L 10 R 3420/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 1953/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 3420/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.05.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1959 geborene, aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Klägerin war in ihrem Herkunftsland von Juni 1973 bis September 1973 als Putzfrau und von Juni 1976 bis August 1976 als Arbeiterin beschäftigt; von September 1976 bis Juli 1978 absolvierte sie eine Ausbildung zur Friseurin und war anschließend bis im Juni 1981 in diesem Beruf tätig. Nach dem Zuzug in das Bundesgebiet im Juli 1981 legte sie im Mai 1983 die Meisterprüfung im Friseurhandwerk ab. Seit April 1984 ist die Klägerin - mit Unterbrechungen durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit - als Küchenhilfe beschäftigt.

Ein erstmaliger Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom April 1994 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 02.08.1994 und Widerspruchsbescheid vom 20.06.1995 abgelehnt. Das hiergegen von der Klägerin geführte gerichtliche Verfahren blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29.04.1994, S 4 J 894/95 und Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10.08.1998, L 9 RJ 1846/97). Ein weiterer Rentenantrag der Klägerin vom 04.04.2000 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 26.06.2000 abgelehnt.

Am 03.11.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. In dem im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten diagnostizierte der Internist Dr. R. Übergewicht und einen abgelaufenen Morbus Scheuermann. Führend seien die psychischen Verhältnisse, weshalb eine psychiatrische Begutachtung veranlasst werden sollte. In dem daraufhin im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachten beschrieb der Neurologe und Psychiater Dr. H. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymia und ein Cervical- und Lumbalsyndrom bei leichten degenerativen Veränderungen ohne radikuläre Symptomatik. Die Klägerin könne die ausgeübte Tätigkeit als Küchenhilfe sowie mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne häufiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, ohne Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 23.03.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.07.2005 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab.

Hiergegen hat die Klägerin am 01.08.2005 unter Bezugnahme auf den Entlassungsbericht der S. Klinik, Bad Sch. (stationäre Behandlung vom 23.11.2004 bis 05.01.2005; chronische somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelschwere Episode, degenerative Gelenk- und Achsskelettveränderungen bei Z.n. Polytrauma in der Jugend, autoimmunologische Prägung ohne Nachweis einer entzündlich rheumatischen Erkrankung, Stressintoleranz bei Beckenbodeninsuffizienz, gestörte Glucose-Toleranz, Bluthochdruck; die Klägerin werde auf mittlere bis längere Sicht für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit arbeitsunfähig sein, auch das positive Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei erheblich eingeschränkt) Klage zum Sozialgericht Konstanz erhoben.

