Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 2569/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1105/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Januar 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig. Ferner macht die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G (erhebliche Gehbehinderung) geltend.
Die Klägerin erlitt am 05.06.2003 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kurierfahrerin einen Verkehrsunfall (Arbeitsunfall), bei dem sie sich Frakturen im Bereich des Schädels, Gesichts, Schlüsselbeins und Schulterblatts und einen Oberschenkelhalsbruch rechts zuzog.
Mit Bescheid vom 05.12.2003 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) bei der am 11.08.1951 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, Muskuläre Verspannungen einen GdB von 20 seit 12.09.2003 fest.
Am 05.05.2004 beantragte die Klägerin beim VA die Erhöhung des GdB und machte geltend, nach dem am 05.06.2003 erlittenen Arbeitsunfall liege bei ihr ein Zustand nach Jochbeinbruch und eine Beinverkürzung rechts um 1 ½ cm. vor. Das VA holte von dem Chirurgen Dr. G. einen Befundbericht ein, dem der Bericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 27.01. bis 06.03.2004 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. beigefügt war. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, in der muskuläre Verspannungen, Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks als einen GdB von 20 bedingende Funktionsstörungen angenommen wurden - die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks wurde nur noch mit einem GdB von unter 10 bewertet -, lehnte das VA den Neufeststellungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 25.08.2004 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 10.09.2004 Widerspruch ein. Hierzu legte sie das unfallchirurgische Gutachten des S. Klinikums K. vom 28.07.2004 vor, das im Auftrag der A. Versicherungs-AG wegen den nach dem Arbeitsunfall vom 05.06.2003 im Bereich des rechten Beines verbliebenen Gesundheitsstörungen erstattet wurde. Darin wurde die Auffassung vertreten, dass die Funktionsfähigkeit des rechten Beines durch die eingeschränkte Hüftbeweglichkeit rechts voraussichtlich dauernd mindestens um 1/5 beeinträchtigt sein werde. Bei Zunahme der posttraumatischen Coxarthrose rechts würde die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eher zunehmen. Bezüglich der Verletzungen der rechten Schulter bestehe zur Zeit und auf Dauer keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit. Nachdem der Versorgungsarzt Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 05.06.2005 die Bewertung der Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks mit einem GdB von 20 für korrekt hielt und die Folgen der Schlüsselbein- und Schulterblattfraktur mit einem GdB von unter 10 bewertete, wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2005 zurück.
Am 06.07.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen GdB von 50, den Nachteilsausgleich G sowie ferner geltend machte, dass bei ihr eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts bestehe. Zur Begründung brachte sie vor, bedingt durch den Unfall und den damit verbundenen Hüftschaden und die Beinverkürzung um ca. 1,5 cm - sie sei bis zum Unfall als Kurierfahrerin tätig gewesen - könne sie keine schweren Lasten mehr tragen. Zudem sei sie übergewichtig und leide unter einem Schulter-Arm- Syndrom rechts. Ferner bestünden muskuläre Verspannungen. Außerdem besitze sie seit dem Unfall auf einem Auge nur noch eine Sehschärfe von 60%. Es liege daher mindestens ein GdB von 50 vor. Da sie nicht mehr 30 Minuten schmerzfrei gehen könne, stehe ihr auch der Nachteilsausgleich G zu.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.08.2007 geltend, die Funktionsstörungen der Klägerin seien mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Zwar seien Ohrgeräusche (Tinnitus), und ein Kopfschmerzsyndrom zusätzlich zu berücksichtigen. Der dafür zu veranschlagende GdB von 10 führe jedoch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Das SG hörte zunächst die Augenärztin Dr. K. (schriftliche Angaben vom 25.08.2005: keine Einschränkung des Sehvermögens bei der letzten Untersuchung am 15.11.2004), den Orthopäden Dr. E. (12.09.2005), Dr. G. (15.09.2005) und den Internisten Dr. B. (Fax vom 13.12.2005), der weitere ärztliche