L 2 KN 94/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KN 130/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 KN 94/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 R 214/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten. Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe von Versichertenrente, hier: Entgeltpunkte für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach § 256 a Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch 6. Buch (SGB VI).

Der am 00.00.1944 geborene Kläger war im Beitrittsgebiet von 1958 bis 1961 als Landwirt, von 1963 bis 1965 als Gleisbauarbeiter, von 1965 bis 1998 als Betonarbeiter und nach Arbeitslosigkeit ab 2001 bis 2002 als Disponent erwerbstätig. Seit April 2002 ist er als Selbständiger mit einem Haus- und Gartenservice berufstätig gewesen. Im Versicherungsverlauf sind u. a. bis 14.07.1965 Zeiten zur Rentenversicherung der Arbeiter und für die Zeit ab dem 19.07.1965 bis zum 28.02.1971 Beitragszeiten zur Rentenversicherung der Arbeiter - Bahnversicherungsanstalt - im Beitrittsgebiet eingestellt. Nach Zeiten zur Rentenversicherung der Arbeiter im Beitrittsgebiet vom 01.03.1971 bis 31.12.1973 sind wiederum Beitragszeiten zur Rentenversicherung der Angestellten - Bahnversicherungsanstalt - im Beitrittsgebiet vom 01.01.1974 bis zum 31.05.1992 eingestellt.

Mit Bescheid vom 13.04.2006 gewährt die Beklagte Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.04.2006 zu einem monatlichen Rentenzahlbetrag ab 01.04.2006 in Höhe von EUR 802,33. Wegen Überentgelte gem. § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI sei die Rentenhöhe nur vorläufig berechnet. Für die Zeit vom 01.01.1974 bis zum 30.06.1990 würden zusätzliche Arbeitsverdienste nicht berücksichtigt, da ein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Reichsbahn (DR) am 01.01.1974 nicht bereits mindestens 10 Jahre lang ununterbrochen bestanden habe. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2006 zurückgewiesen. Die Rentenhöhe sei wegen der Nachberechnung der DR-Jahre nur vorläufig.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Köln (SG) Klage erhoben.

Mit Schreiben vom 04.12.2006 teilte das Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Ost/Personalaktenarchiv in Berlin der Beklagten unter Übersendung von Entgeltbescheinigungen für die Zeit 01.01.1968 bis 31.12.1973 mit: Da der Verdienst des Klägers vor 1968 unter 600 DM monatlich gelegen habe, seien die Eintragungen im Sozialversicherungsausweis ausreichend. Ein 10-jähriges Beschäftigungsverhältnis bei der DR vor dem 01.01.1974 habe nicht bestanden. Gemäß der übersandten Beschäftigungsaufstellung war der Kläger vom 01.01.1968 bis zum 31.12.1972 als Betonarbeiter und vom 01.01.1973 bis 31.12.1973 als Meisterschüler beschäftigt gewesen. Mit zum Gegenstand des Klageverfahrens gewordenem Bescheid vom 30.05.2007 stellte die Beklagte die Höhe der Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.03.2006 neu fest. Der monatliche Zahlbetrag errechnete sich ab 01.03.2006 auf EUR 797,30. Die für die Zeit vom 01.03.2006 bis 30.06.2007 entstandene Überzahlung in Höhe von EUR 80,48 sei zu erstatten. Entgeltpunkte (EP) nach § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI seien nicht zu berücksichtigen. Gemäß Mitteilung des Bundeseisenbahnvermögens vom 04.12.2006 habe am 01.01.1974 kein 10-jähriges Beschäftigungsverhältnis bei der DR bestanden.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass seine Beschäftigung bei der Firma O KG in O als Gleisbauarbeiter seit 1963 mit einer Beschäftigung bei der DR gleichgestellt werden müsse. Bei dieser Firma habe es sich um einen Betrieb der DR gehandelt. Die Tätigkeit habe die Reparatur, Unterhaltung, Erneuerung von defekten Weichen und Gleisabschnitten auf den Gleisstrecken der DR umfasst. 1965 sei diese Firma auch offiziell Teil der DR geworden. Er sei dann ab 1965 im Gleisschwellenwerk S der DR als Gleisbauarbeiter, Betonarbeiter, Meister und Obermeister beschäftigt worden. Dazu legte er eine ihm am 04.10.1993 ausgehändigte, als Dienstzeitberechnung betitelte Aufstellung der DR, Elektrifizierungs- und Ingenieurbaubetrieb/Oberleitungsstelle S, N, gültig vom 01.12.1991 vor. Danach habe seine Eisenbahndienstzeit am 19.07.1965 begonnen. Beginn der allgemeinen Dienstzeit sei, unter Anrechnung des Dienstes in der Nationalen Volksarmee (NVA) von 1 Jahr und 6 Monaten, der 19.01.1964. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung im Beitrittsgebiet habe er nicht gezahlt. Des Weiteren legte er eine Bescheinigung der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Bahnbau/Niederlassung Werk für Gleisbaumechanik in Brandenburg/Havel vom 29.07.1994 vor, demnach er eine nachgewiesene Dienstzeit vom 19.01.1964 bis 31.05.1992 habe.

Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt. Eine Dienstzeit bei der DR sei erst ab dem 19.07.1965 festzustellen. EP nach § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI könnten nicht berücksichtigt werden.

Das SG hat mit Schreiben vom 23.10.2007 das Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Ost/Personalkartenarchiv in Berlin um Auskunft gebeten. Mit Schreiben vom 08.11.2007 hat das Bundeseisenbahnvermögen mitgeteilt, Dienstbeginn bei der DR nach der Eisenbahner-Verordnung sei der 19.07.1965 gewesen. Dieses Datum sei der Bestimmung der 10-jährigen Beschäftigungszeit vor dem 01.01.1974 zugrunde zu legen. Da die Personalakte des Klägers erst mit dem 19.07.1965 beginne, sei keine Feststellung zur Anrechnung von Beschäftigungszeiten bei dem Tiefbauunternehmen I O KG als Dienstzeiten bei der DR möglich.

Mit Urteil vom 26.02.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe nicht die Voraussetzungen des § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI nachgewiesen. Es hat auf die Auskunft des Bundeseisenbahnvermögens vom 08.11.2007 verwiesen.

Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen. Unterlagen seien nicht von dem Bundeseisenbahnvermögen, sondern von der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Bahnbau beizuziehen. Des Weiteren überreichte der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.03.2010 die Kopie einer auf den 29.07.1994 datierten Dienstzeitbescheinigung, die ihrem Aussehen nach der im Original zur Gerichtsakte gereichten Dienstzeitbescheinigung vom 29.07.1994 entspricht, jedoch in der Rubrik der nachgewiesenen Dienstzeiten den Hinweis enthält, dass die Dienstzeit mit dem 02.09.1963 begonnen habe. Der Kläger hat dazu weiter erklärt, das Original nicht mehr zu haben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26.02.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.10.2006 sowie des Bescheides vom 30.05.2007 zu verurteilen, ihm ab dem 01.03.2006 Altersrente für schwerbehinderte Menschen der Höhe nach unter Berücksichtigung von Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet gemäß § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI berechnet nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen sowie unter Berücksichtigung der Besonderheiten von Reichsbahn und Reichsbahnbau zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Kläger habe seinen Dienst bei der DR nachweislich am 19.07.1965 angetreten. Auf seine Dienstzeit sei dabei die Zeit des Dienstes in der NVA mit 18 Monaten angerechnet worden, sodass der Beginn der allgemeinen Dienstzeit auf den 19.01.1964 festgelegt worden sei. Somit habe bei dem Kläger am 01.01.1974 kein ununterbrochenes 10-jähriges Beschäftigungsverhältnis bei der DR bestanden. Auch gemäß der in der Personalakte des Klägers befindlichen Dienstzeitbescheinigung vom 29.07.1994 werde erst ab 19.01.1964 eine nachgewiesene Dienstzeit bescheinigt.

Der Senat hat mit Schreiben vom 19.10.2009 von der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Bahnbau/Niederlassung Werk für Gleisbauchmechanik, Brandenburg/Havel eine Auskunft zu der Dienstzeitbescheinigung vom 29.07.1994 eingeholt, die der Kläger im Original zu den Gerichtsakten gereicht hat. Der Rechtsnachfolger Gleisbaumechanik Brandenburg/Havel hat mit Schreiben vom 28.10.2009 mitgeteilt, dass für derartige Auskünfte für bis 1994 ausgeschiedene Mitarbeiter das Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Ost in Berlin sei. Die Deutsche Bahn AG, Personalsysteme in Berlin sei für Mitarbeiter, die nach 1994 ausgeschieden seien, zuständig. Mit Schreiben vom 19.10.2009 hat der Senat das Bundeseisenbahnvermögen, Dienststelle Ost/Personalaktenarchiv in Berlin um Übersendung der Personalakte für den Kläger gebeten. Das Bundeseisenbahnvermögen hat diese mit Schreiben vom 27.10.2009 übersandt.

Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die von dem Bundeseisenbahnvermögen übersandte Personalakte des Klägers verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zurecht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Berechnung der ihm vom 01.03.2006 an gewährten Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung von weiteren Entgeltpunkten für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI. Nach § 256 a Abs. 2 Satz 3 SGB VI gelten für Zeiten der Beschäftigung bei der DR vom 01.01.1974 bis 30.06.1990 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung als gezahlt, wenn ein Beschäftigungsverhältnis bei der DR am 01.01.1974 bereits 10 Jahre ununterbrochen bestanden hat.

Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers zur DR hat am 01.01.1974 nicht bereits 10 Jahre ununterbrochen bestanden. Einen solchen Nachweis kann der Kläger nicht führen. Nach der Dienstzeitberechnung der DR, Elektrifizierungs- und Ingenieurbaubetrieb/Oberleitungsstelle S, N, vom 01.12.1991 begann die ununterbrochene Eisenbahndienstzeit des Klägers am 19.07.1965 und unter Anrechnung der 18-monatigen Dienstzeit in der NVA die allgemeine Dienstzeit am 19.01.1964. Gemäß Dienstzeitbescheinigung der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Bahnbau, Niederlassung Werk für Gleisbaumechanik, Brandenburg/Havel, vom 29.07.1994 - in der mit Schreiben des Klägers vom 19.04.2007 im Original zu den Gerichtsakten gereichten Fassung - belief sich die nachgewiesene Dienstzeit auf den Zeitraum 19.01.1964 bis 31.05.1992. Der Kläger war somit am 01.01.1974 nicht bereits mindestens 10 Jahre ununterbrochen bei der DR tätig gewesen.

Der Nachweis einer ununterbrochenen Dienstzeit bei der DR ab 02.09.1963 wird auch nicht durch die von dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.03.2010 vorgelegte Kopie einer Dienstzeitbescheinigung der Deutschen Bahn AG, Geschäftsbereich Bahnbau, Niederlassung Werk für Gleisbaumechanik, Brandenburg/Havel vom 29.07.1994 geführt. Das Gesamtbild dieser Kopie einer Dienstzeitbescheinigung ergibt, dass es sich dabei um eine gewillkürte Abänderung der im Original mit Schreiben vom 19.04.2007 vorgelegten Dienstzeitbescheinigung vom 29.07.1994 handelt. Dies lässt sich insbesondere an den auffälligen Abänderungen der Eintragungen unter der Rubrik "nachgewiesene Dienstzeiten" erkennen. Der Verdacht, dass der Kläger diese Kopie mit der Absicht vorgelegt hat, um sich in Form einer höheren Rente einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, wird durch seine Erklärung bestärkt, das entsprechende Original nicht vorlegen zu können.

In Angelegenheiten der Sozialgerichtsbarkeit gilt ebenfalls der Grundsatz der objektiven Beweislast, insbesondere der Feststellungslast. Danach sind die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (u.a. BSG Urteil vom 24.10.1957, 10 RV 945/55, BSGE 6, 70; Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 25/03 R). Somit hat der Kläger die Folgen des fehlenden Nachweises eines am 01.01.1974 bereits mindestens 10 Jahre ununterbrochen bestehenden Beschäftigungsverhältnisses bei der DR zu tragen.

Die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Firma I O KG/Tiefbauunternehmung O vom 02.09.1963 bis zum 14.07.1965 können nicht mit Beschäftigungszeiten bei der Deutschen Reichsbahn gleichgestellt werden. Der Wortlaut des § 256a Abs. 2 Satz 3 SGB VI ist eindeutig und setzt ein Beschäftigungsverhältnis zur DR voraus. Der eindeutige Wortsinn einer gesetzlichen Vorschrift ist die Grenze jeder Auslegung. Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung ist nicht möglich (BSG Urteil vom 25.02.2010, B 10 LW 1/09 R mit weiteren Nachweisen). Der Senat würde angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift die Grenzen der Rechtsauslegung überschreiten und sich selbst an die Stelle des Gesetzgebers setzen. Es fehlt somit die Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Gleichstellung seines Beschäftigungsverhältnisses mit der Firma I O KG/Tiefbauunternehmung.

Soweit dem Kläger Verschuldenskosten auferlegt worden sind, folgt dies aus § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden im Termin zur mündlichen Verhandlung die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Wer ein Verfahren, dessen Aussichtslosigkeit ihm im Einzelnen dargelegt worden ist, ohne nachvollziehbare Begründung fortführt, nimmt das Gericht missbräuchlich in Anspruch. Der Betrag von EUR 225 gilt dabei als mindestens verursachter Kostenbeitrag (§ 192 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 184 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
Saved