Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 4479/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 5467/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld anrechenbare Versicherungspflicht der Kindererziehung gem. § 26 Abs 2a SGB III endet am Tag vor der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes; dies gilt auch dann, wenn mehere unter 3-jährige Kinder gleichzeitig (hier Zwillinge) erzogen werden. Der Gesetzgeber ist nicht gezwungen, jeden höheren Betreuungsaufwand zu berücksichtigen (BVerfG, Beschluss v. 25. November 2004 - 1 BvR 2303/03).
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) hat, insbesondere die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt.
Die 1973 geborene Klägerin war ab 1. November 1998 bei der Firma St. beschäftigt. Am 7. August 2003 gebar sie die Zwillinge Si. und Ni. Vom 7. August bis 11. Dezember 2003 bezog sie Mutterschaftsgeld. Sie nahm - mit Zustimmung des Arbeitgebers (siehe die Vereinbarung vom 8. August 2005) - Elternzeit bis 6. August 2008. Das Arbeitsverhältnis wurde durch gerichtlichen Vergleich am 24. Juli 2008 mit Ablauf des 6. August 2008 beendet, da die von der Klägerin angestrebte Teilzeitbeschäftigung nicht angeboten werden konnte.
Am 28. Juli 2008 meldete sich die Klägerin - gegebenenfalls mit Wirkung zum 7. August 2008 - arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2008 ab, da die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Dagegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin am 10. September 2008 Widerspruch. Der Gesetzgeber habe klar geregelt, dass im Falle von Mehrlingsgeburten mit Zustimmung des Arbeitgebers die Elternzeit verlängert werden könne und auch der Sozialversicherungsschutz uneingeschränkt weiterbestehen solle. Dies würde durch eine wortlautgetreue Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III unterlaufen und gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoßen. Deshalb seien Eltern von Zwillingen bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres als versicherungspflichtig anzusehen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 als unbegründet zurück. Anders als im Recht der Rentenversicherung begründeten Kindererziehungszeiten die Versicherungspflicht nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, auch bei zeitgleicher Erziehung mehrerer Kinder.
Am 15. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihre Argumente wiederholt. Mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist (6. August 2008 bis 6. August 2006) habe sie in keinem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Weder sei sie gegen Entgelt beschäftigt gewesen im Sinne des § 25 SGB III, noch läge eine Versicherungspflicht nach § 26 SGB III vor. Insbesondere ende die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III mit Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder, also mit Ablauf des 6. August 2006. Eine erweiternde Auslegung sei nicht vorzunehmen, da eine Lücke nicht bestehe und der Wortlaut der Norm eindeutig sei. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber vorliegend vorgenommene Abgrenzung anhand des Alters des jüngsten und damit am meisten betreuungsbedürftigen Kindes sei nicht zu beanstanden. Ein erhöhter Betreuungsaufwand müsse nicht zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht führen.
Gegen den der Klägerin am 26. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 24. November 2009 Berufung erhoben und ergänzend vorgetragen, der Betreuungsbedarf von gleichaltrigen Kindern sei höher.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 25. August 2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 7. August 2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Elternzeitrecht als Arbeitsrecht schwerlich auf das Arbeitslosenversicherungsrecht als Sozialrecht übertragen werden könne; zudem finde sich die von der Klägerin angestrebte Versicherungszeit von sechs Jahren auch dort nicht. Die gesetzliche Formulierung laute nicht, dass eine Versicherungszeit für drei Jahre pro Kind vorliege, sondern bis zum dritten Lebensjahr, was eindeutig sei und auch von den Kommentatoren bestätigt werde. Dass der Gesetzgeber das Problem der Mehrlingsgeburt übersehen haben könnte, könne schwerlich geltend gemacht werden, da in anderen (Sozial-) Rechtsgebieten für Mehrlingsgeburten eine spezielle Regel vorgenommen wurde, nicht jedoch im Arbeitslosenversicherungsrecht. Da das Begehren der Klägerin weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine Stütze finde, das BSG am 4. September 2003 - B 11 AL 9/03 R - eine ähnliche Konstellation für rechtens erachtet hat, die hiergegen zum BVerfG erhobene Verfassungsbeschwerde nicht angenommen wurde (Beschluss vom 25. November 2004, 1 BvR 2303/03), sei das Fortführen des Rechtsstreits missbräuchlich (siehe Niederschrift über den Termin am 21. April 2010). Hierauf hat die Klägerin vorgetragen, der nicht angenommenen Verfassungsbeschwerde liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich ebenfalls nicht, dass der Gesetzgeber die Versicherungszeit auf die ersten drei Jahre begrenzen wollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg.
