Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
180
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 180 SF 395/09 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 10. Juli 2008 (Az. S 99 ... AS /06) wird der Betrag der vom Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf insgesamt 3.017,39 EUR festgesetzt. Dieser Betrag ist ab dem 30.04.2007 mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen. Die Erinnerung des Beklagten im Übrigen und die Erinnerung der Kläger werden zurückgewiesen. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Verfahren auf seine Erinnerung vom 22. Juli 2008 zu 37 Prozent zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Gründe:
Auf die Erinnerung des Beklagten waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 3.017,39 EUR laut nachstehender Berechnung festzusetzen:
Vorverfahren zu S 99 AS ... /06 Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für folgende Verfahren: W ...4/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG (2x) 40,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (16 %) 96,00 EUR Summe: 696,00 EUR
Vorverfahren zu S 103 AS .../06 Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für folgende Verfahren: W 3/06 280,00 EUR W 9/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG (4x) 80,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (16 %) 192,00 EUR Summe: 1.392,00 EUR
Klageverfahren zu S 99 AS ... /06 Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG 323,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 95,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 83,22 EUR Summe: 521,22 EUR
Klageverfahren zu S 103 AS ... /06 Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG 323,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 65,17 EUR Summe: 408,17 EUR
Gesamtsumme: 3.017,39 EUR
Die zulässige Erinnerung des Beklagten vom 22.07.2008, hier eingegangen am selben Tag, ist zum Teil begründet. Die Erinnerung der Kläger vom 31.07.2008, hier eingegangen am 01.08.2008, ist ebenfalls zulässig, aber nicht begründet.
Mit dem Beklagten geht die Kammer davon aus, dass die Gebühren für die beiden Widerspruchsverfahren zum Az. W.34/06 und W.54/06 zu Unrecht im Rahmen der Vorverfahrenskosten zum Klageverfahren S 103 AS /06 festgesetzt worden sind. Es kann nicht erkannt werden, dass diese beiden Widerspruchsbescheide Gegenstand des dortigen Klageverfahrens geworden sind. In den Klageanträgen des Bevollmächtigten sind weder diese noch andere Widerspruchsbescheide erwähnt, sondern nur die entsprechenden Zeiträume. Im Rahmen der Klagebegründung in den vorliegenden Schriftsätzen, die mangels hinreichend bestimmter Klageanträge zur Auslegung des Klagebegehrens heranzuziehen sind, werden die Widerspruchsbescheide zu den Aktenzeichen W.33/06, W.39/06, W 83/06 und W 53/06 ausdrücklich benannt. Diese vorgenannten Widerspruchsbescheide wurden vom Klägerbevollmächtigten auch alle in Abschrift an das Gericht übersandt. Dagegen finden die Widerspruchsverfahren zu den Zeichen W ...34/06 und W 54/06 in den Schriftsätzen des Bevollmächtigten keine Erwähnung und die entsprechenden Widerspruchsbescheide wurden auch nicht in Ablichtung zu den Gerichtsakten gereicht. Aus diesen Gründen kommt die Kammer nach Auslegung ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die beiden eingangs genannten Widerspruchsbescheide nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. Demnach können die entsprechenden Vorverfahrenskosten auch nicht Teil der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG sein, so dass eine Kostenfestsetzung gem. § 197 SGG insoweit nicht möglich ist. Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass - wie die Kläger meinen - der Beklagte trotz der Verwerfung der Widersprüche als unzulässig (§ 86 SGG) aus Veranlassungsgesichtspunkten zur Kostenerstattung verpflichtet war. Soweit die Kläger mit dieser Kostenentscheidung nicht einverstanden waren, hätten sie die Widerspruchsbescheide entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung anfechten müssen.