Das Sozialgericht hat behandelnde Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen gehört, ein Gutachten von der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.-H. und auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein Gutachten durch Prof. Dr. K. , Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum U., eingeholt. Der behandelnde Orthopäde Dr. P. hat ein chronisches Wirbelsäulensyndrom, eine chronische persistierende Cervico-Cephalo-Brachialgie, eine fortgeschrittene Spondylarthrose C5/6/7, eine fortgeschrittene Dorsalgie, eine fortgeschrittene Spondylarthrose TH5 bis 11, eine chronische Lumbalgie und persistierende Lumboischialgie, eine Periarthropathia humero scapularis beidseits, eine AC-Gelenksarthrose beidseits, eine Hüftgelenksarthralgie beidseits und eine Kniegelenksarthralgie beidseits beschrieben. Eine Tätigkeit als Küchenhilfe könne die Klägerin mindestens drei Stunden täglich ausüben, leichte körperliche Tätigkeiten ohne Zwangshaltungen, ohne einseitige Belastung, ohne Überkopfarbeiten, ohne häufiges Bücken, ohne häufiges Knien seien für mindestens sechs Stunden täglich zumutbar. Der Neurologe und Psychiater Dr. P. hat eine somatisierte Depression, ein C6/C7-Syndrom rechts, mehretagige degenerative HWS-Veränderungen, einen vertebragenen Kopfschmerz und Schwindel diagnostiziert, die Klägerin sei nicht ausreichend arbeitsfähig und solle entweder doch berentet werden oder eine Reha in einer psychosomatischen Klinik mit schmerztherapeutischem Ansatz machen. Sie sei nicht mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig. Dr. K.-H. hat auf Grund der Untersuchung der Klägerin im August 2006 eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine depressive Entwicklung und einen Zustand nach Polytrauma im Jahr 1970 beschrieben. Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nacht- oder Wechselschicht, ohne besondere Verantwortung für sich und andere und ohne besondere psychische Belastung zwar nicht achtstündig, jedoch mindestens sechsstündig ausüben. Auch könne sie arbeitstäglich viermal eine Gehstrecke von mindestens 500 m in einer Zeit von jeweils weniger als 20 Minuten zurücklegen. Prof. Dr. K. hat eine chronische somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwere depressive Episode beschrieben. Die Klägerin habe angegeben, seit April 2007 wieder sechs Stunden täglich als Küchenhilfe in einer Großküche zu arbeiten, wobei sie den Arbeitsplatz mit dem PKW erreiche. Auf Grund der depressiven Verstimmung sollten Tätigkeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit besonderer psychischer Belastung wie z.B. hohe Verantwortung bei geringem zeitlichem Spielraum, leitende Tätigkeiten, vermieden werden, außerdem bestünden Einschränkungen für Tätigkeiten, die eine hohe Flexibilität und Umstellungsfähigkeit (z.B. Springertätigkeiten) erforderten, zu vermeiden seien Tätigkeiten im Dreischichtbetrieb, Montagearbeiten mit mehrtägiger Abwesenheit vom Wohnort sowie Wochenendarbeiten, Einschränkungen bestünden für Tätigkeiten, die eine selbstständige Planung und Organisation oder Arbeitszuteilung für Mitarbeiter erforderten, ebenso für Tätigkeiten, die eine außergewöhnliche Konzentration (Präzisionsarbeiten oder Wach- und Kontrolltätigkeit) erforderten. Unter Beachtung dieser Einschränkungen sei die Klägerin in der Lage, solche Tätigkeiten drei bis sechs Stunden täglich zu verrichten. Auf Grund der zusätzlichen Schmerzsymptomatik und der gedanklichen Verarbeitung würden sich weitere Einschränkungen ergeben; diese stelle die Hauptursache für die funktionellen Einschränkungen dar. Auf Grund der Sensibilität für körperliche Symptome und der Ausrichtung des ganzen Lebensstils darauf sei eine dauerhafte Weiterbeschäftigung im Beruf als Küchenhilfe unrealistisch. Auch sei unwahrscheinlich, dass sich die Klägerin für anderweitige leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt motivieren lasse. Auf Grund der Schmerzsymptomatik und des kognitiven Verarbeitungsstils gehe er davon aus, dass die Klägerin auf Dauer nicht mehr als drei Stunden täglich leistungsfähig sein werde.

Mit Urteil vom 28.05.2008 hat das Sozialgericht die Klage unter Bezugnahme auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch Dr. K.-H. und Dr. H. abgewiesen.

