L 3 R 408/09 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 5 R 907/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 408/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Arbeitsentgelt, Fahrkostenerstattung, einstweiliger Rechtsschutz
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2009 aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin abgelehnt. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen. Dem Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten. Der Streitwert wird auf 4.974,85 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Beiträgen für von der Antragstellerin geleistete pauschale Fahrtkostenerstattungen.

Die Antragstellerin, im Folgenden Ast., ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Gesellschaftsanteile zu 54 Prozent von einer Druckerei GmbH und zu 46 Prozent von dem eingetragenen Verein Europäisches Bildungswerk für Berufe und Gesellschaft (EBG e.V.) gehalten werden. Der beigeladene Eigenbetrieb für Arbeit führt als kommunaler Träger Aufgaben im Sinne des § 6 b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) im Landkreis Saalekreis durch. Da für die in diesem Landkreis von dem Beigeladenen zu betreuenden ca. 16.000 Hilfebedürftigen von der zuständigen Agentur für Arbeit nur ca. 10.000 aktuelle Bewerberprofile übergeben wurden, initiierte der Beigeladene das Projekt "Chance" mit dem Ziel, für ca. 3.000 Teilnehmer ab dem 1. August 2005 eine aktive Betreuung bei der Wiedereingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie den Abbau von Vermittlungshemmnissen zu erreichen. Zu diesem Ziel sollten u.a. Praktika der Teilnehmer beitragen. Die Teilnehmer waren erwerbsfähige Hilfebedürftige im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II. Unter Berücksichtigung des mit dem vorhandenen Personal kaum zu bewältigenden Verwaltungsaufwandes der Bearbeitung von Einzelanträgen der Teilnehmer auf Erstattung von Fahrtkosten zum Träger bzw. Praktikumsplatz oder Vorstellungsgespräch sowie Bewerbungskosten sollten nach dem Willen der Initiatoren des Projekts hierfür pauschale Beträge in Höhe von 75,00 EUR bzw. 150,00 EUR in der Vermittlungsrichtlinie des Beigeladenen verankert und an den Teilnehmer ausgezahlt werden.

Der Beigeladene schloss mit dem Minderheitsgesellschafter der GmbH, dem EBG e.V., unter dem 1. August 2005 eine "Öffentlich-Rechtliche Vereinbarung über die Durchführung des Sonderprojekts Chance". Nach § 1 Satz 2 dieser Vereinbarung sollten die Teilnehmer personenbezogen durch Verwaltungsakt dem Projekt zugewiesen werden, von dem EBG e.V. in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingestellt und durch die Vermittlung in Betriebspraktika unterstützt werden. In § 4 "Förderung" wird eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Zahlung eines monatlichen Lohnkostenzuschusses für jeden durch Bewilligungsbescheid zugewiesenen Arbeitnehmer in Höhe von 740,00 EUR zuzüglich der tatsächlichen Aufwendungen für den Arbeitgeberanteil sowie einer Verwaltungspauschale in Höhe von 100,00 EUR geregelt. Für die Voraussetzungen und die Durchführung der Vereinbarung verwiesen die Parteien auf die Richtlinie 1.1. über die "Förderung von Alg II-Empfängern" und die Richtlinie 1.2. über die "Zusammenarbeit mit Maßnahmeträgern". Die Richtlinie 1.1. enthält unter Ziffer 3. "Gegenstand der Förderung" folgende Regelungen:

Der Eigenbetrieb für Arbeit fördert auf Grund einer personenbezogenen Zuweisung zu einem Maßnahmeträger die Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses durch die Gewährung eines Lohnkostenzuschusses an diesen.

Zuzüglich zum Lohn erhält der Teilnehmer über den Maßnahmeträger einen pauschalen steuerfreien Zuschuss in Höhe von 75,00 EUR entsprechend der Rahmenrichtlinie über Vermittlungsleistungen des Eigenbetriebes für Arbeit. Dieser Betrag wird in vollen Monaten nach Abrechnung durch den Träger gewährt, in Teilmonaten erfolgt die Abrechnung in Höhe von 2,50 EUR pro Kalendertag. Wird der Teilnehmer in ein Inlands-Praktikum bei einem Arbeitgeber vermittelt oder verliehen und beträgt die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 10 km, so wird eine monatliche Pauschale in Höhe von 150,00 EUR gewährt, anteilig pro Kalendertag 5,00 EUR. Hierdurch sind alle Ansprüche auf Unterstützungsleistungen für die Vermittlung abgegolten. (Fahrtkosten, Bewerbungskosten etc.) Der Nachweis für die Voraussetzungen der Leistung des pauschalen Zuschusses erbringt der Träger. Bei unentschuldigtem Fehlen und unbezahlten Fehlzeiten (Krankheit ohne Lohnfortzahlung, Kindpflege u.ä.) wird die Pauschale nicht gewährt. Für Wochenenden ist der Wert des Freitags davor als Berechnungsgrundlage bindend.

