L 8 U 5465/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3467/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 5465/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Verletztenrente streitig.

Der Kläger war als Tankwagenfahrer bei der F. D. M. und S. GmbH H., Niederlassung E., beschäftigt. Nach der am 09.01.2002 verfassten und am 20.02.2002 bei der Beklagten eingegangenen Unfallanzeige des Arbeitgebers des Klägers wollte der Kläger am 09.01.2002 eine Ausgleichsfeder an der Anhängerschere seines Lkw nachspannen. Dabei rutschte er mit der hierfür eingesetzten Stange ab. Danach verspürte der Kläger nach seinen Angaben Schmerzen in der rechten Schulter. Er begab sich deswegen am 09.01.2002 bei Dr. D. in Behandlung (Krankheitsbericht vom 24.09.2002), der Arbeitsunfähigkeit ab 09.01.2002 fortlaufend bescheinigte.

Am 21.01.2002 stellte sich der Kläger bei Dr. A. vor. In der Unfallmeldung vom 21.01.2002 beschrieb Dr. A. einen lokalen Druckschmerz im Bereich der Schulter. Fremdaufnahmen der rechten Schulter zeigten einen deutlichen Oberarmkopfhochstand sowie ein deutliches subacromiales Impingement-Syndrom. Dr. A. äußerte den dringenden Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur. Im Durchgangsarztbericht vom 21.01.2002 teilte Dr. Sch. mit, der Kläger habe sich am 10.01.2006 wegen Schmerzen zum Hausarzt begeben. Als Befund beschrieb Dr. Sch. einen lokalen Druckschmerz rechts an der Schulter vorn, anatomisch der langen Bizepssehne entsprechend, einen geringen Druckschmerz am Oberarm außenseitig, kein Stauchungsschmerz und kein Hinweis auf einen Riss der Bizepssehne. Röntgenbilder ergaben an der rechten Schulter keinen pathologischen Befund. Dr. Sch. diagnostizierte eine Periarthropathia humero-scapulatris rechts. Ein Arbeitsunfall wurde von ihm verneint. Am 26.02.2002 erfolgte im St. W. Sp. E.-R. mit den Diagnosen einer Rotatorenmanschetten-Massenruptur rechts unter Beteiligung der Supraspinatus- sowie Infraspinatussehne und AC-Gelenksarthrose eine offene Rotatorenmanschettenplastik, eine Acromioplastik und eine AC-Gelenksresektion. Eine Sonografie und MRT der rechten Schulter des Klägers zeigte eine ausgeprägte Ausdünnung der Rotatorenmanschette im Supraspinatussehnenbereich bzw. nicht mehr darstellbare Areale der Supraspinatussehne, eine große Ruptur im Ansatzbereich der Supraspinatussehne ohne wesentliche Hinweise auf eine Verfettung der Muskulatur sowohl des Supraspinatus als auch des Infraspinatus. Ein relevantes Unfallereignis wurde für denkbar gehalten (Bericht des St. W. Sp. vom 27.03.2002, dem ein pathologisch-anatomisches Gutachten des St.-A.-H. K. vom 01.03.2003 sowie der Operationsbericht vom 26.02.2002 beigefügt waren).

Die Beklagte befragte den Kläger zum Unfallgeschehen und zog das Vorerkrankungsverzeichnis der AOK Rheinland bei. Außerdem holte die Beklagte das Gutachten von Dr. G., St. W. Sp., vom 22.04.2003 ein. Dr. G. gelangte in dem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger sei von einem degenerativen Schultergelenksschaden auszugehen. Durch das akute Ereignis sei dieser verschlimmert worden. Es sei zu 50 % von einem degenerativen Schaden und zu 50 % von einem unfallbedingten Schaden auszugehen. Das Unfallereignis habe die akute Erscheinung aufgrund der degenerativen Veränderungen erst möglich gemacht, jedoch sei das Ereignis als deutlich über die alltäglich vorkommende Belastung hinausgehend zu beurteilen und hätte nicht spontan entstehen können. Eine MdE von 20 v.H. werde für gerechtfertigt gehalten. Hierzu führte Dr. D. in der Stellungnahme vom 01.07.2003 aus, dem Gutachten könne nicht gefolgt werden. Die Tuberculum majus Abrissfraktur könne nicht unfallbedingt sein. Es liege ein Vorschaden vor. Der Hergang sei zur Ruptur der Supraspinatussehne ungeeignet.