Anspruch auf Alg nach § 117 Abs. 1 SGB III haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Klägerin hat sich am 28. Juli 2008 arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs. 1 SGB III). Ferner war die Klägerin auch arbeitslos im Sinne des § 119 Abs. 1 SGB III. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Arbeitslosigkeit setzt damit nicht nur Beschäftigungslosigkeit, sondern auch Verfügbarkeit voraus. Merkmal der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende Arbeitsbereitschaft des Arbeitslosen. Nach § 119 Abs. 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah folge leisten kann, bereit ist, jede Beschäftigung in diesem Sinne anzunehmen und auszuüben und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Klägerin beschäftigungslos und verfügbar war. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin - entgegen ihrer Erklärung im Antrag - nicht bereit und in der Lage war, noch 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten (siehe auch § 120 Abs. 4 SGB III). Insbesondere gibt es keine Zweifel daran, dass die Kinderbetreuung entsprechend ihren Angaben gesichert ist.
Indes ist die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Gemäß § 123 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Unabhängig davon, ob die Rahmenfrist am 27. Juli 2008 oder am 6. August 2008 -wovon das SG ausgegangen ist- beginnt, stand die Klägerin innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist bis 28. Juli 2006 bzw. 7. August 2006 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig war (§§ 24, 25 SGB III). Diese Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III endet mit Ablauf des 6. August 2008, da beide Kinder am 7. August 2008 das dritte Lebensjahr vollenden. Damit liegt innerhalb der der Klägerin günstigen Rahmenfrist vom 27. Juli 2008 bis 28. Juli 2006 nur eine Versicherungszeit vom 28. Juli bis 6. August 2006 vor, nicht jedoch von zwölf Monaten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch § 26 Abs. 2a SGB III nicht dahingehend ausgelegt werden, dass bei der Erziehung von Zwillingen 6 Jahre Versicherungspflicht vorliegen (so ausdrücklich Schlegel in Eicher/Schlegel, § 26 SGB III Rdnr. 90; Timme in Hauck/Noftz, § 26 SGB III Rdnr. 47; Wagner in Gesamtkommentar, § 26 SGB III Rdnr. 38). Gemäß § 26 Abs. 2a SGB III sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie -unter hier nicht relevanten weiteren Voraussetzungen- ein Kind erziehen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Damit hat der Gesetzgeber im Gesetz selbst klar zum Ausdruck gebracht, dass ab dem 3. Lebensjahr des Kindes keine Versicherungspflicht vorliegt; Ausführungen in den Gesetzesmaterialien hierzu sind entbehrlich. Die gesetzliche Vorschrift lautet nicht, dass eine Versicherungszeit für drei Jahre der Erziehung eines Kindes vorliegt oder dass eine Addition bzw. Verlängerung im Falle der gleichzeitigen Erziehung mehrerer unter 3jähriger Kinder (so § 56 Abs. 5 SGB VI zum Rentenrecht) vorzunehmen ist, sondern gerade, dass das erzogene Kind noch keine drei Jahre alt sein darf. Da der Gesetzgeber Mehrlingsgeburten in zahlreichen Gesetzen speziell geregelt hat (siehe nur §§ 2 Abs. 6, 10 Abs. 4, 11 Satz 3, 15 Abs. 2 BEEG, § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, § 56 Abs. 5 SGB VI), kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er diese im Rahmen des Rechts der Arbeitsförderung übersehen hat. Die Berufung der Klägerin auf das Elternzeitrecht ist nicht nachvollziehbar. Zum Einen sind die Vorschriften über die Elternzeit arbeitsrechtlicher Natur (vgl. nur Buchner/Becker, Kommentar zum BEEG, 8. Auflage, vor §§ 15 BEEG Rdnr. 1) und damit nicht sozialrechtlicher Natur, weshalb dort auch nicht, wie behauptet, ein umfassender -und von § 26 Abs. 2a SGB III vereitelter- "Sozialversicherungsschutz" wegen der Erziehung von Kindern festgelegt ist; dieser ergibt sich aus den einzelnen Sozialrechtsgebieten (z.B. im Krankenversicherungsrecht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V oder eben nach § 26 Abs. 2a SGB III im Arbeitslosenrecht). Zum Anderen findet sich die von der Klägerin angestrebte Verlängerung der Versicherungszeit auf sechs Jahre auch dort nicht, da dort pro Kind nur ein Anteil von zwölf Monaten übertragen werden kann, sodass auch dort nur eine Erstreckung auf fünf Jahre bei Zwillingen möglich ist (und zwar auch nur mit Zustimmung des Arbeitgebers).