Hinsichtlich der im Rahmen der Kostenfestsetzung zu berücksichtigenden Widerspruchsverfahren geht der Beklagte weiter im Ergebnis zu Recht davon aus, dass insoweit der Erhöhungstatbestand nach Nr. 1008 VV RVG im angefochtenen Beschluss zu Unrecht angewandt worden ist. Zwar meint der Beklagte fehlerhaft, die Erhöhung sei nach dem Inhalt des von ihm angenommnen Vergleichsvorschlags der Kläger vom 22. Februar 2007 nicht geschuldet. Allerdings liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von Nr. 1008 VV RVG nicht vor. Nach Nr. 1008 VV RVG erhöhen sich u. a. bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Dabei ist Auftraggeber nur derjenige, dessen Rechtsangelegenheit erledigt werden soll (Müller-Raabe in: Gerold/Schmidt, RVG, Komm., 18. Aufl., Nr. 1008 Rn. 38). Hier wurden jeweils namens der Klägerin zu 1) Widersprüche gegen die Bewilligungs- und Änderungsbescheide des Beklagten eingelegt mit der Begründung, dass insbesondere Einkommen in Gestalt des Existenzgründungszuschusses zu Unrecht auf den Bedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angerechnet wurde. Die entsprechenden Bescheide, einschließlich der Widerspruchsbescheide, waren nur an sie als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft adressiert. Alle Beteiligten sind davon ausgegangen, dass die erhobenen Widersprüche und später zunächst auch die Klagen nur sie, die Klägerin zu 1), betreffen und sie demnach alleinige Widerspruchsführerin und Klägerin ist. Demzufolge sollte also durch die erteilten Aufträge ausschließlich eine Rechtsangelegenheit der Klägerin zu 1) erledigt werden. Eine Auftraggebermehrheit i. S. d. Nr. 1008 VV RVG lag demnach nicht vor.
Soweit der Bevollmächtigte der Kläger unter Berufung auf die Entscheidung des BSG vom 07. November 2006 (Az. B 7b AS 8/06 R, zitiert nach juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) meint, hier sei dennoch von einer Auftraggebermehrheit auszugehen, kann dem nicht gefolgt werden. Die dort vom BSG für eine Übergangszeit unter Zugrundelegung des so genannten "Meistbegünstigungsprinzips" für SGB II-Verfahren geforderte großzügige Auslegung kann nicht dazu führen, dass entgegen der tatsächlichen Umstände von mehreren Auftraggebern nach Nr. 1008 VV RVG auszugehen ist. Dem steht entgegen, dass die Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG, wie oben dargelegt, in diesen Fällen nicht erfüllt werden. Diese Rechtsprechung war zudem erkennbar von der Absicht getragen, den betroffenen Leistungsempfängern effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen (vgl. BSG, a. a. O. juris Rn. 13 f.). Andernfalls wären die Fristen für Rechtsbehelfe gegen von einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angefochtene Leistungsbescheide betreffend vergangene Zeiträume für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft oftmals bereits verstrichen gewesen. Das hätte für die Beteiligten wiederum zur Folge gehabt, dass Überprüfungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren nur aus verfahrensrechtlichen Gründen durch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hätten nachgeholt werden müssen. Es war hingegen nicht Absicht dieser Rechtsprechung, für damals bereits abgeschlossene SGB II-Widerspruchsverfahren unter Heranziehung des Meistbegünstigungsprinzips rückwirkend eine Fiktion der Mehrfachvertretung aufzustellen. Dies wäre im Übrigen auch nicht durch den Sinn und Zweck von Nr. 1008 VV RVG gedeckt. Dieser besteht darin, die durch das Vorhandensein mehrerer Auftraggeber typischerweise verursachte Mehrarbeit des Rechtsanwalts abzugelten (Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 1008 Rn. 37). Wenn es jedoch aus der - wenngleich rechtsfehlerhaften - Sicht aller Beteiligten und insbesondere aus Sicht des Rechtsanwalts nur einen Auftraggeber gibt und er nur zu diesem in einem Mandatsverhältnis steht, kann es zu einem Mehraufwand des Rechtsanwalts nicht kommen. Ein solcher Mehraufwand wäre lediglich dann angefallen, wenn der Rechtsanwalt in Kenntnis der Betroffenheit der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und nach entsprechender Auftragserteilung auch für diese tätig geworden wäre. Das war hier nicht der Fall. Daher ist es in einer solchen Situation nicht gerechtfertigt, dem Rechtsanwalt die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zuzugestehen.