Mit Bescheid vom 24.07.2003 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom "08.01.2002" nicht bestünden. Die festgestellten Veränderungen im Bereich der rechten Schulter seien auf degenerative Veränderungen zurückzuführen. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 08.01.2002 und den festgestellten Schulterbinnenveränderungen liege nicht vor. Das Ereignis sei als Gelegenheitsursache zu werten.

Gegen den Bescheid vom 24.07.2003 legte der Kläger am 14.08.2003 Widerspruch ein, mit dem er unter Schilderung des Unfallgeschehens die Anerkennung des Ereignisses vom 09.01.2002 als Arbeitsunfall und wegen einer allein aufgrund des Arbeitsunfalles erlittenen Rotatorenmanschettenruptur eine Entschädigung nach einer MdE von 20 v.H. geltend machte. Der Kläger berief sich auf das eingeholte Gutachten.

Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten von Prof. Dr. B., St.-A.-H. K., vom 21.01.2004 ein. Prof. Dr. B. gelangte in dem Gutachten zu dem Ergebnis, beim Kläger habe vor dem Unfallereignis eine ausgeprägte AC-Gelenkarthrose bestanden, die zu degenerativ bedingten Rotatorenmanschettenrupturen führen könne. Jedoch sprächen das Unfallereignis und der weitere Verlauf für eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur. Das Unfallereignis werde als geeignet erachtet, die Rotatorenmanschettenruptur als wesentliche Ursache zu verursachen. Die MdE betrage 20 v.H.

Die Beklagte holte zum Gutachten von Prof. Dr. B. die Stellungnahme des Beratungsarztes M.-C. vom 28.05.2004 ein, der ausführte, das Ereignis vom 09.01.2002 habe nicht zu einer Verletzung des Klägers geführt. Es seien vorbestehende entzündlich-degenerative Veränderungen behandelt worden, die nach dem Ergebnis Aktualität erlangt hätten. Eine MdE von 20 v.H. werde nicht erreicht. Hierzu nahm Prof. Dr. B. ergänzend zu seinem Gutachten Stellung (Stellungnahme vom 05.08.2004).

Zudem holte die Beklagte das Gutachten nach Aktenlage von Dr. P. vom 06.10.2004 ein. Dr. P. gelangte in seinem Gutachten zusammenfassend zu dem Ergebnis, der Ereignisablauf sei nicht geeignet, zu einer Zusammenhangstrennung der Rotatorenmanschette zu führen. Die jetzt objektivierten Befunde seien als unfallunabhängig anzusehen. Beim Kläger lägen als konkurrierende Ursache erhebliche degenerative Veränderungen im Bereich des Schultereckgelenkes, des subacrominalen Raumes und dadurch bedingt der Rotatorenmanschette vor. Durch das schädigende Ergebnis sei es nicht erstmals zu einem manifesten Krankheitsgeschehen gekommen. Es lägen präexistente Erkrankungen der rechten Schulter (wie auch der linken) vor. Durch das schädigende Ergebnis sei ein vorbestehendes manifestes Leiden nicht verschlimmert worden. Der Vorschaden sei so stark ausgeprägt gewesen, dass es bei jeder anderen Tätigkeit zu einer Auslösung der akuten Erscheinungen hätte kommen können. Denkbar sei jedes austauschbare äußere Ergebnis. Mit einer spontanen Entstehung wäre zu rechnen gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 24.07.2003 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 16.11.2004 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er berief sich zur Begründung auf das Gutachten von Prof. Dr. B ...

Das SG holte die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. B. vom 13.06.2005 zum Gutachten von Dr. P. ein, in der Prof. Dr. B. an seinen Bewertungen festhielt. Auf Veranlassung des SG erfolgte weiter am 17.01.2006 eine Rekonstruktion des Unfallherganges durch die Präventionsabteilung der Beklagten, wozu die Beklagte eine CD-ROM vorlegte. Anschließend holte das SG eine weitere Stellungnahme von Prof. Dr. B. ein und hörte Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen an. Dr. A. berichtete in seiner Stellungnahme vom 22.03.2006 über Behandlungen des Klägers in der Zeit zwischen Juni 1994 bis März 2005 sowie über die Diagnosen. Prof. Dr. B. teilte in seiner Stellungnahme vom 07.09.2006 mit, dass er nach Beurteilung des rekonstruierten Unfallherganges weiterhin der Ansicht sei, dass es sich bei dem zu untersuchenden Ergebnis um einen für eine Rotatorenmanschettenruptur geeigneten Unfallmechanismus handele.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Nach dem dokumentierten Hergang trete eine unnatürliche Längendehnung der Sehne des Supraspinatus nicht ein.

Mit Urteil vom 02.10.2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe am 09.01.2002 keine Rotatorenmanschettenruptur erlitten, die im Rahmen der Bestimmung der MdE als Unfallfolge zu berücksichtigen wäre. Die bestehenden Gesundheitsschäden im Bereich der rechten Schulter seien nicht durch das Unfallereignis verursacht worden. Gegen einen Zusammenhang sprächen vor allem die erheblichen degenerativen Vorschäden im Bereich des rechten Schultergelenkes, die alleine wirksam geworden seien und zur jetzt bestehenden Beschwerdeproblematik geführt hätten. Die abweichenden Ansicht von Dr. G. und Prof. Dr. B. sei nicht überzeugend. Danach könne eine MdE in rentenberechtigendem Ausmaß nicht festgestellt werden.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 07.11.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.11.2008 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, Dr. G. und Prof. Dr. B. hätten überzeugend und begründet dargelegt, dass der Unfall wesentliche Teilursache der Rotatorenmanschettenruptur sei und die Folgen des Arbeitsunfalles mit einer MdE von 20 v.H. einzuschätzen seien. Im Hinblick auf das insgesamt bestehende medizinische Beweisergebnis sei die Überzeugungsbildung des SG nicht nachvollziehbar. Das SG hätte sich zumindest gedrängt fühlen müssen, von Amts wegen ein weiteres Gutachten einzuholen. Es müsse als überraschend bezeichnet werden, dass das SG den Rechtsstreit als entscheidungsreif angesehen und die Klage abgewiesen habe. Es sei nicht überzeugungskräftig, wenn der Arzt M.-C. und Dr. P. den Unfall als Gelegenheitsursache qualifizierten. Es sei nicht ersichtlich, dass nachweislich eine andere Ursache als der Unfall vorgelegen habe, der eine überragende Bedeutung zuzumessen sei. Die Ansicht von Dr. P. sei nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts berufen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 2. Oktober 2008 und den Bescheid der Beklagten vom 24. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 9. Januar 2002 Rente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 1. Juli 2002 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Einlassungen des Klägers seien nicht geeignet, das Urteil zu erschüttern. Prof. Dr. B. sei es nicht gelungen, schlüssig zu erklären, wie der rekonstruierte Unfallhergang geeignet gewesen sein soll, eine komplette Zerreißung aller Anteile der Rotatorenmanschette zu verursachen.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Dr. B., Hamm, das unfallchirurgische/orthopädische Gutachten vom 29.10.2009 eingeholt. Dr. B. gelangte in dem Gutachten zu dem Ergebnis, es könne davon ausgegangen werden, dass eine Kontinuitätsunterbrechung des Sehnensansatzes der Supraspinatussehne im Rahmen des angeschuldigten Ereignisses stattgefunden haben könnte. Das schädigende Ereignis sei aufgrund des fehlenden geeigneten Hergangs für die Entstehung einer frischen Rotatorenmanschetten-kontinuitätsunterbrechung als nicht geeignet anzusehen. Die Kontinuitätsunterbrechung habe nur stattfinden können, da schwergradige degenerative Vorschäden bestanden hätten. Diese Vorschäden seien als richtungsweisend für den weiteren Verlauf anzusehen. In diesem Sinne sei das schädigende Ergebnis lediglich als Gelegenheitsursache zu bewerten. Wegen der schweren Vorschädigung könne dem Schadensereignis auch nicht eine richtungsweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens zugemessen werden. Den Ausführungen des Beratungsarztes M.-C. und dem Gutachten von Dr. P. sei zuzustimmen. Die Ausführungen von Prof. Dr. B. könnten nicht überzeugen. Eine Anspannung von Muskeln sei nur dann geeignet eine Rissverletzung des knochennahen Anteils der Sehnenansätze zu verursachen, wenn erhebliche degenerative Vorschäden vorlägen, wie dies vorliegend gegeben sei. Eine Kontinuitätsunterbrechung einer Sehne durch eine Muskelanspannung im Bereich des Schultergelenkes sei nicht als Folge eines Unfallereignisses begründbar zu machen.

Der Senat hat mit richterlicher Verfügung vom 17.11.2009 auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Absatz 4 SGG hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Wegen den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie zwei Band Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig (§ 151 SGG).

Gem. § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 24.07.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2004 ist rechtmäßig.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Absatz 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit )Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Gem. § 56 Abs. 1 SGB VII wird eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Versicherter in Folge eines Versicherungsfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 vom Hundert [v.H.] gemindert ist.

Hiervon ausgehend steht dem Kläger der geltend gemachte Rentenanspruch nicht zu. Das SG hat im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt, dass der Kläger - entgegen seiner Ansicht - am 09.01.2002 keine Rotatorenmanschettenruptur erlitten hat, die im Rahmen der Bestimmung der MdE als Unfallfolge zu berücksichtigen ist. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er macht sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung die Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zu eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsverfahren bleibt auszuführen:

Aufgrund der beim Kläger bestehenden massiven Vorschäden, die durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen belegt sind, ist die vom Kläger geltend gemachte Ruptur der Rotatorenmanschette durch das angeschuldigte Ereignis vom 09.01.2002 nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. So wurde beim Kläger (radiologisch) ein Hochstand des Oberarmkopfes festgestellt, der bereits vor dem Unfallereignis bestanden hat und dessen Ursache eine Zerrüttung der Rotatorenmanschette ist, wie Dr. P. in seinem Gutachten vom 06.10.2004 überzeugend ausgeführt hat. Weiter waren vorbestehend einen Acromionsporn mit Einengung des Subacrominalraumes, eine Instabilität und Degeneration mit fasst kompletter Auflösung des Gelenkknorpels des Schultereckgelenkes, eine hochgradige fettig degenerierte Schleimbeutelstruktur unter dem Schulterdach, massive Verklebungen im gesamten subacrominalen Raum, wie sich aus den Operationsbericht des St. W. S. vom 26.02.2002 ergibt. Außerdem musste der Kläger vor dem angeschuldigten Ereignis wegen einer Schleimbeutelentzündung in der rechten Schulter mit Spritzen behandelt werden. Zudem wurde nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. P. beim Kläger keine Befunde erhoben, die Hinweise auf eine frische Ruptur der Rotatorenmanschette geben. Auch sind typische Erstsymptome einer Rotatorenmanschettenruptur (Drop-Arm-Syndrom) unfallnah nicht dokumentiert. Weder aus dem Unfallschadensbericht noch aus den Berichten von Dr. A. bzw. Dr. Sch. ist ein Drop-Arm-Syndrom ersichtlich. Zudem erlitt der Kläger im März 2003 eine Spontanruptur der langen Bizepssehne links, was für degenerative Veränderungen beider Schultergelenke des Klägers spricht, wie Dr. P. in seinem Gutachten weiter ausgeführt hat. Wegen dieser massiven Vorschäden, die nach den Ausführungen von Dr. P. zu degenerativ bedingten Rotatorenmanschettenrupturen führen können, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Kläger geltende gemachte Rotatorenmanschettenruptur im Zusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis zu sehen ist, wovon Dr. P., der Stellungnahme des Beratungsarztes Meyer-Clement folgend, überzeugend ausgeht. Gegen einen rechtlich relevanten Ursachenzusammenhang spricht auch das beim Kläger vorliegende Schadensbild. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. P. und dem Beratungsarzt M.-C. gibt es kein Unfallereignis, welches sowohl die hinter, oberhalb und vor der Schulterblattgräte verlaufenden Sehnen schädigen kann. Der Senat folgt insoweit den nachvollziehbaren Darlegungen des Beratungsarztes Meyer-Clement, wonach das angeschuldigte Ereignis bei den ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Weichteile der Schultergelenkstrukturen rechts zu schmerzhaften Funktionsstörungen führte, jedoch - substantielle - Verletzungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eingetreten sind, sondern es sich um das Manifestwerden eines vorbestehenden krankhaften Prozesses handelte.

Unabhängig davon wäre selbst dann, wenn der vom Kläger geltend gemachte Rotatorenmanschettenschaden (ganz oder teilweise) durch das angeschuldigte Ereignis hervorgerufen worden wäre, nicht das angeschuldigte Ereignis, sondern der bestehende massive Vorschaden als rechtlich wesentliche Ursache zu bewerten. Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. P. war der Vorschaden beim Kläger so stark ausgeprägt, dass jede andere Tätigkeit zur Auslösung der akuten Erscheinungen hätte führen können. Auch Dr. B. geht in seinem im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten - in Übereinstimmung mit Dr. P. und dem Beratungsarzt Dr. M.-C. - davon aus, dass das schädigende Ereignis nach der Schilderung des Klägers, (zur Rekonstruktion durch die Beklagte im SG-Verfahren) soweit dieser sich an Einzelheiten des Bewegungsablaufes des rechten Arms beim Abrutschen der zum Spannen der Feder benutzten Stange erinnern konnte, nicht zu einer Überdehnung der Rotatorenmanschette, was nach unfallmedizinischen Erkenntnissen als geeigneter Hergang für die Entstehung einer frischen Rotatorenmanschettenkontinuitätsunterbrechung anzusehen ist, geführt hatte. Soweit Dr. B. dagegen davon ausgeht, dass das Schultergelenk durch die fortgeleitete Krafteinwirkung beim Abrutschen der Stange möglicherweise geschädigt wurde, weil es hierbei zu einer Kontinuitätsunterbrechung des Sehnenansatzes der Supraspinatussehne gekommen sein könnte, führt auch diese Variante einer denkbaren Unfallmechanik zu keiner anderen Beurteilung. Zwar sind auch Unfallmechanismen, die eine gesunde Sehne nicht, wohl aber eine degenerativ veränderte Sehne schädigen können, geeignet einen wesentlichen Zusammenhang zu begründen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Unfallhergang jedenfalls das Maß einer Alltagsbelastung überschreitet. Maßgebend für die Bewertung, ob eine die Alltagsbelastung übersteigende Belastung des geschädigten Organs aufgetreten ist, ist nicht die Kraftentfaltung insgesamt, sondern der auf das geschädigte Organ einwirkende belastende Impuls (vgl. stellvertretend zuletzt Beschl. des Senats vom 07.08.2009 - L 8 U 5351/08 -; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg, vgl. Urteil vom 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 -, veröffentlicht in Juris). Nach der unfallchirurgischen Beurteilung des Beratungsarztes Meyer-Clement ging beim Abrutschen der Kraftschluss verloren und es schloss sich eine relativ energiearme passive Bewegung an, was nach seiner Einschätzung sogar lediglich zu schmerzhaften Funktionsstörungen, aber nicht zu substantiellen Verletzungen führte. Die speziell auf die Supraspinatussehne einwirkende Kraft bei der plötzlichen, unerwarteten Muskelentspannung hat somit keine Belastung der Sehne über eine Alltagsbelastung hinaus bewirkt, unabhängig davon, dass andere organische Strukturen des Schultergelenks durch die Spannung und ruckartigen Entspannung und der nachfolgenden Bewegung mehr belastet waren. Ob der Kläger zuvor mit voller Kraftanstrengung mit der Stange das Spannen der Feder hatte herbeiführen wollen, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Unfallchirurg M. C. nicht von Belang. Im Ergebnis stimmt dem auch Dr. B. zu. Die Vorschäden sind als richtungsweisend für den weiteren Verlauf anzusehen. In diesem Sinne wäre das schädigende Ereignis als Gelegenheitsursache zu bewerten. Wegen der schweren Vorschädigung wäre dem Schadensereignis auch keine richtungsweisende Verschlimmerung eines vorbestehenden Schadens zuzumessen.

Der abweichenden Ansicht von Dr. G. und Prof. Dr. B. kann nicht gefolgt werden, wie Dr. P. und - ihm folgend - Dr. B. in ihren Gutachten überzeugend ausgeführt haben. Der Ansicht von Dr. G. und Prof. Dr. B. steht insbesondere entgegen, dass ein Schadensablauf, der eine traumatisch bedingte Rotatorenmanschettenruptur begründbar machen könnte, nicht konstruiert werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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