L 3 R 87/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 2 R 358/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 87/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Erwerbsminderung
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI) über den 31. Dezember 2004 hinaus streitig.

Die am ... 1954 geborene Klägerin absolvierte nach Abschluss der achten Klasse der Polytechnischen Oberschule vom 1. September 1969 bis zum 29. Februar 1972 eine Lehre zur Schuhfacharbeiterin und war nach ihren Angaben im erlernten Beruf bis Dezember 1972 tätig. Im Anschluss übte sie verschiedene Beschäftigungen aus, nämlich als Krippenhelferin (Mai 1973 bis April 1979), als Raumpflegerin (Mai 1979 bis Juni 1981), als Verkäuferin (Februar 1982 bis August 1983), als Krippenerzieherin (September 1983 bis September 1990) und zuletzt vom 13. Dezember 1991 bis zum 31. Mai 2002 als Tankwart/Kassiererin.

Bereits ab dem 15. Oktober 2001 war die Klägerin wegen Wirbelsäulenbeschwerden arbeitsunfähig. Anlässlich des daraufhin gestellten Antrages auf Anschlussheilbehandlung (Antragsdatum unbekannt) hatte der damalige Hausarzt der Klägerin, der Facharzt für Innere Medizin Dr. K., unter dem 26. Januar 2002 einen Befundbericht mit den Diagnosen chronisch rezidivierende Lumbalgien und Hypertonie erstellt. Auch im sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt - erstellt durch Dipl.-Med.Pa. (Ausdruck vom 28. Januar 2002) - wurde die Diagnose Lumboischialgie genannt. Die Klägerin leide nach ihren Angaben seit etwa ihrem 20. Lebensjahr rezidivierend an Wirbelsäulenbeschwerden. Angesichts der Langwierigkeit und Therapieresistenz bei röntgenologisch gesicherten Veränderungen werde eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme empfohlen, da Physiotherapiemaßnahmen nicht ausreichend gewesen seien, um die Arbeitsfähigkeit der Klägerin wiederherzustellen. In dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 7. Juni 2002 der M. Klinik K., wo die Klägerin schließlich vom 21. März bis 12. April 2002 an einer Rehabilitationsmaßnahme teilgenommen hatte, waren folgende Diagnosen gestellt: Chronisch rezidivierende Lumboischialgien links bei degenerativen Lendenwirbelsäulenveränderungen sowie geringgradigem NPP L 4/5. Arterieller Hypertonus. Adipositas. Akute Pankreatitis. Uterus Myomatosus. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung wird ausgeführt, die Klägerin sei in der Lage, in ihren bisherigen Tätigkeiten als Tankwart und Verkäuferin sechs Stunden und mehr täglich zu arbeiten. Ihr seien leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung in allen Schichtformen zumutbar, ohne Zwangshaltungen, Vorbeugehaltungen, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten von mehr als 15 kg und ohne Exposition von ständiger Kälte und Nässe. Aufgrund einer akuten Pankreatitis habe die Rehabilitationsmaßnahme abgebrochen werden müssen und die Klägerin sei am 12. April 2002 in das Akutkrankenhaus G. verlegt worden.

Die Arbeitsunfähigkeit dauerte noch bis zum 31. August 2002 und ab dem 1. September 2002 war die Klägerin arbeitslos gemeldet.

Aufgrund eines suspekten Mammographiebefundes im Juni 2003 wurden am 2. Juli 2003 ein brusterhaltend onkochirurgischer Eingriff vorgenommen sowie drei Sentinel-Lymphknoten in der rechten Axilla entfernt. Im Anschluss daran hielt sich die Klägerin vom 11. November bis zum 9. Dezember 2003 in der M. Klinik W. auf. Im Entlassungsbericht vom 9. Dezember 2003 waren folgende Diagnosen gestellt worden: Mamma-Ca. rechts, ED 6/03, pT1b pNO (14) cMO, G2, L 1, VO, RO, Z. n. BET, Reduktionsplastik rechts, axill. LAD rechts 7/03, Chemotherapie 7 – 9/03, Radiatio 9 -11/03. Arterielle Hypertonie. Chronische Lumboischialgie links, degenerative WS-Veränderungen, NPP L 4/5. Die Klägerin sei in der Lage, ihre letzte berufliche Tätigkeit als Tankwart sechs Stunden und mehr auszuüben; sie könne im Übrigen leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung in Tagesschicht sechs Stunden und mehr verrichten. Die Klägerin sei arbeitsunfähig entlassen worden; es habe weiterer Therapiebedarf in Form der Fortführung der geplanten Chemotherapie bestanden. Nach dem Abschluss der Therapie und Rekonvaleszenz sei eine Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu erwarten, die jedoch zeitlich noch nicht kalkulierbar sei.

