L 7 V 14/02

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 V 63/98
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 V 14/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
MdE bei Kriegsbeschädigung
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten sind Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die Klägerin ist die Witwe und Rechtsnachfolgerin des 1924 geborenen S. (im Folgenden: der Beschädigte), der am 5. Mai 2005 verstarb. Der Beschädigte beantragte im August 1991 beim Amt für Versorgung und Soziales M. Beschädigtenversorgung nach dem BVG. Er gab an, seit 14. Oktober 1942 zur Dienstleistung in der Deutschen Wehrmacht herangezogen und bis Mai 1945 in verschiedenen Abschnitten der Ostfront eingesetzt gewesen zu sein. Vom 10. Mai 1945 bis 28. April 1948 habe er sich als Kriegsgefangener in verschiedenen Lagern befunden und verschiedene Arbeiten, u. a. im Steinkohlebergbau, verrichtet. Wegen einer durch einen Unfall im Bergwerk erlittenen schweren Rückenverletzung sei er von November 1947 bis April 1948 in der Krankenstation des Steinkohlengebietes stationär behandelt worden. Der Beschädigte machte (wörtlich) folgende Schädigungen geltend:

Rechter Augenzahn oben mit MP ausgeschlagen vom Wachposten in Kriegsgefangenschaft Aug./Sept. 45 Bandscheibenschaden, Folgeschaden der Kriegsgefangenschaft Rückgratschaden durch Unfall im Steinkohlebergbau Untertage in der SU Kriegsgefangenschaft Nov. 1947 Herzschaden, Herzmuskelschwäche, Herzinfarkt, Angina pectoris Durchblutungsstörungen im rechten Unter- und Oberschenkel, Folgeschaden der Kriegsgefangenschaft

In seiner ausführlichen Begründung des Antrages gab er unter anderem an, er sei am 30. April 1948 mit einem Körpergewicht von 47 kg unterernährt, krank und arbeitsunfähig aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden. Er habe dann oft unter starken Herzschmerzen gelitten und sei im Krankenhaus in N. und im ehemaligen Altersheim in G. stationär behandelt worden. Anschließend sei er vorübergehend invalidisiert worden und habe öfter Herzschmerzen gehabt sowie Atemnot bei Belastung und Rückgratbeschwerden. Später habe er ohne Rücksicht auf seinen Gesundheitszustand für den damaligen Betrieb, VEAB O., erst im Uranbergbau in Aue arbeiten müssen, bevor er einen Arbeitsplatz erhalten habe. Etwa 1964 seien verstärkt Wirbelsäulen- und Bandscheibenbeschwerden bei Bewegung aufgetreten, die sich beim ständigen berufsbedingten Motorradfahren gehäuft hätten und sehr schmerzhaft gewesen seien. 1973 habe er im Betrieb einen Herzanfall, einen Herzinfarkt Angina pectoris erlitten, was zu einer stationären Krankenhausbehandlung und längerer Arbeitsunfähigkeit geführt habe. 1979 sei es erneut zu einem schweren Herzanfall mit wiederholten krampfartigen sehr schmerzhaften Anfällen und Atemnot sowie weiterhin zu Beschwerden an Wirbelsäule und Bandscheibe gekommen. Im März 1991 seien plötzlich erneut sehr starke Herzschmerzen mit Herzrhythmusstörungen und Durchblutungsstörungen aufgetreten, wobei der rechte Ober- und Unterschenkel zeitweise beim Gehen oder Stehen gefühllos und taub gewesen sei. Bis heute leide er unter ständigen Herzbeschwerden und häufigem krampfartigen Stechen sowie unter Durchblutungsstörungen im Ober- und Unterschenkel. Der Beschädigte fügte dem Antrag medizinische Unterlagen in russischer Sprache über Krankenbehandlungen während der Zeit zwischen 1945 und 1948 bei sowie die Bescheinigung zur Erlangung des Schwerbeschädigten-Ausweises des Rates des Kreises O. vom 3. Februar 1967 wegen "Angina pectoris vasomot. mit Beschwerden", in der eine MdE von 33 1/3 angegeben wurde; ferner die Bescheinigung vom 11. November 1969 zur Erlangung der Fürsorge-Unterstützung wegen derselben Erkrankung und zusätzlich der Versteifung des rechten Daumens nach Verletzung mit großer Narbe und Entzündungserscheinungen.