Unterlagen beifügte, schriftlich als sachverständige Zeugen. Während Dr. E. angab, er habe die Klägerin zuletzt am 02.04.2002 gesehen und könne daher zu Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seit August 2003 keine Angaben machen, berichtete Dr. G. über die Behandlung der Klägerin bis 30.09.2004 und gab an, seit dem Unfall vom 05.06.2003 bestehe eine Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit rechts. Zu dem 2002 festgestellten Schulter-Arm-Syndrom rechts könne er keine Feststellungen treffen. Schon Ende August 2003 sei die rechte Schulter in einem Entlassungsbericht als "fast frei mobil" bezeichnet worden. Insofern sei anzunehmen, dass hinsichtlich der anamnestisch bekannten Beschwerden keine Relevanz mehr bestehe. Das Hüftgelenksleiden rechts lasse nicht auf eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Straßenverkehr schließen. Dr. B. berichtete über die wegen einer Rhinobronchitis am 03.12.2004 letztmals erfolgte Behandlung (mit Arbeitsunfähigkeit vom 29.11. bis 13.12.2004). Er gab an, die Erkrankung dürfte ausgeheilt sein. Ferner ließ sich das SG von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. den Bericht vom 15.11.2004 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 13.10.2004 bis 11.11.2004 übersenden (Diagnose: Belastungsdefizit rechtes Bein nach medialer Schenkelhalsfraktur, versorgt mit Lochschrauben, Osteosynthese und Zustand nach Metallentfernung). Zudem zog das SG die Unfallakten der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) bei und nahm das HNO-ärztliche Zusatzgutachten von Dr. G. vom 13.02.2006 (Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die unfallbedingte Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beiderseits und den unfallunabhängigen Tinnitus beiderseits unter 10 v.H.), das augenärztliche Gutachten von Prof. Dr. L. vom 06.03.2006 (keine messbare unfallbedingte MdE) und das mund-kiefer-gesichtschirurgische Gutachten des S. Klinikums K. vom 05.05.2006 (MdE 25 v.H.), die Stellungnahme des Universitätsklinikums Tübingen vom 24.11.2006 und dessen mund-kiefer-gesichtschirurgisches Gutachten vom 02.03.2007 (MdE weniger als 10 v.H.) zu den Akten. Die BGF übersandte dem SG den - von der Klägerin mit dem Widerspruch angefochtenen - Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 10.04.2007, mit dem der Klägerin unter Feststellung einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beiderseits, einer Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und des rechten Hüftgelenks sowie einer Beinlängenverkürzung rechts eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H. zuerkannt worden ist. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörungen wurden in diesem Bescheid ein cervicogener Spannungskopfschmerz, ein Tinnitus beiderseits und Zahnlosigkeit im Ober- und Unterkiefer beurteilt.
Mit Urteil vom 10.01.2008 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen bewertete es das Hüftgelenksleiden der Klägerin mit einem GdB von 20, die Schultergelenksbeschwerden mit einem GdB von 10 sowie die Innenohrschwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus und die Einschränkungen im Bereich der Augen jeweils mit einem GdB von 0 bis 10 und hielt insgesamt einen GdB von 20 für gerechtfertigt. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G verneinte das SG. Das schriftliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.02.2008 zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2008 Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Zielen festhält. Die bei ihr vorliegenden Funktionsstörungen seien mit einem GdB von 50 zu bewerten. Die Beeinträchtigung im Bereich des rechten Beines bedinge einen GdB von mindestens 25. Hinzu kämen ihre Beschwerden im Bereich der Ohren (Ohrensausen) und im Bereich der Augen sowie ihr Kopfschmerz. Ferner bestehe noch eine Gesichtsentstellung. Diese Funktionsstörungen seien jeweils mit einem GdB von 20 zu bewerten, so dass insgesamt ein GdB von 50 vorliege. Auch die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G seien erfüllt. Inzwischen hätten sich ihre Beschwerden deutlich verschlechtert. Wahrscheinlich müsse bei ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Klage auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 28.10.2008 geltend, die Funktionsstörungen der Klägerin seien mit einem GdB von 20 korrekt bewertet.