Auf den Rentenantrag der Klägerin vom 29. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte sodann der Klägerin mit Bescheid vom 2. Februar 2004 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2004. Als Leistungsfall hatte die Beklagte hierbei den Beginn der Arbeitsunfähigkeit am 15. Juli 2003 angenommen.

Die Beklagte hatte zudem bereits während des Bewilligungszeitraums der befristeten Erwerbsminderungsrente einen Befundbericht von Dr. S. vom 30. März 2004 beigezogen, wonach sich die Klägerin beschwerdefrei in einem guten Allgemeinzustand befinde. Nach dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 14. Juni 2004 über den weiteren Rehabilitationsaufenthalt vom 18. Mai bis zum 8. Juni 2004 im M. Klinikum für Rehabilitation in B. S. lägen bei der Klägerin folgende Erkrankungen vor: Mamma-Ca. rechts pT1b, pNO, G2, ER negativ, PR positiv, ED 7/03, Z. n. BET und Axilladissektion rechts 03.07.2003, Z. n. adjuvanter Radio-Chemotherapie im Sandwich-Verfahren bis 29.01.2004. Lymphödem rechter Arm. Bewegungseinschränkung rechtes Schulter-Arm-Gelenk. Rezidivierendes WS-Syndrom. Psychovegetativer Belastungszustand. Danach sei die Klägerin für ihre letzte berufliche Tätigkeit als Tankwart nur noch unter drei Stunden leistungsfähig, könne aber auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung in Tagesschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Zur Vermeidung einer Chronifizierung der Leiden im rechten Oberarm, im rechten Schulterarmgelenk und Lendenwirbelsäulenbereich seien Tätigkeiten mit einseitiger Belastung des rechten Armes, häufigen Überkopfarbeiten, erhöhter Verletzungsgefahr, extremen Temperaturbereichen, häufigem Bücken und mit einseitigen Wirbelsäulenzwangshaltungen zu vermeiden. Im Hinblick auf die Berentung der Klägerin sei keine Verbesserung des Leistungsbildes feststellbar; eine erneute Begutachtung nach sechs bis neun Monaten erscheine sinnvoll.

Die Klägerin beantragte am 10. August 2004 bei der Beklagten die Weiterbewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2004 hinaus. Die Beklagte zog einen weiteren Befundbericht von Dr. S. vom 10. August 2004 mit weiteren Arztbriefen bei. Mit Bescheid vom 6. September 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterbewilligung ab, da über den Wegfallzeitpunkt 31. Dezember 2004 hinaus weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Dagegen erhob die Klägerin am 23. September 2004 Widerspruch und trug vor, sie befinde sich wegen des Mammakarzinoms noch in der Heilungsbewährung und leide unter ständigen starken Schmerzen. Im Übrigen sei sie funktionell im rechten Arm, in der rechten Schulter und im Wirbelsäulenbereich eingeschränkt mit der Folge, dass ihr längeres Sitzen und Stehen nicht möglich seien. Sie sei aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage, mehr als drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Aus dem beigezogenen Krankenhausbericht vom 19. Oktober 2004 über die stationäre Behandlung vom 16. bis zum 28. September 2004 ergibt sich die Diagnose der Gigantomastie links im Zustand nach brusterhaltender Therapie (BET) rechts, im Juli 2003 wegen eines invasiv-lobulären Mammakarzinoms rechts unten außen. Am 20. September 2004 sei eine Reduktionsplastik links komplikationslos durchgeführt worden, so dass die Klägerin am 29. September 2004 bei subjektivem Wohlbefinden und reizlosen Narbenverhältnissen mit einem guten kosmetischen Ergebnis in die ambulante Weiterbetreuung habe entlassen werden können. In der Epikrise des Chefarztes Prof. Dr. B. vom 20. Dezember 2004 sind folgende Diagnosen aufgeführt: Mammakarzinom rechts pT1 b pNO (0/14) MO G2 L1 VO ER – PR+ HER2. 01.07.2003 Exzision: invasives lobuläres Karzinom R1. 03.07.2003 Reduktionsplastik rechts, axilläre Lymphonodektomie Level I und II. 24.07. bis 04.09.2003: 3 Zyklen EC-Chemotherapie. 22.09. bis 05.11.2003: Bestrahlung der rechten Brust mit 54 Gy, ED 1,8 Gy. 11/03 bis 01/04 3 Zyklen EC-Chemotherapie. Die Klägerin habe sich in klinisch gutem Allgemein- und Ernährungszustand befunden; sie habe weder Schmerzen noch Beschwerden angegeben. Es seien auch keine pathologischen Befunde mehr festzustellen gewesen. Nach dem Arztbrief von Chefarzt Dr. B. vom 4. Februar 2005 habe sich kein Hinweis für ein Rezidiv oder einen Resttumor und vergrößerten Lymphknoten gefunden.