Die Richtlinie 1.2. enthält unter Ziffer 2. "Gegenstand der Förderung" und 4. "Durchführung" folgende Regelungen:

Der Träger stellt den Teilnehmer auf Grund einer individuellen personenbezogenen Zuweisung durch den Eigenbetrieb für Arbeit ein. Die Zuweisung erfolgt, wenn die individuelle Förderfähigkeit vorliegt und mit dem Teilnehmer eine Eingliederungsvereinbarung abgeschlossen wurde durch Mitteilung an den Träger. Daneben zahlt der Träger den pauschalierten Zuschuss für Fahrtkosten an den Teilnehmer entsprechend der Richtlinie 1.1. in Höhe von 75,00 EUR/150,00 EUR aus.

Der Teilnehmer wird durch den Träger versicherungspflichtig mit einem Bruttogehalt von 740,00 EUR im Monat für mindestens 30 h je Woche beschäftigt. In Form eines Lohnkostenzuschusses werden die Bruttolohnkosten und die tatsächlichen Aufwendungen für den Arbeitgeberanteil an den Träger gezahlt. [ ...]

[ ...]

Zuweisung Die Förderung durch den Eigenbetrieb für Arbeit erfolgt auf Grund öffentlich-rechtlich ausgestalteter Zuweisungen der Teilnehmer in Listenform als Bewilligungsbescheid gegenüber dem Träger.

Rechnungslegung Die Zahlungen des Lohnkostenzuschusses erfolgen durch den Eigenbetrieb für Arbeit im Überweisungsverkehr auf ein vom Träger zu benennendes Konto nach Vorlage der Nachweise in Listenform/Vorlage der Lohnjournale/Vorlage Verdienstnachweise pro Teilnehmer bis zum 15. des Folgemonats, wobei 5 Werktage Bearbeitungsfrist beim Eigenbetrieb für Arbeit gewährleistet sein müssen. Bis zum 20. des Monats werden die Verdienstbescheinigungen in Listenform nachgereicht.

Die Zahlungen der Verwaltungspauschale erfolgen nach in Listenform erbrachtem Nachweis über die Besetzung der Teilnehmerplätze ebenfalls monatlich bis zum 20. des Folgemonats. Die gesamte Abrechnung der Förderleistungen erfolgt auf der Grundlage des SGB II. Danach wird die Verwaltungspauschale an den Träger bei Besetzung im Laufe des Monats anteilig mit 1/30 je Tag erbracht. Sie fällt für jeden besetzten Teilnehmerplatz an.

Die Gewährung des Lohnkostenzuschusses erfolgt auf Nachweis der tatsächlich aufgewendeten Kosten. Diese bestehen aus dem Bruttolohn in Höhe von 740 EUR zuzüglich des tatsächlich erbrachten Arbeitgeberanteils. [ ...]

In einem "Nachtrag" vom 3. August 2005 trat die Ast. dem EBG e.V. in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung vom 1. August 2005 bei; beide sollten als Gesamtschuldner haften.

Mit den nachfolgend jeweils mit einem Bescheid zugewiesenen Teilnehmern des Projekts schloss die Ast. jeweils für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Januar 2006 befristete Arbeitsverträge: Unter § 4 "Gehalt" wird dort eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 740,00 EUR sowie eine aus den Mitteln des Landkreises M.-Q. monatlich zu zahlende "steuerfreie Aufwandspauschale" geregelt, mit der "alle Ansprüche des/der Arbeitnehmers/-in auf Unterstützungsleistung für die Vermittlung an den Eigenbetrieb für Arbeit abgegolten" seien. 75,00 EUR je vollen Monat, bei Teilmonaten anteilig 2,50 EUR pro Kalendertag oder alternativ bei Inlands-Praktikumseinsätzen, bei der die kürzeste Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehr als 10 km beträgt, 150,00 EUR je vollen Monat, bei Teilmonaten anteilig 5,00 EUR pro Kalendertag. Im Übrigen enthält der Arbeitsvertrag insbesondere Regelungen über eine wöchentliche Arbeitszeit von 30,00 Stunden, Erholungsurlaub sowie das Erfordernis einer Zustimmung des Arbeitgebers für Nebentätigkeiten des Arbeitnehmers.

