S 25 U 741/08

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 741/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass es sich bei dem Unfall vom 2. Juli 1994 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 2. Juli 1994 Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Unfalls vom 2. Juli 1994 als Versicherungsfall.

Am 2. Juli 1994 half der Kläger seinem Freund und Arbeitskollegen, Herrn G. Sch, bei der Renovierung seiner Wohnung und stürzte bei der Verlegung und dem Anschluss von Elektroleitungen in Unterputzdosen von der Leiter, wobei er sich Trümmerbrüche an beiden Handgelenken zuzog.

Mit Schreiben vom 2. August 2007, bei der Beklagten eingegangen am 9. August 2007, beantragte der Kläger die Anerkennung des Ereignisses vom 2. Juli 1994 als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung. Die zum Unfall führende Tätigkeit sei als freundschaftliche Hilfeleistung zu verstehen. Er habe bei der Renovierung der 5-Zimmer-Wohnung seines Freundes über einen Zeitraum von circa drei Monaten jeweils an den Wochenenden mitgeholfen.

Durch Bescheid vom 27. November 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Vorfalls vom 2. Juli 1994 als Arbeitsunfall ab. Für eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit spreche zwar, dass es sich bei der Durchführung der Renovierungsarbeiten um eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert gehandelt habe, die dem Unternehmen "Haushalt" seines Freundes gedient und dem Willen des Unternehmers entsprochen habe. Die Tätigkeit sei mit eindeutig fremdnütziger Handlungstendenz in erheblichem zeitlichen Umfang verrichtet worden. Dagegen sei die Tätigkeit nicht eindeutig unter Umständen, die einem Beschäftigungsverhältnis entsprechen, verrichtet worden. Denn ein Abhängigkeitsverhältnis zum Unternehmer habe ebenso wenig vorgelegen wie eine Eingliederung in dessen Betrieb beziehungsweise Unternehmen. Dies ergebe sich aus den Schilderungen des Klägers, nach denen sich die Arbeit im Rahmen freundschaftliche Hilfeleistung bewegt habe. Es habe auch keine Weisungsgebundenheit bestanden, sondern der Kläger sei frei in der Entscheidung gewesen, wann, wo und wie er tätig werden wollte. Ferner seien keine Zeitabsprachen (geregelte Arbeitszeit) getroffen worden. Bei Gefälligkeitshandlungen, die unter Freunden vorgenommen würden und von freundschaftlichen Beziehungen geprägt seien, bestehe kein Versicherungsschutz, wenn sie ihr gesamtes Gepräge von den freundschaftlichen Bindungen erhielten. Um eine derartige Tätigkeit handele es sich hier.

Hiergegen legte der Kläger mit am 18. Dezember 2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein. Zur Begründung trug er im folgenden über seine Verfahrensbevollmächtigte vor, der kollegiale bis freundschaftliche Charakter der Beziehung zu Herrn Sch stehe einem Versicherungsschutz nicht entgegen, da die dem Unfall zu Grunde liegende Tätigkeit über eine wechselseitig erwartete Unterstützung in Alltagsdingen unter Freunden hinausgehe. Es handele sich nicht nur um die üblichen Hilfen beim Renovieren, sondern um schwere, längerfristige Arbeiten, die Fachkenntnisse erforderten. Es seien Elektroleitungen unter Putz verlegt worden. Der unebene Küchenboden sei mit einem Spanplattenunterbau versehen worden, um darauf Linoleum verlegen zu können. In der Küche seien Balken quer durch den Raum eingezogen worden, um daran Hängeschränke zu befestigen. Dabei sei er nicht frei in der Entscheidung gewesen, wie, wann und wo er tätig werden wollte. Die Arbeiten hätten selbstverständlich abgesprochen werden müssen. Da Herr Sch stets zugegen gewesen sei und habe entscheiden und helfen sowie das jeweils benötigte Material besorgen müssen, sei jedes Mal eine konkrete Verabredung getroffen worden. Im Übrigen habe er keinen Schlüssel zu der Wohnung besessen.

Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2008 zurück. Eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit, die einen gesetzlichen Unfallversicherungsschutz nach § 539 Absatz 2 RVO würde begründen können, könne hier letztlich nicht gesehen werden, weil die zum Unfall führende Verrichtung bei den Renovierungsarbeiten in der Wohnung des Herrn Sch im Rahmen einer Tätigkeit ausgeübt worden sei, die ihr gesamtes Gepräge durch die besonders enge freundschaftliche Beziehung zwischen dem Kläger und Herrn Sch erhalten habe. Gegen diese Auslegung der Gesamtumstände spreche auch nicht, dass die konkret in der Wohnung des Herrn Sch durchzuführenden Arbeiten mit diesem hatten abgestimmt werden müssen und der Kläger keinen freien Zugang zu der Wohnung gehabt habe. Denn auch bei der Ausführung von Renovierungsarbeiten durch eine hiermit beauftragte Firma beziehungsweise einen Dienstleister seien derartige Absprachen regelmäßig erforderlich und üblich, wobei neben dem Ort der Erfüllung der Leistung aus der Natur der Sache heraus auch Art und Umfang derselben regelmäßig durch den Auftraggeber bestimmt würden. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger bei der Mithilfe der Renovierung der Wohnung seines Freundes in dessen Interesse tätig geworden sei und eine dem Willen seines Freundes entsprechende Leistung von wirtschaftlichem Wert erbracht habe, die sonst auch von Personen hätten erbracht werden können und müssen, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden, abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden. Gleichwohl reiche für die Annahme eines Versicherungsschutzes als "Wie"-Beschäftigter nach § 539 Absatz 2 RVO gerade nicht aus, dass die unfallbringende Tätigkeit einer anderen Person oder einem anderen Unternehmen objektiv nützlich gewesen wäre. Notwendig sei vielmehr, dass der Handelnde auch subjektiv ein Geschäft des anderen besorgen, also fremdnützig tätig sein wolle. Daran aber mangele es hier. Denn für die vordergründig aus Freundschaft geprägte und von dem Kläger unentgeltlich vorgenommene Ausführung der Renovierungsarbeiten bei seinem Freund spreche gerade die ungewöhnlich lange Dauer der geplanten und durchgeführten Arbeiten und die Erwartung des Klägers, im umgekehrten Falle ebenso auf die Unterstützung und Hilfe seines Freundes bauen zu können. Hieraus werde deutlich, dass seine Handlungstendenz nicht allein darauf ausgerichtet gewesen sei, dem Haushalt seines Freundes objektiv nützlich sein zu wollen, sondern dass dieser ebenso eigene wirtschaftliche Zwecke immanent gewesen seien, die einer Zurechnung seiner Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich entgegenstünden. Darüber hinaus sei der Kläger aber auch frei in seiner Entscheidung gewesen, wann und wie oft er während der über mehrere Monate andauernden Renovierungszeit für seinen Freund hatte arbeiten wollen und welche konkrete Arbeiten er dann auch tatsächlich in dessen Wohnung ausgeführt habe. Eine Verpflichtung seinerseits, eine bestimmte Leistung in einem bestimmten Zeitfenster in der Wohnung seines Freundes zu erbringen, habe für den Kläger jedenfalls nicht bestanden. Damit liege keine Weisungsgebundenheit vor. Ob der Kläger als gelernter Mechaniker neben seinem erworbenen technischen Wissen und Verständnis zur Ausführung der Renovierungsarbeiten in der Wohnung seines Freundes gegebenenfalls auch eigenes Werkzeug und Arbeitsmaterial eingebracht habe, oder ob die Arbeiten ausschließlich mit Werkzeug und Arbeitsmaterial seines Freundes ausgeführt worden seien, könne letztlich dahinstehen. Ebenso wenig sei hier entscheidungserheblich, dass der Kläger kein wirtschaftliches Risiko bei der Ausführung der Renovierungsarbeiten