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin E. ein. Der Sachverständige stellte im Gutachten vom 8. Juli 2005 keine Arbeitsunfähigkeit mehr fest und ging von nachfolgenden Erkrankungen aus: Zustand nach Entfernung eines Mammakarzinoms rechts, Zustand nach kombinierter Chemo- und Bestrahlungstherapie. chronisches Lymphödem rechter Arm (anamnestisch). Adipositas. Statische Wirbelsäulenbeschwerden mit erheblicher Bewegungseinschränkung des rechten Schultergelenkes. Arterielle Hypertonie - Stadium I. Beim Belastungs-EKG habe die Klägerin einen Wert von 100 Watt erreicht, bevor der Abbruch wegen Erschöpfung erfolgt sei. Die Klägerin könne ihre letzte berufliche Tätigkeit als Tankwart nur noch unter drei Stunden täglich ausüben; eine Besserung ihres Leistungsbildes sei nicht mehr wahrscheinlich. Dagegen könne die Klägerin leichte Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung in Früh- bzw. Spätschicht vollschichtig verrichten, wobei die Belastung der rechten Extremität einschließlich Überkopfarbeiten zu vermeiden sei. Ebenso sollten langes Stehen und das Heben schwerer Lasten sowie häufiges Bücken vermieden werden. Ferner könne die Klägerin Wegstrecken von mehr als 500 Meter innerhalb von 20 Minuten viermal täglich zurücklegen. Die Klägerin habe einen Führerschein und einen PKW und sei in der Lage, erforderliche Wege auch mit einem PKW zurückzulegen. Die getroffenen Feststellungen zur Leistungsfähigkeit würden seit Dezember 2004 gelten.

Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 als unbegründet zurück, da die Klägerin über ein Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich für leichte körperliche Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verfüge. Auch sei eine Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI nicht gegeben, da sie mit ihrem Hauptberuf als Tankwart bzw. Kassiererin keinen Berufsschutz in Anspruch nehmen könne.

Die Klägerin hat mit der am 9. September 2004 erhobenen Klage beim Sozialgericht Stendal ihr Begehren weiterverfolgt und vorgetragen, sie sei nicht in der Lage, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Nach der Brustoperation rechts im Juli 2003 im rechten Arm an einem Lymphödem zu leiden, wodurch die Beweglichkeit des Arms eingeschränkt werde und seit ca. Januar 2004 Schmerzen verursache. Seit August 2005 befinde sie sich in psychologischer Betreuung; ihre Belastbarkeit werde immer schlechter. Unter Hinweis auf den Rehabilitationsentlassungsbericht vom 14. Juni 2004 hat sie geltend gemacht, eine Verbesserung ihres Leistungsvermögens sei nicht feststellbar; zudem sei eine ausgeprägte Depression hinzugetreten. Auch im Wirbelsäulenbereich sei eine Beschwerdezunahme zu verzeichnen. Das Lymphödem rechts erfordere eine Lymphdrainage und es hätten sich durch die Operation Brustschmerzen eingestellt.

Das Sozialgericht hat ermittelt durch Einholung von Befundberichten und eines internistischen Gutachtens durch den Sachverständigen Chefarzt Dr. L ... Der Facharzt für Innere Medizin Dr. K. hat in seinem Bericht vom 19. November 2005 mitgeteilt, die Klägerin leide seit Juni 2005 unter einer Depression und ihr sei nur noch eine leichte köperliche Tätigkeit möglich. Auch die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. W. geht in ihrem Befundbericht vom 22. Dezember 2005 davon aus, die Klägerin könne noch leichte körperliche Tätigkeiten verrichten, allerdings wegen der psychovegetativen Erschöpfung nicht mehr vollschichtig. Der Sachverständige Dr. L. hat unter dem 24. März 2006 in seinem Gutachten folgende Krankheiten erkannt: Mammakarzinom rechts (Erstdiagnose Juni 2003), Zustand nach brusterhaltender Tumorexstirpation am 1. Juli 2003, nach Reduktionsplastik rechts mit axillärer Lypmphknotendissektion am 3. Juli 2003, nach Portimplantation links Juli 2003 und Zustand nach Radiochemotherapie nach dem EC-Schema sowie Radiatio der Restbrust bis November 2003; aktuelle Antiöstrogentherapie mit Tamoxifen. Primärer Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschildrüse). Chronische Lumboischialgie links bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Bandscheibenprolaps L 4/5 links. Adipositas. Arterielle Hypertonie. Kombinierte Hyperlipidämie. Steatosis hepatis. Hyperurikämie. Der Sachverständige hat bei der Klägerin ferner eine deutliche Hyperkalzämie festgestellt, die zusammen mit dem erhöhten Spiegel des Parathormons zur Diagnose des primären Hyperparathyreoidismus führe. Im Übrigen sei eine weitere diagnostische Abklärung, bevorzugt durch einen endokrinologischen Facharzt, dringend angezeigt. Die endgültige Beurteilung des Gesamtkrankheitsbildes sei bis zum Abschluss der endokrinologischen Untersuchungen bzw. Therapien nicht möglich.

