L 3 U 138/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 703/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 138/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialge-richts Berlin vom 03. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der dem Kläger gewährten Übergangsleistung nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1944 geborene Kläger betrieb seit 1975 bis zum 31. Dezember 2000 ein Tonstudio und zusätzlich von 1979 bis 1992 einen Übertragungswagen. Er war während seiner selbständig ausgeübten Tätigkeit bei der Beklagten freiwillig versichert.

Am 03. August 1998 stellte der Kläger bei der Beklagten formlos einen Antrag auf eine Rente, da er wegen seiner Schwerhörigkeit seinen Beruf nur noch eingeschränkt ausüben könne. Nachdem die Beklagte zunächst die Anerkennung der Berufskrankheit (BK) Nr. 2301 -Lärmschwerhörigkeit – abgelehnt hatte, schloss sie mit dem Kläger am 14. Januar 2002/11. April 2002 in dem sich daran anschließenden Klageverfahren bei dem Sozialgericht Berlin – S 67 U 478/00 – einen Vergleich, mit dem sie die bei dem Kläger vorliegende Hörstörung als BK Nr. 2301 der Anlage zur BKV mit einem Versi-cherungsfall am 12. Juni 1998 anerkannte und sich zur Zahlung einer Unfallrente ab dem 01. Januar 2001 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. verpflichtete. Außerdem übernahm sie die Kosten der Hörgeräteversorgung und ver-pflichtete sich zur Prüfung von Leistungen nach § 3 BKV. Die Beklagte gewährte dem Kläger, der vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Oktober 2001 an dem Lehrgang "Praktisches Drehbuchschreiben" teilnahm, im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einen einmaligen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Qualifizierung zum Drehbuchautor in Höhe von 10.000,00 Euro. Der Zuschuss wurde unabhängig von den Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 BKV gezahlt (Schreiben vom 01. und 27. August 2002). Mit Bescheid vom 26. Juni 2002 erkannte die Beklagte unter gleichzeitiger Rücknah-me des entgegenstehenden Bescheids vom 21. September 2001 einen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV an. Sie gewährte dem Kläger im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens als Übergangsleistung einen einmaligen Betrag in Höhe der Vollrente von 37.515,33 Euro. Die Zahlung eines einmaligen Betrags erfolge unter Berücksichtigung des Lebensalters des Klägers, seiner wirtschaftlichen und der konjunkturellen Lage. Sie rechnete einen bereits gezahlten Vorschuss von 36.813,01 Euro an, so dass dem Kläger noch ein Betrag von 702,32 Euro ausgezahlt wurde. Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger eine monatliche Zahlung der Übergangsleistung über den vollen Fünfjahreszeitraum vom 01. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2006 begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbe-scheid vom 13. September 2002 zurück. In dem sich daran anschließenden Klagever-fahren bei dem Sozialgericht Berlin – S 67 U 678/02 – schlossen die Beteiligten am 09. Mai 2003 einen weiteren Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, vor dem Hintergrund der Schwierigkeiten des Klägers, als Drehbuchautor Fuß zu fassen, noch einmal zu überprüfen, ob und wenn ja, in welchem Umfang dem Kläger laufende mo-natliche Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV zu gewähren seien, nachdem der Kläger seine beruflichen Einkünfte und seine wirtschaftliche Situation seit 1999 möglichst umfassend dargelegt habe. Der Kläger reichte daraufhin die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 1999, 2000 und 2001 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 01. September 2003 teilte diese dem Kläger mit, sofern der Minderverdienstausgleich nicht als Einmalzahlung erfolge, werde die Übergangsleistung für höchstens fünf Jahre gewährt. Sie betrage • im ersten Jahr den Unterschiedsbetrag zwischen Nettoverdienst am alten Arbeitsplatz und dem neuen Einkommen, • im zweiten Jahr 4/5 