getragen habe und insbesondere keinen haftungsrechtlichen Ansprüchen seines Freundes ausgesetzt gewesen sei, was zwar noch deutlicher auf eine selbständige Tätigkeit hingewiesen haben würde. Aber das Fehlen der letztgenannten Punkte könne aufgrund der Tatsache, dass es sich bei dem zu bewertenden Geschehen gerade nur um eine als unternehmerähnlich zu wertende Tätigkeiten würde handeln müssen, zu keiner anderen Beurteilung in der Sache führen. In der Gesamtschau würden die Aspekte überwiegen, die dagegen sprechen, dass die Mithilfe des Klägers bei der Renovierung der Wohnung seines Freundes als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit zu werten wären. Doch selbst dann, wenn dem Wirken des Klägers grundsätzlich ein arbeitnehmerähnlicher Charakter würde zugesprochen werden können, könnte gleichwohl kein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz zuerkannt werden, weil die Tätigkeit des Klägers durch Gefälligkeit und dem engen freundschaftlichen Verhältnis zu Herrn Sch geprägt gewesen sei, also auf einer Sonderbeziehung beruht habe, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz entfallen lasse. Das Ereignis vom 2. Juli 1994 sei daher nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen und dem Kläger stünden auch keine Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Am 5. August 2008 erhob der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte Klage vor dem Sozialgericht Berlin. Herr Sch und er seien entferntere Arbeitskollegen gewesen, die sich auf einer gemeinsamen Fortbildung kennen gelernt hätten. Sie hätten sich primär beruflich gekannt, beide seien seinerzeit als Sozialarbeiter beschäftigt gewesen, er - der Kläger - im Gesundheitsamt W und Herr Sch im Jugendamt Sch oder Z. Herrn Sch sei über eine gemeinsame Bekannte, die bei ihm als Praktikantin tätig gewesen sei, bekannt gewesen, dass er - der Kläger - überaus hilfsbereit und handwerklich geschickt sei. Zwar sei er Herrn Sch auch freundschaftlich verbunden gewesen, dies schade jedoch als bloßer Beweggrund für das Tätigwerden dem Versicherungsschutz nicht. Bei der durchgeführten Tätigkeit habe es sich um qualifizierte Arbeit von wirtschaftlichem Wert und erheblichem zeitlichen und auch arbeitsintensiven Umfang gehandelt. Die Arbeiten hätten unter anderem aufgrund des Alters der Leitungen und des Wunsches von Herrn Sch, überall Wandlampen anzubringen, Elektroarbeiten in der kompletten 5-Zimmer Altbauwohnung über eine Grundfläche von circa 150 m² umfasst. Nach Verlegung der Kabel hätten sämtliche Wände verputzt, tapeziert und gestrichen werden müssen. In der Küche habe er aufgrund der Höhe des Altbaus Balken eingezogen, um Hängeschränke als Raumteiler anzubringen. Ein Teil der vorhandenen Speisekammer sei als Einbauschrank für einen Kühlschrank umgestaltet worden. Da in der Küche Linoleum habe verlegt werden sollen, habe der Fußboden dort begradigt werden müssen. Die Tätigkeit habe allein den Belangen des Herrn Sch gedient auch nach den Argumenten der Beklagten sei nicht erkennbar, welche eigenen Angelegenheiten er - der Kläger - mit seiner Arbeit habe verfolgen sollen. Er habe subjektiv fremdnützig tätig sein wollen und in keiner Weise von der Tätigkeit profitiert. Dass die freundschaftliche Verbindung zu Herrn Sch nicht allzu eng gewesen sei, werde auch daraus ersichtlich, dass Letzterer ihm weder vor, noch nach dem Unfall in irgendeiner Weise geholfen habe. Er - der Kläger - habe ein halbes Jahr lang seine zertrümmerten Hände überhaupt nicht und danach nur sehr eingeschränkt benutzen können. Er sei über sieben Monate lang krank geschrieben gewesen und hätte jede Hilfe gebrauchen können.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 aufzuheben,