Nach Vorlage des Arztbriefes des Facharztes für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie Prof. Dr. M. vom 27. April 2006 hat der Sachverständige unter dem 13. Juni 2006 eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu den vom Sozialgericht gestellten Beweisfragen gefertigt. Hierbei hat er unter anderem ausgeführt, es hätten sich bei der Klägerin keine Hinweise auf eine eigenständige psychische Krankheit mit eigenem Krankheitswert ergeben. Die Einschränkungen und Beschwerden im Bereich des rechten Armes seien durch die erlebte Krankheitssituation etwas überbetont, insgesamt aber glaubhaft. Der Klägerin seien körperlich leichte Tätigkeiten ohne Bücken, Heben und Tragen vorwiegend im Sitzen und Stehen zumutbar. Arbeiten im Freien oder unter Kälte-, Nässe- oder Wärmeeinwirkung seien zu vermeiden. Das Arbeiten in Wechselschichten ohne Nachtschicht sei ihr möglich. Dagegen seien Akkord- oder Fleißbandarbeit zu vermeiden. Es könnten individuelle Tätigkeiten mit einfacher Verantwortung ausgeübt werden. Ausgeschlossen seien Überkopfarbeiten sowie das Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, dagegen könne die Klägerin Lasten bis zu fünf kg heben und tragen. Unter Berücksichtigung der Einschränkungen sei der Klägerin ein vollschichtiges Arbeiten täglich zumutbar. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder schwerer spezifischer Leistungsbehinderungen liege nicht vor. Ständige monotone Arbeiten unter Einsatz der rechten Hand seien wegen der Erkrankungen nicht sinnvoll. Die Arbeit als Pförtnerin in einer öffentlichen Verwaltung könne sie vollschichtig verrichten. Die Leistungsbeeinträchtigung der Klägerin habe mit der Brustoperation am 1. Juli 2003 begonnen; eine wesentliche Änderung sei nicht zu erwarten. Im Bereich des rechten Armes sei eine Muskelatrophie eingetreten, die auf eine Schonung nach der Operation zurückzuführen sei. Die Klägerin sei auch in der Lage, viermal täglich mindestens 500 Meter zu Fuß zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Das Sozialgericht hat schließlich noch den Bericht der Dipl-Psych. L. vom 30. November 2006 beigezogen, wonach nach Besserung der depressiven Symptomatik im Oktober 2005 und den probatorischen Stunden keine Psychotherapie beantragt bzw. durchgeführt worden sei. Im Übrigen habe sie die Klägerin seit über einem Jahr nicht mehr gesehen.

Mit Gerichtsbescheid vom 9. Februar 2007 hat das Sozialgericht Stendal die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert noch berufsunfähig. Zur Begründung hat es auf den Widerspruchsbescheid vom 23. August 2005 Bezug genommen und sich maßgeblich auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. gestützt mit der Überzeugung, dass die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in der Lage sei, mit qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich leichte körperliche Arbeiten zu verrichten.

Die Klägerin hat gegen den ihr am 12. Februar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid am 7. März 2007 beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Sie trägt hierzu vor, Dr. L. habe seine Leistungseinschätzung in Unkenntnis des Therapieverlaufs und daher unter Vorbehalt abgegeben; folglich sei eine weitere Sachaufklärung angezeigt gewesen. Nach der gutachterlichen Untersuchung sei bei ihr noch eine Hyperkalzämie (Kalziumerhöhung im Blut) festgestellt worden. Einen Anspruch auf Bewilligung von teilweiser Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit mache sie nicht mehr geltend.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 9. Februar 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 6. September 2004 in der Fassung des Wider- spruchsbescheides vom 23. August 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. Dezember 2004 hinaus weiter zu bewilligen, hilfsweise ihr Rente wegen teilweiser Er- werbsminderung ab dem 1. Januar 2005 zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide für rechtmäßig.

Dem Senat ist der Krankenhausbericht vom 15. Dezember 2007 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 11. bis zum 16. Dezember 2007 im Städtischen Klinikum M. vorgelegt worden, der über eine komplikationslose Schilddrüsenoperation am 12. Dezember 2007 berichtet. Von den behandelnden Ärzten Dr. W. und Dr. K. sind unter dem 18. bzw. 25. September 2008 Befundberichte eingeholt worden. Dipl.-Psych. L. hat unter dem 2. Oktober 2008 festgestellt, die Symptomatik habe sich leicht gebessert; die Klägerin wolle keine Psychotherapie. Es seien lediglich probatorische Stunden, aber keine Behandlung von depressiven Beschwerden durchgeführt worden. Der Facharzt für Innere Medizin Prof. Dr. M. hat unter dem 5. November 2008 einen Befundbericht zur Akte gereicht, der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Chefarzt Dr. B. hat unter dem 20. März 2009 mit Bezugnahme auf seinen Arztbrief vom 29. Januar 2009 seine Befunde mitgeteilt und auf eine psychologische Psychotherapie mit 20 Sitzungen verwiesen.