Auf Veranlassung des Versorgungsamtes erstattete die Fachärztin für Innere Medizin Dr. H. das versorgungsärztliche Gutachten vom 11. August 1992 nach ambulanter Untersuchung des Beschädigten am 24. Juni 1992. Sie benannte und schätzte die Schädigungsfolgen wie folgt ein:

Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mittleren Grades mit Abflachung des 12. BWK nach Wirbelkörperfraktur mit Schädigung des Plexus lumbalis (Sensibilitätsstörungen Innenseite des Oberschenkels/Unterschenkel – N. femoralis [MdE 30 v. H.]), Große Narbe re. Unterbauch nach Blinddarmoperation (MdE 0 v. H.), Zahlreiche Narben (im) lumbalen Bereich und Gesäß (MdE 0 v. H.), Narbe li. oberer Brustkorb (MdE 0 v. H.), Verlust re. äußerer Schneidezahn (MdE 0 v. H.).

Die Gesamt-MdE sei mit 30 v. H. einzuschätzen. Der Beschädigte habe folgende Schädigungen geltend gemacht: Lungenentzündung, Wirbelsäulenschaden nach Unfall, Herzschaden, Durchblutungsstörungen im rechten Bein, Blinddarmoperation, Malaria, Zahnverlust. Die angegebenen Gesundheitsstörungen seien nicht direkt belegt, belegt seien aber die Kriegsgefangenschaft, ein Gesundheitsschaden von 33 1/3 bereits im Jahre 1953 und ein Zahnersatz durch operative Therapie bereits 1952. Unter Berücksichtigung der Röntgenaufnahmen und der glaubhaften Schilderungen des Beschädigten handele es sich bei den Gesundheitsstörungen um Schädigungen im Sinne des BVG. Der angegebene Herzmuskelschaden dürfte jedoch dystrophiebedingt gewesen und ausgeheilt sein. Ein organischer Herzschaden sei in den Nachkriegsjahren nicht mehr festgestellt worden. Nach den jetzigen Befunden bestehe eine beginnende koronare Herzerkrankung, die mit den Kriegsgeschehnissen in keinem Kausalzusammenhang stehe.

Gestützt auf dieses Gutachten erkannte das Versorgungsamt mit Bescheid vom 8. Oktober 1992 die von der Gutachterin festgestellten Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen an und stellte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vom 100 gemäß § 30 Abs. 1 BVG sowie den Anspruch auf eine Grundrente ab 1. Januar 1991 fest. Die Anerkennung der koronaren Herzkrankheit lehnte das Versorgungsamt dagegen ab, da der Herzmuskelschaden vermutlich durch Dystrophie hervorgerufen und inzwischen ausgeheilt sei, ebenso die geltend gemachte Malaria und die Lungenentzündung. Mit seinem Widerspruch vom 12. November 1992 machte der Beschädigte geltend, es müssten auch der damalige Herzschaden und die Schädigung der Wirbelsäule berücksichtigt werden. Er habe während seines gesamten Arbeitslebens unter diesen Behinderungen gelitten und auch seine Landwirtschaft krankheitsbedingt aufgeben müssen. Der Widerspruch hatte aus den bereits im Bescheid vom 8. Oktober 1992 genannten Gründen keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 26. April 1993). Mit der dagegen am 25. Mai 1993 vor dem Sozialgericht erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter und erklärte, mit der Entscheidung, die geltend gemachte Herzkrankheit nicht als Schädigungsfolge anzuerkennen, nicht einverstanden zu sein. Er legte unter anderem einen ärztlichen Bericht der Gemeinschaftspraxis Dres. F. und F. über eine stationäre Krankenhausbehandlung vom 1. bis 4. Juni 1948 vor, wonach er nach Entlassung aus der russischen Kriegsgefangenschaft unter einem Eiweißmangelödem gelitten hatte. Es hätten Anzeichen eines Myokardschadens und einer sehr überschießenden Flüssigkeitsausscheidung mit schlechter Konzentration bestanden. Nach einem Arztbrief derselben Gemeinschaftspraxis vom 27. Februar 1957 habe sich der damals 32-jährige Beschädigte in ausreichendem Allgemein- und Ernährungszustand befunden. Außer einer reizlosen Narbe nach Blinddarmoperation sei klinisch nichts Pathologisches gefunden worden. Im EKG habe sich kein Anhalt für einen Myokardschaden gefunden. Es bestehe aber eine Angina pectoris vasomotorica.