Die Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 VV RVG für alle zu berücksichtigenden Vorverfahren sind entsprechend dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich (Ziff 4.) mit der Mittelgebühr von 280,00 EUR anzusetzen. Der Einwand des Beklagten, hier sei von einer Gebühr in Höhe von 240,00 EUR auszugehen, kann nicht überzeugen. Zutreffend weist der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs nur die Ansetzung der Mittelgebühr und nicht der Schwellengebühr von 240,00 EUR in Betracht kommt. Durch die Kappung der Geschäftsgebühr auf 240,00 EUR in Fällen einer fehlenden schwierigen oder umfangreichen Anwaltstätigkeit wird die Schwellengebühr jedenfalls rein begrifflich nicht etwa zur Mittelgebühr für sozialgerichtliche Widerspruchsverfahren. War vom Beklagten etwas anderes gewollt, so hätte er dem Vergleichsvorschlag der Kläger nicht vorbehaltlos zustimmen dürfen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Erinnerung der Kläger unbegründet ist. Da ein Anspruch auf Festsetzung von Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 VV RVG über 280,00 EUR hinaus nicht besteht, können auch die von ihnen geforderten Beträge von 448,00 EUR (bei Vertretung von 3 Klägern) bzw. 532,00 EUR (bei Vertretung von 4 Klägern) nicht festgesetzt werden.
Ferner ist, wiederum entgegen der Meinung des Beklagten, dem Kostenfestsetzungsbeschluss auch bezüglich der Ansetzung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV RVG für beide Klageverfahren zu folgen. Insbesondere hat die Verbindung der beiden Klageverfahren durch Beschluss des Sozialgerichts vom 23. Januar 2007 nicht dazu geführt, dass für die beiden verbundenen Verfahren nur eine einzige Verfahrensgebühr abgerechnet werden kann. Die Verfahrensgebühr für das hinzuverbundene Verfahren zum Az. S 103 AS .../06 war bereits mit dem dortigen Klageauftrag im Oktober 2006 entstanden. Einmal entstandene Gebühren gehen einem Rechtsanwalt im Falle einer Verbindung von zunächst getrennten Verfahren aber nicht verloren gehen (Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 3100 Rn. 81). Der Klägerbevollmächtigte hat somit auch nach der Verbindung den Anspruch auf die Verfahrensgebühr der zuvor getrennten Prozesse.
Soweit bei den Verfahrensgebühren der Tatbestand der Nr. 1008 VV RVG angewandt worden ist, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit hatte der Klägerbevollmächtigte bereits mit Schriftsatz vom 06. Februar 2007, also vor der Erledigung der Hauptsache durch Annahme des Vergleichsvorschlags durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 23.02.2007, sinngemäß eine Rubrumserweiterung beantragt. Mit diesem Schriftsatz hatte er unter Bezugnahme auf das o. g. Urteil des BSG zum Az. B 7b AS 8/06 R angezeigt, dass er auch die übrigen drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vertritt. Somit hat er im Klageverfahren, einschließlich des hinzu verbundenen Verfahrens zum Az. S 103 AS 9810/06, nicht nur die Klägerin zu 1), sondern auch die übrigen drei Kläger vertreten. Es ist daher eine entsprechende Erhöhung der Betragsrahmengebühren nach Nr. 3103 VV RVG ausgehend von drei Personen zutreffend festgesetzt worden. Insoweit kann der Einwand des Beklagten nicht überzeugen, dass eine Vertretung von drei weiteren Personen im Klageverfahren nicht vorgelegen habe.
Die Erhöhung der Verfahrensgebühren gem. Nr. 1008 VV RVG kann schließlich nicht mit dem Hinweis auf die Vereinbarung der Mittelgebühr abgelehnt werden. Der Vergleichstext sieht zwar insoweit, mit Ausnahme der Einigungsgebühr, eine Kostenerstattung durch den Beklagten "in Höhe der jeweiligen Mittelgebühren" vor. Das bedeutet aber bei verständiger Auslegung nicht, dass damit der Erhöhungstatbestand nach Nr. 1008 VV RVG ausgeschlossen werden sollte. Die Einigung auf die Mittelgebühr hat den Zweck, Streitigkeiten über die nach § 14 Abs. 1 RVG billige Rahmengebühr zu vermeiden. Sinn und Zweck einer solchen Regelung ist es dagegen nicht, die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG auszuschließen, die bei Zugrundelegung der Mittelgebühr sich ohne weiteres errechnen lässt. Die vom Beklagten vertretene Auslegung lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Vergleichs ableiten. Die Einigung auf die Mittelgebühr besagt noch nichts darüber, ob die Erhöhung für Mehrfachvertretung ausgeschlossen werden soll. Die Mittelgebühr von Betragsrahmengebühren lässt sich sowohl mit als auch ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG bestimmen. Letztlich ist auch der hier angesetzte Betrag eine Mittelgebühr, und zwar unter Zugrundelegung der Vertretung von drei weiteren Personen. Wenn der Beklagte eine Abweichung von der gesetzlich vorgeschriebenen Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG beabsichtigte, so hätte er dies im Vergleich ausdrücklich klarstellen müssen.