Schließlich hat der Senat von der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. unter dem 14. November 2009 ein Gutachten eingeholt. Im Rahmen der Anamnese habe die Klägerin mitgeteilt, einen Minijob als Zustellerin zwischenzeitlich wieder aufgegeben zu haben, da er ihr zu anstrengend gewesen sei; ihr Ehemann hätte die Tätigkeit übernommen. Mit dem PKW fahre sie wegen ihrer Schmerzen nur noch kurze Strecken. Die Anerkennung ihrer Schwerbehinderung falle ab Oktober 2009 weg. Dr. H. hat nachfolgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Invasiv lobuläres Mammakarzinom rechts, rezidivfrei bei Zustand nach brusterhaltender Therapie und Axilladissektion Juli 2003, kombinierter Chemotherapie/Radiotherapie bis Januar 2004, Lymphödem des rechten Armes mit effizienter Lymphdrainage. Chronisches, myostatisch bedingtes Schulter-Arm-Syndrom, myostatisch-degenerativ bedingtes Lumbalsyndrom. Arterielle Hypertonie Stadium I WHO, medikamentös kompensiert. Struma, primärer Hyperparathyreoidismus, Zustand nach Thyreoidektomie und Parathyreoidektomie links Dezember 2007, Euthyreose unter Hormonsubstitution. Signifikante Osteopenie, sekundäre Osteoporose. Die Funktionalität des rechten Schultergelenks sei leicht- bis mittelgradig, die der Brust- und Lendenwirbelsäule leichtgradig eingeschränkt. Die Sachverständige hat mittels der Fahrrad-Ergometrie eine vollständige Belastbarkeit bis 75 Watt ohne Zeichen einer Belastungskoronarinsuffizienz festgestellt; bei einem Wert von 100 Watt sei dann wegen Atemnot und Erschöpfung das EKG abgebrochen worden.

Eine wesentliche seelische Störung oder eine manifeste psychische Erkrankung, die die Klägerin an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit beeinträchtigten, bestehe nicht. Die Karzinomerkrankung sei angemessen verarbeitet und durch die psychotherapeutische Behandlung eine Stabilisierung erreicht worden. Die Klägerin habe nach der reaktiven depressiven Episode 2003 wegen der Karzinomerkrankung durch die psychologische Betreuung 2005 ein gebessertes psychisches Befinden erreicht, tiefenpsychologische Interventionen seien nicht erforderlich gewesen. Hinweise für eine schwergradige depressive Episode hätten sich auch bei der gutachterlichen Untersuchung nicht ergeben.

Die Klägerin könne noch angesichts der oben beschriebenen Gesundheitsstörungen ohne Gefährdung ihrer Gesundheit noch regelmäßig körperlich leichte Arbeiten, wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen, mit gelegentlich einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, ohne Gerüst- und Leiterarbeiten mit voller Gebrauchsfähigkeit beider Hände in geschlossenen Räumen, unter Vermeidung von Witterungs- oder sonstigen Umwelteinflüssen (wie starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe), mit geistig mittelschwierigen Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit, ohne Wechselschicht und besonderen Zeitdruck verrichten. Auch die Lymphödemneigung des rechten Armes begründe nicht die Annahme eines untervollschichtigen Leistungsvermögens, da diese Störung mit Ausschluss bestimmter qualitativer Anforderungen ausreichend berücksichtigt worden sei. Besondere Beanspruchungen dieses Armes sowie häufige Überkopfarbeiten könnten nicht abverlangt werden. Die grobe Kraft, Faustschluss, Fingerspitzgriff und Spreizmöglichkeiten der Hände seien aber erhalten gewesen. Die Klägerin könne auch Arbeiten mit dem Erfordernis der vollen Gebrauchsfähigkeit der Hände sowie mit einfachen körperlichen Verrichtungen, wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen ausüben.

Die Gehfähigkeit der Klägerin sei nicht eingeschränkt, insbesondere könne sie regelmäßig Fußwege von mehr als 500 Meter ohne unzumutbare Schmerzen zurücklegen und benötige dafür auch weniger als 20 Minuten. Die Fortbewegung erfolge flüssig in normaler Schrittlänge mit normalem Tempo. Aus medizinischer Sicht sei sie in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Die Klägerin könne die der Art nach zumutbaren Arbeiten unter betrieblichen Bedingungen in zeitlicher Hinsicht noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Zusätzliche Arbeitspausen zu den üblichen Pausen seien nicht erforderlich. Längere krankheitsbedingte Ausfälle oder Arbeitsunterbrechungen seien nicht zu erwarten. Die Beurteilung der Leistungsfähigkeit decke sich mit den Einschätzungen sowohl der Gutachter Dr. L. und E. als auch der Rehabilitationseinrichtung von Juni 2004.