Die für das Projekt erforderlichen Finanzmittel wurden durch die Ast. ermittelt und zusammengestellt. Nach Gegenprüfung durch den Beigeladenen wurde der Gesamtbetrag an die Ast. überwiesen. Den Teilnehmern des Projekts wurden monatliche Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge ausgestellt, auf denen als Gehalt ein Betrag in Höhe von 740,00 EUR, Beiträge zur Sozialversicherung in Höhe 148,86 EUR und eine Aufwandspauschale in Höhe von 75,00 EUR bzw. 150,00 EUR (bei einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitstätte von mehr als zehn Kilometern) ausgewiesen ist. Es erfolgte eine Auszahlung an die Teilnehmer in Höhe von 666,14 EUR bzw. 741,14 EUR monatlich durch die Ast. Der Beigeladene erließ während des Projektszeitraums keine an die einzelnen Teilnehmer adressierten Bescheide über die vorgenannten Zahlungen.

Die Antragsgegnerin, im Folgenden Ag., führte bei der Ast. eine Betriebsprüfung für den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2007 durch. Die Ag. gab der Ast. zunächst Gelegenheit, eine abschließende Prüfung der steuerrechtlichen Bewertung der den Teilnehmern gewährten "Aufwandspauschale" durch die Finanzverwaltung herbeizuführen. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 24. Juni 2009 hörte die Ag. die Ast. zu der beabsichtigten Nachforderung von Beiträgen für die den Teilnehmern gezahlten Aufwandspauschalen an.

Mit Bescheid vom 15. Juli 2009 stellte die Ag. eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Januar 2006 in Höhe von 22.550,75 EUR und Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1. September 2005 bis zum 31. Mai 2009 in Höhe von 9.335,50 EUR (Gesamtforderung 31.886,25 EUR) fest. Mit Bescheiden vom 20. Juli und 22. September 2009 reduzierte sie die Beitragsforderung zunächst - bei gleich bleibenden Säumniszuschlägen - auf 22.539,87 EUR (Gesamtforderung 31.875,37 EUR) unter Berücksichtigung geringfügig geringerer Umlagebeiträge für drei Personen und nahm sodann diese Reduzierung durch die Zuordnung einer Person zu einer anderen Krankenkasse mit dem Ergebnis einer Beitragsforderung in Höhe von 22.540,01 EUR und Säumniszuschlägen in Höhe von 9.315,00 EUR (Gesamtforderung 31.855,01 EUR) teilweise zurück. Die Berechnung der Beiträge berücksichtigt für insgesamt 394 Personen die ausgezahlte "Aufwandspauschale" als der Beitragspflicht unterliegendes Arbeitsentgelt.

Die Ast. hat am 5. August 2009 Widerspruch gegen die Bescheide der Ag. vom 15. und 20. Juli 2009 eingelegt. Die mit dem Widerspruch und mit am 11. August 2009 bei der Ag. gestellten Anträge auf Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide lehnte die Ag. mit Schreiben vom 5. und 13. August 2009 ab.

Die Ast. hat mit ihrem am 29. September 2009 bei dem Sozialgericht Magdeburg eingegangenen Antrag die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Beitragsbescheide der Ag. geltend gemacht, soweit sie nicht die Beiträge bereits an sieben Krankenkassen als Einzugstellen in Höhe von insgesamt 2.640,60 EUR abgeführt hatte. Beitragspflichtig seien nach § 14 Abs. 1 SGB IV in entsprechender Anwendung von § 3 Nr. 12 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) nur Aufwandsentschädigungen, wenn zwischen den pauschaliert in Ansatz gebrachten Fahrtkosten und dem tatsächlich entstandenen Aufwand bei dem Empfänger eine offenbare Diskrepanz vorhanden sei. Zu berücksichtigen sei auch die Einschätzung bezüglich der Umsatzsteuerfreiheit der von dem Beilgeladenen erbrachten Zahlungen durch die Finanzverwaltung, auf die sie vertraut habe. Vor diesem Hintergrund fehle es zumindest an einer Grundlage für die Festsetzung von Säumniszuschlägen, weil sie keine Kenntnis von der Zahlungspflicht gehabt habe. Die Vollziehung bedeute für sie eine unbillige Härte. Seitens einer Krankenkasse als zuständiger Einzugstelle sei ihr zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen u.a. eine selbstschuldnerische Bürgschaft ihrer Geschäftsführer und ein unwiderrufliches Schuldanerkenntnis abverlangt worden. Sie verweist bezüglich der finanziellen Lage der Gesellschaft auf ein Schreiben des Wirtschaftsprüfers/Steuerberaters/Rechtsbeistandes L. vom 26. Oktober 2009. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 77 der Gerichtsakte verwiesen.