Nach Durchführung von medizinischen Ermittlungen wies das Sozialgericht die Klage mit Urteil vom 9. Juni 1994 ab und führte in den Entscheidungsgründen im Wesentlichen aus, die Herzleistungsminderung (kardiale Insuffizienz) stehe nicht im ursächlichen Zusammenhang mit einer Kriegsbeschädigung. Nach den vom Geschädigten eingereichten Untersuchungsbefunden aus der Zeit von 1948 bis 1952 hätten damals ein Eiweißmangel-Ödem und eine schwere Dystrophie bestanden. Im Bericht vom 29. Oktober 1948 seien außerdem Anzeichen eines Myokardschadens sowie später, noch im selben Jahr, eine Herzmuskelschwäche festgestellt worden. Dieses Herzmuskelleiden sei jedoch nicht Ursache für die beim Kläger vorhandene Herzleistungsminderung. Vielmehr sei die damalige Herzkrankheit auf die schwere Dystrophie bzw. das Eiweißmangel-Ödem zurückzuführen, die ganz typische Ursachen für eine solche Erkrankung seien. Infolge der anschließenden medizinischen Behandlung und der verbesserten Ernährung sei der Herzmuskelschaden abgeheilt. Die 1948 zuerkannte MdE von 66 2/3 sei 1952 auf 33 1/3 herabgesetzt worden. Dies verdeutliche die eingetretene Besserung des Herzleidens. Dem Arztbericht vom 27. Februar 1957 seien keine Anzeichen für einen Myokard-Schaden zu entnehmen. Bei dem 1948 diagnostizierten Herzmuskelschaden handele es sich daher um eine Gesundheitsstörung, die lediglich vorübergehend zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt habe. Für die Anerkennung als Kriegsfolge sei jedoch Voraussetzung, dass die Gesundheitsschädigung noch im Zeitpunkt des Antrages auf Beschädigtenversorgung im Jahre 1991 vorgelegen habe. Dies sei hier nicht der Fall. Die beim Geschädigten eingetretene chronische ischämische (koronare) Herzkrankheit habe vielmehr andere Ursachen. In der medizinischen Wissenschaft gälten die folgenden Erkrankungen als anerkannte, geradezu klassische, Ursachen für eine Erkrankung der Herzkranzgefäße, wie sie bei dem Beschädigten vorliege. Dabei handele es sich zum einen um die arterielle Hypertonie, die bereits 1985 festgestellt worden sei. Darüber hinaus sei die Ursache für eine koronare Herzkrankheit eine krankhafte Erhöhung der Cholesterinwerte, wie sie beim Beschädigten bereits im Jahre 1982 in Form einer Hyperlipidämie (Erhöhung der Blutfettwerte) festgestellt worden sei. Der Beschädigte habe in den Jahren 1973 und 1979 einen Herzinfarkt erlitten, dessen typische Ursachen sich mit den genannten Erkrankungen deckten. Als weitere Ursache komme eine arbeitsbedingte Stressbelastung in Frage, worauf der ärztliche Bericht der Poliklinik O. vom 16. März 1967 Hinweise enthalte. In jedem Fall sei die chronische Herzkrankheit, anders als der damalige Herzmuskelschaden, nicht mehr funktionell bedingt. Dieses Urteil griff der Kläger mit der am 18. August 1994 eingelegten Berufung an und hielt an seinem bisherigen Vorbringen fest. Bei der Ablehnung der Herzkrankheit seien die lückenlosen alten ärztlichen Gutachten und Befunde nicht anerkannt bzw. nicht beachtet worden. Mit Beweisanordnung vom 23. September 1994 holte das Landessozialgericht zur Frage der kriegsbedingten Schädigungen und der darauf beruhenden MdE ein fachinternistisches Sachverständigengutachten vom Oberarzt Dr. F. ein. Im Gutachten vom 13. April 1995 nach ambulanter Untersuchung des Beschädigten benannte der Sachverständige als kriegsbedingte Schädigung einen Deckplatteneinbruch mit deutlicher Höhenminderung des BWK (Brustwirbelkörpers) 12. Die Herzerkrankung lasse sich aufgrund der durchgeführten Untersuchung eindeutig objektivieren und bestätigen. Sie sei allerdings nicht die Folge der durch die Dystrophie bedingten Herzmuskelschädigung, sondern im Rahmen eines arteriosklerotisch bedingten Erkrankungsprozesses entstanden. Der Beschädigte habe die Dystrophieschädigung während und unmittelbar nach der Kriegsgefangenschaft glaubhaft machen können. Diese sei aber in der Folgezeit ausgeheilt und könne auf wissenschaftlicher Grundlage das heute sichtbare Bild einer Sklerosierung der Herzkranzgefäße nicht zweifelsfrei erklären. Die im Rahmen der Begutachtung erhobenen objektiven Befunde, insbesondere seitens der Echokardiographie und der koronarangiographischen Untersuchung der Herzkranzgefäße lasse wissenschaftlich vertretbar lediglich die Schlussfolgerung zu, dass eine durch die Kriegsgefangenschaft schädigungsbedingte Herzerkrankung bei dem untersuchten Beschädigten nicht vorliege. Die auf der Verletzung im Wirbelsäulenbereich beruhende schädigungsbedingte MdE sei mit maximal 30 v. H. einzuschätzen. Nach Kenntnis von diesem Gutachten nahm der Beschädigte die Berufung am 19. Juni 1995 zurück.

