Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AS 546/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 910/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 8. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Der Befangenheitsantrag des Klägers gegen Richter am SG ... wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1951 geborene Antragsteller meldete sich am 03.11.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab hierbei an, zuletzt sei er vom 30.10.2007 bis 11.08.2009 bei M. AG, Z. als Qualitätsauditor beschäftigt gewesen. Zuvor habe er vom 01.01.2005 bis 29.10.2007 Arbeitslosengeld II von der Arge-Konstanz bezogen.
Mit Bescheid vom 08.12.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers vom 03.11.2009 auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab, da der Antragsteller die erforderliche Anwartschaftszeit gemäß §§ 123, 124 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erfüllt habe. Der Antragsteller sei in den zwei Jahren vor dem 3. November 2009 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen. Die von ihm nachgewiesenen Versicherungszeiten im Ausland könnten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erst dann begründen, wenn er danach in Deutschland versicherungspflichtig gewesen sei (Art. 67 Abs. 3 EWG-Verordnung 1408/71- VO). Die Grenzgängereigenschaften seien nach den eigenen Angaben des Antragstellers nicht erfüllt. Gleichzeitig wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass dem Antragsteller empfohlen werde, Arbeitslosengeld II zu beantragen, wenn sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei.
Der dagegen vom Antragsteller erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend darauf hingewiesen, der Antragsteller gehöre auch nicht zum Personenkreis der "echten" oder "unechten" Grenzgänger im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. a oder b Ziff. ii VO. Nur dann jedoch könnten die Beschäftigungszeiten in der Schweiz unmittelbar, mithin ohne ein Versicherungspflichtverhältnis in Deutschland nach der Beschäftigung in der Schweiz, berücksichtigt werden. Nach den Angaben des Antragstellers im "Prüfbogen Grenzgänger" habe der Antragsteller während der Beschäftigung in der Schweiz weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufrechterhalten. Auch sei er während der Beschäftigung weder täglich noch einmal wöchentlich nach Deutschland zurückgekehrt. Er sei daher nicht Grenzgänger im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii VO. Der Antragsteller erfülle auch nicht die Kriterien des nach Art.71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii VO begünstigten Personenkreises der "unechten" Grenzgänger. Hierunter fielen nur Arbeitnehmer, die trotz Beschäftigung und vorübergehendem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat sehr enge Beziehungen zu Deutschland beibehalten hätten. Nach den Angaben des Antragstellers im "Prüfbogen Grenzgänger" habe der Antragsteller während der letzten Beschäftigung in der Schweiz gelebt. Er habe dort seinen Lebensmittelpunkt gehabt. Seinen Urlaub habe er in der Regel in Österreich verbracht. Er habe weder gesellschaftliche noch berufliche Kontakte (z.B. Vereinstätigkeiten, Beibehaltung von Mitgliedschaften in Berufsverbänden u.a.) nach Deutschland aufrechterhalten. In der Schweiz habe er eine normale Wohnung bewohnt. Auch sei die Beschäftigung in der Schweiz unbefristet gewesen und seine Kontakte im Beschäftigungsland seien auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt gewesen. Die Beschäftigungszeiten des Antragstellers in der Schweiz könnten auch nicht nach dem Abkommen vom 20.10.1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 22.12.1992) berücksichtigt werden. Art. 7 Abs. 1 dieses Abkommens gelte nur für Angehörige der Vertragsstaaten, also für Deutsche und Schweizer. Der Antragsteller sei jedoch Österreicher. Nach alledem sei daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil der Antragsteller nicht mindestens zwölf Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe daher nicht. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 erhob der Antragsteller am 21.12.