des Unterschiedsbetrages, • im dritten Jahr 3/5 des Unterschiedsbetrages, • im vierten Jahr 2/5 des Unterschiedsbetrages, • im fünften Jahr 1/5 des Unterschiedsbetrages. Der Fünfjahreszeitraum beginne nach dem Tag, an dem die gefährdende Tätigkeit aufgegeben worden sei, im Fall des Klägers also am 01. Januar 2001. Unter Berücksichtung der eingereichten Steuerbescheide sei für das Jahr 2000 ein Nettoeinkom-men von 45.894,10 DM festzustellen. Im Jahr 2001 habe der Kläger ein Nettoeinkommen von 18.210,50 DM erzielt. Somit liege für dieses Jahr ein Minderverdienst von 27.683,60 DM vor. Gezahlt worden seien bisher 72.000,00 DM. Somit liege zum 31. Dezember 2001 eine Überzahlung von 44.316,40 DM (= 22.658,62 Euro) zu Gunsten des Klägers vor, so dass derzeit eine weitere Zahlung nicht in Betracht komme. Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger sich u. a. gegen die Staffelung wandte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2003 zurück. Der Kläger sei durch die Entscheidung nicht beschwert, es sei ein voll-ständiger Ausgleich des Mindereinkommens im ersten Jahr nach Aufgabe der schädigenden Tätigkeit erfolgt. Die dagegen bei dem Sozialgericht Berlin – S 67 U 746/03 – erhobene Klage wies das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid vom 11. Juni 2004 als unzulässig zurück, weil der angefochtene Bescheid vom 01. September 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 05. Dezember 2003 keine als Verwaltungsakt anfechtbare Regelung zu der Frage enthalte, ob und wenn ja in welcher Höhe dem Kläger für die Jahre 2002 bis 2005 weitere Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV zusätzlich zu der bereits gewährten Einmalzahlung zu gewähren seien. Der Kläger sei hinsichtlich der von ihm erhobenen Einwendungen nicht beschwert. In dem sich daran anschließenden Berufungsverfahren bei dem Landessozialgericht Berlin – L 2 U 46/04 – schlossen die Beteiligten am 09. November 2004 einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, den Bescheid vom 01. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05. Dezember 2003 insoweit aufzuheben, als er eine schematische Kürzung enthalte. Eine Kürzung der Übergangsleistung im Rahmen der Ermessenausübung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls bleibe der Beklagten vorbehalten.

Nach Abschluss des Verfahrens übersandte der Kläger den Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2002, dem ein Thesenpapier zu der Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV beigefügt war. Dazu nahm die Beklagte mit Schreiben vom 01. Dezember 2004 Stellung und gab dem Kläger Gelegenheit, sich zu äußern. Mit Bescheid vom 31. Mai 2005 berechnete die Beklagte die Übergangsleistung für das erste Jahr auf der Grundlage von Jahreseinkünften in Höhe von 9.310,88 Euro, so dass sich ein Minderverdienstausgleich von 14.154,40 Euro (5/5) ergab. Für das Jahr 2002 legte sie Jahreseinkünfte in Höhe von 14.721,- Euro (21.030,- Euro abzüglich 30%) zugrunde und errechnete einen Minderverdienstausgleich von 7.282,64 Euro (4/5). Dem Anspruch von insgesamt 21.437,04 Euro für die Jahre 2001 und 2002 stünden bereits gezahlte 37.515,33 Euro gegenüber (d. h. Überzahlung von 16.078,28 Euro). Die übersandten Unterlagen ließen nicht erkennen, dass bei dem Kläger eine unbillige Härte vorliege, die es erforderlich mache, von der Staffelung des Minderver-dienstausgleichs abzuweichen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger erneut, von der Kürzung nach Fünfteln abzusehen und die volle Übergangsleistung zu gewähren. Mit Wi-derspruchsbescheid vom 15. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bisher seien keine maßgeblichen Umstände bekannt geworden, der ein Abgehen von der in der Praxis gebräuchlichen und von der Rechtsprechung gebilligten Staffelung der Übergangsleistungen notwendig werden ließen. Der Kläger habe solche auch nicht benannt. Unternehmerische Risiken, wie konjunkturelle Lage und Nachfrageent-wicklung, seien nicht maßgebend.