Das Sozialgericht hat den Eigenbetrieb für Arbeit mit Beschluss vom 14. Oktober 2009 beigeladen und mit Beschluss vom 30. November 2009 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 4. August 2009 gegen die Bescheide der Ag. vom 15. Juli 2009, 20. Juli 2009 und 22. September 2009 angeordnet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die von der Ag. geforderten Gesamtsozialversicherungsbeiträge seien mangels eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht abzuführen. Das Weisungsrecht der Ast. habe sich nicht im Rahmen der Leistung der Arbeit bewegt. Vielmehr habe der vorrangige Zweck der Reintegration, Eignungsfeststellung bzw. Aus- und Weiterbildung dem Vertragsverhältnis seinen Charakter gegeben. Den öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen sei nicht die Verrichtung normaler Arbeiten gegen Entgelt durch die zugewiesenen Kunden des Beigeladenen zu entnehmen. Zielsetzung sei vielmehr die Betreuung der Kunden bei der Vermittlung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, in Betriebspraktika und andere Integrationsbemühungen durch Maßnahmen zum Abbau von Vermittlungshemmnissen gewesen. Aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag sei insbesondere eine Tätigkeitsbezeichnung oder –beschreibung nicht zu entnehmen. Einer Versicherungspflicht im Rahmen eines Berufsausbildungsverhältnisses stehe entgegen, dass die Ausbildung hier vermutlich nicht im Rahmen des Betriebszwecks erfolgt sei. Praktika seien von der Ast. zu vermitteln gewesen. Im Übrigen sei ein Ausbildungsvertrag im Sinne des Berufsbildungsgesetzes nicht geschlossen worden. Andere Versicherungspflichttatbestände seien nicht einschlägig.

Die Ag. hat gegen den ihr am 1. Dezember 2009 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts am 14. Dezember 2009 Beschwerde bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt, die hier durch die Ast. durchgeführte Anmeldung der Teilnehmer des Projekts "Chance" zur Sozialversicherung sei nicht zu beanstanden. Der Beigeladene leiste pauschale Zahlungen nicht an die einzelnen Teilnehmer des Projekts, sondern an die Ast. Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Zahlungen habe keine Bedeutung für die beitragsrechtliche Zuordnung. Die den Teilnehmer gewährten pauschalen "Aufwandsentschädigungen" seien nicht steuerfrei im Sinne des EStG und damit der Beitragspflicht unterworfen. Eine unbillige Härte durch die sofortige Zahlung der Beitragsnachforderung könne die Ast. durch Ratenzahlungsvereinbarungen mit den Einzugsstellen vermeiden.

Die Ag. beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 30. November 2009 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.

Die Ast. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat im Beschwerdeverfahren nicht Stellung genommen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Auf die Anfrage des Senats, ob die Bescheide nach dem SGB II für die Teilnehmer des Projekts Chance Fahrtkosten ausweisen, hat der Beigeladene ausgeführt, die streitgegenständlichen Zahlungen von Fahrtkostenpauschalen als Unterstützungsleistungen zur Eingliederung in Arbeit seien im Überweisungsverkehr zur Ast. mit der Maßgabe erfolgt, diese an die Teilnehmer des Projekts auszuzahlen. Gesonderte Bescheide seien gegenüber seinen - des Beigeladenen - Kunden gar nicht erstellt worden. Die Zahlung der Fahrtkostenpauschale als Eingliederungsleistung über den Maßnahmeträger sei in der Eingliederungsvereinbarung mit dem jeweiligen Kunden festgehalten worden, in der jeweils darauf hingewiesen worden sei, dass mit dem pauschalen Zuschuss "über einen Arbeitgeber" alle zusätzlichen Leistungen des Beigeladenen (Fahrtkosten zum Träger der Maßnahme, pauschale Bewerbungskosten in Höhe von 5,00 EUR pro Bewerbung sowie Fahrtkosten zum Bewerbungsgespräch unter 10,00 EUR) abgegolten seien. Zweifel an einem dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis der Teilnehmer des Projekts Chance bei der Ast. bestünden nicht.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Ag. Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen den Bescheid der Ag. vom 15. Juli 2009 in der Gestalt des Bescheides vom 20. Juli 2009 und des Bescheides vom 22. September 2009 bejaht.

Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG u.a. bei einer Entscheidung über die Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten. In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 SGG durch Beschluss die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. In entsprechender Anwendung der Regelung in § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG liegen die Voraussetzungen der Anordnung der aufschiebenden Wirkung vor, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs liegen hier nicht vor, da sich die angefochtenen Bescheide bei summarischer Prüfung nicht als rechtswidrig darstellen und im Rahmen der Interessenabwägung auch im Übrigen das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem Interesse der Ast. an der Herstellung der aufschiebenden Wirkung überwiegt.

Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der von der Ag. festgestellten Verpflichtung der Ast., Beiträge für die von ihr an die Teilnehmer des Projekts Chance monatlich gezahlten Pauschalen in Höhe von 75,00 EUR bzw. 150,00 EUR zu entrichten, bestehen nicht.

Die vom Sozialgericht inzident vorgenommene Prüfung der Versicherungspflicht der Personen, an die eine Fahrtkostenserstattung erfolgt ist, ist nicht zu beanstanden. Der Senat kommt aber zu einer anderen versicherungsrechtlichen Beurteilung der Vertragsbeziehungen der Ast. zu den hier von der Versicherungs- und Beitragspflicht betroffenen Personen.

Versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sind insbesondere Arbeiter und Angestellte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 58 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) i.V.m. § 250 Abs. 1 SGB V).

Diesen Regelungen gehen hier nicht speziellere Vorschriften vor. Insbesondere ergibt sich keine Versicherungsfreiheit der Teilnehmer des Projekts Chance für die Zeiträume der von ihnen absolvierten Praktika. Versicherungsfreiheit besteht nur während solcher Praktika, die in Studien- oder Prüfungsordnungen vorgeschrieben sind, oder für deren Ableistung ein Entgelt von nicht mehr als 400,00 EUR im Monat gezahlt wird (§ 4 Abs. 3 SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 10 SGB V, §§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10, 59 Abs. 1 Satz 1 SGB XI i.V.m. § 250 Abs. 1 SGB V).

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Dem Sozialgericht ist nicht zu folgen, dass es an einer Eingliederung der Teilnehmer des Projekts Chance in den Betrieb der Ast. fehlt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die rechtliche Beurteilung des Sozialgerichts im Ergebnis dazu führen würde, dass Personen mit einem Leistungsanspruch nach dem SGB II durch eine Eingliederungsvereinbarung, zu der sie eine Zustimmung nur mit dem Risiko von Sanktionen verweigern können, der Versicherungsschutz in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung genommen würde, den das Gesetz bei einem Bezug von Arbeitslosengeld II vorsieht (§ 1 Abs. 3 a SGB VI, § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 a SGB XI).

Dem Sozialgericht ist zuzustimmen, dass es nicht auf die Bezeichnung eines Vertragsverhältnisses ankommt, sondern die tatsächliche Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen für die Feststellung, ob ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, maßgebend ist (vgl. hierzu im Einzelnen Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage, Juris PraxisKommentar zum SGB IV, § 7 RdNr. 72 ff.).

Im vorliegenden Fall ergeben sich Bedenken im Hinblick auf die tatsächlich gegebene Weisungsbefugnis der Ast. nicht. Die Arbeitsverträge mit den Teilnehmern des Projekts "Chance" regelten insbesondere die Arbeitszeit und ein monatlich gleich bleibendes Arbeitsentgelt. Fehlt in einem Arbeitsvertrag eine konkrete Tätigkeitsbezeichnung, ist dadurch das Direktionsrecht nicht ausgeschlossen, sondern ggf. sogar erweitert (vgl. z.B. Linck in: Schaub u.a., Arbeitsrechtshandbuch, 13. Aufl. 2009, V § 45 IV RdNr. 24).

Die Einbeziehung eines privaten Dritten in die von dem nach § 6 a SGB II zugelassenen kommunalen Träger geschuldete Aufgabenerfüllung hat keine Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Charakter des Vertragsverhältnisses zwischen dem privaten Dritten und dem Leistungsberechtigten (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 9. Juni 2006 - 16 W 61/09 - MDR 2009, 1129 f.).