Die Klägerin hat das Gutachten von Dr. H. unter anderem dahingehend kritisiert, es seien ihre psychischen Leiden nicht ausreichend berücksichtigt worden; wegen ihrer mangelnden Belastbarkeit sei sie auch leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr gewachsen.

Die Sachverständige Dr. H. hat in ihrer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 18. Februar 2010 erläutert, der psychovegetative Belastungszustand infolge des Karzinomgeschehens erscheine auch nach der Rehabilitationsklinik nicht ausschlaggebend. Im Vordergrund stünden das kurativ behandelte Mammakarzinom mit Lymphödem und die Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks, weshalb der Klägerin auch nur noch leichte körperliche Arbeiten unter Einschränkungen zumutbar seien. Die psychologische und neuropsychiatrische Einschätzung der Rehabilitationseinrichtung werde auch durch Dipl.-Psych. L. und Dr. B. gestützt. In Anbetracht der depressiven Stimmungsschwankungen sei lediglich vorübergehend nach der Krebserkrankung eine psychologische Hilfe nötig gewesen. Schließlich hat die Sachverständige noch ausgeführt, es bestehe eine Korrelation zwischen der ergometrischen Maximalleistung, der Dauerbelastbarkeit und der körperlichen Belastbarkeit, nicht aber einer Ergometerbelastung von 75 Watt und einer Herzleistungsminderung nach NYHA II.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nach den §§ 143, 144 Absatz 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht erhoben.

Der Senat konnte auch in der Sache entscheiden, obwohl das erstinstanzliche sozialgerichtliche Verfahren an einem erheblichen Mangel litt. Das Sozialgericht hätte nicht durch Gerichtsbescheid des Kammervorsitzenden entscheiden dürfen; dies ist dem Gericht nach § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nur erlaubt, wenn die Sache u.a. keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Ferner hätte auch die Anhörungsmitteilung zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides fallbezogen sein müssen; ein formularmäßiger Hinweis allein ist gerade nicht ausreichend (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 9. Aufl., § 105 Rn. 10).

Komplexe medizinische Sachverhalte, wie vorliegend, mit zahlreichen Arztberichten und Gutachen weisen auf besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art hin. Ein Gerichtsbescheid kann aber nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht erlassen werden, wenn es sich um einen Fall mit überdurchschnittlicher Schwierigkeit handelt (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz Kommentar, 9. Aufl., § 105 Rn. 6) oder auch nur um Streitsachen von normaler durchschnittlicher Schwierigkeit (so sogar Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl. Rn. 324). Nach den medizinischen Ermittlungen war die Beweisaufnahme nicht eindeutig. Der Sachverständige Dr. L. hatte die Beantwortung der Beweisfragen zunächst unter den Vorbehalt weiterer Untersuchungen gestellt und sich zu einer Stellungnahme zunächst nicht in der Lage gesehen, da der Behandlungsverlauf der Klägerin abgewartet werden sollte. Bereits im Juni 2006 hat er sich dann aber nach einer einmaligen Vorstellung bei Prof. Dr. M. im April 2006 doch zu einer abschließenden Beurteilung in der Lage gesehen. Ein Befundbericht zum weiteren Verhandlungsverlauf ist nicht mehr eingeholt worden. Bei dieser Sachlage konnte das Sozialgericht nicht von einem eindeutig geklärten medizinischen Sachverhalt ausgehen.

Entscheidet das Sozialgericht durch den Kammervorsitzenden allein, obwohl die Voraussetzungen für den Erlass eines Gerichtsbescheides nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht gegeben sind, liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, weil den Beteiligten der gesetzliche Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) in Form der Kammer in voller Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern entzogen worden ist (vgl. auch Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006 – B 4 RA 59/04 R –, NZS 2007, S. 51). Dieser Mangel ist auch wesentlich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre.

Trotz dieses wesentlichen Verfahrensmangels konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil er gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, aber nicht zwingend verpflichtet war, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (vgl. BSG, Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Juni 2008 - L 3 R 102/06 -). Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits gegeneinander abgewogen und dem Interesse der Klägerin an einer frühzeitigen Entscheidung mehr Gewicht beigemessen.

Im Ergebnis ist die Klage zu Recht abgewiesen worden. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Klägerin steht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung zu.

Nach § 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Die Klägerin ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Dabei geht der Senat von folgendem Leistungsbild aus: Die Klägerin kann angesichts ihrer Gesundheitsstörungen ohne Gefährdung ihrer Gesundheit regelmäßig körperlich leichte Arbeiten, wechselweise im Gehen, Stehen und Sitzen, mit gelegentlich einseitigen körperlichen Belastungen bzw. Zwangshaltungen, ohne Gerüst- und Leiterarbeiten in geschlossenen Räumen, unter Vermeidung von Witterungs- oder sonstigen Umwelteinflüssen (wie starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe) verrichten. Sie ist Arbeiten mit geistig mittelschwierigen Anforderungen und durchschnittlichen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit gewachsen. Arbeiten in Wechselschicht und mit besonderem Zeitdruck sind nicht zumutbar. Es besteht eine volle Gebrauchsfähigkeit beider Hände. Besondere Beanspruchungen des rechten Armes, etwa in Form ständiger monotoner Arbeiten unter Einsatz der rechten Hand, sowie häufige Überkopfarbeiten, können nicht abverlangt werden. Ein normales Seh- und Hörvermögen ist gegeben. Arbeiten mit häufigem Publikumsverkehr sind ebenfalls möglich.

Der Senat stützt sich im Wesentlichen auf die schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. H. vom 14. November 2009, von Dr. L. vom 24. März 2006 und des Facharztes E. vom 8. Juli 2005. Die Feststellungen zum Leistungsbild werden insbesondere auch durch die Rehabilitationsentlassungsberichte vom 9. Dezember 2003 und 14. Juni 2004 gestützt. Wesentliche abweichende Befunde ergeben sich auch nicht aus den beigezogenen Krankenhausepikrisen und Befundberichten der behandelnden Ärzte.

Für den Senat ergeben sich folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin: Invasiv lobuläres Mammakarzinom rechts, rezidivfrei bei Zustand nach brusterhaltender Therapie und Axilladissektion Juli 2003, kombinierter Chemo/Radiotherapie bis Januar 2004, Lymphödem des rechten Armes mit effizienter Lymphdrainage. Chronisches, myostatisch bedingtes Schulter-Arm-Syndrom, myostatisch-degenerativ bedingtes Lumbalsyndrom. Arterielle Hypertonie Stadium I WHO, medikamentös kompensiert. Struma, primärer Hyperparathyreoidismus, Zustand nach Thyreoidektomie und Parathyreoidektomie links Dezember 2007, Euthyreose unter Hormonsubstitution. Signifikante Osteopenie, sekundäre Osteoporose. Im Vordergrund stehen hierbei das kurativ behandelte Mammakarzinom mit Lymphödem und die Bewegungseinschränkungen des rechten Schultergelenks, weshalb das Leistungsvermögen der Klägerin auf nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen beschränkt ist. Die rechte Mamma ist im Juli 2003 wegen der Karzinomerkrankung brusterhaltend operiert und nachfolgend chemo- und strahlentherapiert worden; durch die weiteren onkologischen Nachsorgemaßnahmen im Dezember 2003 und Juni 2004 konnte die körperliche und psychovegetative Stabilisierung bei Rezidivfreiheit erreicht werden. Die aus dem onkologischen Eingriff im Jahr 2003 resultierende rentenrelevante Leistungsminderung war nach der befristeten Rentenbewilligung nicht mehr bestimmend für das Leistungsbild. Die Klägerin war nach der Rehabilitation vom 11. November bis 9. Dezember 2003 zwar noch arbeitsunfähig entlassen worden, da sich eine Chemotherapie anschloss, allerdings wurde nach dem Entlassungsbericht schon zu dieser Zeit die Rekonvaleszenz und Arbeitsfähigkeit der Klägerin erwartet. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin bereits während des Bewilligungszeitraums bis zum 31. Dezember 2004 tatsächlich wieder über ein quantitatives Leistungsvermögen von sechs Stunden täglich verfügte, da dieser Zeitraum nicht Streitgegenstand ist. Schon in seinem Gutachten vom 8. Juli 2005 kam damals der Gutachter E. schlüssig und plausibel zu dem Ergebnis, dass eine Arbeitsunfähigkeit nicht mehr besteht.