Gegen das am 03.07.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.07.2008 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Sozialgericht habe die von Prof. Dr. K. mitgeteilte Fixierung auf den Rentenwunsch und die von ihm diagnostizierte rezidivierende depressive Störung übersehen. Eine Fixierung auf den Rentenwunsch, bezeichnet als Rentenneurose, könne bzw. müsse bei Vorliegen der Diagnose zu einer Rentengewährung führen. Das Urteil des Sozialgerichts setze sich nicht ausreichend mit der Frage auseinander, weshalb der Leistungsbeurteilung der Dr. K.-H. und des Dr. H. gefolgt werde, hingegen nicht der Aussage von Prof. Dr. K. und Dr. P. Ergänzend hat die Klägerin eine Aufstellung ihres Arbeitgebers, Zentrum für Psychiatrie W. , über ihre Fehlzeiten am Arbeitsplatz in den Jahren 2007/2008 (arbeitsunfähig bis 10.04.2007, anschließend bis 31.12.2007 68 Tage Urlaub und 21,5 Tage arbeitsunfähig, Januar 2008 bis 20.08.2008 18 Tage Urlaub und 92 Tage arbeitsunfähig) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 28.05.2008 und den Bescheid der Beklagten vom 23.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.11.2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung, zumindest auf Zeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Der Senat hat die behandelnden Ärzte Dr. S. und Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Die Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. S. hat einen neuralen Hörverlust, einen dekompensierten Tinnitus, eine Kiefergelenkmyartropathie, eine Trigeminusneuralgie und Drehschwindel mit Gangunsicherheit diagnostiziert. Tätigkeiten in Zwangshaltung der Halswirbelsäule und Arbeiten über Kopf sowie in der Höhe seien ebenso wie Arbeiten mit gesteigertem Zeitdruck, im Schichtdienst oder an Maschinen zu vermeiden. Leichte Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Nachtschicht, Akkord und mit geringer Verletzungsgefahr seien halb- bis unter vollschichtig möglich. Dr. P. hat angegeben, die Klägerin sei aus seiner Sicht nach wie vor nicht ausreichend arbeitsfähig, der Gesundheitszustand der Klägerin sei gleich schlecht wie im August 2006.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Klägerin hat auch nach Überzeugung des Senats keinen Anspruch auf Gewährung der von ihr begehrten Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen voller Erwerbsminderung ist § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie - unter anderem - voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus nach der Rechtsprechung des BSG (Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75 in SozR 2200 § 1246 Nr. 13) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist aber nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ganz im Vordergrund stehen bei der Klägerin Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. Insoweit hat die im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. K.-H. eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Entwicklung diagnostiziert. Unter Berücksichtigung des von ihr erhobenen psychischen Befundes hat Dr. K.-H. nachvollziehbar dargelegt, dass auf Grund dieser Gesundheitsstörungen zwar gewisse qualitative Einschränkungen zu berücksichtigen sind (keine Tätigkeiten mit besonderem Zeitdruck, keine Nacht- oder Wechselschicht, keine Tätigkeiten mit besonderer Verantwortung für sich und andere und mit besonderer psychischer Belastung), die Klägerin bei Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen jedoch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung zwar nicht mehr acht Stunden täglich, aber noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. So ist die Klägerin - so Dr. K.-H. - in der Grundstimmung zwar bedrückt gewesen, die affektive Schwingungsfähigkeit ist jedoch gegeben gewesen, Auffassung, Umstellungsfähigkeit, Konzentration und mnestische Funktionen haben keine krankheitswertige Beeinträchtigung gezeigt. Im Vordergrund der Beschwerdeschilderung haben Schmerzbeschwerden gestanden, die, wie Dr. K.-H. ausgeführt hat, jammernd und mit etwas selbstbemitleidender, vorwurfsvoller Betonung vorgetragen worden sind. Trotz anhaltender Schmerzäußerungen ist die Klägerin jedoch in der Lage gewesen, durchaus stenisch den eigenen Standpunkt zu vertreten. Hinsichtlich ihrer alltäglichen Aktivitäten hat die Klägerin bei der Untersuchung durch Dr. K.-H. im August 2006, also zu einem Zeitpunkt, wo sie arbeitsunfähig krankgeschrieben war, angegeben, häufig den Arzt aufzusuchen, was sie auch zu Fuß könne, (einfache) Gerichte zu kochen, gemeinsam mit der Tochter die Waschmaschine zu befüllen, je nach Befinden etwas mehr oder weniger im Haushalt zu schaffen, wobei sie sich weder bücken noch recken könne, zu nähen und manchmal zu malen, spazieren zu gehen und auch gute soziale Kontakte zu unterhalten. Daraus wird zwar eine gewisse Einschränkung der Leistungsfähigkeit, wie sie auch von Dr. K.-H. berücksichtigt worden ist, ersichtlich, eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf weniger als sechs Stunden täglich für eine leichte körperliche Tätigkeit ist hierdurch allerdings auch für den Senat nicht plausibel. Dies gilt um so mehr, als es der Klägerin im weiteren Verlauf möglich war, im April 2007 ihre Tätigkeit als Küchenhilfe in einem Umfang von sechs Stunden täglich wieder aufzunehmen, wobei sie dabei nach ihren Angaben gegenüber Prof. Dr. K. mit dem Zubereiten von Speisen, dem Aus- und Einräumen der Spülmaschine, dem Reinigen der Arbeitsflächen und Fliesen und der Desinfektion, dem Richten der zubereiteten Speisen auf Tabletts am Fließband und gelegentlich der Essensausgabe befasst gewesen ist. Diese Tätigkeit stellt weitaus höhere körperliche Anforderungen, als es der Klägerin bei einer für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt maßgeblichen leichten körperlichen Tätigkeit abverlangt wird. Damit sprechen auch die Fehlzeiten der Klägerin an ihrem Arbeitsplatz als Küchenhilfe nicht gegen ein weiterhin erhaltenes Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Tätigkeiten. Denn es ist nachvollziehbar, dass die körperlich schwerer belastende Tätigkeit als Küchenhilfe, bei der nach den Angaben der Klägerin gegenüber Prof. Dr. K. auch das Heben und Tragen von Gewichten bis zu 12 kg anfällt, bei der bestehenden Schmerzerkrankung nicht geeignet ist. Dies ist allerdings für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt insoweit nicht von Bedeutung, als bei der Ausübung nur leichter körperlicher Tätigkeiten eine derartige Schmerzverstärkung nicht zu erwarten ist.