Erbringt der private Dritte gegenüber dem Teilnehmer des Projekts eine Fahrkostenerstattung, handelt es sich hierbei nicht um von dem Sozialleistungsträger erbrachte Leistungen nach dem SGB II. Andernfalls würde insbesondere das im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) vorgesehene Verwaltungsverfahren umgangen. Denn ein privater Dritter kann als Auftragnehmer im Sinne der §§ 88 ff. SGB X Verwaltungsakte nur erlassen, soweit er hierzu gesetzlich ausdrücklich ermächtigt wird (vgl. Pickel in: Pickel/Marschner, SGB X Kommentar, § 97 RdNr. 5). Eine solche Ermächtigung privater Dritter, Verwaltungsakte über eine Fahrtkostenerstattung nach den Regelungen des SGB II in Verbindung mit den Regelungen in § 53 ff. Drittes Buch Sozialgesetzbuch (Arbeitsförderung - SGB III) zu erlassen, besteht nicht.

Daran ändert auch die Regelung der Fahrtkostenerstattung in einer zwischen dem Beigeladenen und den Teilnehmern des Projekts in einer Eingliederungsvereinbarung nichts. Eingliederungsvereinbarungen im Sinne des § 15 SGB II sind nach überwiegender Auffassung öffentlich-rechtliche Verträge (vgl. zum Streitstand: Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II-Kommentar, 2. Aufl. 2008, § 15 RdNr. 8 ff.). Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X kann ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen abschließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde (a.a.O. Satz 2). Im Rahmen der Eingliederungsvereinbarung konnte der Beigeladene seine Verpflichtung, nach pflichtgemäßem Ermessen über Mobilitätshilfen zu entscheiden, nicht auf die Ast. delegieren, da dem die Regelungen in §§ 88 ff. SGB X entgegenstehen.

Die von der Ast. gezahlten Pauschalen sind nicht unter dem Gesichtspunkt der Steuerfreiheit beitragsfrei.

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. In der auf Grund der Ermächtigung in § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV erlassenen Verordnung über die Bestimmung des Arbeitsentgelts in der Sozialversicherung (ArEV) mit Geltung für den Prüfzeitraum wird bestimmt, wie das Arbeitsentgelt zu ermitteln und zeitlich zuzurechnen ist. Nach § 1 ArEV sind einmalige Einnahmen, laufende Zulagen, Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, dem Arbeitsentgelt zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind und sich aus § 3 ArEV nichts Abweichendes ergibt. § 2 ArEV regelt, welche Einnahmen und Bezüge nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind. In den §§ 2 und 3 ArEV finden sich Regelungen über eine pauschale Zahlung für Fahrtkosten und andere vergleichbare Aufwendungen nicht. In der beitragsrechtlichen Behandlung des Arbeitsentgelts soll eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts sicherzustellen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Entgegen der Auffassung der Ast. kommt es bei der vom Gesetzgeber beabsichtigten Harmonisierung insoweit auf die Regelungen des zur Lohn- bzw. Einkommensteuer an. Die steuerrechtlichen Regelungen für die Umsatzsteuer betreffen nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen.

Die von der Ag. der Beitragspflicht unterworfenen Zahlungen der Ast. stellen keine steuerfreien Einnahmen im Sinne des § 3 EStG dar.

Nach § 3 Nr. 2 b EStG in der Fassung des Art. 33 Nr. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) sind steuerfrei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II. "Leistungen zur Eingliederung" in diesem Sinne sind nur die nach den Vorschriften des SGB II von dem Leistungsträger oder in dessen Auftrag an den Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen. Lohnzuschüsse an Arbeitgeber unterfallen nicht dieser Regelung (vgl. zur insoweit klareren Regelung in § 3 Nr. 2 EStG: Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 25. September 2002, IV B 139/00 - juris). Soweit für die sog. "Ein-Euro-Jobs" eine Steuerfreiheit des Zusatzentgelts nach § 3 Nr. 2 b EStG bejaht wird (vgl. Heinicke in: Schmidt, EStG Kommentar, 27. Aufl. 2008, § 3 zu "Arbeitsförderung")., folgt daraus nichts anderes. Denn die diesen Arbeitsgelegenheiten zugrunde liegenden Rechtsverhältnisse begründen gerade keine arbeitsvertraglichen Rechtsbeziehungen zwischen dem Leistungsempfänger und demjenigen, der die Vorteile aus der Arbeitsleistung zieht (vgl. zum Rechtsverhältnis: BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 60/07 R - BSGE 102, 201 ff. = SozR 4-4200 § 16 Nr. 4, jeweils RdNr. 18). Die Regelungen über die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 2 b EStG sind einer erweiternden Auslegung und analogen Anwendung auf von dieser Vorschrift nicht eindeutig erfasste Sachverhalte nicht zugänglich (vgl. zu § 3 Nr. 2 EStG: BFH, Urteil vom 18. September 2002, X R 41/01 - juris und Urteil vom 26. Juni 2002 - IV R 39/01 - DB 2002, 2084, 2085 f.)