2. festzustellen, dass es sich bei dem Unfall vom 2. Juli 1994 um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung handelt,

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen dieses Unfalls Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.

Die Kammer hat Beweis erhoben, indem sie in dem Termin zur mündlichen Verhandlung Herrn G. Sch als Zeugen gehört hat. Zudem schilderte der Kläger selbst seine Erinnerungen an die Umstände des streitgegenständlichen Unfallgeschehens.

Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben im Termin vorgelegen, sind erörtert worden und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des übrigen Inhalts wird auf sie Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. Ein Feststellungsinteresse des Klägers hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 2 ergibt sich aus § 55 Absatz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 27. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Bei dem Ereignis vom 2. Juli 1994 handelt es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung, so dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger dem Grunde nach Entschädigungsleistungen wegen der Folgen dieses Arbeitsunfalls zu gewähren.

Die gesetzliche Unfallversicherung erbringt Leistungen nach Eintritt eines Versicherungsfalles im Sinne von Schul- oder Arbeitsunfällen einschließlich Wegeunfällen sowie Betriebskrankheiten (§§ 7 bis 9 Siebtes Sozialgesetzbuch - SGB VII - bis zum 31. Dezember 1996 gemäß §§ 548 - 551 in Verbindung mit §§ 539, 540, 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Im vorliegenden Fall ist noch das Recht der RVO anzuwenden, da der Kläger die Anerkennung eines Unfalles geltend macht, der sich vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 ereignet hat (Artikel 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes vom 7. August 1996, §§ 212, 214 SGB VII).

Ein Arbeitsunfall setzt gemäß § 548 Absatz 1 Satz 1 RVO einen Unfall voraus, den ein Versicherter bei einer den Versicherungsschutz nach den §§ 539, 540 oder 543 bis 545 RVO begründenden Tätigkeit erleidet. Weitere Voraussetzung ist, dass die zum Unfall führende Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit sachlich verknüpft ist, der Unfall ursächlich auf der versicherten Tätigkeit beruht und im Sinne der haftungsausfüllenden Kausalität einen Gesundheitsschaden bewirkt hat.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts kommt eine Versicherung nach § 539 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 RVO "wie" ein Beschäftigter aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses in Betracht. Die Voraussetzungen einer so genannten "Wie-Beschäftigung" sieht die Kammer im Hinblick auf das streitgegenständliche Ereignis vom 2. Juli 1994 auch als erfüllt an, so dass die Beklagte den Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen dieses Arbeitsunfalls zu entschädigen hat.

Ob eine Person "wie" ein Beschäftigter tätig geworden ist, richtet sich schon nach dem Wortlaut der Formulierung im Kern nach den Kriterien für eine Beschäftigung. § 539 Absatz 2 RVO (bzw. die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretene Nachfolgeregelung des § 2 Absatz 2 SGB VII) will jedoch aus sozialpolitischen und rechtssystematischen Gründen Versicherungsschutz auch dann gewähren, wenn die Voraussetzungen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vollständig erfüllt sind und bei einer gegebenenfalls nur vorübergehenden Tätigkeit die Grundstruktur eines Beschäftigungsverhältnisses gegeben ist, weil eine ernstliche Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert vorliegt, die einem fremden Unternehmen dienen soll (Handlungstendenz) und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmens entspricht, soweit diese Verrichtung einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist und nicht auf einer Sonderbeziehung zum Beispiel als Familienangehöriger oder Vereinsmitglied beruht. Für die Abgrenzung zwischen einer Tätigkeit als arbeitnehmerähnlicher Wie-Beschäftigter und einer unternehmerähnlichen Tätigkeit ist von der Abgrenzung zwischen Beschäftigtem und Unternehmer auszugehen. Hiervon sind jedoch gewisse Abstriche zu machen, weil nur eine arbeitnehmerähnliche Beschäftigung und eine unternehmerähnliche Tätigkeit gegenüberzustellen sind. Dabei ist zu beachten, dass bei einer Tätigkeit als Wie-Beschäftigter nicht alle Merkmale eines Beschäftigungsverhältnisses und bei einer unternehmerähnlichen Tätigkeit nicht alle Merkmale eines Unternehmers erfüllt sein müssen. So braucht bei einer Tätigkeit gemäß § 539 Absatz 2 RVO bzw. § 2 Absatz 2 SGB VII eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen und für ein Unternehmen ist kein Geschäftsbetrieb oder eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit erforderlich. Vor allem kommt es darauf an, ob - wie bei einem Unternehmer - die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, den Arbeitsort und die Arbeitszeit vorliegt. Im Übrigen sind eine regel- und planmäßige Tätigkeit sowie ein Unternehmerrisiko für eine unternehmerähnliche Tätigkeit charakteristisch. Trägt der Betroffene ein wirtschaftliches Risiko, wird in der Regel von einer unternehmerähnlichen Tätigkeit auszugehen sein. Ist die verrichtete Tätigkeit einem Arbeits- oder Dienstvertrag ähnlich, liegt in der Regel eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit vor. Ist die Tätigkeit eher anderen Vertragsformen ähnlich, liegt eine unternehmerähnliche Tätigkeit vor. Ob jemand letztlich abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 14. Dezember 2007, Az. L 9 U 5/05; LSG für das Saarland, Urteil vom 5. September 2007, Az. L 2 U 135/03; Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 31. Mai 2005 - B 2 U 35/04 R - m.w.N.).vgl. auch zu § 539 Absatz 2 RVO in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 RVO: BSG, Urteil vom 17.März 1992, Az.: 2 RU 22/91 mit weiteren Nachweisen).

Grundsätzlich schließen Verwandtschafts-, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste den Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 2 Satz 1 SGB VII nicht aus (BSGE 5, 168, 172; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 55 S 160; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Juni 1994, Az. L 3 U 43/94). Ein Verwandter wird allerdings dann nicht wie ein Beschäftigter, sondern als Verwandter tätig, wenn die zum Unfall führende Verrichtung nach Art und Umfang sowie Zeitdauer (BSG SozR-2200 § 539 RVO Nr. 55) durch das verwandtschaftliche Verhältnis geprägt ist. Nach der Rechtsprechung besteht keine feste Stundengrenze für die Beurteilung einer Versicherungspflicht bei Gefälligkeitsdiensten. Entscheidend ist vielmehr stets das Gesamtbild der gegenseitig im Rahmen der Familien- oder Freundschaftsbande geleisteten Gefälligkeiten (Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Juli 2006, Az.: L 2 U 432/04; Urteil vom 28. Mai 2008, Az. L 2 U 28/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 2. März 2007, Az. L 4 U 47/06). Unter Verwandten oder Freunden vorgenommene Gefälligkeitshandlungen schließen den Versicherungsschutz nach § 2 Absatz 2 SGB VII indes aus, wenn diese ihr gesamtes Gepräge durch die familiären bzw. freundschaftlichen Bindungen erhalten. Dabei sind die Stärke der tatsächlichen Beziehungen und die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere Art, Umfang und Zeitdauer der vorgesehenen Tätigkeit (BSG, Urteil vom 29. September 1992, - 2 RU 46/91 -).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Einvernahme des Zeugen Sch und der Befragung des in der mündlichen Verhandlung anwesenden Klägers ist davon auszugehen, dass der Kläger eine dem Unternehmen des Zeugen Sch dienliche Tätigkeit erbracht hat, so dass er wie ein Arbeitnehmer seines Betriebes anzusehen ist und in dieser Eigenschaft einen versicherten Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Kammer ist überzeugt, dass die Arbeiten des Klägers nicht lediglich im Rahmen von Gefälligkeiten erfolgen sollten, wie diese unter Freunden üblich sind. Eine nur irgendwie geartete Mithilfe im Rahmen freundschaftlicher Gefälligkeit, die zum Ausschluss einer "Wie-Beschäftigung" führen würde, liegt nicht vor.