Dagegen hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er geltend gemacht hat, nach § 2 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) sei bei Ausübung des Ermessens der Behörde sicherzustellen, dass die sozialen Rechte des Anspruchsstellers möglichst weitgehend verwirklicht würden. Insoweit dürfe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), auf die die Beklagte sich berufe, obsolet sein, da sie aus einer Zeit vor Einführung des § 2 Abs. 2 SGB I in das Sozialgesetzbuch herrühre. Die Konstruktion der Kürzung nach Fünfteln nehme die Beklagte offenbar als Besitzstand für sich in Anspruch, anstatt auf die schematische Beurteilung zu verzichten und auch unternehmerische Risiken, konjunkturelle Lage und Nachfrageentwicklung usw. zu berücksichtigen. Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, da das erste Laufjahr der Übergangsleistung durch den Bescheid vom 26. Juni 2002 mit einer Jahresvollrente in Höhe von 37.515,33 Euro abgedeckt sei, treffe die Summierung einer angeblichen Überzahlung im angefochtenen Bescheid nicht zu. Vielmehr müsse das einbehaltene Fünftel ausgezahlt werden, weil kein Fall des Schemas zu rechtfertigen sei.

Durch Gerichtsbescheid vom 03. Mai 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei vorliegend nicht erkennbar, dass die Beklagte von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht in einer zweckentsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe. Die Beklagte habe unter Vorlage des Steuerbescheids von 2002 den Minderverdienst ermittelt und dabei festgestellt, dass sich im Vergleich zum Vorjahr ein erheblich verringerter Minderverdienst ergeben habe, so dass die An-nahme gerechtfertigt sei, dass die Einarbeitung auf dem neuen Berufsfeld erfolgreich verlaufe. Zutreffend habe sie ausgeführt, dass Normzweck des § 3 Abs. 2 BKV sei, dem Versicherten zu helfen, durch eigene Leistungen die Umstellung auf die neue Situation zu bewältigen und unter Berücksichtigung alle Umstände des Einzelfalls bei der Festigung seiner sich nach Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wandelnden wirt-schaftlichen Situation zu stützen. Es seien keine maßgeblichen Umstände bekannt gemacht worden, die ein Abgehen von der in der Praxis gebräuchlichen und von der Rechtsprechung gebilligten Staffelung der Übergangsleistung notwendig mache. In der Entscheidung des BSG vom 04. Dezember 2001 – B 2 U 6/01 R – habe dieses die Staffelung nach Fünfteln ausdrücklich gebilligt. Auch habe sich im vorliegenden Fall durch Vorlage des Steuerbescheids in der Tat ergeben, dass der Kläger jedenfalls höhere Verdienste erzielt habe als im Vorjahr. Soweit das BSG eine Beobachtungs-pflicht der Verdienstentwicklung postuliert habe, so komme die Beklagte dem jetzt nach, indem sie auf das jeweilige Jahr bezogen die Höhe der Übergangsleistung ermittele und nicht vorab pauschal eine Kürzung um jeweils 1/5 für die Dauer von fünf Jahren vornehme. Die Kammer könne dahingestellt lassen, ob nach dem gestellten Klageantrag die Er-rechnung der Überzahlung überhaupt angefochten sei. In der Sache sei die Verrechnung des zunächst als Einmalzahlung vorgesehenen Betrags von 37.515,33 Euro (Bescheid vom 26. Juni 2002) nicht zu beanstanden, da nach § 3 Abs. 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung zu leisten sei. Entgegen dem Vortrag des Klägers könne keine Rede davon sein, dass die Übergangsleistung für das erste Laufjahr durch die mit Bescheid vom 26. Juni 2002 bewilligte Summe von 37.515,33 Euro abgedeckt gewesen sei, denn hierbei handele es sich nicht um die zustehende Übergangsleistung für das erste laufende Jahr. Diese betrage ausweislich des Bescheids vom 31. Mai 2005 lediglich 14.154,40 Euro.