Allein die Absicht des Beigeladenen, die ihr auf Einzelantrag obliegende Fahrtkostenerstattung zu delegieren, führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die Regelungen des SGB X nicht der Disposition des Sozialleistungsträgers unterliegen. Die gegebenenfalls durch die Fahrkostenerstattung eintretende Folge eines entfallenden Bedarfs im Sinne des SGB II steht mit den durch die Ast. an die Teilnehmer erbrachten Zahlungen nur in einem mittelbaren Zusammenhang.

Nach § 3 Nr. 12 EStG sind aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge, die in einem Bundesgesetz oder Landesgesetz oder einer auf bundesgesetzlicher oder landesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung oder von der Bundesregierung oder einer Landesregierung als Aufwandsentschädigung festgesetzt sind und als Aufwandsentschädigung im Haushaltsplan ausgewiesen sind; das Gleiche gilt für andere Bezüge, die als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den Aufwand, der dem Empfänger erwächst, offenbar übersteigen. Weder sind die hier von dem Beigeladenen geleisteten Zuschüsse im Haushaltsplan ausgewiesen, noch stehen die Teilnehmer des Projekts "Chance" im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Eine Übertragung der in § 3 Nr. 12 EStG vorgesehenen steuerrechtlichen Privilegierung auf von dem Wortlaut nicht erfasste Tatbestände kommt nicht in Betracht (vgl. zur Verfassungswidrigkeit der Regelung: BVerfG, Beschluss vom 11. November 1998 - 2 BvL 10/95 - juris und zum Ganzen Heinicke in: Schmidt, a.a.O., § 3 zu "Aufwandsentschädigungen").

Nach § 3 Nr. 13 EStG sind steuerfrei die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder, soweit sie näher bestimmte Pauschbeträge bzw. gesetzlich festgelegte Aufwendungen nicht übersteigen. Reisekosten sind die von einer öffentlichen Kasse als solche bezeichneten Vergütungen, die dem Grunde und der Höhe nach unmittelbar nach Maßgabe der reisekostenrechtlichen Vorschriften des Bundes oder der Länder oder dem Grunde und der Höhe nach auf Grund von Tarifverträgen oder anderen Vereinbarungen gezahlt werden, die den reisekostenerechtlichen Vorschriften des Bundes oder der Länder entsprechen (R 14 Abs. 2 Satz 1 und 2 Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 2005). Die von der Ast. gezahlten Pauschalen sind entsprechenden Bestimmungen über Reisekosten nicht zuzuordnen.

Steuerfrei sind nach § 3 Nr. 16 EStG die Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber zur Erstattung von Reisekosten erhalten, soweit sie die beruflich veranlassten Mehraufwendungen nicht übersteigen. Dabei sind Reisekosten Fahrtkosten und Reisenebenkosten, wenn diese so gut wie ausschließlich durch die berufliche Tätigkeit des Arbeitnehmers außerhalb seiner Wohnung und einer ortsgebundenen regelmäßigen Arbeitsstätte veranlasst sind (R 16 Satz 2 i.V.m. R 37 Abs. 1 Satz 1 LStR 2005).

Von dieser Regelung werden zunächst die regelmäßigen Fahrten von der Wohnung zur Arbeit nicht erfasst (vgl. den Überblick bei Heinecke in: Schmidt, a.a.O., § 3 zu "Fahrtkosten".