Das auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erstattete Gutachten des Prof. Dr. K. ist nicht geeignet, ein auf weniger als sechs Stunden täglich herabgesunkenes Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten nachzuweisen. Prof. Dr. K. hat übereinstimmend mit Dr. K.-H. eine chronische somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Des Weiteren hat er eine rezidivierende depressive Störung, derzeit mittelschwere Episode beschrieben, wohingegen Dr. K.-H. eine depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia mit Stimmungsminderung, Anhedonie und Rückzugstendenzen beschrieben hat. Diese geringfügige diagnostische Abweichung ist nicht geeignet, ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen zu begründen. Insbesondere sind aus dem von Prof. Dr. K. erhobenen psychischen Befund erhebliche Funktionsbeeinträchtigungen durch die von ihm angenommene depressive Störung nicht ersichtlich. So ist die Aufmerksamkeit der Klägerin nach den Ausführungen von Prof. Dr. K. ungestört, die Vigilanz (Wachheit) nicht gemindert gewesen, auch haben keine Auffassungsstörungen bestanden, die Konzentration ist nicht vermindert erschienen. Wie bei Dr. K.-H. haben die Schilderungen des Schmerzerlebens einen großen Raum eingenommen, inhaltliche Denkstörungen sind hingegen nicht zu eruieren gewesen. Die Stimmung hat Prof. Dr. K. als vordergründig ausgeglichen beschrieben, eine depressive Verstimmung sei aus der Mimik nicht abzulesen gewesen, die Klägerin habe auch bei den Schmerzschilderungen manchmal gelächelt, aber auch durchaus energisch werden und ihr Unverständnis bezüglich der Ungerechtigkeiten deutlich zum Ausdruck bringen können. Insgesamt lässt damit der von Prof. Dr. K. erhobene psychische Befund keine wesentliche Abweichungen gegenüber dem von Dr. K.-H. erhobenen Befund erkennen. Wie sich aus der Beurteilung der Leistungsfähigkeit durch Prof. Dr. K. ergibt, hat auch er die depressive Verstimmung insoweit nicht im Vordergrund gesehen. Zwar hat er insoweit qualitative Einschränkungen (Vermeidung von Tätigkeiten unter Zeitdruck, Tätigkeiten mit besonderer psychischer Belastung wie z.B. hohe Verantwortung bei geringem zeitlichem Spielraum, leitende Tätigkeiten, keine Tätigkeiten, die eine hohe Flexibilität und Umstellungsfähigkeit, z.B. Springertätigkeiten, erfordern, keine Tätigkeiten im Drei-Schichtbetrieb, Montagearbeiten mit mehrtägiger Abwesenheit vom Wohnort sowie Wochenendarbeiten, keine Tätigkeiten, die eine selbstständige Planung oder Organisation oder Arbeitszuteilung für Mitarbeiter erfordern, keine Tätigkeiten, die eine außergewöhnliche Konzentration wie Präzisionsarbeiten oder Wach- und Kontrolltätigkeiten erfordern) beschrieben, unter Beachtung dieser Einschränkungen allerdings die Klägerin für in der Lage gesehen, solche Tätigkeiten drei- bis sechsstündig, und damit auch sechs Stunden am Tag zu verrichten.