Am 17. Oktober 1995 beantragte er beim Versorgungsamt Magdeburg unter Hinweis auf § 44 SGB X die Rücknahme des Bescheides vom 8. Oktober 1992, die Anerkennung der geltend gemachten Herzleistungsminderung und die Festsetzung einer deutlich höheren Minderung der Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung gab er an, nicht allein die schwere Dystrophie sei für die Ausprägung der heute vorliegenden Herzerkrankung verantwortlich, sondern die stattgehabte schwere Infektionskrankheit. Ferner beantragte er am 9. Oktober 1995 die Neufeststellung wegen Verschlimmerung bestehender und die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen. In diesem Antrag wies er auf eine Verschlechterung des Zahnbefundes sowie stärkere Wirbelsäulenbeschwerden hin. Die Herzerkrankung sei auch auf Infektionserkrankungen wie Malaria 1944 und 1945 ohne ärztliche Behandlung sowie drei Jahre Ostfront und drei Jahre Hunger-Dystrophie zurückzuführen. Der zeitliche Zusammenhang sei gegeben und habe ab 1948 zu ärztlichen Behandlungen und wiederholten Bestätigungen geführt. Das Versorgungsamt führte medizinische Ermittlungen durch und holte vom Facharzt für Orthopädie Dr. med. habil. F. ein orthopädisches Gutachten vom 9. April 1996 ein. Der Gutachter schätzte die MdE mit 40 vom 100, da sich bei der klinischen Untersuchung eine deutliche Verschlechterung der Wirbelsäulenbeweglichkeit im Vergleich zum Vorgutachten gezeigt habe. Hinsichtlich der übrigen Schädigungsfolgen sei keine Änderung eingetreten. Diesem Gutachten trat Dr. W. vom Ärztlichen Dienst des Versorgungsamtes entgegen und führte in seiner Stellungnahme vom 18. Juli 1996 aus, die jetzt bestehenden Einschränkungen und auch die Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule könnten nur teilweise auf die in der Kriegsgefangenschaft erlittene Wirbelkörperfraktur zurückgeführt werden. Neben den Schädigungsfolgen kämen an der Wirbelsäule auch nicht schädigungsbedingte Folgen (Osteoporose, Skoliose, degenerative Veränderungen) zum Tragen. Eine Zunahme der Verschleißerscheinungen im geschädigten Wirbelsäulenabschnitt sei wahrscheinlich, jedoch könne das Ausmaß dieser Zunahme im Gesamtbild der nicht schädigungsbedingt veränderten Wirbelsäule als nur gering angesehen werden. Die Gesamt-MdE sei daher nicht zu erhöhen. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1996 lehnte das Versorgungsamt beide Anträge ab, da nach Auswertung der vorliegenden ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen die Herzmuskelschädigung nicht auf Kriegs- und/oder Gefangenschaftseinflüsse zurückzuführen, sondern Ausdruck eines arteriosklerotisch bedingten Erkrankungsprozesses sei. Eine wesentliche schädigungsbedingte Verschlimmerung des Wirbelsäulenbereiches sei ebenfalls nicht zu erkennen, da die eingetretene Verschlimmerung überwiegend auf schädigungsunabhängige Verschleißerscheinungen zurückzuführen sei. Die schädigungsbedingte Verschlimmerung sei als gering einzuschätzen und führe zu keiner Änderung in der Bewertung der Schädigungsfolgen. Hiergegen legte der Kläger am 12. November 1996 Widerspruch ein, mit dem er auf früheres Vorbringen verwies. Wegen der geltend gemachten Verschlimmerung des Zahnbefundes holte das Versorgungsamt vom Oberarzt/Facharzt für Mund-Kiefer-Gesichtschirurg, Plastische Operationen Prof. Dr. Dr. E. ein kieferorthopädisches Gutachten vom 7. Januar 1996 nach ärztlicher und zahnärztlicher Untersuchung des Beschädigten vom 20. Dezember 1996 ein. Der Sachverständige gab an, anhand der Vorgeschichte der Schädigung, den Angaben in der Akte und dem Befund vom 20. Dezember 1996 könne als Schädigungsfolge im Mund-Kiefer-Gesichtsbereich festgestellt werden: "Traumatisch bedingter Verlust des rechten oberen seitlichen Schneidezahnes (Zahn 12) mit dezenter Narbenbildung an der Oberlippe rechts und am Alveolarfortsatz rechts, MdE 0 v. H". Der Verlust des Zahnes 12 sei als Schädigungsfolge anzusehen; zu seinem Ersatz sei die Überkronung zweier Nachbarzähne (entweder Zähne 14 und 13 oder Zähne 13 und 11) erforderlich. Die Schädigung weiterer Zähne durch den anerkannten Schädigungstatbestand von 1945 bzw. in dessen Folge könne anhand des aktuellen Befundes nicht anerkannt werden. Daraufhin lehnte das Versorgungsamt mit weiterem Bescheid vom 13. Februar 1997 auch den auf Anerkennung weiterer Zahnschäden gerichteten Antrag ab. Auch hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 1998 half der Beklagte den Widersprüchen gegen die Bescheide vom 25. Oktober 1996 und 13. Februar 1997 teilweise ab, erkannte folgende Schädigungen an:

Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mittleren Grades mit Abflachung des 12. BWK nach Wirbelkörperfraktur mit Schädigung des Plexus lumbalis (Sensibilitätsstörung Innenseite des Oberschenkels/Unterschenkels – N. femoralis) große Narbe re. Unterbauch nach Blinddarmoperation zahlreiche Narben Lumbalbereich und Gesäß Narbe li. oberer Brustkorb Verlust re. äußerer Schneidezahn

und bewertete diese Schädigungen rückwirkend ab 1. Januar 1991 mit einer MdE um 40 vom 100 gemäß § 30 Abs. 1 BVG. Den weitergehenden Widerspruch wies er zurück, da die bestehende Herzkrankheit auf arteriosklerotisch bedingten Erkrankungsprozessen beruhe und nach dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. E. neben dem anerkannten Verlust des Zahnes 12 keine weitere Schädigung von Zähnen anzuerkennen sei.

Mit seiner dagegen am 17. April 1998 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und geltend gemacht, die bisher nicht berücksichtigten Schädigungsfolgen seien anzuerkennen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 50 bis 60 vom 100 festzusetzen und das Merkzeichen "aG" nachträglich als Schädigungsfolge anzuerkennen. Auch der Verlust des Zahnes 12 bedürfe aufgrund der erheblich verschlimmerten Folgeschäden einer erweiterten Anerkennung.

In der mündlichen Verhandlung vom 16. Mai 2002 hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 25. Oktober 1995 (richtig: 1996) in der Gestalt des Bescheides vom 13. Februar 1997 und des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1998 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 8. Oktober 1992 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. April 1993 und 19. März 1998 abzuändern und folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen anzuerkennen:

Herzschaden Schädigung der Zähne 14 und 24

und ihm ab 1. Januar 1991 eine Versorgung nach einer MdE um 50 vom 100 und ab 1. Juli 1996 nach einer MdE um 60 vom 100 zu gewähren.