Gegen den Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er geltend macht, das erstinstanzliche Urteil verletze die Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I, die zwingend zu beachten sei. Bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialrechts sei sicherzustellen, dass die Rechte des Betroffenen möglichst weitgehend verwirklicht würden. Dies gelte erst recht bei Ermessensentscheidungen. Die Beklagte verkehre das Gesetz, dass das von ihr angewandte Schema nicht kenne, in sein Gegenteil, wenn es die Übergangsleistung um 1/5 kürze. § 3 Abs. 2 BKV sei eine Schadensersatzvorschrift zum Ausgleich des erlittenen Verdienstausfalls durch Aufgabe der ge-fährdenden Tätigkeit bei einer BK. Die mangelnde Distanz der Rechtsprechung gegenüber eigenmächtigen Kürzungen seitens der Beklagten sei nicht verständlich, eben weil die Dinge rechtlich Auslegungsvorgaben folgten und die Vorschrift des § 2 Abs. 2 SGB I überdies auch für Ermessensvorschriften gelte. Von daher ergebe sich eine Ermessensreduzierung auf Null, wenn man denn ein solches Ermessen bei der in Rede stehenden Schadensersatzvorschrift überhaupt einräume. Zudem sei er in seiner Klageschrift ausdrücklich der angeblichen Überzahlung entgegengetreten, was die Zahlung der Übergangsleistung in Form der Jahresvollrente betreffe. Das erste Jahr sei damit außer Streit.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. Mai 2006 aufzuheben und den Bescheid vom 31. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm für das Jahr 2002 den Minderverdienstausgleich nach § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 BKV in voller Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger wendet sich nach dem im Termin am 11. Juni 2010 gestellten Antrag allein gegen die Kürzung des Minderverdienstausgleichs für das Jahr 2002 um 1/5 auf 7.282,64 Euro. Soweit er sich zunächst schriftsätzlich auch gegen die Zahlung eines Minderverdienstausgleichs für das Jahr 2001 in Höhe von 14.154,40 EUR statt des einmaligen Betrags in Höhe der Vollrente - wie mit Bescheid vom 26. Juni 2002 geregelt – gewandt und damit in der Sache für das erste Jahr eine Übergangsleistung in Höhe einer Vollrente und für das Jahr 2002 einen Ausgleich in Höhe von 5/5 des Minderverdienstausgleichs begehrt hat, hat er dieses Anliegen im Termin nicht mehr aufrecht gehalten. Im Übrigen ist bereits in Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 09. Mai 2003 durch den insoweit bindend (§ 77 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) gewordenen Bescheid vom 01. September 2003 anstelle der vom Kläger abgelehnten Übergangsleistung in Form eines einmaligen Betrags in Höhe der Vollrente von 37.515,33 Euro nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BKV – wie vom Kläger gewünscht – eine Über-gangsleistung in Form eines Minderverdienstausgleichs nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV für das Jahr 2001 (erstes Jahr) in ungekürzter Höhe von 27.683,60 DM (= 14.154,40 Euro) bewilligt worden. Der hier angefochtene Bescheid vom 31. Mai 2005 enthält hierzu keine erstmalige Regelung, sondern stellt nur die Berechnung in der Währung Euro dar. Mit seinem Begehren auf einen Minderverdienstausgleich nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BKV für das Jahr 2002 in voller Höhe kann die Berufung aber keinen Erfolg haben.