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG, S 2 AL 3539/09) und verfolgte seinen Anspruch weiter. Gleichzeitig stellte er Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 2 AL 3540/09 ER). Zur Frage der Grenzgängereigenschaft machte er nunmehr geltend, vom Beginn der Beschäftigung in der Schweiz bis zum 10.02.2009 sei er echter Grenzgänger gewesen, da er an jedem Tag von seiner Arbeitsstelle in Z. zu seinem Wohnsitz nach S. zurückgekehrt sei. Vom 11.02.2009 bis 30.10.2009 sei er arbeitsunfähig gewesen und bei einem Orthopäden in S. wöchentlich oder alle 14 Tage in Behandlung gewesen. Vom 11.02.2009 bis 13.03.2009 habe er sich in der Wohnung in S. aufgehalten. Vom 14.03.2009 bis 16.06.2009 habe er sich an zwei bis drei Tagen in der Woche in der Schweiz bei seinem früheren Arbeitskollegen aufgehalten und den Rest der Woche in S. verbracht. Dies könne durch die Wohnungsvermieterin, Frau Hannelore Veith, bezeugt werden. Vom 17.06.2009 bis 03.07.2009 habe er seinen Urlaub außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Vom 04.07.2009 bis 28.09.2009 habe er sich an zwei bis drei Tagen der Woche in der Schweiz aufgehalten und den Rest der Woche in seiner Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Auch dies könne Frau Veith bezeugen, ebenso die Tatsache, dass er ab dem 29.09.2009 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Hierzu legte der Kläger eine Bestätigung von Hannelore Veith vom 10.01.2010 vor. Zum Anordnungsgrund machte der Antragsteller geltend, die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Tatsache, dass ansonsten die Gefahr bestehe, dass er, da mittellos, sein Springpferd unter dem wahren Marktpreis von 30.000,00 EUR für 17.000,00 EUR verkaufen müsse, um seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Mit zwei Raten des monatlichen Unterhalts in Höhe von 700,00 EUR befinde er sich schon im Verzug. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II sei ihm aufgrund des Nachrangigkeitsprinzips nicht zuzumuten. Die Antragsgegnerin sei daher im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab 03.11.2009 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.605,60 EUR zu gewähren.
Mit Beschluss vom 08.02.2010 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, da ein Anordnungsanspruch fraglich sei. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei ungewiss und die Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus. Ob der Antragsteller während seiner Beschäftigung in der Schweiz "echter" Grenzgänger oder zumindest "unechter" Grenzgänger gewesen sei, sei fraglich. Die bei offenem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass es dem Antragsteller zuzumuten sei, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Zu Recht weise die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Antragsteller, soweit er nicht über zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfüge, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Anspruch nehmen könne, wie er dies schon in früheren Jahren getan habe. Damit sei auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Mit Schreiben vom 03.01.2010 - beim SG eingegangen am 23.02.2010 - erhob der Antragsteller "gegen einen ihm nicht zugestellten und somit unbekannten Beschluss im hiesigen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die sofortige Beschwerde". Ferner stellte er den Antrag, Richter am SG ... wegen Parteilichkeit (Besorgnis der Befangenheit) abzulehnen. Zur Begründung gab er an, nach mehrmaliger telefonischer Rückfrage bei der Geschäftsstelle der 2. Kammer des SG nach dem Sachstand des Verfahrens sei er am 26.02.2010 in Kenntnis gesetzt worden, dass am 10.02.2010 ein ablehnender Beschluss vom SG ergangen sei. Da ihm dieser Beschluss weder zugegangen noch ihm der Inhalt bekannt sei, werde ihm die Möglichkeit genommen, gegen den ihm nicht bekannten Beschluss ein weiteres Rechtsmittel zu erheben. Anstelle eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren habe er vielmehr eine Ladung im Hauptsacheverfahren zum 16.03.2010 erhalten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne ein Hauptsacheverfahren nicht einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelagert werden. Somit habe die 2. Kammer des SG die Beweiserbringung des Antragstellers in krasser Weise negiert und dem Antrag der Antragsgegnerin stattgegeben. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei nicht mehr davon auszugehen, dass die Kammer neutral und unparteilich handeln werde, weshalb sein Befangenheitsantrag gegen Richter am SG ... gerechtfertigt sei.