Die Berechnung der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG für die Kosten der Widerspruchsverfahren erfolgt auf der Grundlage des alten Steuersatzes von 16 %, da diese Verfahren bereits im Jahr 2006 abgeschlossen waren. Die Fälligkeit (§ 8 Abs. 1 RVG) der Gebühren trat somit noch zur Zeit der Geltung des früheren Umsatzsteuersatzes ein (vgl. Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 7008 Rn. 30).
Die Erinnerung der Kläger war nach alledem zurückzuweisen und der des Beklagten teilweise zu entsprechen. Seine Erinnerung hat Erfolg, soweit er die Festsetzung der Kosten für die beiden o. g. Widerspruchsverfahren und die Höhe der Geschäftsgebühren für die übrigen Vorverfahren beanstandet.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten für das eigene Erinnerungsverfahren können die Kläger nicht verlangen, da sie insoweit unterlegen gewesen sind. Zu erstatten sind entsprechend ihrer Obsiegensquote nur die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens, welche durch die Erinnerung des Beklagten vom 22.07.2008 entstanden sind.
Die Kammer hält im Einklang mit der Rechtsprechung der 164. Kammer und 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin eine eigenständige Kostenentscheidung auch im Erinnerungsverfahren für notwendig, und zwar aus den (z.B.) in den Beschlüssen der der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 164 SF 118/09 E vom 6. März 2009 - und der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009 - grundsätzlich dargelegten Gründen.
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Gründe:
Auf die Erinnerung des Beklagten waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 3.017,39 EUR laut nachstehender Berechnung festzusetzen:
Vorverfahren zu S 99 AS ... /06 Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für folgende Verfahren: W ...4/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG (2x) 40,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (16 %) 96,00 EUR Summe: 696,00 EUR
Vorverfahren zu S 103 AS .../06 Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG für folgende Verfahren: W 3/06 280,00 EUR W 9/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR W 3/06 280,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG (4x) 80,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (16 %) 192,00 EUR Summe: 1.392,00 EUR
Klageverfahren zu S 99 AS ... /06 Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG 323,00 EUR Einigungsgebühr Nr. 1006 VV RVG 95,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 83,22 EUR Summe: 521,22 EUR
Klageverfahren zu S 103 AS ... /06 Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG 323,00 EUR Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) 65,17 EUR Summe: 408,17 EUR
Gesamtsumme: 3.017,39 EUR
Die zulässige Erinnerung des Beklagten vom 22.07.2008, hier eingegangen am selben Tag, ist zum Teil begründet. Die Erinnerung der Kläger vom 31.07.2008, hier eingegangen am 01.08.2008, ist ebenfalls zulässig, aber nicht begründet.
Mit dem Beklagten geht die Kammer davon aus, dass die Gebühren für die beiden Widerspruchsverfahren zum Az. W.34/06 und W.54/06 zu Unrecht im Rahmen der Vorverfahrenskosten zum Klageverfahren S 103 AS /06 festgesetzt worden sind. Es kann nicht erkannt werden, dass diese beiden Widerspruchsbescheide Gegenstand des dortigen Klageverfahrens geworden sind. In den Klageanträgen des Bevollmächtigten sind weder diese noch andere Widerspruchsbescheide erwähnt, sondern nur die entsprechenden Zeiträume. Im Rahmen der Klagebegründung in den vorliegenden Schriftsätzen, die mangels hinreichend bestimmter Klageanträge zur Auslegung des Klagebegehrens heranzuziehen sind, werden die Widerspruchsbescheide zu den Aktenzeichen W.33/06, W.39/06, W 83/06 und W 53/06 ausdrücklich benannt. Diese vorgenannten Widerspruchsbescheide wurden vom Klägerbevollmächtigten auch alle in Abschrift an das Gericht übersandt. Dagegen finden die Widerspruchsverfahren zu den Zeichen W ...34/06 und W 54/06 in den Schriftsätzen des Bevollmächtigten keine Erwähnung und die entsprechenden Widerspruchsbescheide wurden auch nicht in Ablichtung zu den Gerichtsakten gereicht. Aus diesen Gründen kommt die Kammer nach Auslegung ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die beiden eingangs genannten Widerspruchsbescheide nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden sind. Demnach können die entsprechenden Vorverfahrenskosten auch nicht Teil der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits nach § 193 SGG sein, so dass eine Kostenfestsetzung gem. § 197 SGG insoweit nicht möglich ist. Hieran vermag der Umstand nichts zu ändern, dass - wie die Kläger meinen - der Beklagte trotz der Verwerfung der Widersprüche als unzulässig (§ 86 SGG) aus Veranlassungsgesichtspunkten zur Kostenerstattung verpflichtet war. Soweit die Kläger mit dieser Kostenentscheidung nicht einverstanden waren, hätten sie die Widerspruchsbescheide entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung anfechten müssen.
Hinsichtlich der im Rahmen der Kostenfestsetzung zu berücksichtigenden Widerspruchsverfahren geht der Beklagte weiter im Ergebnis zu Recht davon aus, dass insoweit der Erhöhungstatbestand nach Nr. 1008 VV RVG im angefochtenen Beschluss zu Unrecht angewandt worden ist. Zwar meint der Beklagte fehlerhaft, die Erhöhung sei nach dem Inhalt des von ihm angenommnen Vergleichsvorschlags der Kläger vom 22. Februar 2007 nicht geschuldet. Allerdings liegen die Tatbestandsvoraussetzungen von Nr. 1008 VV RVG nicht vor. Nach Nr. 1008 VV RVG erhöhen sich u. a. bei Betragsrahmengebühren der Mindest- und Höchstbetrag um 30 %, wenn Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind. Dabei ist Auftraggeber nur derjenige, dessen Rechtsangelegenheit erledigt werden soll (Müller-Raabe in: Gerold/Schmidt, RVG, Komm., 18. Aufl., Nr. 1008 Rn. 38). Hier wurden jeweils namens der Klägerin zu 1) Widersprüche gegen die Bewilligungs- und Änderungsbescheide des Beklagten eingelegt mit der Begründung, dass insbesondere Einkommen in Gestalt des Existenzgründungszuschusses zu Unrecht auf den Bedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) angerechnet wurde. Die entsprechenden Bescheide, einschließlich der Widerspruchsbescheide, waren nur an sie als Vertreterin der Bedarfsgemeinschaft adressiert. Alle Beteiligten sind davon ausgegangen, dass die erhobenen Widersprüche und später zunächst auch die Klagen nur sie, die Klägerin zu 1), betreffen und sie demnach alleinige Widerspruchsführerin und Klägerin ist. Demzufolge sollte also durch die erteilten Aufträge ausschließlich eine Rechtsangelegenheit der Klägerin zu 1) erledigt werden. Eine Auftraggebermehrheit i. S. d. Nr. 1008 VV RVG lag demnach nicht vor.