Mit Urteil vom 16. Mai 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da der Kläger weder rückwirkenden Anspruch auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen und Feststellung einer MdE um 50 vom 100 ab 1. Januar 1991 noch Anspruch auf Feststellung einer MdE um 60 vom 100 ab 1. Juli 1996 habe. Die Gesundheitsstörungen bedingten nach wie vor keine höhere MdE als 40 vom 100. Der jetzt vorliegende Herzschaden, nämlich die Verkalkung (Arteriosklerose) der Herzgefäße, sei weder durch die Kriegsgefangenschaft noch durch die Unterernährung, die Malaria oder die Lungentuberkulose verursacht worden. Der Sachverständige Dr. F. habe durch umfangreiche Diagnostik festgestellt, dass beim Beschädigten eine Arteriosklerose der Herzkranzarterien vorliege und dadurch eine Verengung der Gefäße und Beeinträchtigung des Blutflusses gegeben sei. Damit seien die heute vorliegenden Herzbeschwerden erklärt. Die Arteriosklerose habe sich nicht schädigungsbedingt entwickelt, sondern sei eine multifaktoriell bedingte Erkrankung (Alter, Veranlagung, Überernährung, Bluthochdruck, Nikotin, Stoffwechselstörungen u. a.). Eine Anerkennung im Rahmen einer Kann-Versorgung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 2 BVG komme ebenfalls nicht in Betracht, da die arteriosklerotischen Veränderungen nicht zeitnah bis zum 50. Lebensjahr aufgetreten seien. Die nach der Kriegsgefangenschaft aufgetretenen Herzbeschwerden ließen sich nicht einer Arteriosklerose zuordnen, sondern dystrophisch bedingten Herzkreislaufstörungen. Ein Herzmuskelschaden sei vom Sachverständigen nicht festgestellt worden. Dies gelte auch für frühere Untersuchungen, bei denen ebenfalls kein Herzmuskelschaden mehr festgestellt worden sei.

Dass ihm am 14. Juni 2002 zugestellte Urteil hat der Beschädigte mit seiner am 11. Juli 2002 eingelegten Berufung angegriffen und weiterhin geltend gemacht, es seien zusätzliche Schädigungsfolgen und Verschlimmerungen anzuerkennen sowie eine MdE um 60 festzusetzen.

Der Rechtsstreit wird von der Witwe des Beschädigten, Anna S. (nachfolgend: Klägerin), die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, fortgesetzt.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 16. Mai 2002 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 25. Oktober 1996 in der Gestalt des Bescheides vom 13. Februar 1997 und des Widerspruchsbescheides vom 19. März 1998 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 8. Oktober 1992 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 26. April 1993 und 19. März 1998 als weitere Schädigungsfolgen einen "Herzschaden" und "Schädigung der Zähne 14 und 24" anzuerkennen und ihr ab 1. Januar 1991 eine Grundrente nach einer MdE um 50 vom 100 sowie ab 1. Juli 1996 nach einer MdE um 60 vom 100, jeweils unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen, zu zahlen.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die ausführlichen Sachermittlungen und hält im Übrigen das erstinstanzliche Urteil sowie seine Bescheide für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Gerichtsakte des Sozialgerichts Magdeburg (Az. S 11 V 30/93) mit nachfolgendem Berufungsverfahren (Az. L 5 V 25/94) verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte den Rechtsstreit gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit ausdrücklich einverstanden erklärt haben.

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Klägerin ist als Sonderrechtsnachfolgerin des verstorbenen Beschädigten gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil (SGB I) berechtigt, die erhobenen Ansprüche weiter geltend zu machen, weil sie auf laufende Geldleistungen gerichtet sind und im Falle des Obsiegens auch fällig wären.

Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Schädigungsfolgen oder Erhöhung der bereits festgestellten MdE zugunsten des verstorbenen Ehemannes. Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes oder des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes wegen Änderung der Verhältnisse zugunsten des Betroffenen im Sinne einer Verschlimmerung liegen jeweils nicht vor, weil das Versorgungsamt bzw. das Landesverwaltungsamt die Schädigungsfolgen zutreffend bezeichnet und die MdE der Höhe nach unter Berücksichtigung von Verschlimmerungsfolgen zutreffend festgestellt haben.

1. Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Anerkennung der geltend gemachten weiteren Schädigungsfolge "Herzschaden". Rechtsgrundlage für die Prüfung dieses Anspruchs ist § 1 Abs. 1 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung Versorgung, wer durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen oder militärähnlichen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Dem stehen nach § 1 Abs. 2 Buchst. a) BVG Schädigungen gleich, die durch eine Kriegsgefangenschaft herbeigeführt worden sind.