Nach § 3 Abs. 2 BKV haben Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird 1. ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder 2. eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht zu berücksichtigen. Die Entscheidung der Beklagten, die Übergangsleistung für das Jahr 2002 um 1/5 zu kürzen, ist nicht zu beanstanden. Das hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 04. Dezember 2001 – B 2 U 6/01 R -, zitiert nach juris) zutreffend ausgeführt. Bei der Übergangsleistung gemäß § 3 BKV handelt es um einen echten Schadener-satzanspruch, der jedoch nicht auf den Ersatz des dem Versicherten danach verblie-benen vollen Schadens im Sinne der so genannten Naturalrestitution zielt. § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV setzt insoweit Obergrenzen für die Übergangsleistung fest, die keines-wegs ausgeschöpft werden müssen und die selbst bei voller Ausschöpfung nicht immer den vollen wirtschaftlichen Schaden des Versicherten ersetzen können. § 3 Abs. 2 BKV bezweckt keinen vollständigen Schadensausgleich, sondern soll dem Versi-cherten - unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls - bei der Festigung seiner sich nach der Aufgabe der bisherigen Tätigkeit wandelnden wirtschaftlichen Situation stützen und wenn es unvermeintlich erscheint, ihm einen allmählichen Über-gang auf das nun niedrigere wirtschaftliche Niveau verschaffen (BSG, a. a. O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Februar 2008 – L 2 KN 254/07 U -, zitiert nach juris). Davon ausgehend ergibt sich, dass die Beklagte von ihrem Ermessen zweckentspre-chend Gebrauch gemacht hat. Wie der Begründung der angefochtenen Bescheide zu entnehmen ist, hat die Beklagte sich von der Überzeugung leiten lassen, dass die Ü-bergangsleistung den Verdienstausfall ausgleichen soll. Diesen hat sie, ohne dass insoweit Fehler erkennbar oder von dem Kläger auch nur behauptet wären, für das Jahr 2002 berechnet. Die von der Beklagten vorgenommene Staffelung der Übergangsleistung trägt einerseits der neuen wirtschaftlichen Lage des Klägers Rechnung und gewährleistet andererseits den allmählichen Übergang auf ein niedrigeres wirt-schaftliches Niveau. Die Beklagte hat ferner, nach entsprechender Prüfung, verneint, dass besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen von dieser Regelung rechfer-tigen könnten. Es stellt zudem keinen besonderen Umstand dar, dass die Einkünfte nach der Beendigung einer selbständigen Tätigkeit absinken (vgl. BSG, a. a. O.), wie die vorgelegten Einkommenssteuerbescheide des Klägers belegen.

Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass wegen der Regelung in § 2 Abs. 2 SGB I stets eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben ist. Eine solche Auffassung findet weder nach Sinn und Zweck noch im Wortlaut der Vorschrift, die sich ausdrücklich auf die Ermessensausübung bezieht und nur eine möglichst weitge-hende Verwirklichung sozialer Rechte anmahnt, eine Stütze. Nach § 2 Abs. 2 SGB I sind die "nachfolgenden sozialen Rechte" bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuches (SGB I bis SGB XII) und bei der Ausübung des Ermessens zu beachten; dabei ist sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Der Sozialleistungsträger ist demnach gehalten, Ansprüche zur Entstehung zu bringen bzw. es zu unterlassen, potentielle Ansprüche zu vereiteln (vgl. Seewald in Kasseler Kommentar, § 2 SGB I RdNr. 11 f). § 2 Abs. 2 SGB I gewährt dem Versicherten hingegen keinen Anspruch auf eine höchstmögliche finanzielle Ausstattung seiner - wie hier - dem Grunde nach anerkannten Leistungsansprüche. Dem steht im vorliegenden Fall zudem - wie gezeigt - entgegen, dass es durchaus dem Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2 BKV entspricht, dass der Versicherte finanzielle Abstriche an seiner Einkommensentwicklung hinnehmen muss. Diesem Grundgedanken hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden Rechnung getragen, ohne dass die Leistung dem Kläger völlig versagt worden ist. Dementsprechend ist ausreichend sichergestellt worden, dass seine sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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