Der Senat hat den im Rentenrechtsstreit S 4 R 5839/07 von dem Facharzt für Chirurgie Dr. K. am 15.05.2008 erstatteten Bericht zu den Akten genommen. Darin hat Dr. K. eine Coxarthrose III. Grades im Bereich des rechten Hüftgelenks mit Beinverkürzung rechts von 2 cm bei Zustand nach medialer Schenkelhalsfraktur vom 05.06.2003, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine reaktive Depression bei progredientem Beschwerdebild diagnostiziert. Im Verlauf der seit 06.02.2006 stattfindenden Behandlung sei es zu einer Verschlechterung der Beschwerden gekommen. Seinem Bericht beigefügt war der Bericht des Radiologen Dr. R. vom 23.03.2006 über die Kernspintomographie der Brust- und Lendenwirbelsäule. Ferner hat sich der Senat die Unfallakten der BGF übersenden lassen und hat das unfallchirurgische Gutachten der S.-V-Kliniken K vom 11.07.2008 zu den Akten genommen. Danach bedingen die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. Eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. sei aufgrund der mit einer Beinlängenverkürzung von 2 cm ausgeheilten Schenkelhalsfraktur gerechtfertigt, da diese zu einer zumindest teilweisen Nekrose des Hüftkopfes und einer damit verbundenen Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks geführt habe. Damit abgegolten seien die durch die Beinverkürzung und das Streckdefizit der rechten Hüfte verursachten Haltungsprobleme der Wirbelsäule. Anschließend hat der Senat von dem Orthopäden Dr. S. ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt. Dieser hat die Klägerin am 07.12.2009 ambulant untersucht und ist unter Berücksichtigung der Berichte von Dr. F. über die native MRT der Lendenwirbelsäule vom 19.11.2008 und von Dr. R. über die am 08.12.2009 durchgeführte Röntgenuntersuchung des Beckens und der rechten Hüfte in seinem Gutachten vom 09.12.2009 zu dem Ergebnis gekommen, die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks und Beinverkürzung rechts nach operativ behandelter Schenkelhalsfraktur sei mit einem GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen im Lendenabschnitt mit einem GdB von 10 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Funktionsstörungen Kopfschmerzsyndrom, Hochtoninnenohrschwerhörigkeit, Ohrgeräusche (GdB 10) schätze er den Gesamt-GdB auf 20.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 25.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2005, mit dem der Beklagte die von der Klägerin beantragte Erhöhung des bisherigen GdB von 20 mangels wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse abgelehnt hat. Nicht mehr Streitgegenstand ist hingegen ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G, denn die Klägerin hat die hierauf gerichtete Klage zurückgenommen und das angefochtene Urteil des SG ist insoweit wirkungslos geworden (§ 102 Abs. 1 SGG, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von über 20 oder gar 50. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin gegenüber der Erstfeststellung vom 05.12.2003 im Ergebnis nicht wesentlich geändert hat und mit einem GdB von 20 weiterhin angemessen bewertet ist. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung zum selben Erlebnis. Die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen bei der gebotenen Gegenüberstellung der zugunsten und zuungunsten der Klägerin eingetretenen Änderungen nach wie vor einen GdB von 20. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte einschließlich der beigezogenen Unfallgutachten sowie hauptsächlich auf das im Berufungsverfahren zur weiteren Klärung des medizinischen Sachverhalts eingeholte fachorthopädische Gutachten von Dr. S. vom 09.12.2009.
Eine Würdigung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass im Vordergrund der Beeinträchtigung der Klägerin die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks einschließlich Beinverkürzung steht. Hinzu kommt noch - in geringerer Ausprägung - eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie ein Kopfschmerzsyndrom, eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche.
Bei der Klägerin liegt eine mit einer Beinlängendifferenz von 1,5 cm verbundene Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks vor, die bei der mit Bescheid vom 05.12.2003 erfolgten Erstfeststellung noch nicht berücksichtigt worden ist. Diese Funktionsstörung bedingt einen GdB von 20. Nach Teil B Nr. 18.14 der VG ist eine Bewegungseinschränkung eines Hüftgelenks geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) mit einem GdB von 10 bis 20 zu bewerten. Erst bei einer Bewegungseinschränkung mittleren Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-30-90) ist danach ein GdB von 30 anzunehmen. Die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. ergab bei voller Streckfähigkeit beider Hüftgelenke eine Beugefähigkeit rechts von 120 ° (links 110 °), so dass auch unter Berücksichtigung der nach diesem Gutachten gegenüber dem linken Hüftgelenk in geringem Umfang eingeschränkten Dreh- und Spreizfähigkeit (rechts 10-0-20, links 25-0-30 bzw. rechts 20-0-25, links 30-0-30 °) nur von einer Bewegungseinschränkung geringen Grades gesprochen werden kann. Auch in dem für die BGF von Dr. R. von den S.-V-Kliniken K. am 11.07.2008 erstatteten unfallchirurgischen Gutachten, in dem für die Unfallfolgen im Bereich des rechten Hüftgelenks eine MdE von 20 v.H. angenommen wurde, ist ebenfalls nur von einem geringen Beugedefizit der rechten Hüfte die Rede. Die Dreh- und Spreizfähigkeit der rechten Hüfte wurde in diesem Gutachten allerdings als deutlich eingeschränkt bezeichnet. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 20 lässt sich damit jedoch angesichts der nicht eingeschränkten Streck- und nur gering eingeschränkten Beugefähigkeit - wie die Annahme einer MdE von 20 v. H. durch Dr. R. auch zeigt - nicht begründen. Ein GdB von mindestens 25 für das Hüftgelenksleiden der Klägerin - wie von ihr geltend gemacht - ist somit zu verneinen.