Die Anerkennung von Schädigungsfolgen setzt eine geschützte Tätigkeit, einen infolge der Verrichtung einer geschützten Tätigkeit eingetretenen schädigenden Vorgang, eine durch diesen verursachte unmittelbare gesundheitliche Schädigung (Primärschaden) sowie eine bleibende Gesundheitsstörung (Schädigungsfolge) voraus (BSG, Urt. vom 15. Dez. 1999, B 9 VS 2/98 R, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16). Diese anspruchsbegründenden Tatsachen müssen grundsätzlich durch Vollbeweis nachgewiesen sein (BSG, ebenda) und zwischen ihnen muss jeweils ein Kausalzusammenhang bestehen. Die haftungsbegründende Kausalität setzt einen Zusammenhang zwischen den schädigenden Einwirkungen und dem Primärschaden, die haftungsausfüllende Kausalität einen Zusammenhang zwischen Primärschaden und der verbliebenen Gesundheitsstörung voraus. Für das Vorliegen einer haftungsbegründenden sowie einer haftungsausfüllenden Kausalität genügt nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Diese ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung der medizinischen Erkenntnisse mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht. Die bloße Möglichkeit reicht nicht aus.

Nach Auswertung der vorhandenen medizinischen Unterlagen und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Herzschaden nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die durch die Bedingungen in der Kriegsgefangenschaft hervorgerufene Dystrophie (mit schweren Funktionsstörungen einhergehende pathologische Veränderung von Zellen, Geweben und Organen, z. B. durch Unterernährung, Mangelernährung, Eiweißmangel) zurückzuführen. Denn es steht anhand der vom Geschädigten vorgelegten Unterlagen fest, dass er nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft wegen Mangelernährung unter einem Eiweißmangel mit nachfolgender leichter Schwäche des Herzmuskels gelitten hatte. Dieser Herzmuskelschaden hat aber ausweislich der späteren Unterlagen (Bericht der Gemeinschaftspraxis Dres. F. vom 27. Februar 1957) in den folgenden Jahren nicht mehr vorgelegen, nachdem sich die gesundheitliche Verfassung des Beschädigten deutlich gebessert hatte und die Ärzte einen ausreichenden Allgemein- und Ernährungszustand festgestellt hatten. Auch 1973 (Bericht der Poliklinik O. vom 23. Januar 1973) und 1979 (Epikrise des Kreiskrankenhauses N. vom 22. Mai 1979) bestanden keine Hinweise auf einen Herzmuskelschaden. Die seit 1957 wiederholt festgestellte Angina pectoris-Problematik mit Herzbeschwerden steht nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. F. im Gutachten vom 13. April 1995 im Zusammenhang mit einem arteriosklerotisch bedingten Erkrankungsprozess. Dieser rein endogene Faktor ist mit dem früheren Eiweißmangelzustand und der darauf beruhenden vorübergehenden Herzmuskelschwäche nicht in Zusammenhang zu bringen. 2. Auch die vom Beschädigten geltend gemachten weiteren Zahnschäden sind nicht auf die Bedingungen in der Kriegsgefangenschaft zurückzuführen. Streitbefangen ist nur die Schädigung der Zähne 14 und 24, deren Anerkennung der Beschädigte in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht beantragt hat. Soweit er mit der Berufung geltend macht, es seien zusätzlich auch die Zähne 13 und 23 geschädigt worden, ist dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen, weil es von der Klage nicht umfasst und daher unzulässig ist. Aber auch bei den Zähnen 14 und 24 sind keine Schädigungsfolgen zu berücksichtigen. Die vom Beschädigten vertretene Ansicht, insoweit "handelt es sich um die weitere Schädigung über 50 Jahre infolge der losen Klammer", hat sich durch das vom Beklagten in Auftrag gegebene Gutachten des Prof. Dr. Dr. E. vom 7. Januar 1996 nicht bestätigen lassen. Der Senat darf dieses Gutachten als Urkundenbeweis gemäß § 202 SGG i.V.m. § 415 Zivilprozessordnung (ZPO) verwerten. Danach stand für den Sachverständigen als Schädigungsfolge lediglich der Verlust des rechten oberen seitlichen Schneidezahnes (Zahn 12) fest, während hinsichtlich der noch vorhandenen, aber überkronten Zähne 14 und 24 keine Schädigung zu erkennen gewesen sei. Der Senat hält diese Ausführungen auch unter Berücksichtigung des Zeitablaufs von fast 50 Jahren seit der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft für plausibel. Eine weitere Schädigungsfolge ist hinsichtlich der Zähne deshalb nicht anzuerkennen. 3. Auch eine Erhöhung der auf 40 festgesetzten MdE kommt nicht in Betracht.

Die Höhe der MdE ist hier auf der Grundlage des § 30 BVG in der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung des § 30 Abs. 1 BVG (Bekanntmachung vom 22. Jan. 1982, BGBl. I S. 21) zu ermitteln. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, wobei seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen waren (Satz 1). Für die Beurteilung ist maßgebend, um wie viel die Befähigung zur üblichen, auf Erwerb gerichteten Arbeit und deren Ausnutzung im wirtschaftlichen Leben durch die als Folgen einer Schädigung anerkannten Gesundheitsstörungen beeinträchtigt waren (Satz 2). Um bei der Beurteilung der MdE zu möglichst einheitlichen Ergebnissen zu kommen, sind die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (bzw. ab 2004 "Schwerbehindertenrecht – Teil 2 SGB IX") heranzuziehen. Diese Anhaltspunkte sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als vorweggenommene Sachverständigengutachten anzusehen, die in der Praxis wie Richtlinien für die ärztliche Gutachtertätigkeit wirken, deshalb normähnliche Auswirkungen haben und im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung in ihrer jeweiligen Fassung wie untergesetzliche Normen von den Gerichten anzuwenden sind (vgl. BSG, Urt. v. 9. April 1997 – 9 RVs 4/95SozR 3-3870 § 4 Nr. 19, S. 77; vom 18. Sept. 2003 – B 9 SB 3/02 RSozR 4-3250 § 69 Nr. 2, S. 10 ff.; jeweils m.w.N.). Im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum Tod des Beschädigten am 5. Mai 2005 sind die Anhaltspunkte in den Fassungen von 1996 und 2004 anzuwenden. Die hier heranzuziehenden Abschnitte der Anhaltspunkte stimmen in beiden Fassungen überein.

Unter Zugrundelegung der AHP ist die Schädigung der Wirbelsäule mit einer MdE um 40 vom 100 angemessen bewertet. Bei erworbenen Wirbelsäulenbeschwerden ist der GdB/MdE-Grad primär nach dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte zu bestimmen (AHP 2004, GdB/MdE-Tabelle, Nr. 26.18, S. 115 ff.). Ausweislich des vom Beklagten eingeholten Gutachtens des Dr. F. vom 9. April 1996, das der Senat ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwertet hat, litt der Beschädigte unter einer Funktionseinschränkung der Brust- und Lendenwirbelsäule bei Kompressionsbruch des 12. Brustwirbelkörpers mit leichter Schädigung des Plexus lumbosacralis. Damit waren funktionelle Beeinträchtigungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten (Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule) vorhanden, die es wegen der zusätzlichen Gefühlsstörungen und der leichten motorischen Schwäche des rechten Beines rechtfertigten, den Bewertungsrahmen einer MdE von 30 bis 40 bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten auszuschöpfen. Dies hat der Beklagte getan und mit Bescheid vom 19. März 1998 die MdE rückwirkend ab 1. Januar 1991 mit 40 bewertet. Eine noch höhere MdE kam für die Wirbelsäulenerkrankung nicht in Betracht. Denn erst bei besonders schweren Auswirkungen (z.B. Versteifung großer Teile der Wirbelsäule; anhaltende Ruhigstellung durch Rumpforthese, die drei Wirbelsäulenabschnitte umfasst; schwerer Skoliose) wird ein Bewertungsrahmen von 50 bis 70 eröffnet. So schwere Auswirkungen lagen hier aber ausweislich des Gutachtens von Dr. F. nicht vor, sodass die Festsetzung der MdE von 40 zutreffend war.

Mit den weiteren Schädigungsfolgen (Narben und Verlust eines Schneidezahnes) waren keine nennenswerten funktionellen Einschränkungen verbunden, sodass für sie keine Einzelgrade einer MdE von mindestens 10 festzustellen waren. Eine Gesamt-MdE war deshalb nicht zu bilden, sodass es bei der MdE von 40 für die - schädigungsbedingt verschlimmerten – Wirbelsäulenschäden verbleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved