörtlich,

1. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 ER – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, dem Antragsteller zu 1) für den Zeitraum März 2009 bis Mai 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 169,63 EUR zu gewähren, 2. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 ER – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, der Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum März 2009 bis Mai 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 169,63 EUR zu gewähren, 3. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, dem Antragsteller zu 3) für den Zeitraum März 2009 bis Mai 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 103,10 EUR zu gewähren, 4. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 ER – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, dem Antragsteller zu 1) für den Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 197,47 EUR zu gewähren, 5. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 ER – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, der Antragstellerin zu 2) für den Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 197,47 EUR zu gewähren, 6. der Antragsgegnerin wird unter Abänderung der Entscheidung des Sozialgerichts Stendal – Aktenzeichen S 1 AS 234/09 ER – vom 20. 07. 2009 aufgegeben, dem Antragsteller zu 3) für den Zeitraum Juni 2009 bis Juli 2009 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 181,43 EUR zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass nach Auskunft der Familienkasse Kindergeld für den älteren Sohn an den Antragsteller gezahlt werde. Andere Belege lägen nicht vor. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Übernahme der Tilgungsleistungen lägen nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen waren Gegenstand der Beratung des Senats.

II.

Die Beschwerde ist statthaft gemäß § 172 Sozialgerichtsgesetz (SGG), form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 173 SGG) und auch sonst zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert angesichts der hier geltend gemachten weiteren Leistungen iHv mindestens 294,36 EUR monatlich bereits bei einem dreimonatigen Leistungszeitraum überschritten.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Gewährung weiterer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für den beantragten Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. Juli 2009.

Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragsstellers erschwert oder wesentlich vereitelt wird. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens sowohl eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile), als auch eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweg genommen werden.

Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht in der Hauptsache nicht bindet.

Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, SGG, 9. Aufl. § 86b RN 16b). Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die sozialgerichtliche Entscheidung nicht zu beanstanden.

Das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes hat vor dem Hintergrund des Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe, in den Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003 S. 1236 und vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber gleichzeitig, dass ein Anordnungsgrund fehlt, wenn die vermutliche Zeitdauer des Hauptsacheverfahrens keine Gefährdung für die Rechtsverwirklichung und -durchsetzung bietet, wenn also dem Antragsteller auch mit einer späteren Realisierung seines Rechts geholfen ist. Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum der Antragsteller sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt. Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage.

Im vorliegenden Fall ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, die eine weitere Leistungsbewilligung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertigen würden.

Das SG hat im angegriffenen Beschluss – antragsgemäß – Leistungen zuerkannt bis einschließlich Juli 2009. Dabei liegen die Monate Juni und Juli 2009 bereits außerhalb des sechsmonatigen Bewilligungszeitraums, für den die Antragsgegnerin bereits mit Bescheid vom 18. November 2008 Leistungen bewilligt hatte (1. Dezember 2008 bis 31. Mai 2009). Üblicherweise sind einstweilige Anordnungen bei Leistungen nach dem SGB II auf den Bewilligungszeitraum zu beschränken. Dies ergibt sich aus der Wertung nach § 41 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II (vgl. Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2009, Az.: L 5 AS 285/09 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 86b RN 35b). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie hier – bereits durch den Erlass eines Bewilligungsbescheids ein Bewilligungszeitraum konkretisiert worden ist. Soweit das SG Leistungen für einen annähernd fünf Monate umfassenden, über den Bewilligungsabschnitt hinausgehenden Zeitraum zuerkannt hat, wäre der Senat zwar gehindert, den Ausspruch aufzuheben, da die Antragsgegnerin gegen den Beschluss nicht vorgegangen und dieser insoweit rechtskräftig geworden ist. Andererseits sähe sich der Senat – aufgrund des vorgegebenen Bewilligungszeitraums – jedoch gehindert, Leistungen für einen darüber hinausgehenden Zeitraum zuzusprechen.

Durch die Höhe der vom SG in der angegriffenen Entscheidung für den begehrten Zeitraum zugesprochenen und anschließend von der Antragsgegnerin auch ausgezahlten monatlichen Leistungen (51,00 EUR monatlich für die Antragsteller zu 1) und zu 2) und 46,00 EUR monatlich für den Antragsteller zu 3)) ist das zum Lebensunterhalt Unerlässliche und das verfassungsrechtlich verbürgte Existenzminimum der Antragsteller gewährleistet, weshalb die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten ist. Eine finanzielle Deckungslücke spürbaren Ausmaßes bzw. eine akute wirtschaftliche Notsituation ist nicht glaubhaft gemacht.

Vielmehr dürften aufgrund der sozialgerichtlichen Entscheidung – soweit dies nach den von den Antragstellern vorgelegten, teilweise unzureichenden Unterlagen – beurteilt werden kann, dem Antragsteller zu 3) sogar zu hohe Leistungen vorläufig bewilligt worden sein.

Obwohl zwischenzeitlich der hier streitige Zeitraum vollständig abgelaufen ist und auch die notwendigen Verdienstbescheinigungen des Antragstellers zu 1) für die Monate März bis Juli 2009 seit langem vorliegen dürften, haben die Antragsteller, obwohl sie bereits durch die sozialgerichtliche Entscheidung darauf hingewiesen worden sind, keine Belege für das Gehalt des Antragstellers zu 1) vorgelegt und somit nicht glaubhaft gemacht. Auch Belege für die behauptete Einstellung der Kindergeldzahlungen an den Antragsteller zu 3) (Juni und Juli 2009) und die weiter behauptete Zahlung des Kindergelds direkt an den weiteren Sohn fehlen. Dieser Faktor, der unmittelbaren Einfluss auf die Berechnung des Leistungsanspruchs hat, ist nicht glaubhaft gemacht und kann daher keine Berücksichtigung finden.

Insbesondere kann eine konkrete Berechnung des Leistungsanspruchs der Antragsteller durch den Senat für diejenigen Monate, für die Leistungen beansprucht werden, nicht erfolgen, da das Erwerbseinkommen des Antragstellers zu 1), das nicht gleichbleibend ist und in monatlich schwankender Höhe erzielt wird, nicht belegt oder glaubhaft gemacht worden ist. Damit gelingt die Glaubhaftmachung eines weiteren, über den Ausspruch des SG hinausgehenden Leistungsanspruchs nicht.

Eine Kontrollberechnung des Senats anhand des durchschnittlichen Monatseinkommens des Antragstellers zu 1) auf der Grundlage der vorliegenden Gehaltsbescheinigungen für die Monate September 2008 bis einschließlich Monat Februar 2009 ergibt jedenfalls keinen höheren Gesamtleistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft.

Die für den vorgenannten Zeitrum vorliegenden Verdienstabrechnungen wurden um die vom Arbeitgeber steuerfrei gewährten Reisekosten und Verpflegungsaufwendungen, die nicht als Einkommen angerechnet wurden, bereinigt. Es ergab sich für den Halbjahreszeitraum ein Gesamtbruttoeinkommen iHv 7.688,40 EUR, d.h. durchschnittlich monatlich 1.281,40 EUR. Nach Abzug der Steuern sowie der Sozialversicherungsbeiträge ergab sich ein Gesamtnettoverdienst iHv 5.731,75 EUR, d.h. monatlich 955,29 EUR. Diese monatlichen Durchschnittsbeträge wurden der Kontrollberechnung zugrunde gelegt.

Die Hausnebenkosten hat der Senat aus den am 20. Mai 2010 vorgelegten Belegen für Wohngebäudeversicherung, Grundsteuer, Schornsteinfegergebühr und Abfallgebühren die durchschnittliche Monatsbelastung (34,78 EUR) berechnet und berücksichtigt. Die geltend gemachten Stromkosten sind bereits in der Regelleistung erfasst und können nicht als KdU berücksichtigt werden. Zu Gunsten der Antragsteller hat der Senat zudem den von der Antragsgegnerin angenommenen Betrag für die Kosten der Wasserversorgung iHv 418,00 EUR jährlich (34,83 EUR monatlich) übernommen, denn auch insoweit wurde kein Beleg vorgelegt. Kosten für die Fäkalienentsorgung konnten nicht berücksichtigt werden, da weder mitgeteilt worden ist, dass sie im Jahr 2009 erfolgte, noch ein Beleg vorgelegt worden ist. Insgesamt ergeben sich monatliche Betriebskosten iHv 69,61 EUR. An Heizkosten wurde ebenfalls der von der Antragsgegnerin zutreffend ermittelte Betrag von 100,83 EUR als monatliche Durchschnittsbelastung aus den 11 Abschlägen im Jahr 2009 berücksichtigt. Dieser Betrag ist höher sind als der von den Antragstellern genannte.

Zudem sind bei den Bauspardarlehen die Zinsbelastungen des ersten Halbjahres 2009 als monatlicher Durchschnittsbetrag berücksichtigt worden (5,19 EUR und 5,59 EUR). Für das Sparkassendarlehen sind im Zeitraum von März bis einschließlich Juli 2009 Zinsen iHv 314,15 EUR gezahlt worden, d.h. monatlich durchschnittlich 62,83 EUR. Insgesamt ergibt sich ein Wert für die KdU iHv 244,05 EUR für die vier Bewohner des Hauses, was kopfteilig 61,01 EUR bedeutet. Dieser Betrag ist um den Regelsatzanteil für die Kosten der Wassererwärmung iHv 5,70 EUR für die Antragsteller zu 1) und zu 2) (jeweils 55,31 EUR) sowie iHv 5,06 EUR für den Antragsteller zu 3) (55,95 EUR) zu bereinigen.

Entgegen der Auffassung der Antragsteller sind die Tilgungsanteile der von ihnen monatlich zu zahlenden Raten für die Immobiliendarlehen nicht zu übernehmen. Wie das SG in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, kommt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 18. Juni 2008, Az. B 14/11b AS 67/06 R) in Ausnahmefällen eine Übernahme von Tilgungsleistungen durch die Grundsicherungsträger dann in Betracht, wenn ohne diese Übernahme der Verlust des selbstgenutzten Wohneigentums droht (RN 27 ff.). Dies setzt voraus, dass die Kosten in Form der Tilgungsleistungen zur Erhaltung des Wohneigentums unvermeidbar sind. Der Hilfebedürftige muss – bevor er entsprechende SGB II-Leistungen in Anspruch nehmen kann – alles unternommen haben, um die Tilgungsverpflichtung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen so niedrig wie möglich zu halten.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht glaubhaft gemacht. Zum einen ist bereits nicht ersichtlich, dass den Antragstellern der Verlust ihres Eigenheims konkret droht, da sie nicht in der Lage wären, die Tilgungsleistungen zu erbringen. Zum anderen haben sie nicht glaubhaft gemacht, dass Nachverhandlungen mit den kreditierenden Stellen mit dem Ziel, die Tilgungsleistungen herab- bzw. auszusetzen, geführt wurden. Erst wenn derartige Bemühungen gescheitert sind, kann überhaupt eine Übernahme der Tilgungsleistungen durch den SGB II-Träger in Betracht kommen.

Die Antragsteller haben einen Regelbedarf iHv 315,90 EUR für die Antragsteller zu 1) und zu 2) sowie iHv 280,80 EUR für den Antragsteller zu 3). Mithin ergibt sich ein Gesamtbedarf iHv jeweils 371,21 EUR für die Antragsteller zu 1) und zu 2) sowie iHv 336,75 EUR für den Antragsteller zu 3). Das für den Antragsteller zu 3) gezahlte Kindergeld ist unmittelbar unter Berücksichtigung der gesetzlichen Freibeträge auf seinen Bedarf anzurechnen (124,00 EUR bis einschließlich Mai 2009 und 134,00 EUR ab Juni 2009), so dass für ihn ein Bedarfsanteil iHv 212,75 EUR bzw. 202,75 EUR) in die weitere Berechnung des Leistungsanspruchs und die Verteilung nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II eingeht.