Richter am SG ... hat sich dienstlich dahingehend geäußert, dass er das Ablehnungsgesuch für unbegründet halte.
Der Beschwerdeführer beantragt,
1. den Beschluss des SG Konstanz vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I zu gewähren, 2. Richter am SG ... wegen Besorgnis der Befangenheit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wie im Hauptsacheverfahren auszuschließen, 3. die Beschwerdegegnerin zu verurteilen, ihm die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend.
Wegen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Beschwerdegegnerin, die SG-Akten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und im Hauptsacheverfahren und auf die Senatsakten verwiesen.
II.
Die vom Antragsteller vorab per Fax am 23.02.2010 und anschließend am 24.02.2010 mit einfachem Brief eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 08.02.2010, der dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 24.02.2010 zugestellt worden ist, ist form- und fristgerecht , insbesondere nicht unzulässig verfrüht eingelegt worden. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen Richter am SG ... ist unbegründet.
Der Antragsteller hat keine Gründe aufgezeigt, die geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Richter am SG ... zu rechtfertigen. Soweit er geltend macht, er habe anstelle eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Ladung im Hauptsacheverfahren zum 16.03.2010 erhalten, woraus der Schluss zu ziehen sei, dass vom SG das Hauptsacheverfahren einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelagert werden solle, trifft schon diese Behauptung des Antragstellers nicht zu. Denn dieser Vortrag des Antragstellers, was sich allenfalls als Befürchtungen des Antragstellers, nicht aber als Tatsachenvortrag werten lässt, ist in Wirklichkeit nicht eingetreten. Der Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist am 08.02.2010 ergangen. Er ist laut Postzustellungsurkunde dem Antragsteller am 24.02.2010 zugestellt worden. Bei Abfassung seines Schreibens vom 07.03.2010 - beim LSG eingegangen am 10.03.2010 - hätte dem Antragsteller bewusst sein müssen, dass seine ursprünglichen Befürchtungen, eine mündliche Verhandlung finde im Hauptsacheverfahren vor Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens statt, nicht eingetreten sind. Die vom Antragsteller für sein Ablehnungsgesuch beanstandete Verfahrensbearbeitung durch Richter am SG ... hat daher nicht stattgefunden; im übrigen wäre aber auch der bloße Umstand allein, dass ein Prozessbeteiligter eine gerichtliche Entscheidung oder die Bearbeitung des Verfahrens für fehlerhaft hält, nicht geeignet, einen daran beteiligten Richter von der weiteren Mitwirkung im Verfahren auszuschließen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Februar 1960 - 2 BvR 36/60 -, BVerfGE 11, 1; Beschluss vom 2. November 1960 - 2 BvR 473/60 -, BVerfGE 11, 343). Vielmehr muss weitergehend Anlass für die Besorgnis bestehen, dass die behaupteten Mängel Ausdruck fehlender Neutralität und willkürlichen Handelns sind. Hierfür weist der vorliegende Sachverhalt bei objektiver Betrachtung aber keinerlei Anhaltspunkte auf. Das Befangenheitsgesuch war daher zurückzuweisen.
Die eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 08.02.2010 ist unbegründet. Ein Anordnungsanspruch ist vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.
Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Beschlusses die für die Entscheidung des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Soweit das SG ausgeführt hat, ein Anordnungsanspruch sei fraglich, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens somit ungewiss und die Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, gelangt der Senat demgegenüber sogar - zu Lasten des Antragstellers - zu dem Ergebnis, dass die Klage nach Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch dürften nicht nachzuweisen sein. Es sind widersprüchliche Angaben gemacht worden. Im "Prüfbogen Grenzgänger" vom 06.11.2009 hat der Antragsteller angegeben, während seiner Beschäftigung im Ausland (30.10.2007 bis 11.08.2009) habe er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht aufrechterhalten; er sei während seiner Auslandsbeschäftigung nicht täglich oder einmal wöchentlich an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt, sondern er habe während seiner Auslandsbeschäftigung seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz gehabt. Demgegenüber hat der Antragsteller im Klageverfahren auf seine Angaben im "Prüfbogen Grenzgänger" in seiner "korrigierten Fassung" mit Datum vom 08.11.2009 verwiesen, wonach er nunmehr seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland während der Auslandsbeschäftigung (30.10.2007 bis 11.08.2009 in der Schweiz) aufrechterhalten haben will; täglich und wöchentlich sei er ab 14.03.2009 an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt und er habe während seiner Auslandsbeschäftigung seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt. Diese widersprüchlichen Angaben dürften einem Nachweis des Alg-Anspruches entgegenstehen, wobei grundsätzlich den Erstangaben ein höherer Beweiswert zukommt. Werden die Widersprüche nicht überzeugend aufgelöst, besteht nach Auffassung des Senats auch grundsätzlich kein Anlass für das Gericht, Beweis zu erheben. Eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen ist in diesem Fall wegen nicht aufgelöster Ungereimtheiten im Vortrag des Anspruchstellers nicht geboten. Nach derzeitiger Beurteilung dürfte der Ausgang des Rechtsstreits daher wohl nicht offen sein, weshalb es auf eine Interessenabwägung nicht ankommt. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Alg-Anspruch dürften vielmehr nicht nachgewiesen werden können. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vom SG folglich zu Recht abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der Befangenheitsantrag des Klägers gegen Richter am SG ... wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind auch in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1951 geborene Antragsteller meldete sich am 03.11.2009 bei der Beklagten arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Er gab hierbei an, zuletzt sei er vom 30.10.2007 bis 11.08.2009 bei M. AG, Z. als Qualitätsauditor beschäftigt gewesen. Zuvor habe er vom 01.01.2005 bis 29.10.2007 Arbeitslosengeld II von der Arge-Konstanz bezogen.
Mit Bescheid vom 08.12.2009 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers vom 03.11.2009 auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab, da der Antragsteller die erforderliche Anwartschaftszeit gemäß §§ 123, 124 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht erfüllt habe. Der Antragsteller sei in den zwei Jahren vor dem 3. November 2009 weniger als zwölf Monate versicherungspflichtig gewesen. Die von ihm nachgewiesenen Versicherungszeiten im Ausland könnten einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erst dann begründen, wenn er danach in Deutschland versicherungspflichtig gewesen sei (Art. 67 Abs. 3 EWG-Verordnung 1408/71- VO). Die Grenzgängereigenschaften seien nach den eigenen Angaben des Antragstellers nicht erfüllt. Gleichzeitig wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass dem Antragsteller empfohlen werde, Arbeitslosengeld II zu beantragen, wenn sein Lebensunterhalt nicht gesichert sei.