Der Zeuge Sch schilderte – im Wesentlichen in Übereinstimmung mit dem Kläger selbst -, dass der Kläger für ihn Arbeiten in einem zeitlichen Umfang von rund 140 Stunden verrichtete. Diese Arbeiten erfolgten nach seiner Anweisung, wobei der Kläger selbst Anregungen gehabt habe, inwiefern weitere Renovierungen notwendig seien, so in etwa das Verziehen von Balken in der Küche und die Begradigung des Fußbodens mittels Spanplatten vor einer Verlegung von Laminat. Das Material habe er selbst beschafft und zeitliche Absprachen für die an den Wochenenden zu verrichtenden Tätigkeiten seien auch mit ihm zu treffen gewesen, da er allein im Besitz des Wohnungsschlüssels gewesen sei.

Der erhebliche zeitliche Umfang der verrichteten Tätigkeiten und eine weitgehende Weisungsgebundenheit des Klägers sprechen somit für eine arbeitnehmerähnliche Verrichtung der unfallbringenden Tätigkeit.

Weiterhin spricht dafür auch die handwerkliche Expertise des Klägers, der gelernter Mechaniker ist und beruflich als Elektromechaniker tätig war. In der Wohnung des Zeugen Schmidt wurden nach dessen Aussage insbesondere auch umfangreiche Elektroarbeiten – das Verlegen von Kabeln unter Putz – ausgeführt.

Die Kammer geht nicht davon aus, dass der Kläger in erster Linie durch eine freundschaftliche Beziehung zu dem Zeugen Sch zu der unfallbringenden Tätigkeit motiviert gewesen wäre. Der Zeuge Sch wie auch der Kläger selbst sagten aus, dass man sich aus dem beruflichen Umfeld kenn – beide seien damals als Sozialarbeiter tätig gewesen. Ähnliche biographische Erfahrungen hätten einen persönlichen Kontakt befördert. Man habe jedoch nicht seine Freizeit gemeinsam gestaltet und sei sich auch nicht eng freundschaftlich verbunden gewesen. Der Zeuge Sch sagte aus, er habe den Kläger nach dem Unfall noch ein oder zweimal im Krankenhaus besucht, danach sei der Kontakt abgebrochen oder nur noch ganz sporadischer Art gewesen. Im Wesentlichen hiermit übereinstimmend waren die Angaben des Klägers selbst. Er teilte weiter mit, bereits vor dem Unfall partnerschaftlichen Kontakt zu einer Krankenschwester aufgebaut zu haben, die sich auch nach dem Unfall um seine Gesundheit gekümmert habe.

Vor diesem Hintergrund kann von einer engen persönlichen oder freundschaftlichen Bindung zwischen dem Kläger und dem Zeugen Sch, die Hauptmotivation für die erbrachten Renovierungsarbeiten gewesen sein könnte, nicht die Rede sein. Die Kammer erkennt auch keine Anhaltspunkte, um an der Richtigkeit der Angaben des Klägers und der Aussage des Zeugen Sch zu zweifeln.

Einziger Umstand, der gegen eine Arbeitnehmerähnlichkeit der unfallbringenden Tätigkeit spricht, ist die fehlende Entlohnung des Klägers, die – das mag gesagt sein – bei dem erheblichen zeitlichen Umfang der verrichteten Tätigkeiten und der fehlenden persönlichen Verbindung überdies sehr ungewöhnlich ist, aber unter dem Gesichtspunkt der Frage des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes nicht weiter zu interessieren braucht.
Rechtskraft
Aus
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