Da die Antragsteller ihre Behauptung im Beschwerdeverfahren, in den Monaten Juni und Juli 2009 habe der Antragsteller zu 3) kein Kindergeld mehr erhalten, nicht belegt haben, war davon auszugehen, dass Kindergeld im gesamten Bewilligungszeitraum bezogen wurde, da kein Beendigungsgrund für den Senat ersichtlich ist. Gemäß § 2 Abs. 2 des Kindergeldgesetzes (Neufassung durch Bekanntmachung vom 28. Januar 2009, BGBl. I, 142, 3177) wird für Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, Kindergeld bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt. Der Antragsteller zu 3) hat sein 25. Lebensjahr erst im November 2009 vollendet. Anhaltspunkte für ein vorzeitiges Ende des Kindergeldbezugs, wie etwa durch die Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung, ergeben sich aus dem Vorbringen der Beteiligten und nach Aktenlage nicht.

Dem so berechneten Gesamtbedarf iHv 955,17 EUR bzw. 945,17 EUR ab Juni 2009 ist das vom Antragsteller zu 1) erzielte Einkommen entgegenzusetzen. Dieses setzt sich zusammen aus seinem Arbeitseinkommen – als Durchschnittswert der letzten sechs Monate – und dem ihm für seinen älteren Sohn, der nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ist, gezahlten Kindergeld. Einen Beleg dafür, dass das Kindergeld im Wege der Abzweigung an den Sohn direkt ausgezahlt worden ist, haben die Antragsteller nur für die Zeit ab Januar 2010 erbracht. Wie lange es bereits zuvor dem Antragsteller nicht mehr zugeflossen ist, ergibt sich aus den am 20. Mai 2010 vorgelegten Belegen nicht, sodass es im streitigen Zeitraum weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen ist.

Das Kindergeldeinkommen iHv 164,00 EUR war wegen der noch bis zum 31. Mai 2009 geltenden Ausnahmeregelung gemäß § 1 Abs. 3 Alg II–V in gekürzter Höhe von 154,00 EUR zu berücksichtigen. Es war nicht um die sog. Versicherungspauschale iHv 30,00 EUR zu bereinigen, da bereits das Erwerbseinkommen durch den Abzug der Freibeträge bereinigt wird.

Die Bereinigung des zugrunde gelegten Bruttoentgelts des Antragstellers zu 1) iHv 1.281,40 EUR um insgesamt 606,11 EUR (Steuern und Sozialversicherung: 326,11 EUR; Frei-beträge: 280,00 EUR) zuzüglich des unbereinigten Kindereinkommens für den älteren Sohn ergibt ein anrechenbares Einkommen iHv insgesamt 829,29 EUR für die Monate März bis Mai 2009 und 849,29 EUR ab Juni 2009.

Dem steht in den Monaten März bis Mai 2009 der Gesamtbedarf iHv 955,17 EUR gegenüber. Die Differenz ist der Gesamtleistungsanspruch der Bedarfsgemeinschaft von 125,88 EUR.

Unter Anwendung der Verteilungsregel des § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II sowie der Rundungsregel in § 41 Abs. 2 SGB II ergibt sich für die Monate März bis Mai 2009 ein Anspruch der Antragsteller zu 1) und zu 2) iHv 49,00 EUR pro Person sowie des Antragstellers zu 3) iHv 28,00 EUR. Für die Monate Juni und Juli 2009 sind die Leistungsansprüche der Antragsteller geringer wegen des verringerten Bedarfs aufgrund der nunmehr vollen Kindergeldanrechnung, die sich sowohl beim Antragsteller zu 3) direkt als auch beim anrechenbaren Einkommen des Antragstellers zu 1) auswirkt.

Die Leistungsansprüche auf der Grundlage des im letzten Halbjahr erzielten Durchschnittseinkommens des Antragstellers zu 1) sind geringer, als sie vom SG zugesprochen worden sind. Da andere Berechnungsgrundlagen nicht vorliegen, bleibt es im Beschwerdeverfahren bei den vom SG zuerkannten Beträgen. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Prozesskostenhilfeantrag der Antragsteller für das Beschwerdeverfahren war abzulehnen, da die Rechtsverfolgung nach den vorstehenden Ausführungen nicht die gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved