L 8 AL 1652/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AL 2747/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1652/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 26. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 09.04.2010 form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers gegen das ihm am 18.03.2010 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Heilbronn (SG) vom 26.02.2010 ist zulässig. Die Berufung gegen dieses Urteil des SG ist nicht statthaft.

Die Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geldleistung betrifft, 750 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in der seit 01.04.2008 geltenden und hier anzuwendenden Fassung). Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Das Landessozialgericht entscheidet über die Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden (§ 145 Abs. 4 SGG).

Danach bedarf die Berufung gegen das Urteil des SG vom 26.02.2010 der Zulassung. Gegenstand der Klage waren die Bescheide der Beklagten vom 08.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2009, soweit die Leistungsbewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von täglich 17,56 EUR wegen des Eintritts einer Sperrzeit vom 26.05.2009 bis 01.06.2009 (eine Woche) wegen eines Meldeversäumnisses des Klägers am 25.05.2009 gemäß § 144 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für diesen Zeitraum aufgehoben und erbrachte Leistungen in Höhe von 105,36 EUR vom Kläger unter Aufrechnung zurückgefordert sowie die Minderung der Anspruchsdauer von Alg für sieben Tage festgestellt wurden. Der Wert des Beschwerdegegenstandes (7 x 17,56 EUR + 7 x 17,56 EUR Anspruchsminderung) übersteigt damit 750 EUR nicht. Wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr sind nicht betroffen.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Berufung im Urteil vom 26.02.2010 zu Recht nicht zugelassen.

Zuzulassen ist die Berufung nur, wenn eine der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Voraussetzungen erfüllt ist. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Der vom Kläger gerügte Verfahrensmangel, das SG sei seinem zum Nachweis eines wichtigen Grundes (Übelkeit und Erbrechen) für das Meldeversäumnis (schriftsätzlich) gestellten Beweisantrag, die Zeugen Elfriede Maier (Großmutter des Klägers) und Friedrich Sonnenberg (Vater des Klägers) ohne Begründung nicht gefolgt, liegt nicht vor.

Dass das SG dem Beweisantrag ohne Begründung nicht gefolgt sei, trifft nicht zu. Vielmehr hat das SG im Urteil vom 26.02.2010 hierzu ausgeführt: "Die Feststellung des konkreten Befindens des Klägers am 25.05.2009 kann durch medizinische Befunde nicht getroffen werden; vergleichbar mit den Regelungen zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit kann der Nachweis durch Aussagen oder Auskünften medizinischer Laien, wie dies beim Vater und der Großmutter des Klägers der Fall wäre, nicht geführt werden." Damit hat das SG unter Darlegung der dafür maßgeblichen Gründe den Beweisantrag des Klägers abgelehnt.

Die Ablehnung des Beweisantrages war - entgegen der Ansicht des Klägers - auch nicht (wegen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung bzw. unzureichender Sachaufklärung und Verstoß gegen das rechtliche Gehör) verfahrensfehlerhaft. Eine Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (Amtsermittlungspflicht) kann zwar auf die Übergehung eines Beweisantrags gestützt werden, dem das SG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dazu muss der Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellt oder, falls er vorher schriftsätzlich niedergelegt war, aufrechterhalten worden sein (vgl. BSG, Beschluss vom 21. August 2007 - B 3 P 18/07 B - (juris)). Ein Beweisantrag hat im sozialgerichtlichen Verfahren Warnfunktion und soll der Tatsacheninstanz vor der Entscheidung vor Augen führen, dass die gerichtliche Aufklärungspflicht von einem Beteiligten noch nicht als erfüllt angesehen wird. Wird ein Beweisantrag in einem vorbereitenden Schriftsatz gestellt - wie dies hier geschehen ist - so ist er dann nicht übergangen worden, wenn den näheren Umständen zu entnehmen ist, dass er bis zur Entscheidung des Sozialgerichts nicht weiter verfolgt wurde. Dies ist bei rechtskundig vertretenen Beteiligten regelmäßig anzunehmen, wenn sie einen zuvor angekündigten Beweisantrag nicht mehr wiederholt haben (vgl. BSG, Beschluss vom 20. September 2007 - B 5a - 5 R 262/07 B - (juris)). In der mündlichen Verhandlung am 26.02.2010 hat der Kläger seinen schriftsätzlichen Beweisantrag (Beweisanregung) nicht mehr ausdrücklich gestellt, bei seiner persönlichen Anhörung aber auf die Angaben von Vater und Großmutter als Zeugen abgestellt. Ob davon auszugehen ist, dass sich der Beweisantrag erledigt hat (vgl. BSG SozR 3-1500 § 160 Nr. 31), kann dahinstehen. Hierauf kommt es letztlich nicht maßgeblich an. Denn auch eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG liegt durch das Absehen von einer Vernehmung der vom Kläger benannten Zeugen nicht vor.

Ein Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht ist nur gegeben, wenn sich das Sozialgericht auf der Grundlage seiner eigenen materiell-rechtlichen Auffassung hätte gedrängt fühlen müssen, weitere Ermittlungen anzustellen (vgl. u. a. BSG, Beschluss vom 31. Juli 1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr. 5 = JURIS-Dokument RdNr. 2; BSG, Urteil vom 8. September 2005 - B 13 RJ 10/04 R - BSGE 95, 112 [115] = SozR 4-2600 § 101 Nr. 2 = JURIS-Dokument RdNr. 20; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 144 RdNr. 34 und § 103 RdNr. 5, 20, jeweils m. w. N.). Dies war hinsichtlich der vom Kläger benannten Zeugen nicht der Fall. Dass das SG eine zeitnahe Aufklärung des Sachverhaltes durch eine kompetente ärztliche Einschätzung über das Vorliegen einer Erkrankung und deren Auswirkungen in Bezug auf einen Meldetermin für erforderlich gehalten hat, ist nicht zu beanstanden. Dass die Annahme des SG, die benannten Zeugen seien medizinische Laien nicht zutrifft, wie der Kläger rügt, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger im Übrigen auch im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert dargelegt. Anhaltspunkte dafür, dass die benannten Zeugen über die vom SG für erforderlich gehaltene medizinische Fachkunde tatsächlich verfügen, gibt es nicht. Das SG musste sich deshalb aus seiner Sicht - ohne dass eine vorweggenommene Beweiswürdigung vorliegt - nicht gedrängt fühlen, weitere Ermittlungen zur medizinischen Qualifikation der benannten Zeugen anzustellen, wie der Kläger meint. Das Gericht muss nicht von sich aus in alle Richtungen ermitteln. Nachforschungen sind nur dann erforderlich, soweit sie der Sachverhalt und der Vortrag der Beteiligten nahe legen. Es hätte danach dem Kläger oblegen, nähere Angaben zu machen, wozu er bei seiner Anhörung in der öffentlichen Sitzung des SG am 26.02.2010 Gelegenheit hatte. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass die benannten Zeugen angeben könnten, dass er erbrochen habe. Diese Angaben lassen nicht erkennen, dass die benannten Zeugen über die vom SG für erforderlich gehaltene medizinische Fachkunde tatsächlich verfügen.

Unter diesen Gegebenheiten liegt auch ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht vor. Dem Sitzungsprotokoll ist kein unbedingter Beweisantrag des Klägers zu entnehmen, über den eine Entscheidung der Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorab hätte ergehen müssen. Ein solcher unbedingter Beweisantrag ist auch mit dem Beschwerdevorbringen, mit dem eine unterbliebene "Verbescheidung" gerügt wird, nicht behauptet worden.

Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die weitere Entwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [9. Aufl., 2008], § 144 Rdnr. 28). Eine Tatsachenfrage kann auch dann die Zulassung der Berufung nicht begründen, wenn ihre Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen haben kann (Leitherer, a. a. O., Rdnr. 29, m. w. N.). Die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, "auf welche Art und Weise das Darlegen und Nachweisen des § 144 Absatz 1 Satz 3 SGB III geschehen müsse oder dürfe", richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles und stellt keine Rechtsfrage dar, der grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann. Auch der klare Wortlaut dieser Vorschrift, wonach der Arbeitnehmer die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen hat, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen, gibt keinen Anlass zur Zulassung der Berufung.

Schließlich ist nicht ersichtlich, dass das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Eine solche Abweichung hat der Kläger im Beschwerdeverfahren auch nicht geltend gemacht.

Nach alledem war der Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im angefochtenen Urteil der Erfolg zu versagen.

Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil des SG vom 26.02.2010 rechtskräftig (§ 175 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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