Im Vordergrund hat Prof. Dr. K. vielmehr die Schmerzsymptomatik und deren gedankliche Verarbeitung gesehen. Insoweit ist auf Grund der körperlichen Anforderungen an eine Tätigkeit als Küchenhilfe zwar nachvollziehbar, dass er eine dauerhafte Weiterbeschäftigung in diesem Beruf für unrealistisch erachtet hat. Dass die Schmerzsymptomatik die Klägerin auf Grund der dadurch verursachten funktionellen Einschränkungen an der Ausübung einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hindern würde, hat Prof. Dr. K. jedoch selbst nicht dargelegt. Vielmehr hat er solche Tätigkeiten für ausgeschlossen erachtet, weil er es für unwahrscheinlich angesehen hat, dass sich die Klägerin für derartige Tätigkeiten motivieren lasse. Dass diese fehlende Motivationslage allerdings bei zumutbarer Willensanspannung, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme therapeutischer Behandlung, nicht überwindbar wäre, hat Prof. Dr. K. gerade nicht dargelegt. Daher kann entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht von einer krankheitswertigen Rentenneurose, die zur Erwerbsminderung führt, ausgegangen werden.

Auch die schriftliche sachverständige Zeugenaussage des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. P. ist nicht geeignet, ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen hinsichtlich der Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten nachzuweisen. Dr. P. hat eine somatisierte Depression, ein C6/C7-Syndrom rechts, mehretagige degenerative HWS-Veränderungen, einen vertebragenen Kopfschmerz und Schwindel beschrieben. Die von ihm auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet beschriebene Diagnose einer somatisierten Depression weicht allerdings nicht wesentlich von der Diagnosestellung durch Dr. K.-H. (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, depressive Entwicklung) ab. Die übrigen, von ihm genannten Diagnosen, beziehen sich auf organische Veränderungen auf orthopädischem Fachgebiet, die - wie der behandelnde Orthopäde Dr. P. in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage dargelegt hat - der Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nicht entgegenstehen. Soweit Dr. P. ausgeführt hat, die Klägerin sei nicht mehr als drei Stunden täglich arbeitsfähig, kann hierdurch nicht auf das Vorliegen von Erwerbsminderung geschlossen werden. Denn der Begriff der Arbeitsfähigkeit bezieht sich auf die tatsächlich ausgeübte Beschäftigung und damit im Falle der Klägerin auf die Tätigkeit einer Küchenhilfe. Aus dem Umstand, dass die Klägerin den körperlichen Anforderungen einer Tätigkeit als Küchenhilfe nicht mehr gewachsen ist, kann jedoch - wie bereits oben dargelegt - nicht geschlossen werden, dass sie damit auch außerstande wäre, eine geeignete leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Darüber hinaus hat Dr. P. bei seiner Beurteilung im Wesentlichen auf die subjektiv von Seiten der Klägerin geschilderten Beschwerden abgestellt, ohne diese hinreichend zu objektivieren. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Klägerin seit der Untersuchung durch Dr. K.-H. ist, wie sich aus der im Berufungsverfahren eingeholten weiteren schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage des Dr. P. ergibt, nicht eingetreten, denn darin hat er den Gesundheitszustand "gleich schlecht" wie im August 2006 beschrieben.