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Regelung gegen höherrangiges Recht verstößt. Insbesondere ist Art. 3 Grundgesetz nicht verletzt. Soweit der Gesetzgeber danach differenziert, ob ein Kind, das erzogen wird, das dritte Lebensjahr bereits vollendet hat oder nicht, und nur die Betreuung von jüngeren Kindern begünstigt, ist diese Differenzierung sachgerecht; er ist nicht gezwungen, andere Situationen, die ebenfalls einen -typisierend- höheren Betreuungsbedarf erfordern, zu berücksichtigen oder Regelungen aus anderen Rechtsbereichen in das Arbeitslosenversicherungsrecht zu übernehmen (siehe hierzu BSG, Urteil vom 4. September 2003 - B 11 AL 9/03 R; BVerfG, Beschluss vom 25. November 2004 - 1 BvR 2303/03; Niesel, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, § 26 Rdnr. 25). Der Entscheidung des BVerfG lag zwar der Sachverhalt zugrunde, dass es um die Erziehung eines schon älteren adoptierten Kindes ging. Das BVerfG hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Situationen denkbar sind, die -neben der Erziehung von unter 3jährigen Kindern- gleichermaßen einen erhöhten Betreuungsbedarf erfordern, ohne dass der Gesetzgeber gezwungen ist, diesen zu berücksichtigen oder entsprechende Regelungen im BErzGG (jetzt BEEG) in das Arbeitslosenrecht zu übernehmen.
Nachdem Berufung und Klage ohne Erfolg waren und die Beklagte auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat (vgl. zum Ermessen Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 193 Rdnr. 12 ff.), sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG). Der Senat ist der Auffassung, dass die Rechtsverfolgung missbräuchlich ist, da -jedenfalls- der rechtskundige Bevollmächtigte (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG) nach den Hinweisen des Berichterstatters die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung erkennen musste; dennoch hat er davon abgesehen, Kosten der Klägerin aufzuerlegen, da er es als noch verständlich ansieht, dass sie die -eindeutige- Rechtslage nicht akzeptieren kann.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) hat, insbesondere die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt.
Die 1973 geborene Klägerin war ab 1. November 1998 bei der Firma St. beschäftigt. Am 7. August 2003 gebar sie die Zwillinge Si. und Ni. Vom 7. August bis 11. Dezember 2003 bezog sie Mutterschaftsgeld. Sie nahm - mit Zustimmung des Arbeitgebers (siehe die Vereinbarung vom 8. August 2005) - Elternzeit bis 6. August 2008. Das Arbeitsverhältnis wurde durch gerichtlichen Vergleich am 24. Juli 2008 mit Ablauf des 6. August 2008 beendet, da die von der Klägerin angestrebte Teilzeitbeschäftigung nicht angeboten werden konnte.
Am 28. Juli 2008 meldete sich die Klägerin - gegebenenfalls mit Wirkung zum 7. August 2008 - arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 25. August 2008 ab, da die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfülle. Dagegen erhob die anwaltlich vertretene Klägerin am 10. September 2008 Widerspruch. Der Gesetzgeber habe klar geregelt, dass im Falle von Mehrlingsgeburten mit Zustimmung des Arbeitgebers die Elternzeit verlängert werden könne und auch der Sozialversicherungsschutz uneingeschränkt weiterbestehen solle. Dies würde durch eine wortlautgetreue Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III unterlaufen und gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoßen. Deshalb seien Eltern von Zwillingen bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres als versicherungspflichtig anzusehen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2008 als unbegründet zurück. Anders als im Recht der Rentenversicherung begründeten Kindererziehungszeiten die Versicherungspflicht nur bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes, auch bei zeitgleicher Erziehung mehrerer Kinder.
Am 15. Oktober 2008 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und ihre Argumente wiederholt. Mit Gerichtsbescheid vom 21. Oktober 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist (6. August 2008 bis 6. August 2006) habe sie in keinem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Weder sei sie gegen Entgelt beschäftigt gewesen im Sinne des § 25 SGB III, noch läge eine Versicherungspflicht nach § 26 SGB III vor. Insbesondere ende die Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III mit Vollendung des dritten Lebensjahres der Kinder, also mit Ablauf des 6. August 2006. Eine erweiternde Auslegung sei nicht vorzunehmen, da eine Lücke nicht bestehe und der Wortlaut der Norm eindeutig sei. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig. Die vom Gesetzgeber vorliegend vorgenommene Abgrenzung anhand des Alters des jüngsten und damit am meisten betreuungsbedürftigen Kindes sei nicht zu beanstanden. Ein erhöhter Betreuungsaufwand müsse nicht zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht führen.
Gegen den der Klägerin am 26. Oktober 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 24. November 2009 Berufung erhoben und ergänzend vorgetragen, der Betreuungsbedarf von gleichaltrigen Kindern sei höher.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 25. August 2008 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2008 zu verurteilen, der Klägerin ab dem 7. August 2008 Arbeitslosengeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erachtet den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass das Elternzeitrecht als Arbeitsrecht schwerlich auf das Arbeitslosenversicherungsrecht als Sozialrecht übertragen werden könne; zudem finde sich die von der Klägerin angestrebte Versicherungszeit von sechs Jahren auch dort nicht. Die gesetzliche Formulierung laute nicht, dass eine Versicherungszeit für drei Jahre pro Kind vorliege, sondern bis zum dritten Lebensjahr, was eindeutig sei und auch von den Kommentatoren bestätigt werde. Dass der Gesetzgeber das Problem der Mehrlingsgeburt übersehen haben könnte, könne schwerlich geltend gemacht werden, da in anderen (Sozial-) Rechtsgebieten für Mehrlingsgeburten eine spezielle Regel vorgenommen wurde, nicht jedoch im Arbeitslosenversicherungsrecht. Da das Begehren der Klägerin weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine Stütze finde, das BSG am 4. September 2003 - B 11 AL 9/03 R - eine ähnliche Konstellation für rechtens erachtet hat, die hiergegen zum BVerfG erhobene Verfassungsbeschwerde nicht angenommen wurde (Beschluss vom 25. November 2004, 1 BvR 2303/03), sei das Fortführen des Rechtsstreits missbräuchlich (siehe Niederschrift über den Termin am 21. April 2010). Hierauf hat die Klägerin vorgetragen, der nicht angenommenen Verfassungsbeschwerde liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich ebenfalls nicht, dass der Gesetzgeber die Versicherungszeit auf die ersten drei Jahre begrenzen wollte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Alg.
Anspruch auf Alg nach § 117 Abs. 1 SGB III haben gemäß § 118 Abs. 1 SGB III Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Klägerin hat sich am 28. Juli 2008 arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs. 1 SGB III). Ferner war die Klägerin auch arbeitslos im Sinne des § 119 Abs. 1 SGB III. Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, sich bemüht seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Arbeitslosigkeit setzt damit nicht nur Beschäftigungslosigkeit, sondern auch Verfügbarkeit voraus. Merkmal der Verfügbarkeit sind die Arbeitsfähigkeit und die ihr entsprechende Arbeitsbereitschaft des Arbeitslosen. Nach § 119 Abs. 5 SGB III steht den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah folge leisten kann, bereit ist, jede Beschäftigung in diesem Sinne anzunehmen und auszuüben und bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Klägerin beschäftigungslos und verfügbar war. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin - entgegen ihrer Erklärung im Antrag - nicht bereit und in der Lage war, noch 15 Stunden wöchentlich zu arbeiten (siehe auch § 120 Abs. 4 SGB III). Insbesondere gibt es keine Zweifel daran, dass die Kinderbetreuung entsprechend ihren Angaben gesichert ist.
Indes ist die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Gemäß § 123 SGB III hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt nach § 124 SGB III zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Unabhängig davon, ob die Rahmenfrist am 27. Juli 2008 oder am 6. August 2008 -wovon das SG ausgegangen ist- beginnt, stand die Klägerin innerhalb der zweijährigen Rahmenfrist bis 28. Juli 2006 bzw. 7. August 2006 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin nicht als Beschäftigte versicherungspflichtig war (§§ 24, 25 SGB III). Diese Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2a SGB III endet mit Ablauf des 6. August 2008, da beide Kinder am 7. August 2008 das dritte Lebensjahr vollenden. Damit liegt innerhalb der der Klägerin günstigen Rahmenfrist vom 27. Juli 2008 bis 28. Juli 2006 nur eine Versicherungszeit vom 28. Juli bis 6. August 2006 vor, nicht jedoch von zwölf Monaten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann auch § 26 Abs. 2a SGB III nicht dahingehend ausgelegt werden, dass bei der Erziehung von Zwillingen 6 Jahre Versicherungspflicht vorliegen (so ausdrücklich Schlegel in Eicher/Schlegel, § 26 SGB III