Angesichts der Axilladissektion mit Lymphödemneigung sind besondere Beanspruchungen des rechten Armes sowie Überkopfarbeiten zu vermeiden. Die eingeschränkte Arm-Schulterbeweglichkeit und das Lymphödem sind durch komplexe Anwendungen gebessert worden. Infolge der Schonung des rechten Armes ist eine nach messtechnischen Ergebnissen vergleichsweise geringe Myatrophie eingetreten. Grobe Kraft, Fausschluss, Fingerspitzgriff und Spreizmöglichkeiten der Hände sind erhalten geblieben. Die Funktionalität des rechten Schultergelenks und der Brust- und Lendenwirbelsäule ist leicht- bis mittelgradig eingeschränkt, ohne dass segmentale sensomotorische Ausfälle bestehen. Zur Vermeidung einer Chronifizierung der Leiden im rechten Oberarm, rechten Schulterarmgelenk und Lendenwirbelsäulenbereich sind Tätigkeiten mit einseitiger Belastung des rechten Armes, häufigen Überkopfarbeiten, mit erhöhter Verletzungsgefahr, extremen Temperaturbereichen, mit häufigem Bücken und einseitigen Wirbelsäulenzwangshaltungen zu vermeiden, ebenso wie die Exposition gegenüber Nässe, Kälte, Zugluft und das Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten.

Der Blutdruck ist antihypertensiv gut eingestellt. Die Belastbarkeit der Klägerin mit 75 Watt entspricht einer Belastung mit leichten Arbeiten. Die Schilddrüsenfunktion ist unter Hormonsubstitution ausgeglichen und erfordert neben der Osteopenie und sekundären Osteoporose keine zusätzliche Leistungseinschränkung. Nach den Erläuterungen der Sachverständigen Dr. H. besteht zur Überzeugung des Senats zwischen der ergometrischen Maximalleistung, der Dauerbelastbarkeit und der körperlichen Belastbarkeit ein unmittelbarer Zusammenhang. Dagegen kann von einer Ergometerbelastung von 75 Watt nicht ohne weitere pathologische Befunde auf eine Herzleistungsminderung nach NYHA II geschlossen werden.

Auf psychiatrischem Gebiet besteht keine wesentliche seelische Störung oder manifeste psychische Erkrankung, die die Klägerin in der Ausübung einer Erwerbstätigkeit beeinträchtigt. Psychologische Hilfe war für die depressiven Stimmungsschwankungen lediglich vorübergehend nötig gewesen. Die Karzinomerkrankung ist angemessen verarbeitet; durch die psychotherapeutische Behandlung konnte eine Stabilisierung erreicht werden. Die Klägerin hat nach der reaktiven depressiven Episode 2003 wegen der Karzinomerkrankung durch die psychologische Betreuung 2005 ein gebessertes psychisches Befinden erreicht; indes waren tiefenpsychologische Interventionen nicht erforderlich. Hinweise für eine schwergradige depressive Episode sind auch zuletzt nicht vorhanden gewesen. Neben den achtwöchentlichen psychiatrischen Einzelgesprächen und der medikamentösen Therapie mit Stangyl und Cipramil sind die Stimmung und Schlafstörung der Klägerin gebessert. Das Erscheinungsbild der Klägerin wirkt gepflegt; Antrieb, Schwingungsfähigkeit, Ausdauerleistung, Konzentrations- und Reaktionsvermögen sowie Umstellungsvermögen sind nicht eingeschränkt. Auch nach psychologischer und neuropsychiatrischer Einschätzung der Rehabilitationsklinik war der psychovegetative Belastungszustand infolge des Karzinomgeschehens nicht von zentraler Bedeutung. Diese Bewertung wird auch durch die Befundberichte von Dipl.Psych. L. und Dr. B. gestützt.

Eine Summierung so genannter ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liegt nicht vor. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reicht nach überzeugender Darstellung der Sachverständigen Dr. H. vielmehr noch für leichte einfache körperliche Verrichtungen im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, leichten Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählungen im Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996 – GS 2/95 -, Soz R 3 – 2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f). Angesichts des Lymphödems ist der Arm lediglich für Überkopfarbeiten und besondere Belastungen, wie ständige monotone Arbeiten unter Einsatz der rechten Hand, eingeschränkt, nicht aber für die vorgenannten leichten körperlichen Arbeiten.

Auch liegt im Falle der Klägerin kein Seltenheits- oder Katalogfall vor, der zur Pflicht der Benennung eines konkreten Arbeitsplatzes führen würde (vgl. BSG, Großer Senat, a.a.O., Seite 35). Der Arbeitsmarkt gilt unter anderem als verschlossen, wenn einer Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BSG ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit eine Versicherte täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 Meter mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehender Mobilitätshilfen benutzen kann. Dann gilt die Erwerbsfähigkeit als nicht in beachtlichem Maße einschränkt und die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nicht erforderlich. Sind Arbeitsplätze auf andere Art als zu Fuß erreichbar, zum Beispiel mit dem eigenen Kraftfahrzeug bzw. mit einem Fahrrad, ist der Arbeitmarkt ebenfalls nicht verschlossen (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10).

Nach übereinstimmender Einschätzung aller gehörten Gutachter kann die Klägerin problemlos Gehstrecken von viermal knapp mehr als 500 Meter mehrmals täglich zurücklegen und ist auch in der Lage, mit dem PKW solche Wegstrecken zu fahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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