Der dagegen vom Antragsteller erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ergänzend darauf hingewiesen, der Antragsteller gehöre auch nicht zum Personenkreis der "echten" oder "unechten" Grenzgänger im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. a oder b Ziff. ii VO. Nur dann jedoch könnten die Beschäftigungszeiten in der Schweiz unmittelbar, mithin ohne ein Versicherungspflichtverhältnis in Deutschland nach der Beschäftigung in der Schweiz, berücksichtigt werden. Nach den Angaben des Antragstellers im "Prüfbogen Grenzgänger" habe der Antragsteller während der Beschäftigung in der Schweiz weder seinen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufrechterhalten. Auch sei er während der Beschäftigung weder täglich noch einmal wöchentlich nach Deutschland zurückgekehrt. Er sei daher nicht Grenzgänger im Sinne des Art. 71 Abs. 1 Buchst. a Ziff. ii VO. Der Antragsteller erfülle auch nicht die Kriterien des nach Art.71 Abs. 1 Buchst. b Ziff. ii VO begünstigten Personenkreises der "unechten" Grenzgänger. Hierunter fielen nur Arbeitnehmer, die trotz Beschäftigung und vorübergehendem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat sehr enge Beziehungen zu Deutschland beibehalten hätten. Nach den Angaben des Antragstellers im "Prüfbogen Grenzgänger" habe der Antragsteller während der letzten Beschäftigung in der Schweiz gelebt. Er habe dort seinen Lebensmittelpunkt gehabt. Seinen Urlaub habe er in der Regel in Österreich verbracht. Er habe weder gesellschaftliche noch berufliche Kontakte (z.B. Vereinstätigkeiten, Beibehaltung von Mitgliedschaften in Berufsverbänden u.a.) nach Deutschland aufrechterhalten. In der Schweiz habe er eine normale Wohnung bewohnt. Auch sei die Beschäftigung in der Schweiz unbefristet gewesen und seine Kontakte im Beschäftigungsland seien auf einen dauerhaften Aufenthalt angelegt gewesen. Die Beschäftigungszeiten des Antragstellers in der Schweiz könnten auch nicht nach dem Abkommen vom 20.10.1982 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Arbeitslosenversicherung (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 22.12.1992) berücksichtigt werden. Art. 7 Abs. 1 dieses Abkommens gelte nur für Angehörige der Vertragsstaaten, also für Deutsche und Schweizer. Der Antragsteller sei jedoch Österreicher. Nach alledem sei daher die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil der Antragsteller nicht mindestens zwölf Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld bestehe daher nicht. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 erhob der Antragsteller am 21.12.2009 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG, S 2 AL 3539/09) und verfolgte seinen Anspruch weiter. Gleichzeitig stellte er Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 2 AL 3540/09 ER). Zur Frage der Grenzgängereigenschaft machte er nunmehr geltend, vom Beginn der Beschäftigung in der Schweiz bis zum 10.02.2009 sei er echter Grenzgänger gewesen, da er an jedem Tag von seiner Arbeitsstelle in Z. zu seinem Wohnsitz nach S. zurückgekehrt sei. Vom 11.02.2009 bis 30.10.2009 sei er arbeitsunfähig gewesen und bei einem Orthopäden in S. wöchentlich oder alle 14 Tage in Behandlung gewesen. Vom 11.02.2009 bis 13.03.2009 habe er sich in der Wohnung in S. aufgehalten. Vom 14.03.2009 bis 16.06.2009 habe er sich an zwei bis drei Tagen in der Woche in der Schweiz bei seinem früheren Arbeitskollegen aufgehalten und den Rest der Woche in S. verbracht. Dies könne durch die Wohnungsvermieterin, Frau Hannelore Veith, bezeugt werden. Vom 17.06.2009 bis 03.07.2009 habe er seinen Urlaub außerhalb der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Vom 04.07.2009 bis 28.09.2009 habe er sich an zwei bis drei Tagen der Woche in der Schweiz aufgehalten und den Rest der Woche in seiner Wohnung in der Bundesrepublik Deutschland verbracht. Auch dies könne Frau Veith bezeugen, ebenso die Tatsache, dass er ab dem 29.09.2009 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Hierzu legte der Kläger eine Bestätigung von Hannelore Veith vom 10.01.2010 vor. Zum Anordnungsgrund machte der Antragsteller geltend, die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Tatsache, dass ansonsten die Gefahr bestehe, dass er, da mittellos, sein Springpferd unter dem wahren Marktpreis von 30.000,00 EUR für 17.000,00 EUR verkaufen müsse, um seinen gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen nachzukommen. Mit zwei Raten des monatlichen Unterhalts in Höhe von 700,00 EUR befinde er sich schon im Verzug. Die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II sei ihm aufgrund des Nachrangigkeitsprinzips nicht zuzumuten. Die Antragsgegnerin sei daher im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab 03.11.2009 Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 1.605,60 EUR zu gewähren.
Mit Beschluss vom 08.02.2010 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab, da ein Anordnungsanspruch fraglich sei. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens sei ungewiss und die Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus. Ob der Antragsteller während seiner Beschäftigung in der Schweiz "echter" Grenzgänger oder zumindest "unechter" Grenzgänger gewesen sei, sei fraglich. Die bei offenem Ausgang eines Hauptsacheverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung führe im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass es dem Antragsteller zuzumuten sei, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Zu Recht weise die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Antragsteller, soweit er nicht über zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen verfüge, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in Anspruch nehmen könne, wie er dies schon in früheren Jahren getan habe. Damit sei auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Mit Schreiben vom 03.01.2010 - beim SG eingegangen am 23.02.2010 - erhob der Antragsteller "gegen einen ihm nicht zugestellten und somit unbekannten Beschluss im hiesigen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz die sofortige Beschwerde". Ferner stellte er den Antrag, Richter am SG ... wegen Parteilichkeit (Besorgnis der Befangenheit) abzulehnen. Zur Begründung gab er an, nach mehrmaliger telefonischer Rückfrage bei der Geschäftsstelle der 2. Kammer des SG nach dem Sachstand des Verfahrens sei er am 26.02.2010 in Kenntnis gesetzt worden, dass am 10.02.2010 ein ablehnender Beschluss vom SG ergangen sei. Da ihm dieser Beschluss weder zugegangen noch ihm der Inhalt bekannt sei, werde ihm die Möglichkeit genommen, gegen den ihm nicht bekannten Beschluss ein weiteres Rechtsmittel zu erheben. Anstelle eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren habe er vielmehr eine Ladung im Hauptsacheverfahren zum 16.03.2010 erhalten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung könne ein Hauptsacheverfahren nicht einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelagert werden. Somit habe die 2. Kammer des SG die Beweiserbringung des Antragstellers in krasser Weise negiert und dem Antrag der Antragsgegnerin stattgegeben. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei nicht mehr davon auszugehen, dass die Kammer neutral und unparteilich handeln werde, weshalb sein Befangenheitsantrag gegen Richter am SG ... gerechtfertigt sei.
Richter am SG ... hat sich dienstlich dahingehend geäußert, dass er das Ablehnungsgesuch für unbegründet halte.
Der Beschwerdeführer beantragt,
1. den Beschluss des SG Konstanz vom 8. Februar 2010 aufzuheben und die Beschwerdegegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld I zu gewähren, 2. Richter am SG ... wegen Besorgnis der Befangenheit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wie im Hauptsacheverfahren auszuschließen, 3. die Beschwerdegegnerin zu verurteilen, ihm die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss des SG für zutreffend.
Wegen Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akten der Beschwerdegegnerin, die SG-Akten im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und im Hauptsacheverfahren und auf die Senatsakten verwiesen.
II.
Die vom Antragsteller vorab per Fax am 23.02.2010 und anschließend am 24.02.2010 mit einfachem Brief eingelegte Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 08.02.2010, der dem Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 24.02.2010 zugestellt worden ist, ist form- und fristgerecht , insbesondere nicht unzulässig verfrüht eingelegt worden. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet.
Das Ablehnungsgesuch des Antragstellers gegen Richter am SG ... ist unbegründet.
Der Antragsteller hat keine Gründe aufgezeigt, die geeignet sind, ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit von Richter am SG ... zu rechtfertigen. Soweit er geltend macht, er habe anstelle eines Beschlusses im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Ladung im Hauptsacheverfahren zum 16.03.2010 erhalten, woraus der Schluss zu ziehen sei, dass vom SG das Hauptsacheverfahren einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorgelagert werden solle, trifft schon diese Behauptung des Antragstellers nicht zu. Denn dieser Vortrag des Antragstellers, was sich allenfalls als Befürchtungen des Antragstellers, nicht aber als Tatsachenvortrag werten lässt, ist in Wirklichkeit nicht eingetreten. Der Beschluss im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist am 08.02.2010 ergangen. Er ist laut Postzustellungsurkunde dem Antragsteller am 24.02.2010 zugestellt worden. Bei Abfassung seines Schreibens vom 07.03.2010 - beim LSG eingegangen am 10.03.2010 - hätte dem Antragsteller bewusst sein müssen, dass seine ursprünglichen Befürchtungen, eine mündliche Verhandlung finde im Hauptsacheverfahren vor Abschluss des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens statt, nicht eingetreten sind. Die vom Antragsteller für sein Ablehnungsgesuch beanstandete Verfahrensbearbeitung durch Richter am SG ... hat daher nicht stattgefunden; im übrigen wäre aber auch der bloße Umstand allein, dass ein Prozessbeteiligter eine gerichtliche Entscheidung oder die Bearbeitung des Verfahrens für fehlerhaft hält, nicht geeignet, einen daran beteiligten Richter von der weiteren Mitwirkung im Verfahren auszuschließen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Februar 1960 - 2 BvR 36/60 -, BVerfGE 11, 1; Beschluss vom 2. November 1960 - 2 BvR 473/60 -, BVerfGE 11, 343). Vielmehr muss weitergehend Anlass für die Besorgnis bestehen, dass die behaupteten Mängel Ausdruck fehlender Neutralität und willkürlichen Handelns sind. Hierfür weist der vorliegende Sachverhalt bei objektiver Betrachtung aber keinerlei Anhaltspunkte auf. Das Befangenheitsgesuch war daher zurückzuweisen.
Die eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des SG vom 08.02.2010 ist unbegründet. Ein Anordnungsanspruch ist vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht worden.
Das SG hat in den Gründen des angefochtenen Beschlusses die für die Entscheidung des vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahrens maßgeblichen Rechtsvorschriften und Grundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG Bezug.
Soweit das SG ausgeführt hat, ein Anordnungsanspruch sei fraglich, der Ausgang des Hauptsacheverfahrens somit ungewiss und die Interessenabwägung falle zu Ungunsten des Antragstellers aus, gelangt der Senat demgegenüber sogar - zu Lasten des Antragstellers - zu dem Ergebnis, dass die Klage nach Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Voraussetzungen für einen Alg-Anspruch dürften nicht nachzuweisen sein. Es sind widersprüchliche Angaben gemacht worden. Im "Prüfbogen Grenzgänger" vom 06.11.2009 hat der Antragsteller angegeben, während seiner Beschäftigung im Ausland (30.10.2007 bis 11.08.2009) habe er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland nicht aufrechterhalten; er sei während seiner Auslandsbeschäftigung nicht täglich oder einmal wöchentlich an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt, sondern er habe während seiner Auslandsbeschäftigung seinen Lebensmittelpunkt in der Schweiz gehabt. Demgegenüber hat der Antragsteller im Klageverfahren auf seine Angaben im "Prüfbogen Grenzgänger" in seiner "korrigierten Fassung" mit Datum vom 08.11.2009 verwiesen, wonach er nunmehr seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland während der Auslandsbeschäftigung (30.10.2007 bis 11.08.2009 in der Schweiz) aufrechterhalten haben will; täglich und wöchentlich sei er ab 14.03.2009 an seinen Wohnort in Deutschland zurückgekehrt und er habe während seiner Auslandsbeschäftigung seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland gehabt. Diese widersprüchlichen Angaben dürften einem Nachweis des Alg-Anspruches entgegenstehen, wobei grundsätzlich den Erstangaben ein höherer Beweiswert zukommt. Werden die Widersprüche nicht überzeugend aufgelöst, besteht nach Auffassung des Senats auch grundsätzlich kein Anlass für das Gericht, Beweis zu erheben. Eine Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen ist in diesem Fall wegen nicht aufgelöster Ungereimtheiten im Vortrag des Anspruchstellers nicht geboten. Nach derzeitiger Beurteilung dürfte der Ausgang des Rechtsstreits daher wohl nicht offen sein, weshalb es auf eine Interessenabwägung nicht ankommt. Die Anspruchsvoraussetzungen für einen Alg-Anspruch dürften vielmehr nicht nachgewiesen werden können. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist vom SG folglich zu Recht abgelehnt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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