Selbst wenn man die Tätigkeit der Teilnehmer des Projekts Chance unter dem Gesichtspunkt einer "Einsatzwechseltätigkeit" prüft, ergibt sich nichts anderes. Fahrtkosten sind dabei die tatsächlichen Aufwendungen, die dem Arbeitnehmer durch die persönliche Benutzung eines Beförderungsmittels entstehen (R 38 Abs. 1 Satz 1 LStR 2005). Bei öffentlichen Verkehrsmitteln ist dies der entrichtete Fahrpreis einschließlich etwaiger Zuschläge, benutzt der Arbeitnehmer sein Fahrzeug, so ist der Teilbetrag der jährlichen Gesamtkosten dieses Fahrzeugs, der dem Anteil der zu berücksichtigenden Fahrten an der Jahresfahrleistung entspricht, anzusetzen (a.a.O. Satz 2 und 3). Der Arbeitnehmer kann auf Grund der für einen Zeitraum von zwölf Monaten ermittelten Gesamtkosten für das von ihm gestellte Fahrzeug einen Kilometersatz errechnen, der so lange angesetzt werden darf, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern, z.B. bis zum Ablauf des Abschreibungszeitraums oder bis zum Eintritt veränderter Leasingbedingungen (a.a.O. Satz 4). Abweichend von Satz 3 können die Fahrkosten im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der Länder nach der höchsten Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz festsetzt (a.a.O. Satz 5). Eine von den tatsächlich entstandenen Kosten - ggf. in Hinblick auf die Kilometerpauschale pauschalisierte - losgelöste Reisekostenerstattung ist nicht vorgesehen. Die Pflicht zur konkreten Berechnungen der tatsächlich entstandenen Kosten bestätigt auch folgender Gesichtspunkt: Erledigt der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit auch in einem mehr als geringfügigen Umfang private Angelegenheiten, so sind die beruflich veranlassten von den privat veranlassten Aufwendungen zu trennen; ist das nicht - auch nicht durch Schätzung – leicht und einwandfrei möglich, so gehören die gesamten Aufwendungen zu den nicht abziehbaren Aufwendungen für die Lebensführung (R 16 Satz 2 i.V.m. R 37 (1) Satz 3 und 4 LStR 2005). Ohne konkrete Wegstreckenangaben ist eine Grundlage für eine solche Feststellung bzw. Schätzung nicht gegeben. Da die pauschale "Aufwandsentschädigung" von vornherein nicht auf eine Zuordnung zu konkret abzurechnenden Kosten gerichtet war, scheidet auch eine nachträgliche Zuordnung durch die Ag. im Rahmen von Feststellungen für die einzelnen Empfänger dieser Leistungen aus. Es kann damit dahin stehen, in welchem Umfang derartige Feststellungen eine Schätzung im Sinne der vorgenannten Vorschrift ersetzen könnten.

Bei summarischer Prüfung entspricht die Festsetzung von Säumniszuschlägen durch die Ag. den Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 SGB IV.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung kommt hier auch nicht deshalb in Betracht, weil die sofortige Zahlung der nachgeforderten Beiträge eine unbillige Härte für die Ast. darstellt.

Der Annahme einer billigen Härte steht hier bereits entgegen, dass der Ast. u.a. die Möglichkeiten einer Stundung der Beitragsforderung gegen Ratenzahlung, der sich die Ag. nicht entgegen stellt, offen stehen. Eine Existenzgefährdung auch durch - an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu orientierende - Raten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ist von der Ast. nicht vorgetragen worden. Soweit die Ast. für einen Teilbetrag der Beitragsforderung vorgetragen hat, die betreffend Einzugstelle habe die Gewährung einer Ratenzahlung von Bedingungen abhängig gemacht, betrifft dies einen Betrag von untergeordneter Bedeutung in Bezug auf die Gesamtforderung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Kosten sind dem Beigeladenen nach § 162 Abs. 3 VwGO nicht zu erstatten.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG). Als Grundlage der Festsetzung hat der Senat ein Viertel der streitigen Beitragsforderung angesetzt (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Juli 2008 - L 3 B 16/08 R - nicht veröffentlicht). Die Säumniszuschläge wirken sich als Nebenforderung nicht streitwerterhöhend aus. Nach § 43 Abs. 1 GKG wird der Wert der Nebenforderung nicht berücksichtigt, wenn außer dem Hauptanspruch auch Früchte, Nutzungen, Zinsen oder Kosten als Nebenforderung betroffen sind. Der Zweck der nach § 24 Abs. 1 SGB IV pauschaliert zu erhebenden Säumniszuschlägen stimmt nicht vollständig mit dem der Zinspflicht überein. Jeweils soll der Schuldner aber u.a. zur Zahlung angehalten werden, sodass sich die Behandlung der Säumniszuschläge als den Zinsen vergleichbare Nebenforderung im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG aufdrängt. Die Rechtsprechung, die Steuersäumniszuschläge als Nebenforderung im Sinne dieser Vorschrift behandelt (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27. Juni 1956 - V ZR 143/54 - juris; Finanzgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 8. Februar 2000 - 9 K 47/98 - juris), ist übertragbar (vgl. im Ergebnis LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 3. November 2005 - L 5 B 192/05 KR - juris; Thüringer LSG, Urteil vom 29. Januar 2007 - L 6 RJ 1024/03 - juris; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Januar 2009 - L 10 R 5795/08 W-B - juris).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

gez. Klamann gez. Fischer gez. Frank
Rechtskraft
Aus
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