L 11 R 5463/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 2837/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 5463/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der dem Kläger zu erstattenden Kosten eines Widerspruchsverfahrens streitig.

Der Antrag des Klägers vom 01. Juni 2007 auf die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen wurde von der Beklagten zunächst mit Bescheid vom 03. August 2007 mit der Begründung abgelehnt, die erforderliche Wartezeit sei nicht erfüllt. Mit seinem dagegen am 03. September 2007 eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es müssten noch weitere Zeiten berücksichtigt werden. Deswegen fanden noch Ermittlungen statt. Nachdem der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 24. Dezember 2007 eine Bescheinigung des früheren Arbeitgebers des Klägers über eine weitere Beitragszeit und eine Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit über weitere Zeiten der Arbeitslosigkeit vorlegte, half die Beklagte dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 07. Dezember 2007 Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2007 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers daraufhin die Erstattung der Kosten des Vorverfahrens, die er der Höhe nach mit insgesamt 1.576,75 EUR bezifferte. Dabei legte er die Erledigungsgebühr nach Nr 1005 des Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe von 520,- EUR, eine Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV in Höhe von 520,- EUR, eine Geschäftsgebühr nach Nr 2401 VV in Höhe von 260,- EUR, eine Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV in Höhe von 20,- EUR, eine Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV in Höhe von 5,- EUR und die Umsatzsteuer in Höhe von weiteren 251,75 EUR zugrunde.

Mit Bescheid vom 03. Januar 2008 erstattete die Beklagte Kosten in Höhe von lediglich 172,55 EUR. Dabei ging sie von einer Geschäftsgebühr nach Nr 2401 VV in Höhe von 120,- EUR, der Auslagenpauschale nach Nr 7002 VV in Höhe von 20,- EUR, der Dokumentenpauschale nach Nr 7000 VV in Höhe von 5,- EUR und der Umsatzsteuer in Höhe von 27,55 EUR aus.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Prozessbevollmächtigte des Klägers ua geltend, die Beklagte müsse sowohl die Gebühr nach Nr 2400 VV als auch nach Nr 2401 VV erstatten. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, nachdem der Einlegung des Widerspruchs bereits eine Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten im Verwaltungsverfahren vorausgegangen sei, bestimme sich die Gebühr nach Nr 2401 VV. Eine Gebühr von mehr als 120,- EUR käme nur dann in Betracht, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Bei der vorliegenden Angelegenheit handele es sich jedoch um eine typische Fallgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Umfang der Tätigkeit sei daher allenfalls durchschnittlich gewesen. Auch die Erledigungsgebühr könne nicht angesetzt werden, denn diese komme nur dann in Betracht, wenn sich die Rechtssache nach der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Hierfür reiche die bloße Begründung eines Rechtsbehelfs und die Vorlage von Bescheinigungen nicht aus.

Mit seiner dagegen am 09. Juni 2008 beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es könne nicht rechtens sein, dass der Umstand einer vorherigen Vertretung im Verwaltungsverfahren bei einem erfolgreichen Widerspruch der Behörde zugute komme. Es müsse jeweils eine Gebühr in einem Umfang erstattet werden, wie sie ohne eine vorherige Vertretung im Verwaltungsverfahren für das Widerspruchsverfahren nach Nr 2400 VV festgesetzt werden könne. Eine Kostenfestsetzung auf 120,- EUR sei nicht akzeptabel. Es sei immerhin um einen Rentenanspruch gegangen.

Mit Urteil vom 29. Oktober 2009, dem klägerischen Bevollmächtigten zugestellt am 31. Oktober 2009, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, für das Verfahren seien die Betragsrahmengebühren anzusetzen, da es nach § 183 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichtskostenfrei gewesen wäre. Die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung bestimme sich nach dem VV. Bei der Bemessung der Geschäftsgebühr nach Nr 2400 VV könne eine Gebühr über der Schwellengebühr nur dann gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen sei, richte sich die Abrechnung nach Nr 2401 VV. Die Beklagte habe deswegen Nr 2401 VV zu Recht zugrundegelegt. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers sei bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewesen. Die Kosten des dem Widerspruchsverfahren vorangegangenen Verwaltungsverfahrens seien aber nicht erstattungsfähig. Die sich ergebende Verpflichtung zur Kostenerstattung beziehe sich nur auf die mit dem Widerspruchverfahren verbundenen Auslagen. Die Beklagte habe auch zutreffend die Höhe der Schwellengebühr festgesetzt. Eine Ermessensausübung sei auch dann billig, wenn sie zu einer Festsetzung am oberen Rand des Rahmens führe. Erst bei einer Überschreitung sei das Ermessen des Rechtsanwalts zu ersetzen. Allgemein würden bei der Festsetzung durch den Rechtsanwalt Abweichungen von bis zu 20 % noch als verbindlich angesehen. Von diesen Grundsätzen ausgehend sei der Ansatz einer Gebühr, der sich oberhalb der Toleranzgrenze von 20 % bewege, unbillig. Der Umfang der Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten könne nur als durchschnittlich angesehen werden. Das Widerspruchsverfahren habe lediglich drei Monate angedauert. Der Prozessbevollmächtigte habe nur zwei Schriftsätze über zweieinhalb bzw anderthalb Seiten eingereicht. Auch die Schwierigkeit sei allenfalls durchschnittlich. Besondere rechtliche Schwierigkeiten seien mit der Bearbeitung der Angelegenheit nicht verbunden gewesen. Auch in tatsächlicher Hinsicht sei nur ein durchschnittlicher Aufwand angefallen. Der klägerische Bevollmächtigte habe den Versicherungsverlauf gemeinsam mit dem Kläger auf dessen Vollständigkeit überprüfen und für nicht erfasste Zeiten Beweismittel beschaffen müssen. Umfangreich oder schwierig sei eine Tätigkeit jedoch nur dann, wenn sie den durchschnittlich anfallenden Umfang oder die durchschnittliche Schwierigkeit übersteige. Auch die Erledigungsgebühr nach Nr 1005 VV sei nicht zu ersetzen. Denn dies setze die aktive Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung voraus. Der Rechtsanwalt müsse eine besondere, auf die Beilegung der Sache ohne gerichtliche Entscheidung abzielende, über die bereits mit der Geschäftsgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehende Tätigkeit entfaltet haben. Dies sei im Falle des Prozessbevollmächtigten nicht ersichtlich. Die Einreichung von zur Anerkennung weiterer Zeiten führender Unterlagen reiche hierfür nicht aus.

Mit seiner dagegen am 22. November 2009 eingelegten Berufung macht der klägerische Bevollmächtigte geltend, das SG habe bei seiner Entscheidung der Bedeutung der Angelegenheit überhaupt keine Rolle zugemessen. Wenn es um eine gesamte Rente ginge, sei es ein Hohn, wenn die Kostennote mit 170,- EUR beglichen werde. Ein solcher Gebührenansatz könne überhaupt nicht mehr als Kostenerstattung bezeichnet werden. Vor diesem Hintergrund sei es auch gleichgültig, wie viele Schriftsätze gefertigt würden. Wenn es keine besonderen Schwierigkeiten bei der Bearbeitung der Angelegenheit gegeben hätte, hätte die Beklagte auch alles richtig machen können.

Der Kläger beantragt (teilweise sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29. Oktober 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 03. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, weitere 1.404,20 EUR Kosten des Vorverfahrens zu erstatten, hilfsweise, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass der Senat nach § 153 Abs 4 SGG die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet erachten, eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten und die Beteiligten gehört worden sind (§ 153 Abs 4 SGG).

Die nach den §§ 143, 151 Abs 1, 144 Abs 1 Satz1 Nr 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf höhere Gebühren.

Dies hat das SG ausführlich begründet dargelegt, weswegen der Senat auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils Bezug nimmt, denen er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass auch das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 5. Mai 2009 bestätigt hat, dass ein Rechtsanwalt für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid nur dann eine Erledigungsgebühr nach Nr 1005 RVG-VV verlangen kann, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat (B 13 R 137/08 R, zitiert nach Juris mwN). Die Mitwirkung des Rechtsanwalts muss daher über das Maß desjenigen hinausgehen, das schon durch den allgemeinen Gebührentatbestand für das anwaltliche Auftreten im sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren abgegolten wird. Allein die Widerspruchsbegründung, die der Kläger als streitvermeidende Tätigkeit erachtet, reicht deshalb nach der Rechtsprechung des BSG nicht aus.

Soweit die Beklagte nur eine reduzierte Geschäftsgebühr in Höhe von 120,00 EUR für das Widerspruchsverfahren bei Vorbefassung im Verwaltungsverfahren abgerechnet hat, hat das BSG auch diese Praxis für rechtmäßig und nicht verfassungswidrig erachtet (vgl Urteil vom 25. Februar 2009, B 11 AL 24/08). Dies ist allein dahin begründet, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bereits im Verwaltungsverfahren tätig gewesen ist und ihm deswegen keine volle Geschäftsgebühr zusteht. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordert nicht, den Bürger, der sich bereits vor der Entscheidung der Verwaltung externen Rechtsrat einholt, die dafür erforderlichen Kosten teilweise abzunehmen und diese der Behörde aufzuerlegen.

Schließlich kann der klägerische Bevollmächtigte eine Überschreitung der Schwellengebühr nach Nr 2400 VV zum RVG ebenfalls nicht geltend machen. Er kann dies insbesondere nicht allein damit begründen, dass eine Tätigkeit im Bereich des Rentenrechts generell schwierig ist; maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des konkreten Falles (so Urteil des BSG vom 5. Mai 2010, B 11 AL 14/09 R, zum Arbeitsförderungsrecht). Die Beklagte und ihr folgend das SG haben ausführlich begründet dargelegt, warum hier nur ein durchschnittlicher Aufwand in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angefallen ist. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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