Hinzu kommt die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die einen GdB von 10 bedingt. Es handelt sich hierbei um Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die sich zu einem Teil auch auf eine funktionelle Mehrbelastung infolge der Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks zurückführen lassen. Neurologische Ausfallserscheinungen bestehen jedoch nach dem Gutachten von Dr. S. nicht. Dieser bewertet das Wirbelsäulenleiden der Klägerin (unter Einschluss der von der Beklagten bereits berücksichtigten muskulären Verspannungen) mit einem GdB von 10. Dieser Bewertung folgt der Senat. Sie entspricht Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome), die nach Teil B Nr. 18.9 der VG mit einem GdB von 10 zu bewerten sind. Eine höhere Bewertung (GdB 20) ist nach den von Dr. S. erhobenen Befunden nicht gerechtfertigt. Dies würde - hier nicht vorliegende - mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. Teil B Nr. 18.9 der VG) voraussetzen.
Zusätzlich zu berücksichtigen sind Ohrgeräusche und ein Kopfschmerzsyndrom, für die nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Franke vom 17.08.2008, der nicht zu folgen der Senat keinen Anlass sieht, ein GdB von 10 anzunehmen ist.
Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von mindestens 10 liegen bei der Klägerin nicht (mehr) vor. Eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks - mit Bescheid vom 05.12.2003 noch als Funktionsstörung berücksichtigt - liegt nicht mehr vor. Dies folgt nicht nur aus dem Ergebnis der Untersuchung der Klägerin durch Dr. S., sondern auch aus den Angaben des vom SG gehörten Chirurgen Dr. G., bei dem die Klägerin letztmals am 30.09.2004 in Behandlung war. Dieser hat am 15.09.2005 gegenüber dem SG angegeben, dass die rechte Schulter der Klägerin bereits Ende August 2003 in einem Klinikbericht als "fast frei mobil" bezeichnet worden ist. Insofern nehme er an, dass bezüglich der anamnestisch bekannten Beschwerden keine Relevanz mehr bestehe. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Der Beklagte hat somit im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2004 (Widerspruchsbescheid vom 16.06.2005) zu Recht keine Funktionsstörung seitens der rechten Schulter mehr berücksichtigt, da insoweit schon seinerzeit keine Funktionsstörung mehr vorlag.
Auch andere einen GdB von mindestens 10 bedingende Funktionsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Das gilt für die von der Klägerin angegebenen Augenbeschwerden (laut Angaben der Augenärztin Dr. K. vom 25.08.2005 gegenüber dem SG keine Einschränkung des insoweit maßgebenden Sehvermögens), für die Hochtoninnenohrschwerhörigkeit ( nach dem Gutachten von Dr. G. vom 23.02.2006 MdE unter 10 v. H.), für die geltend gemachte Entstellung durch die Narbenbildung im Gesicht, die aber von dem Augenarzt Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 06.03.2006 verneint worden ist, und eine psychische Störung in behinderndem Ausmaß, für die sich in den vorliegenden umfangreichen ärztlichen Unterlagen keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 20. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier der Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 20) - auszugehen. Hinzu kommen die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10) und die ebenfalls mit einem GdB von 10 zu bewertenden Funktionsstörungen Ohrgeräusche und Kopfschmerzsyndrom. Die jeweils nur mit einem GdB von 10 bewerteten Funktionsstörungen führen nach Teil A Nr. 3 d) ee) der VG grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Ein Ausnahmefall, der mit der in dieser Vorschrift der VG genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig. Ferner macht die Klägerin die gesundheitlichen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches G (erhebliche Gehbehinderung) geltend.
Die Klägerin erlitt am 05.06.2003 im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kurierfahrerin einen Verkehrsunfall (Arbeitsunfall), bei dem sie sich Frakturen im Bereich des Schädels, Gesichts, Schlüsselbeins und Schulterblatts und einen Oberschenkelhalsbruch rechts zuzog.
Mit Bescheid vom 05.12.2003 stellte das Versorgungsamt Karlsruhe (VA) bei der am 11.08.1951 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung einer Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks, Muskuläre Verspannungen einen GdB von 20 seit 12.09.2003 fest.
Am 05.05.2004 beantragte die Klägerin beim VA die Erhöhung des GdB und machte geltend, nach dem am 05.06.2003 erlittenen Arbeitsunfall liege bei ihr ein Zustand nach Jochbeinbruch und eine Beinverkürzung rechts um 1 ½ cm. vor. Das VA holte von dem Chirurgen Dr. G. einen Befundbericht ein, dem der Bericht über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 27.01. bis 06.03.2004 in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. beigefügt war. Nach Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme, in der muskuläre Verspannungen, Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks als einen GdB von 20 bedingende Funktionsstörungen angenommen wurden - die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Schultergelenks wurde nur noch mit einem GdB von unter 10 bewertet -, lehnte das VA den Neufeststellungsantrag der Klägerin mit Bescheid vom 25.08.2004 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 10.09.2004 Widerspruch ein. Hierzu legte sie das unfallchirurgische Gutachten des S. Klinikums K. vom 28.07.2004 vor, das im Auftrag der A. Versicherungs-AG wegen den nach dem Arbeitsunfall vom 05.06.2003 im Bereich des rechten Beines verbliebenen Gesundheitsstörungen erstattet wurde. Darin wurde die Auffassung vertreten, dass die Funktionsfähigkeit des rechten Beines durch die eingeschränkte Hüftbeweglichkeit rechts voraussichtlich dauernd mindestens um 1/5 beeinträchtigt sein werde. Bei Zunahme der posttraumatischen Coxarthrose rechts würde die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit eher zunehmen. Bezüglich der Verletzungen der rechten Schulter bestehe zur Zeit und auf Dauer keine Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit. Nachdem der Versorgungsarzt Dr. K. in seiner Stellungnahme vom 05.06.2005 die Bewertung der Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks mit einem GdB von 20 für korrekt hielt und die Folgen der Schlüsselbein- und Schulterblattfraktur mit einem GdB von unter 10 bewertete, wies das Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2005 zurück.
Am 06.07.2005 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen GdB von 50, den Nachteilsausgleich G sowie ferner geltend machte, dass bei ihr eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts bestehe. Zur Begründung brachte sie vor, bedingt durch den Unfall und den damit verbundenen Hüftschaden und die Beinverkürzung um ca. 1,5 cm - sie sei bis zum Unfall als Kurierfahrerin tätig gewesen - könne sie keine schweren Lasten mehr tragen. Zudem sei sie übergewichtig und leide unter einem Schulter-Arm- Syndrom rechts. Ferner bestünden muskuläre Verspannungen. Außerdem besitze sie seit dem Unfall auf einem Auge nur noch eine Sehschärfe von 60%. Es liege daher mindestens ein GdB von 50 vor. Da sie nicht mehr 30 Minuten schmerzfrei gehen könne, stehe ihr auch der Nachteilsausgleich G zu.
Der Beklagte trat der Klage entgegen und machte unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.08.2007 geltend, die Funktionsstörungen der Klägerin seien mit einem GdB von 20 angemessen bewertet. Zwar seien Ohrgeräusche (Tinnitus), und ein Kopfschmerzsyndrom zusätzlich zu berücksichtigen. Der dafür zu veranschlagende GdB von 10 führe jedoch nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB.
Das SG hörte zunächst die Augenärztin Dr. K. (schriftliche Angaben vom 25.08.2005: keine Einschränkung des Sehvermögens bei der letzten Untersuchung am 15.11.2004), den Orthopäden Dr. E. (12.09.2005), Dr. G. (15.09.2005) und den Internisten Dr. B. (Fax vom 13.12.2005), der weitere ärztliche Unterlagen beifügte, schriftlich als sachverständige Zeugen. Während Dr. E. angab, er habe die Klägerin zuletzt am 02.04.2002 gesehen und könne daher zu Änderungen im Gesundheitszustand der Klägerin seit August 2003 keine Angaben machen, berichtete Dr. G. über die Behandlung der Klägerin bis 30.09.2004 und gab an, seit dem Unfall vom 05.06.2003 bestehe eine Einschränkung der Hüftgelenksbeweglichkeit rechts. Zu dem 2002 festgestellten Schulter-Arm-Syndrom rechts könne er keine Feststellungen treffen. Schon Ende August 2003 sei die rechte Schulter in einem Entlassungsbericht als "fast frei mobil" bezeichnet worden. Insofern sei anzunehmen, dass hinsichtlich der anamnestisch bekannten Beschwerden keine Relevanz mehr bestehe. Das Hüftgelenksleiden rechts lasse nicht auf eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Straßenverkehr schließen. Dr. B. berichtete über die wegen einer Rhinobronchitis am 03.12.2004 letztmals erfolgte Behandlung (mit Arbeitsunfähigkeit vom 29.11. bis 13.12.2004). Er gab an, die Erkrankung dürfte ausgeheilt sein. Ferner ließ sich das SG von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. den Bericht vom 15.11.2004 über die stationäre Behandlung der Klägerin vom 13.10.2004 bis 11.11.2004 übersenden (Diagnose: Belastungsdefizit rechtes Bein nach medialer Schenkelhalsfraktur, versorgt mit Lochschrauben, Osteosynthese und Zustand nach Metallentfernung). Zudem zog das SG die Unfallakten der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen (BGF) bei und nahm das HNO-ärztliche Zusatzgutachten von Dr. G. vom 13.02.2006 (Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die unfallbedingte Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beiderseits und den unfallunabhängigen Tinnitus beiderseits unter 10 v.H.), das augenärztliche Gutachten von Prof. Dr. L. vom 06.03.2006 (keine messbare unfallbedingte MdE) und das mund-kiefer-gesichtschirurgische Gutachten des S. Klinikums K. vom 05.05.2006 (MdE 25 v.H.), die Stellungnahme des Universitätsklinikums Tübingen vom 24.11.2006 und dessen mund-kiefer-gesichtschirurgisches Gutachten vom 02.03.2007 (MdE weniger als 10 v.H.) zu den Akten. Die BGF übersandte dem SG den - von der Klägerin mit dem Widerspruch angefochtenen - Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 10.04.2007, mit dem der Klägerin unter Feststellung einer Hochtoninnenohrschwerhörigkeit beiderseits, einer Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und des rechten Hüftgelenks sowie einer Beinlängenverkürzung rechts eine Unfallrente nach einer MdE von 20 v.H. zuerkannt worden ist. Als unfallunabhängige Gesundheitsstörungen wurden in diesem Bescheid ein cervicogener Spannungskopfschmerz, ein Tinnitus beiderseits und Zahnlosigkeit im Ober- und Unterkiefer beurteilt.
Mit Urteil vom 10.01.2008 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen bewertete es das Hüftgelenksleiden der Klägerin mit einem GdB von 20, die Schultergelenksbeschwerden mit einem GdB von 10 sowie die Innenohrschwerhörigkeit einschließlich des Tinnitus und die Einschränkungen im Bereich der Augen jeweils mit einem GdB von 0 bis 10 und hielt insgesamt einen GdB von 20 für gerechtfertigt. Die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs G verneinte das SG. Das schriftliche Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 06.02.2008 zugestellt.
Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2008 Berufung eingelegt, mit der sie an ihren Zielen festhält. Die bei ihr vorliegenden Funktionsstörungen seien mit einem GdB von 50 zu bewerten. Die Beeinträchtigung im Bereich des rechten Beines bedinge einen GdB von mindestens 25. Hinzu kämen ihre Beschwerden im Bereich der Ohren (Ohrensausen) und im Bereich der Augen sowie ihr Kopfschmerz. Ferner bestehe noch eine Gesichtsentstellung. Diese Funktionsstörungen seien jeweils mit einem GdB von 20 zu bewerten, so dass insgesamt ein GdB von 50 vorliege. Auch die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich G seien erfüllt. Inzwischen hätten sich ihre Beschwerden deutlich verschlechtert. Wahrscheinlich müsse bei ihr ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Klage auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Januar 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Götz vom 28.10.2008 geltend, die Funktionsstörungen der Klägerin seien mit einem GdB von 20 korrekt bewertet.
Der Senat hat den im Rentenrechtsstreit S 4 R 5839/07 von dem Facharzt für Chirurgie Dr. K. am 15.05.2008 erstatteten Bericht zu den Akten genommen. Darin hat Dr. K. eine Coxarthrose III. Grades im Bereich des rechten Hüftgelenks mit Beinverkürzung rechts von 2 cm bei Zustand nach medialer Schenkelhalsfraktur vom 05.06.2003, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom und eine reaktive Depression bei progredientem Beschwerdebild diagnostiziert. Im Verlauf der seit 06.02.2006 stattfindenden Behandlung sei es zu einer Verschlechterung der Beschwerden gekommen. Seinem Bericht beigefügt war der Bericht des Radiologen Dr. R. vom 23.03.2006 über die Kernspintomographie der Brust- und Lendenwirbelsäule. Ferner hat sich der Senat die Unfallakten der BGF übersenden lassen und hat das unfallchirurgische Gutachten der S.-V-Kliniken K vom 11.07.2008 zu den Akten genommen. Danach bedingen die Unfallfolgen eine MdE von 20 v.H. Eine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. sei aufgrund der mit einer Beinlängenverkürzung von 2 cm ausgeheilten Schenkelhalsfraktur gerechtfertigt, da diese zu einer zumindest teilweisen Nekrose des Hüftkopfes und einer damit verbundenen Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks geführt habe. Damit abgegolten seien die durch die Beinverkürzung und das Streckdefizit der rechten Hüfte verursachten Haltungsprobleme der Wirbelsäule. Anschließend hat der Senat von dem Orthopäden Dr. S. ein fachorthopädisches Gutachten eingeholt. Dieser hat die Klägerin am 07.12.2009 ambulant untersucht und ist unter Berücksichtigung der Berichte von Dr. F. über die native MRT der Lendenwirbelsäule vom 19.11.2008 und von Dr. R. über die am 08.12.2009 durchgeführte Röntgenuntersuchung des Beckens und der rechten Hüfte in seinem Gutachten vom 09.12.2009 zu dem Ergebnis gekommen, die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks und Beinverkürzung rechts nach operativ behandelter Schenkelhalsfraktur sei mit einem GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei degenerativen Veränderungen im Lendenabschnitt mit einem GdB von 10 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Funktionsstörungen Kopfschmerzsyndrom, Hochtoninnenohrschwerhörigkeit, Ohrgeräusche (GdB 10) schätze er den Gesamt-GdB auf 20.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 25.08.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2005, mit dem der Beklagte die von der Klägerin beantragte Erhöhung des bisherigen GdB von 20 mangels wesentlicher Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse abgelehnt hat. Nicht mehr Streitgegenstand ist hingegen ein Anspruch der Klägerin auf Feststellung des Nachteilsausgleichs G, denn die Klägerin hat die hierauf gerichtete Klage zurückgenommen und das angefochtene Urteil des SG ist insoweit wirkungslos geworden (§ 102 Abs. 1 SGG, § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO).
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von über 20 oder gar 50. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" 2004 (AHP) hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008" (AHP) inhaltsgleichen "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) nun heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin gegenüber der Erstfeststellung vom 05.12.2003 im Ergebnis nicht wesentlich geändert hat und mit einem GdB von 20 weiterhin angemessen bewertet ist. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung zum selben Erlebnis. Die vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen rechtfertigen bei der gebotenen Gegenüberstellung der zugunsten und zuungunsten der Klägerin eingetretenen Änderungen nach wie vor einen GdB von 20. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte einschließlich der beigezogenen Unfallgutachten sowie hauptsächlich auf das im Berufungsverfahren zur weiteren Klärung des medizinischen Sachverhalts eingeholte fachorthopädische Gutachten von Dr. S. vom 09.12.2009.
Eine Würdigung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass im Vordergrund der Beeinträchtigung der Klägerin die Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks einschließlich Beinverkürzung steht. Hinzu kommt noch - in geringerer Ausprägung - eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie ein Kopfschmerzsyndrom, eine Hochtoninnenohrschwerhörigkeit und Ohrgeräusche.
Bei der Klägerin liegt eine mit einer Beinlängendifferenz von 1,5 cm verbundene Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks vor, die bei der mit Bescheid vom 05.12.2003 erfolgten Erstfeststellung noch nicht berücksichtigt worden ist. Diese Funktionsstörung bedingt einen GdB von 20. Nach Teil B Nr. 18.14 der VG ist eine Bewegungseinschränkung eines Hüftgelenks geringen Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-10-90 mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit) mit einem GdB von 10 bis 20 zu bewerten. Erst bei einer Bewegungseinschränkung mittleren Grades (z.B. Streckung/Beugung bis zu 0-30-90) ist danach ein GdB von 30 anzunehmen. Die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. S. ergab bei voller Streckfähigkeit beider Hüftgelenke eine Beugefähigkeit rechts von 120 ° (links 110 °), so dass auch unter Berücksichtigung der nach diesem Gutachten gegenüber dem linken Hüftgelenk in geringem Umfang eingeschränkten Dreh- und Spreizfähigkeit (rechts 10-0-20, links 25-0-30 bzw. rechts 20-0-25, links 30-0-30 °) nur von einer Bewegungseinschränkung geringen Grades gesprochen werden kann. Auch in dem für die BGF von Dr. R. von den S.-V-Kliniken K. am 11.07.2008 erstatteten unfallchirurgischen Gutachten, in dem für die Unfallfolgen im Bereich des rechten Hüftgelenks eine MdE von 20 v.H. angenommen wurde, ist ebenfalls nur von einem geringen Beugedefizit der rechten Hüfte die Rede. Die Dreh- und Spreizfähigkeit der rechten Hüfte wurde in diesem Gutachten allerdings als deutlich eingeschränkt bezeichnet. Eine höhere Bewertung als mit einem GdB von 20 lässt sich damit jedoch angesichts der nicht eingeschränkten Streck- und nur gering eingeschränkten Beugefähigkeit - wie die Annahme einer MdE von 20 v. H. durch Dr. R. auch zeigt - nicht begründen. Ein GdB von mindestens 25 für das Hüftgelenksleiden der Klägerin - wie von ihr geltend gemacht - ist somit zu verneinen.
Hinzu kommt die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, die einen GdB von 10 bedingt. Es handelt sich hierbei um Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule, die sich zu einem Teil auch auf eine funktionelle Mehrbelastung infolge der Bewegungseinschränkung des rechten Hüftgelenks zurückführen lassen. Neurologische Ausfallserscheinungen bestehen jedoch nach dem Gutachten von Dr. S. nicht. Dieser bewertet das Wirbelsäulenleiden der Klägerin (unter Einschluss der von der Beklagten bereits berücksichtigten muskulären Verspannungen) mit einem GdB von 10. Dieser Bewertung folgt der Senat. Sie entspricht Wirbelsäulenschäden mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurz dauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome), die nach Teil B Nr. 18.9 der VG mit einem GdB von 10 zu bewerten sind. Eine höhere Bewertung (GdB 20) ist nach den von Dr. S. erhobenen Befunden nicht gerechtfertigt. Dies würde - hier nicht vorliegende - mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (vgl. Teil B Nr. 18.9 der VG) voraussetzen.
Zusätzlich zu berücksichtigen sind Ohrgeräusche und ein Kopfschmerzsyndrom, für die nach der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Franke vom 17.08.2008, der nicht zu folgen der Senat keinen Anlass sieht, ein GdB von 10 anzunehmen ist.
Weitere Funktionsstörungen mit einem GdB von mindestens 10 liegen bei der Klägerin nicht (mehr) vor. Eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks - mit Bescheid vom 05.12.2003 noch als Funktionsstörung berücksichtigt - liegt nicht mehr vor. Dies folgt nicht nur aus dem Ergebnis der Untersuchung der Klägerin durch Dr. S., sondern auch aus den Angaben des vom SG gehörten Chirurgen Dr. G., bei dem die Klägerin letztmals am 30.09.2004 in Behandlung war. Dieser hat am 15.09.2005 gegenüber dem SG angegeben, dass die rechte Schulter der Klägerin bereits Ende August 2003 in einem Klinikbericht als "fast frei mobil" bezeichnet worden ist. Insofern nehme er an, dass bezüglich der anamnestisch bekannten Beschwerden keine Relevanz mehr bestehe. Dieser Einschätzung folgt der Senat. Der Beklagte hat somit im angefochtenen Bescheid vom 25.08.2004 (Widerspruchsbescheid vom 16.06.2005) zu Recht keine Funktionsstörung seitens der rechten Schulter mehr berücksichtigt, da insoweit schon seinerzeit keine Funktionsstörung mehr vorlag.
Auch andere einen GdB von mindestens 10 bedingende Funktionsstörungen liegen bei der Klägerin nicht vor. Das gilt für die von der Klägerin angegebenen Augenbeschwerden (laut Angaben der Augenärztin Dr. K. vom 25.08.2005 gegenüber dem SG keine Einschränkung des insoweit maßgebenden Sehvermögens), für die Hochtoninnenohrschwerhörigkeit ( nach dem Gutachten von Dr. G. vom 23.02.2006 MdE unter 10 v. H.), für die geltend gemachte Entstellung durch die Narbenbildung im Gesicht, die aber von dem Augenarzt Prof. Dr. L. in seinem Gutachten vom 06.03.2006 verneint worden ist, und eine psychische Störung in behinderndem Ausmaß, für die sich in den vorliegenden umfangreichen ärztlichen Unterlagen keine ausreichenden Anhaltspunkte ergeben.
Insgesamt ergibt sich kein höherer GdB als 20. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier der Funktionsbehinderung des rechten Hüftgelenks (GdB 20) - auszugehen. Hinzu kommen die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (GdB 10) und die ebenfalls mit einem GdB von 10 zu bewertenden Funktionsstörungen Ohrgeräusche und Kopfschmerzsyndrom. Die jeweils nur mit einem GdB von 10 bewerteten Funktionsstörungen führen nach Teil A Nr. 3 d) ee) der VG grundsätzlich nicht zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB. Ein Ausnahmefall, der mit der in dieser Vorschrift der VG genannten Art vergleichbar wäre, liegt nicht vor.
Die Berufung war somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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