Soweit der Bevollmächtigte der Kläger unter Berufung auf die Entscheidung des BSG vom 07. November 2006 (Az. B 7b AS 8/06 R, zitiert nach juris und www.sozialgerichtsbarkeit.de) meint, hier sei dennoch von einer Auftraggebermehrheit auszugehen, kann dem nicht gefolgt werden. Die dort vom BSG für eine Übergangszeit unter Zugrundelegung des so genannten "Meistbegünstigungsprinzips" für SGB II-Verfahren geforderte großzügige Auslegung kann nicht dazu führen, dass entgegen der tatsächlichen Umstände von mehreren Auftraggebern nach Nr. 1008 VV RVG auszugehen ist. Dem steht entgegen, dass die Voraussetzungen der Nr. 1008 VV RVG, wie oben dargelegt, in diesen Fällen nicht erfüllt werden. Diese Rechtsprechung war zudem erkennbar von der Absicht getragen, den betroffenen Leistungsempfängern effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen (vgl. BSG, a. a. O. juris Rn. 13 f.). Andernfalls wären die Fristen für Rechtsbehelfe gegen von einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft angefochtene Leistungsbescheide betreffend vergangene Zeiträume für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft oftmals bereits verstrichen gewesen. Das hätte für die Beteiligten wiederum zur Folge gehabt, dass Überprüfungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren nur aus verfahrensrechtlichen Gründen durch die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hätten nachgeholt werden müssen. Es war hingegen nicht Absicht dieser Rechtsprechung, für damals bereits abgeschlossene SGB II-Widerspruchsverfahren unter Heranziehung des Meistbegünstigungsprinzips rückwirkend eine Fiktion der Mehrfachvertretung aufzustellen. Dies wäre im Übrigen auch nicht durch den Sinn und Zweck von Nr. 1008 VV RVG gedeckt. Dieser besteht darin, die durch das Vorhandensein mehrerer Auftraggeber typischerweise verursachte Mehrarbeit des Rechtsanwalts abzugelten (Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 1008 Rn. 37). Wenn es jedoch aus der - wenngleich rechtsfehlerhaften - Sicht aller Beteiligten und insbesondere aus Sicht des Rechtsanwalts nur einen Auftraggeber gibt und er nur zu diesem in einem Mandatsverhältnis steht, kann es zu einem Mehraufwand des Rechtsanwalts nicht kommen. Ein solcher Mehraufwand wäre lediglich dann angefallen, wenn der Rechtsanwalt in Kenntnis der Betroffenheit der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und nach entsprechender Auftragserteilung auch für diese tätig geworden wäre. Das war hier nicht der Fall. Daher ist es in einer solchen Situation nicht gerechtfertigt, dem Rechtsanwalt die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zuzugestehen.
Die Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 VV RVG für alle zu berücksichtigenden Vorverfahren sind entsprechend dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich (Ziff 4.) mit der Mittelgebühr von 280,00 EUR anzusetzen. Der Einwand des Beklagten, hier sei von einer Gebühr in Höhe von 240,00 EUR auszugehen, kann nicht überzeugen. Zutreffend weist der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des Vergleichs nur die Ansetzung der Mittelgebühr und nicht der Schwellengebühr von 240,00 EUR in Betracht kommt. Durch die Kappung der Geschäftsgebühr auf 240,00 EUR in Fällen einer fehlenden schwierigen oder umfangreichen Anwaltstätigkeit wird die Schwellengebühr jedenfalls rein begrifflich nicht etwa zur Mittelgebühr für sozialgerichtliche Widerspruchsverfahren. War vom Beklagten etwas anderes gewollt, so hätte er dem Vergleichsvorschlag der Kläger nicht vorbehaltlos zustimmen dürfen.
Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Erinnerung der Kläger unbegründet ist. Da ein Anspruch auf Festsetzung von Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 VV RVG über 280,00 EUR hinaus nicht besteht, können auch die von ihnen geforderten Beträge von 448,00 EUR (bei Vertretung von 3 Klägern) bzw. 532,00 EUR (bei Vertretung von 4 Klägern) nicht festgesetzt werden.
Ferner ist, wiederum entgegen der Meinung des Beklagten, dem Kostenfestsetzungsbeschluss auch bezüglich der Ansetzung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV RVG für beide Klageverfahren zu folgen. Insbesondere hat die Verbindung der beiden Klageverfahren durch Beschluss des Sozialgerichts vom 23. Januar 2007 nicht dazu geführt, dass für die beiden verbundenen Verfahren nur eine einzige Verfahrensgebühr abgerechnet werden kann. Die Verfahrensgebühr für das hinzuverbundene Verfahren zum Az. S 103 AS .../06 war bereits mit dem dortigen Klageauftrag im Oktober 2006 entstanden. Einmal entstandene Gebühren gehen einem Rechtsanwalt im Falle einer Verbindung von zunächst getrennten Verfahren aber nicht verloren gehen (Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 3100 Rn. 81). Der Klägerbevollmächtigte hat somit auch nach der Verbindung den Anspruch auf die Verfahrensgebühr der zuvor getrennten Prozesse.
Soweit bei den Verfahrensgebühren der Tatbestand der Nr. 1008 VV RVG angewandt worden ist, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Insoweit hatte der Klägerbevollmächtigte bereits mit Schriftsatz vom 06. Februar 2007, also vor der Erledigung der Hauptsache durch Annahme des Vergleichsvorschlags durch den Beklagten mit Schriftsatz vom 23.02.2007, sinngemäß eine Rubrumserweiterung beantragt. Mit diesem Schriftsatz hatte er unter Bezugnahme auf das o. g. Urteil des BSG zum Az. B 7b AS 8/06 R angezeigt, dass er auch die übrigen drei Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft vertritt. Somit hat er im Klageverfahren, einschließlich des hinzu verbundenen Verfahrens zum Az. S 103 AS 9810/06, nicht nur die Klägerin zu 1), sondern auch die übrigen drei Kläger vertreten. Es ist daher eine entsprechende Erhöhung der Betragsrahmengebühren nach Nr. 3103 VV RVG ausgehend von drei Personen zutreffend festgesetzt worden. Insoweit kann der Einwand des Beklagten nicht überzeugen, dass eine Vertretung von drei weiteren Personen im Klageverfahren nicht vorgelegen habe.
Die Erhöhung der Verfahrensgebühren gem. Nr. 1008 VV RVG kann schließlich nicht mit dem Hinweis auf die Vereinbarung der Mittelgebühr abgelehnt werden. Der Vergleichstext sieht zwar insoweit, mit Ausnahme der Einigungsgebühr, eine Kostenerstattung durch den Beklagten "in Höhe der jeweiligen Mittelgebühren" vor. Das bedeutet aber bei verständiger Auslegung nicht, dass damit der Erhöhungstatbestand nach Nr. 1008 VV RVG ausgeschlossen werden sollte. Die Einigung auf die Mittelgebühr hat den Zweck, Streitigkeiten über die nach § 14 Abs. 1 RVG billige Rahmengebühr zu vermeiden. Sinn und Zweck einer solchen Regelung ist es dagegen nicht, die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG auszuschließen, die bei Zugrundelegung der Mittelgebühr sich ohne weiteres errechnen lässt. Die vom Beklagten vertretene Auslegung lässt sich auch nicht aus dem Wortlaut des Vergleichs ableiten. Die Einigung auf die Mittelgebühr besagt noch nichts darüber, ob die Erhöhung für Mehrfachvertretung ausgeschlossen werden soll. Die Mittelgebühr von Betragsrahmengebühren lässt sich sowohl mit als auch ohne Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG bestimmen. Letztlich ist auch der hier angesetzte Betrag eine Mittelgebühr, und zwar unter Zugrundelegung der Vertretung von drei weiteren Personen. Wenn der Beklagte eine Abweichung von der gesetzlich vorgeschriebenen Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG beabsichtigte, so hätte er dies im Vergleich ausdrücklich klarstellen müssen.
Die Berechnung der Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG für die Kosten der Widerspruchsverfahren erfolgt auf der Grundlage des alten Steuersatzes von 16 %, da diese Verfahren bereits im Jahr 2006 abgeschlossen waren. Die Fälligkeit (§ 8 Abs. 1 RVG) der Gebühren trat somit noch zur Zeit der Geltung des früheren Umsatzsteuersatzes ein (vgl. Müller-Raabe in: a. a. O., Nr. 7008 Rn. 30).
Die Erinnerung der Kläger war nach alledem zurückzuweisen und der des Beklagten teilweise zu entsprechen. Seine Erinnerung hat Erfolg, soweit er die Festsetzung der Kosten für die beiden o. g. Widerspruchsverfahren und die Höhe der Geschäftsgebühren für die übrigen Vorverfahren beanstandet.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung. Die Erstattung der außergerichtlichen Kosten für das eigene Erinnerungsverfahren können die Kläger nicht verlangen, da sie insoweit unterlegen gewesen sind. Zu erstatten sind entsprechend ihrer Obsiegensquote nur die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens, welche durch die Erinnerung des Beklagten vom 22.07.2008 entstanden sind.
Die Kammer hält im Einklang mit der Rechtsprechung der 164. Kammer und 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin eine eigenständige Kostenentscheidung auch im Erinnerungsverfahren für notwendig, und zwar aus den (z.B.) in den Beschlüssen der der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 164 SF 118/09 E vom 6. März 2009 - und der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009 - grundsätzlich dargelegten Gründen.
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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