Rdnr. 90; Timme in Hauck/Noftz, § 26 SGB III Rdnr. 47; Wagner in Gesamtkommentar, § 26 SGB III Rdnr. 38). Gemäß § 26 Abs. 2a SGB III sind Personen in der Zeit versicherungspflichtig, in der sie -unter hier nicht relevanten weiteren Voraussetzungen- ein Kind erziehen, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Damit hat der Gesetzgeber im Gesetz selbst klar zum Ausdruck gebracht, dass ab dem 3. Lebensjahr des Kindes keine Versicherungspflicht vorliegt; Ausführungen in den Gesetzesmaterialien hierzu sind entbehrlich. Die gesetzliche Vorschrift lautet nicht, dass eine Versicherungszeit für drei Jahre der Erziehung eines Kindes vorliegt oder dass eine Addition bzw. Verlängerung im Falle der gleichzeitigen Erziehung mehrerer unter 3jähriger Kinder (so § 56 Abs. 5 SGB VI zum Rentenrecht) vorzunehmen ist, sondern gerade, dass das erzogene Kind noch keine drei Jahre alt sein darf. Da der Gesetzgeber Mehrlingsgeburten in zahlreichen Gesetzen speziell geregelt hat (siehe nur §§ 2 Abs. 6, 10 Abs. 4, 11 Satz 3, 15 Abs. 2 BEEG, § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V, § 56 Abs. 5 SGB VI), kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er diese im Rahmen des Rechts der Arbeitsförderung übersehen hat. Die Berufung der Klägerin auf das Elternzeitrecht ist nicht nachvollziehbar. Zum Einen sind die Vorschriften über die Elternzeit arbeitsrechtlicher Natur (vgl. nur Buchner/Becker, Kommentar zum BEEG, 8. Auflage, vor §§ 15 BEEG Rdnr. 1) und damit nicht sozialrechtlicher Natur, weshalb dort auch nicht, wie behauptet, ein umfassender -und von § 26 Abs. 2a SGB III vereitelter- "Sozialversicherungsschutz" wegen der Erziehung von Kindern festgelegt ist; dieser ergibt sich aus den einzelnen Sozialrechtsgebieten (z.B. im Krankenversicherungsrecht nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V oder eben nach § 26 Abs. 2a SGB III im Arbeitslosenrecht). Zum Anderen findet sich die von der Klägerin angestrebte Verlängerung der Versicherungszeit auf sechs Jahre auch dort nicht, da dort pro Kind nur ein Anteil von zwölf Monaten übertragen werden kann, sodass auch dort nur eine Erstreckung auf fünf Jahre bei Zwillingen möglich ist (und zwar auch nur mit Zustimmung des Arbeitgebers).
Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Regelung gegen höherrangiges Recht verstößt. Insbesondere ist Art. 3 Grundgesetz nicht verletzt. Soweit der Gesetzgeber danach differenziert, ob ein Kind, das erzogen wird, das dritte Lebensjahr bereits vollendet hat oder nicht, und nur die Betreuung von jüngeren Kindern begünstigt, ist diese Differenzierung sachgerecht; er ist nicht gezwungen, andere Situationen, die ebenfalls einen -typisierend- höheren Betreuungsbedarf erfordern, zu berücksichtigen oder Regelungen aus anderen Rechtsbereichen in das Arbeitslosenversicherungsrecht zu übernehmen (siehe hierzu BSG, Urteil vom 4. September 2003 - B 11 AL 9/03 R; BVerfG, Beschluss vom 25. November 2004 - 1 BvR 2303/03; Niesel, Kommentar zum SGB III, 5. Auflage, § 26 Rdnr. 25). Der Entscheidung des BVerfG lag zwar der Sachverhalt zugrunde, dass es um die Erziehung eines schon älteren adoptierten Kindes ging. Das BVerfG hat aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine Vielzahl von Situationen denkbar sind, die -neben der Erziehung von unter 3jährigen Kindern- gleichermaßen einen erhöhten Betreuungsbedarf erfordern, ohne dass der Gesetzgeber gezwungen ist, diesen zu berücksichtigen oder entsprechende Regelungen im BErzGG (jetzt BEEG) in das Arbeitslosenrecht zu übernehmen.
Nachdem Berufung und Klage ohne Erfolg waren und die Beklagte auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat (vgl. zum Ermessen Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage, § 193 Rdnr. 12 ff.), sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten (§ 193 SGG). Der Senat ist der Auffassung, dass die Rechtsverfolgung missbräuchlich ist, da -jedenfalls- der rechtskundige Bevollmächtigte (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG) nach den Hinweisen des Berichterstatters die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung erkennen musste; dennoch hat er davon abgesehen, Kosten der Klägerin aufzuerlegen, da er es als noch verständlich ansieht, dass sie die -eindeutige- Rechtslage nicht akzeptieren kann.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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