Letztlich lässt sich auch aus der im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage der Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. S. ein quantitativ gemindertes Leistungsvermögen rentenrelevanten Ausmaßes nicht nachweisen. Dr. S. hat diagnostisch einen neuralen Hörverlust, einen dekompensierten Tinnitus, eine Kiefergelenkmyarthropathie, eine Trigeminusneuralgie und Drehschwindel mit Gangunsicherheit beschrieben, die Klägerin allerdings für leichte Arbeiten in wechselnder Haltung ohne Nachtschicht und Akkord unter Vermeidung von Tätigkeiten in Zwangshaltung der Wirbelsäule und Arbeiten über Kopf sowie Arbeiten in der Höhe und Arbeiten mit gesteigertem Zeitdruck, im Schichtdienst oder an Maschinen für halb- bis unter vollschichtig leistungsfähig erachtet. Diese Beschreibung des quantitativen Leistungsvermögens entspricht den nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht für die Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit geltenden Maßstäben. Dabei wurde ein halbschichtiges Leistungsvermögen als ein solches von vier Stunden täglich und ein vollschichtiges Leistungsvermögen als ein solches von acht Stunden täglich definiert. Aus einem halb- bis unter vollschichtigen Leistungsvermögen kann damit nicht geschlossen werden, dass die Klägerin Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nicht mehr ausüben kann. Vielmehr deckt sich diese Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Wesentlichen mit derjenigen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K.-H., die zwar keine Tätigkeiten in einem Umfang von acht Stunden täglich, hingegen noch in einem zeitlichen Umfang von mindestens sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet hat.

Die Klägerin kann daher zumindest noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der von Dr. K.-H. genannten qualitativen Einschränkungen sechs Stunden täglich ausüben. Sie ist daher nicht erwerbsgemindert. Dabei ist es unerheblich, ob ein dem Leistungsvermögen entsprechender Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil nach § 43 Abs. 3 zweiter Halbsatz SGB VI die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich. Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50).

Allerdings kann nur das Leistungspotenzial, das auf dem Arbeitsmarkt konkret einsetzbar ist, als Maßstab für die Fähigkeit eines Versicherten, Einkommen zu erzielen, herangezogen werden. Folglich gehört nach der Rechtsprechung des BSG zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.). Denn eine Tätigkeit zum Zweck des Gelderwerbs ist in der Regel nur außerhalb der Wohnung möglich. Das Vorhandensein eines Minimums an Mobilität ist deshalb Teil des in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherten Risikos, das Defizit führt zur vollen Erwerbsminderung.

Hat der Versicherte keinen Arbeitsplatz und wird ihm ein solcher auch nicht konkret angeboten, bemessen sich die Wegstrecken, deren Zurücklegung ihm - auch in Anbetracht der Zumutbarkeit eines Umzugs - möglich sein muss, nach dem generalisierenden Maßstab, der zugleich den Bedürfnissen einer Massenverwaltung Rechnung trägt. Dabei wird angenommen, dass ein Versicherter für den Weg zur Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzen und von seiner Wohnung zum Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel zur Arbeitsstelle und zurück Fußwege zurücklegen muss. Erwerbsfähigkeit setzt danach grundsätzlich die Fähigkeit des Versicherten voraus, vier Mal am Tag Wegstrecken von mehr als 500 m mit zumutbarem Zeitaufwand (weniger als 20 Minuten) zu Fuß bewältigen und zwei Mal täglich während der Hauptverkehrszeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren zu können. Bei der Beurteilung der Mobilität des Versicherten sind alle ihm tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel (z.B. Gehstützen) und Beförderungsmöglichkeiten (insbes. die zumutbare Benutzung eines vorhandenen Kraftfahrzeugs) zu berücksichtigen.

Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin daran gehindert wäre, die üblichen Wegstrecken von und zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Die gerichtliche Sachverständige Dr. K.-H. hat insoweit keine Beeinträchtigung der Klägerin gesehen, sondern vielmehr ausgeführt, dass diese in der Lage ist, arbeitstäglich viermal eine Wegstrecke von mindestens 500 m in einer Zeit von weniger als 20 Minuten zurückzulegen. Soweit die Klägerin gegenüber Prof. Dr. K. angegeben hat, die freie Gehstrecke betrage unter 500 m, ist dies schon in Anbetracht der von ihr zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich ausgeübten Tätigkeit als Küchenhilfe nicht plausibel. Darüber hinaus ist die Klägerin in der Lage, die Wegstrecken von und zu einer Arbeitsstelle wie im Rahmen ihrer Tätigkeit als Küchenhilfe mit dem eigenen PKW zurückzulegen.

die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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